Nachdem ich beim letzten Album v.a. die Produktion gelobt hatte, kann ich daran anknüpfend auch für das neue Album konstatieren, dass sie die guten Erfahrungen von „I’m your Saviour“ auch für „7“ genutzt haben. Und auch mit dem zweiten Pluspunkt des Vorgängers waren sie offensichtlich so zufrieden, dass sie es nicht geändert haben: Bei aller Abwechslung und Diversität der sieben neuen Songs haben sie eine klare Linie gefunden. Harte Gitarren wechseln sich mit melodischen Parts ab, versierte Soli vereinen sich mit markanten Hooklines und Refrains. Das ist melodischer Progressivrock, der ohne große Vergleichbarkeit auskommt, spieltechnisch grandios und musikalisch komplex, aber nicht verkopft. Das beginnt schon im Opener mit funkigem Bass und schwerer Härte, zwischenzeitlich unterbrochen von einem schnelleren Part und einem sphärischen Break, geht über den wiederholten Einsatz des Saxofons in „Love without creation“ und bringt in jedem weiteren Song eine andere Nuance mit hinein: Sehr kurzweilig und gut!
Die Schweden haben sich Classic 70s-Rock auf die Fahnen geschrieben und zocken den hier genauso zeitlos wie zeitgemäß runter. Dabei ist Sängerin Paulina Nyström anfangs noch etwas gewöhnungsbedürftig hoch, aber sehr agil und abwechslungsreich, so dass eine Gewöhnung nicht schwerfällt. Abwechslungsreich sind ihre Kollegen übrigens auch: Mal eher psychedelisch, mal Jam- und Blues-Rock-dominiert, dann auch mal Fleetwood Mac-like in 2:30 auf den Punkt gebracht oder auch progressiv-vertrackt und instrumental, die 9 Songs vom stimmungsvollen Opener bis zum abschließenden 13-Minuten-Instrumental-Spacetrip haben die Herren plus Dame alles drauf, was die 70er zwischen Pink Floyd, Yes, Doors und Jefferson Airplane ausgemacht haben. Saucool!
Na, da haben sich doch offensichtlich ein paar norwegische Lokalpatrioten aufgemacht, mit ihrem Label das Prog-Image des Landes ein wenig aufzupolieren. Nach Airbag, die mit jedem Album besser werden, kommt nun ein neuer Name aus dem Land der Trolle und majestätischen Fjorde. Wobei die Musik weder mit Airbag, noch mit Trollen oder Fjorden, bzw. dem Fantasy-Prog, den man damit in Verbindung bringen könnte, so richtig zu tun hat. Fatal Fusion stehen – trotz des unsäglichen Cover-Artworks! – mit allen Beinen fest auf dem Boden und vermischen das Beste aus Classic Rock, Hardrock, Space und Progressive Rock. Das erinnert abwechselnd an Purple und Zeppelin, Camel, Floyd und Ayreon und zelebriert die Sounds der 70er in aller Ausführlichkeit. Soll heißen: Gerade mal 5 Tracks passen auf das knapp 70-minütige Album, drei davon sind über 14 Minuten lang! Highlight sind dabei die epischen Gitarrensoli, gerne auch abgelöst von ein paar Vintage-Orgelsoli, fein fein! Zunächst ist das ist nicht mal so unbedingt meine musikalische Baustelle, geschieht hier aber mit so viel Liebe, Enthusiasmus und Abwechslung, dass man das schlecht ignorieren kann!
In Zeiten, in denen Reunions auch schon mal zu peinlichen, aus den Fugen geratenen Altherren-Tanztees mutieren oder auch aus weltlichen Gründen nicht mehr in Originalbesetzungen stattfinden (können), darf man auch schon mal zu den Klassikern greifen. Im Jahr 1984 kam es zum Comeback der legendären Mark-II-Besetzung von Deep Purple mit Ritchie Blackmore, Ian Gillan, Roger Glover, Jon Lord und Ian Paice, die seit 1973 nicht mehr zusammen gespielt hatten. Sie nahmen „Perfect Strangers” auf und gingen anschließend auf Tournee. Diese Show in Melbourne ist die einzige vollständige Aufnahme davon und zeigt die Musiker in absoluter Höchstform. Im Set sind neue Songs von „Perfect Strangers” und die frühen Highlights von „Highway Star” über „Child In Time” bis zum Grande Finale „Smoke On The Water”. Die Plattenfirma nennt es wahrscheinlich korrekterweise „eines der stärksten Deep Purple-Konzerte, die jemals gefilmt wurden“, und dem möchte ich nicht widersprechen.
Bevor ich die erste DVD der Kanadier gesehen habe, fragte ich mich immer, wie sie ihren Komplexsound in aller Fülle mit gerade mal drei Leuten live auf die Bühne bekommen. Nun ist dieses nicht die erste Rush-DVD, die ich sehe, und ich bin längst überzeugt davon, dass sie keine übertriebenen Samples und andere Tools brauchen, um auch live genauso druckvoll und vielschichtig zu agieren. Um genauer zu sein: Sie haben in den letzten Jahren einiges an Konzerten in dieser Art veröffentlicht. Das neue Doppelpack zeigt etwas ganz anderes! Dass sie nämlich nicht nur zu dritt bestehen können, sondern auch mal das Experiment mit einem 8-köpfigen Streicherensemble wagen. Die erweitern die leicht veränderten Arrangements der Songs im zweiten Set, welches sich in erster Linie auf Songs des aktuellen Albums "Clockwork Angels" konzentriert. Set 1 und die Zugaben bringen dann die restlichen Klassiker der Band ins Spiel, so dass auch diesen Mal an Nichts fehlt. Dass auf zwei DVDs noch Extras wie Soundchecks, Outtakes, Interviews und witzige Tourfilme passen, kann man sich denken und gehört bei Rush-Veröffentlichungen ohnehin zum Gesamtpaket. Sie haben’s einfach drauf :-) .
Und
noch eine neue Produktion aus der polnischen DVD-Schmiede No. 1 (siehe
auch RPWL). Auch Clive Nolan konnte nicht anders, als die idealen
Bedingungen bei unseren östlichen Nachbarn zu nutzen – auch
wenn das bedeutete, das komplette Ensemble rüberzuschiffen: Tracy
Hitchings, Andy Sears, Paul Manzi, Damian Wilson und natürlich die
tolle Agnieszka Swita.
Über das Album und seine Story zu referieren würde an
dieser Stelle etwas zu weit führen, deshalb hier nur mein
Eindruck von der Live-Version. Musikalisch und stimmlich müssen
hier keinerlei Abstriche gemacht werden, natürlich bleibt man nah
am Original, aber die Musiker sind allesamt Profi genug, um auch in der
Live-Situation keine Schwächen zu zeigen. Was die DVD der CD also
voraus hat, ist eine theatralisch gespielte Umsetzung der Story auf der
Bühne. Das macht schon einiges klarer! Es dauert eine Weile, bis
die Geschichte (musikalisch) in Fahrt kommt, so wie es ein paar
Durchgänge braucht, bis man einzelne Songs hervorheben kann, aber
es ist unbestritten, dass es hier einige Highlights gibt – wie
Clive zitiert wird „zwischen Phantom der Oper und Indiana
Jones“. Es ist ein Musical (bei dem die Musik immer im
Vordergrund steht), es ist in mancher Hinsicht eine typische Mr.
Clive-Pendragon/Arena/Caamora-Nolan-Produktion, sprich es hat jede
Menge bombastische (Prog-Rock-)Elemente – und es ist ein
unglaublich ambitioniertes Projekt. Das sollte man gesehen /
gehört haben!
Was macht man, wenn plötzlich alles anders ist? Wenn aus dem kleinen, rebellischen Indie-Rock-Projekt über Nacht eine der angesagtesten Deutschen Radio-Rock-Bands wird? Kann man das ignorieren? Will man überhaupt noch zurück zum alten, früher dominierenden Sound? Antwort: Das Naheliegendste – ab in den Kommerz? Oder das Rebellische? Jetzt erst recht (rocken)? Oder wie der Albumtitel vorschlägt: Das Gegenteil von allem? Sich neu definieren? Wohl kaum. Im Anbetracht dieser möglichen Gedankenspiele kann man, glaube ich, konstatieren, dass sich Jupiter Jones vergleichsweise wenig geändert haben. Sie rocken munter drauflos, hier und da etwas gemäßigter – und v.a. radiofreundlicher!, wie in den potentiellen Hitsingles „Rennen + stolpern“, „Zuckerwasser“ und „Alles was ich weiß“, aber ganz unbekannt war ihnen dieses Terrain früher auch nicht. Daneben sind auch ein paar Rock-Highlights dabei („4-9-6 Millionen“, „Glücklich“, „Momentaufnahme“ und insgesamt bewegen sich die Songs auf hohem Niveau. Zudem schaffen sie es fast, ohne Ballade auszukommen! Im Endeffekt ist das Album also in erster Linie das Gegenteil von allen, bzw. den meisten möglichen negativen Erwartungen. Glückwunsch!
Da
hatte man befürchten können, dass die New Yorker mit dem
Abschied von Drummer Mike Portnoy einen wichtigen Teil ihrer
Identität verlieren würde. Aber dann steigt ausgerechnet der
(nach Insideraussagen) beste (und nach Messungen schnellste) Drummer
der Welt bei ihnen ein, womit die spieltechnische Sorge schon mal
gelöst war. Ihr Album erstes gemeinsames Album „A Dramatic
Turn of Events“ bewies dann, dass auch kompositorisch alles beim
Alten geblieben war: Das Album ist komplex, begeistert mit irrwitzigen
Instrumentalpassagen in einem und mit bombastisch melodischen Songs im
anderen Moment, inkorporiert auf 77 Minuten alle bekannten und
liebgewonnenen Zutaten der Band und hält das
Championsleague-Niveau der letzten Alben. Mittlerweile gibt es schon
einen Nachfolger, der hält sogar ein paar Änderungen parat,
also alles im grünen Bereich. Zwischendurch gab’s eine
gigantische Welttournee, deren Live-Zeugnis nun vorliegt. Und auch
diese Doppel-DVD (bzw. vergleichbare weitere Formate) ist nicht weniger
als das ultimative Package. Alle Songs des o.g. Albums und diverse
Klassiker – es ist eine Freude, den Instrumentalisten aus dieser
Nähe auf die Finger schauen zu können! 26 Songs in
unfassbaren 5 Stunden, das dürfte Euch (und mich) eine Weile
beschäftigt halten.
Witzig sind die kurzen Filmeinspieler, bei denen ich mich frage, ob das
Publikum die während des Konzerts auch gesehen hat, oder ob das
nur nachträglich eingefügte Spielereien der DVD sind.
Ungewöhnlich ist eigentlich nur der Zeitpunkt der VÖ –
NACH dem neuen Album… aber stören kann das eigentlich auch
niemanden ernsthaft, oder? Besonders bemerkenswert ist indes, wie
persönlich und emotional die Jungs das Konzert gestalten. Hier
wirkt nichts einstudiert oder runtergespult, sondern jede Geste ist
echt. Und das ist schon etwas Besonderes! Was für ein
Konzert…
Die Skandinavischen Pink Floyd sind zurück. Nachdem sie mit ihrem Debüt erst einmal ihre ‘Identity’ (2009) präsentierten, die damals aber noch eher ruhig und verhalten ausfiel, zeigten sie sich stark aufgefrischt 2011 mit ‘All Rights Removed’: Mit ganz neuem Qualitäts- und Anspruchslevel konnte das Album die Norweger manches Mal in (stilistisch durchaus benachbarte) RPWL-Regionen heben. Entsprechend höher sind nun die Erwartungen an ihr drittes Album – und ’The Greatest Show on Earth’ hält durchaus, was der Titel verspricht. 18 Monate haben sie dran gebastelt und die fünf(einhalb) Songs ergeben in der Tat zum Jahresende noch einmal ein Poll-relevantes Meisterwerk. Dem Intro folgt eine gekonnte Mischung aus „kürzeren“ Epen zwischen 5 und 7 Minuten und zwei Longtrack von 11 und knapp 17 Minuten, es dürfte also klar sein, wohin die musikalische Reise geht. Die Pink Floyd Referenzen bleiben erhalten, ohne negativ ins Gewicht zu fallen, Atmosphäre wird ganz groß geschrieben, ist aber nicht alles. Vereinzelt wird es auch durchaus rauher und auch härter, moderner, so dass die Plattenfirma durchaus berechtigterweise auch Namen wie Blackfield, Porcupine Tree und Anathema ins Spiel bringt. Hammer! www.airbagsound.com
Er ist schon eine Weile unterwegs, erst mit der Philadelphia-Punk-Legende The Loved Ones, seit 2011 auch als Solokünstler. "Devour" sollte zunächst das dritte Bandalbum werden, doch während des Schreibens an den Songs stellte hause nicht nur fest, dass die Band sich festgefahren hatte, sondern auch dass die Songs zu sehr zum Leben des Sängers passten, ja schon autobiografischen Charakter hatten. Also bildeten sie das Material für sein zweites Soloalbum. Entsprechend authentisch ist das Album ausgefallen. Hause hat die passende Stimme für seinen Hemdsärmel-Rock zwischen Springsteen, Brandos, Jackson Browne & The Hooters. Seine Songs sind hier und da etwas arg plakativ - aber das deuten die o.g. Namen ja schon an - die können genau das nämlich auch genauso gut. Der eine oder andere Kracher könnte ihm glatt einen Hit bescheren... (am 21.11. live in Bremen!)
Sie
gehören zu den Begründern einer neuen Szene. Mit ihrem
Debütalbum „Ten“ etablierten sie den Alternative Rock
auf der musikalischen Landkarte und sich selbst als Referenzband dieser
Musikrichtung – sowie als Top-Seller: 60 Millionen Alben haben
sie mittlerweile absetzen können. „Lightning Bolt” ist
ihr zehntes Studioalbum, das nach vier Jahren Albumpause erneut mit
Spannung erwartet wurde. Wohin geht die Reise 2013? Dass sie nicht mehr
die Hochenergierocker der Anfangstage sind, bzw. sein wollen, haben sie
mit den letzten VÖs schon klar gestellt, „Lightning
Bolt“ darf trotzdem als das gemäßigtste Bandalbum
bezeichnet werden. Von ein paar Krachern in alter Rock-Manier
abgesehen, ist dies schon fast ein Alterswerk, beginnend mit dem
Blues-Rocker „Getaway“ und endend mit der zartesten
Versuchung, seit es Seattle-Grunge gibt: „Future Days“.
Nicht, dass die Songs nicht gut wären! Mit dem rockenden Titelsong
oder „My father’s son“, genauso wie dem balladesken
„Sirens“ oder den hittigen „Infallible“ oder
„Swallowed Whole“ wird jeder mitgewachsene Pearl Jam Fan
gut finden – wie auch Millionen weiterer Hörer zwischen REM
und U2.
Ganz im Gegensatz dazu einer ihrer Erben: Alter Bridge. Sie sind die
freudige Überraschung der Trennung Creeds von Sänger Scott
Stapp 2004, die ganz
Zauberlehrling-like für eine Potenzierung des Outputs sorgte. Denn
neben Stapp solo suchte sich der Rest der Band Myles Kennedy und
komponierte fleißig weiter – und nach der Reunion von Creed
2009 waren es sogar plötzlich drei!
Drei Alben lang gab’S von A.B. genau das, wofür seine
Bandmitglieder bereits mit Creed standen, nämlich die crunchigere
Seite des U.S. Alternative Rocks, gerne garniert mit fetten Hymnen und
erfolgreichen Balladen. Album Nummer vier schlägt eine neue
Härte an. Zwar gibt es weiterhin feine technische Spielereien, wie
das Album auch überraschend filigran beginnt, und mit „Peace
is broken“, „Calm the Fire“ und „Waters
Rising“ sind auch wieder grandiose Hymnen vertreten, sogar zwei, drei Songs, die zumindest balladesk beginnen, aber
insgesamt beherrscht das Brett den Sound. Und so steht am Ende der Hörer vor der Frage, ob er den
Seattle-Rock in seiner ursprünglichen Form bevorzugt, oder ob er
es mit seiner Geschichte in die Jahre gekommen gerne auch mal etwas
ruhiger angehen lässt.
Es
ist nicht ganz leicht, Superlative zu finden für diese VÖ. Es
ist nicht gerade die erste Live-Einspielung der Münchener
Art-Rocker. Es ist nicht einmal die erste DVD, die vom professionellen
Team von Metal Mind Productions betreut wurde. Für fast 200
Veröffentlichungen haben die in den letzten Jahren verantwortlich
gezeichnet, so auch die tolle „the rpwl’s experience“
DVD 2009. Und wie man es schon „gewohnt“ ist, wird auch
„A show beyond man and time“ in punkto Sound, Licht und
Schnitt allen Wünschen und Anforderungen absolut gerecht.
Die Show, die Anfang 2013 in Kattowice aufgenommen wurde, war die
letzte ihrer Tournee zu ihrem 2012er Studioalbum, ihrem ersten
Konzeptalbum: Die Reise durch die Welt außerhalb von Platons
Höhle. Entsprechend der Thematik des Albums stellt Sänger
Yogi Lang nicht nur die Hauptpersonen dar, er spielt die verschiedenen
Charaktere mit bemerkenswertem schauspielerischen Geschick.
Kostüme, Beleuchtung u.ä. Extras erinnern dabei abwechselnd
an Gabriel-Genesis und Nicholls-IQ – Yogi reiht sich problemlos
ein in diese Liste; ganz großes Kompliment! Womit auch die Frage
beantwortet wäre, warum es eine Live-DVD gibt, die zu 90% aus den
Songs des letzten Albums besteht. Einem Albummonument, für das es
nicht vermessen ist, eine solche Veröffentlichung zur erneuten
Würdigung nachzuschieben. Abgesehen davon, dass das Album von 73
auf knapp 90 Minuten verlängert wurde (u.a. musste, wie Kalle
Wallner im Bonus-Interview verrät, der Track „Somewhere in
Between“ in der Albumversion gekürzt werden, hier
gibt’s ihn in der Komplettversion), gibt’s eine sehenswerte
Performance von allen Beteiligten und den Bonustrack
„Roses“ noch obendrein. Der wird übrigens einmal mehr
von Gastsänger Ray Wilson gesungen, der am selben Tag ohnehin das
„Vorprogramm“ bestritten hatte. Sehr sehens- und
hörenswert!
Wow, so habe ich die zierliche Holländerin noch nicht gehört. Nicht dass sie nicht schon Rock in härterer Gangart begleitet hätte, immerhin war sie bei The Gathering noch in deren tiefster Metal-Verwurzeltheit eingestiegen (bevor sie zwischenzeitlich zum TripHop konvertiert waren). Aber während sie auf (den mir bekannten) früheren Alben (und erst recht Soloalben) immer eher das zarte hohe Stimmchen war, rockt sie hier mit voller Inbrunst und erinnert bisweilen an Alanis Morissette in ihren besten Phasen. Womit wir bei einem Vergleich wären, der auch den Songs nicht schlecht steht. Und das, mit Verlaub, hatte ich Anneke so gar nicht (mehr?) zugetraut. Dabei ist es sogar schwer, einzelne Highlights heraus zu picken, weil das ganze Album wie aus einem Guss ist. Das könnte man gleichzeitig als (fast) einzigen Kritikpunkt anbringen, wiegt aber bei der Qualität der Songs nicht sonderlich schwer. Also mir gefällt‘s!
Als
indirekte Nachfolger von Sieges Even fehlte ihnen der Newcomerbonus von
Bands wie Sylvan oder RPWL, aber mit großartigen Alben in
konstanter Regelmäßigkeit haben sie es längst in die
Spitzengruppe derselben Liga geschafft – sprich: Die
Münchener gehören zu den Top Bands der deutschen Progszene.
Ihre Songs strotzen vor Musikalität und Melodiösität,
Komplexität ohne Nervfaktor, Bombast ohne Schmalz, sind schmissig
ohne simpel zu sein. Der Song und die gute Hookline stehen im
Vordergrund, den Rest besorgt der offensichtlich vorhandene gute
Geschmack
Das erinnert ein wenig an die 90125-Yes, an Asia ohne Theatralik, an
Enchant in besten Tagen oder an Everon mit kompakteren Songs –
Ausnahmen bestätigen die Regel, denn auch Subsignal können
Songs wahlweise 4:30 oder auch bis zu 8 Minuten lang schreiben. Und
beide Seiten tragen zum Abwechslungsreichtum dieses Albums bei, genauso
wie das Duett mit der von Ayreons Sideproject Stream of Passion
bekannten Sängerin Marcela Bovio in „The Blueprint of
Winter“. Dieses Album dürfte den bisherigen Triumphzug bei
Fans und Kritikern fortsetzen. Grandios!
Laut wie Liebe? Ein Bild, das vielleicht nicht jeder auf Anhieb wechseln kann. Und das auch durch den Titelsong ("we are loud like love") nicht klarer wird. Weniger verwirrend die musikalischen Bilder, die die Briten auf ihrem neuen Album verwenden. Der Linie ihres grandiosen Vorgängers "Battle of the Sun" folgend, lassen sie einen Reigen an Hits vom Stapel. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Wie schon auf "Battle.." (und auch der zwischenzeitlich veröffentlichten EP) haben Placebo das meiste ihrer Sperrigkeit und Indie-Weirdness abgelegt, werden stattdessen, wie in "Too many Friends" oder "A Million Little" richtig Pop-affin und glänzen mit einer immer noch sehr eigenen, aber längst massenkompatiblen Version ihres Sounds. Diese Veränderungen kamen so behutsam und stetig, dass sie kaum einen Fan verschrecken, geschweige denn verwundern werden. Und sie machen Placebo zu einem der größten Acts von der Insel. Dazu trägt auch das neue Album bei! Sensationen oder neue Quantensprünge sind trotz neuer Klassiker wie "Begin the End" oder dem tollen, epischen Finale "Bosco" von dem Album indes nicht zu erwarten. Aber das fehlt gar nicht.
Und
wieder einmal Ted Leonard auf Abwegen? Da war bereits 2012 zur VÖ
des Affector-Debüts „Harmagedon“ zu lesen, dass ein
neues Enchant Album in Arbeit sei, nebenbei war Leonard noch bei Spocks
Beard eingestiegen – und nun erscheint mit
„Psykerion“ noch ein zweites Thought Chamber Album, bevor
seine ursprüngliche Formation wieder ins Rampenlicht
zurückkehrt. Leider ist seit 4/2012 auch auf der Enchant Seite
nichts passiert. Alter Stahnd: Deal mit I/O, Album ist in Arbeit.
Aber Thought Chamber ist mehr als ein Lückenfüller! Bereits
ihr Debüt „Angular perceptions” (2007) war –
nicht nur von den Medien – bestens aufgenommen worden. Basierend
auf dem Songmaterial, das Gitarrist Michael Harris über Jahre
zusammengetragen hatte war es eine Mischung aus Prog (mit Kansas- und
Enchant-Parallelen) und Metal zwischen Malmsteen, Dream Theater und
Italo-Bombast. Für sein neues Album hatte Harris
offensichtlich sein Team wesentlich genauer im Fokus und spann ein
futuristisches Konzeptalbum zwischen Sci-Fi und menschlicher
Tragödie. 16 Songs sind dabei herausgekommen und die sind voller
Ideen und abwechslungsreicher Einflüsse. Die beschreibt Harris,
selbst Sohn eines Jazzmusikers, als sehr breit gesteckt, von Kansas
über Yes, ELP und Purple zu Tull, King Crimson und Al DiMeola.
Entsprechend deckt das das Album das komplette Spektrum von Metal
über ausgedehnte und ausgefeilte Instrumentalpassagen,
Akustikeinlagen und Jazz-Elemente bis zum Bombastsound alles ab, was
der geneigte Prog-Hörer mag. Weswegen ich dieses Album nur
wärmstens empfehlen kann. Zu entdecken gibt es jede Menge, so dass
es immer wieder spannend ist, nervig wird’s an keiner Stelle.
Top!
Zunächst nur als Bonus Disc der „So25 Deluxe Edition“ erschienen, gibt es dieses Konzerthighlight, das 25 Jahre nur als gekürztes „PoV“-Video erhältlich war, nun auch endlich als „Solo-“DVD! Und dann auch gleich als Komplettpaket – mit Youssou N’Dour Supportshow und Bonus Disc! Komplette 2 Stunden lang singt, tanzt und schauspielert er sich durch eine grandiose Setlist – ein Gabriel Konzert war schon immer mehr als nur eine Sammlung guter Songs. Er zelebriert seine Songs, er liebt und lebt seine Songs und teilt seine Begeisterung mit seinen Fans – gerne auch in teilweise wunderbar ausufernd verlängerten Versionen. Die PoV-Video-Version wurde nicht nur um fehlende Songs erweitert und um störende Zwischeneinblendungen reduziert – so dass aus dem „Film“ ein echtes Konzertvideo wurde. Es gibt sogar noch eine ganze Bonus DVD: Die zuletzt als „Play“ veröffentlichte Hit-Sammlung mit insgesamt 23 Videos aus der gesamten Karriere Gabriels!!
Während ich anfangs noch sprachlos bin ob ihrer umwerfenden Musikalität und Virtuosität, frage ich mich zunächst, ob die nicht mal härter, sprich ProgMetallischer waren. Stattdessen beginnt das neue, dritte offizielle Album der Londoner erstaunlich "soft" - und damit genau richtig! :-) Allen, die von dieser Beschreibung eher enttäuscht sind, sei aber gesagt, dass auch das neue Album im weiteren Verlauf dann doch auch wieder harte Töne anschlägt. Genau genommen wechseln sie immer wieder die Stimmungen, geben sich grandios abwechslungsreich, melodisch und immer wieder überraschend. Die härteren, anspruchsvolleren und komplexeren, gerne auch frickeligeren Passagen sind dabei genial kontrastiert durch den melodischen, manchmal fast melancholischen Gesang, der bei Bedarf allerdings auch gerne mal umschlagen kann in aggressivere Töne. Das erinnert mal an Dream Theater, mal an Porcupine Tree und ist vor alem in den Longtracks "Atlas Stone", "Pareidolia" und dem epischen Finale "Somebody" schlichtweg große und grandiose Handwerkskunst, aber vielleicht gerade deswegen dann doch eher für Kenner.
Ihr Vorgängeralbum „Sound Awake“ war ein Meisterstück zwischen Alternative und Progressive Rock - eine Mischung also, die für Viele lange Zeit als unvereinbar galt. Ihr Feuerwerk an Musikalität und Einfallsreichtum, Genie und Harmonie indes war der beste Beweis, dass diese Kombination keiner Kompromisse bedarf. Die wiederholt eingesetzten Heavygitarren konnten zwar ihre Musik kernig, spannend und abwechslungsreich halten, zeigten aber auch, dass benachbarte Extreme in greifbarer Nähe sind. Für ihr neues Album haben Karnivool an ihrem Sound gefeilt - natürlich hat eine progressive Band wie die Australier den eigenen Anspruch, sich weiterzuentwickeln und sich neues Terrain zu erschließen. Und das bedeutet im Fall von „Asymmetry“, dass es auch mal heftig scheppern darf. Trotzdem sorgen allzeit präsente Breaks und Melodikeinschübe immer für die richtige Harmonie und Abwechslung. Der Newcomerbonus ist aufgebraucht, die Erwartungen nach dem letzten Kunstwerk entsprechend höher, weswegen mein Fazit etwas weniger euphorisch ausfällt als beim Vorgänger. Das gesagt sollte jedem klar sein, dass wir uns hier auf einem musikalischen und kompositorischen Niveau bewegen, von dem die meisten anderen Bands nur träumen können.
Slut
waren mal ne Indie-Rock-Band. So wie Radiohead auch mal eine waren.
Womit wir diesen Vergleich gleich im zweiten Satz untergebracht haben,
denn er ist spätestens beim aktuellen Album der Süddeutschen
schwer vermeidbar. Indie-Rock kann schwer stigmatisierend sein. So wie
die Rockschiene an sich schon irgendwann zu starr werden kann. Also
versucht man verschiedene Ansätze, experimentiert mal mehr, mal
weniger mit verschiedenen Sounds, ist mal mehr Pop, mal mehr
Elektronik, dann wieder mehr Rock und bleibt immer überraschend
und spannend. Slut veröffentlichen ihre ersten Alben in
Eigenregie, bis sie bei Virgin landen. 2005 vertonen sie Weills und
Brechts Dreigroschenoper für eine Inszenierung des Theaters
Ingolstadt neu; wegen rechtlicher Probleme darf die Arbeit nicht als CD
erscheinen. Dafür erarbeiten sie mit Juli Zeh 2009/10 die
Theaterstück-&Konzert-Tournee „Corpus Delicti“.
Mittlerweile sind sie bei Cargo Records.
Für ihr neues Album haben sie versucht, ihre vielen verschiedenen
Ansätze ihrer musikalischen Biografie zu vereinen, haben die
fünf verschiedenen Produzenten ihrer Vergangenheit für die
verschiedenen Songs auf einem Album vereint. Entsprechend
vielschichtig, aber keineswegs überfrachtet ist ihr siebtes Werk.
Sie kombinieren in ihren Songs gekonnt künstlerische Tiefe und
Eingängigkeit. Nicht jeder Song ist ein Hit, aber es sind durchaus
Kandidaten dabei, dafür dürften schon die verschiedenen
Produzenten (Tobias Levin, Olaf O.P.A.L., Tobias Siebert, Mario Thaler
und Oliver Zülch) gesorgt haben.
Ein
neuer Name am britischen Prog-Himmel… wäre die `Sun´
auf Prog, sie würden „the next big thing“ prophezeien.
Aber im Prog backen wir kleinere Brötchen, dafür ist die
Musik umso größer. Machine ist die neue Band um Gitarrist
und Sänger Luke Machin, der, wenn man ein CD-Booklet nach
Bandmitgliedern durchliest, uns zunächst bei Tangent begegnet sein
könnte, Da war er nämlich drei Jahre lang – die
englische Wiki-Seite führt ihn (und einen seiner Mitstreiter, Dan
Mash) sogar noch in der aktuellen Besetzung, die deutsche Seite kennt
ihn dafür gar nicht…. Nebenbei, sagt er, hat er bereits mit
Leuten wie Francis Dunnery, Robert Plant, Bernie Marsden und Jeff Beck
gearbeitet, bzw. die Bühne geteilt. Von „Newcomer“
kann also nur noch bedingt die Rede sein.
Seit drei Jahren arbeitet er an seinem eigenen Projekt und legt nun
sein Debütalbum vor. An der Seite von Mash, der attraktiven
Keyboarderin Georgia Lewis (die auch ein paar feine Duett-Vocals
beisteuert), sowie Elliott Fuller (g) und James Stewart (dr) legt er
hier ein Album vor, das Elemente von Bands wie Tangent, It Bites,
Demians, Porcupine Tree auf sehr gute und eigenständige Art
vereint. Bands, die er auf seiner Seite neben weiteren Namen wie Pain
of Salvation, Dream Theater oder Opeth sowie diversen Gitarristen als
seine Einflüsse nennt. Diese härtere Seite kommt vor, u.a. im
extrem vielseitigen Opener „The Fallen“, spielt insgesamt
aber keine übergeordnetere Rolle. Wobei man eine solche Rolle kaum
einer bestimmten Richtung zuschreiben möchte, denn Machine bleiben
durchgehend vielseitig, baut hier mal ein klassisches Zitat ein, da
südamerikanisches Flair – sehr spannend, sehr
eigenständig und sehr gut! Von dieser Formation dürfte man
noch einiges hören!
Mit seinem sechsten Album “Comm” führte Andy Tillison wieder zu den Songgrößen des Debüts, mit dem er alle überrascht und weggeblasen hatte. Er kann‘s noch, das hat er nur kurz bewiesen. Und um nicht in die Transatlantic-Falle zu tapsen und auf einen Sound festgenagelt werden zu können, macht er zwischendurch eben ganz andere Sachen, die vielleicht nicht sofort genauso zünden, künstlerisch aber mindestens genauso anspruchsvoll sind. Das dürfte bislang sein Ansatz gewesen sein, und das scheint auch der Ansatz für sein neues Album, für das er sich explizit überlegt hat, was es dieses Mal sein darf.
Manche könnten ihn für größenwahnsinnig halten, andere sehen, dass dieser Mann schlicht Visionen hat – und daran interessiert, dass seine Band sowohl interessant als auch populär bleibt. „Le Sacre Du Travail” ist ein Konzeptalbum mit den orchestralen Suiten von Bands wie Camel oder Deep Purple im Hinterkopf, allerdings zeitgemäß instrumentiert in typischer Tangent Manier. Die musikalische Bandbreite reicht von Prog über Blues bis Jazz, aber auch das ist genauso wenig neu für das Tangent-Universum wie die manchmal Soundtrackhaftigkeit ihrer Musik. Kurz: Niemand wird ernsthaft überrascht, geschweige denn verstört sein vom neuen Album und doch springen einen die Songs nicht sofort genauso an, wie die von bspw. „Comm“. Andy Tillison hat sich ein eigenes, neues Konzept für die Fortsetzung seiner Erfolgsstory überlegt. Ein sehr progressiver Gedanke!
Neuer Gitarrist, neuer Keyboarder, neuer Drive! Sie haben das Poltern abgelegt und legen ihre ausgefeilteste, erwachsenste und beste Songsammlung vor! Fetter, epischer; mehr Rock, weniger Elektronik, mehr Stadion, gesangsorientierter, auf ihrem 4. Album spielen die Briten endlich ihre Trümpfe richtig aus. Und dazu gehört zum Beispiel die Stimme ihres Sängers, Tom Smith, deren Qualität mir interessanterweise nicht auf einem der Vorgängeralben bewusst wurde, sondern in einer Coverversion: Walk on the Wild Side auf dem Buena Vista Social Club Ableger „Rhythms Del Mundo“ (Classics). Das (fast) nur am Rande. Auf ihrem neuen Album haben sie es jedenfalls geschafft, diese Qualitäten auch einzufangen… Top! Ein Meilenstein auf ihrem, da bin ich mir sicher, Weg nach ganz oben.
Der Titel verwirrt, denn der ex-Commotions-Frontmann mit der Samtstimme liefert auf seinem neuen Album weder Coverversionen ab (was dann v.a. im Jazz & Blues gerne als Standards bezeichnet wird), noch die von ihm bekannte Standardkost! Zumindest, wenn man den Sound seiner letzten Alben als seinen Standard bezeichnen möchte. Denn während er da in erster Linie akustische Singer/Songwriter-Songs geboten hat, ist „Standards“ ein richtiges Bandalbum geworden. In (kleinen) Teilen fast ein Rockalbum, „oder zumindest eine Pop-Platte mit einer Rockband“, wie er selber sagt. Die Band besteht aus den beiden alten Wegbegleitern Fred Maher (Drums) und Matthew Sweet (Bass) sowie vielen weiteren Gästen, wie Joan (As Police Woman) Wasser (Piano, Backing Vocals), Mark Schwaber, Matt Cullen und Lloyds Sohn Will an der Gitarre, außerdem Commotions-Keyboarder Blair Cowan, Percussionist Michael Wyzik und Dave Derby (Backing Vocals). Die Plattenfirma bejubelt `das Beste, was Lloyd seit dem bahnbrechenden Debüt mit seiner Band The Commotions („Rattlesnakes“, 1984) aufgenommen hat´. Soweit würde ich noch nicht gehen, aber es gibt hier einige Songs, die diesen Gedanken nachvollziehbar machen. „Women’s Studies“ und „Period Piece“ könnten locker vom genannten Album stammen und daneben gibt es noch mehr Songs, die sich wohltuend von seinem „alten Standard“-sound abheben. Was schon fast das beste denkbare Ergebnis ist, das man sich von einem Lloyd Cole-Album vorstellen kann.
Es ist bereits das vierte Album der Schweden John Engelbert (Gesang, Gitarre) und Oskar „Ossi“ Bonde (Schlagzeug), aber wer meint, das Duo zu kennen, unterschätzt ihr musikalisches Potential. Abgesehen davon, dass der Rockfaktor noch nie so groß war, wie auf dem neuen Album, auch die Songs waren noch nie so zündend! Soll heißen, sie haben ein tolle Balance aus Pop und Rock gefunden und haben hier echte Hits am Start. Könnte am neuen Ansatz liegen: Die Aufnahmen fanden im Rixmixningsverket-Studio von ABBA-Legende Benny Andersson in Stockholm statt, zur Unterstützung ihres Sounds holten sie Streicher ins Studio und mit Björn Yttling (Lyyke Li, Primal Scream, Shout Out Louds u.a.) und Pontus Winnberg (Miike Snow) baten sie um prominente Schützenhilfe. Aber was soll man sagen? Es hat gewirkt. Das Album ist eigenständig, abwechslungsreich und ohne Schwächen. Also alles richtig gemacht!
ProgRock? NewArtRock? Die Plattenfirma macht mit der Bezeichnung Post-Progressive eine relativ neue Schublade auf, die mit Vergleichen zu Bands wie Porcupine Tree, Riverside oder Pineapple Thief für viele Genre-Fans wohl schon etwas deutlicher wird. Mastermind Richard Thompson ist manchen bekannt als Sänger der Metal-Band Xerath, die mit ihrem „Djent“ Sound v.a. Fans von Bands wie Dimmu Borgir oder Opeth auf ihrer Seite hatten. Was er nun mit The Custodian vorlegt hat mit dem Extrem-Sound seiner Vorgänger-Formation relativ wenig zu tun. „Necessary Wasted Time” spielt mit viel Atmosphäre und Akustikgitarre zwischen den elektrischen Gitarrensounds (die nur hin und wieder etwas kräftiger werden dürfen), baut 70s-Reminiszenzen und ausufernde Instrumental-Songs und –Passagen mit ein. Das erinnert mal an Jadis, mal an Frost, mal an die o.g. Bands und bleibt doch durchweg eigenständig. Wirklich neu ist daran nichts, wirklich spannend ist auch wenig, dafür geht Thompson nicht genügend in die Tiefe, aber ein abwechslungsreiches Album für Fans der genannten Bands ist‘s allemal!
Ich hatte ja schon an anderer Stelle mein Unverständnis darüber geäußert, wie man als Band so manch grandiose Songidee im Regen stehen lassen kann, indem man ihm den abrundenden Gesang vorenthält (d.h. ich hatte es bislang nicht unbedingt so formuliert, aber so sehe ich das). Sprich: Warum ein Instrumentalalbum, wenn man sonst gesund ist? Ich frage mich dann z.B., ob es wohl Fans gibt, die nach einem Konzert die Tracklist herunterbeten könnten... ja, die einzelnen Songs im Live-Kontext überhaupt so richtig unterscheiden... naja, lassen wir das jetzt. LDC waren so eine dieser Bands, denen die Problematik offensichtlich insoweit schwante, als sie auf jedem Album für jeweils einen Song einen hörenswerten Gastsänger an Bord holten, um zumindest einem Song ein (radiotaugliches?) Gewicht zu geben. Eine Band, deren Kompositionen einen (mich) hin und wieder durchaus fast in (also auf) die Knie zwingen konnten, bei denen ich aber letztendlich aus o.g. Grund standhaft bleiben konnte. Bis jetzt. Denn plötzlich – für ihr viertes (!) Album – ist den Münsteranern ein Licht aufgegangen! Und präsentieren uns mit Martin „Marsen“ Fischer (Pigeon Toe, Ex-Fear My Thoughts) eine (vielen wahrscheinlich noch eher unbekannte) Stimme, die den neuen Kompositionen (bei diesen kleinen Meisterwerken von Songs zu sprechen, ist mitunter schon schwierig) das berühmte i-Tüpfelchen aufzusetzen. "Inside The Flood", "Tell the End" oder "Welcome Change" sind wirklich allererste Sahne! So wird ne richtige Band draus... ;-)
Gestartet als Punk/Emo/Rockband 1993, sind Jimmy Eat World über die Jahre musikalisch immer erwachsener geworden und mittlerweile einer der großen Spieler des US-Musikbusiness. Ihr viertes Album, 2001 veröffentlicht und noch mit Nebenjobs und aus Tournee-Einnahmen finanziert, schlug plötzlich ein wie eine Bombe, der Hit „The Middle“ katapultierte die Vier an die Spitze der Charts und auf die Bühnen der Arenen – zumindest in den Staaten. Mit den Jahren haben sie sich auch in Europa etablieren können und ihre in regelmäßigen 3-Jahresabstäden veröffentlichten Alben gehören für eine stetig wachsende Fangemeinde zum Pflichtprogramm. Die kann sich auch über das neue Album freuen. Nach „Chase This Light“ 2007 und „Invented“ 2010 ist auch „Damage“ ein Erfolg auf ganzer Linie auf der Suche nach der perfekten Hookline. Da sind richtige Hits am Start, und ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung, warum die Radiostationen hier noch nicht angebissen haben. Für Fans der Liga Tonic, Biffy Clyro oder Gaslight Anthem, …
Er
lässt sich Zeit. Und er experimentiert gerne. Zumindest Zweiteres
hat Simon Collins mit seinem Vater Phil Collins gemeinsam. Neun Jahre
nachdem er sich zunächst im Pop versucht hatte und mit
“Pride” seinerzeit auch einen veritablen Hit am Start
hatte, veröffentlichte er sein Soloalbum
„U-Catastrophe“. Ein dunkles Rock-Album, immer noch mit
Hang zum Pop, aber auch durchaus mit Papas Prog-Einflüssen –
und mit einigen grandiosen Kompositionen. Trotz der prominenten
Schützenhilfe mit Papas Drums auf “The Big Bang” und
Steve Hackett im Prog-Electro-Funk Epic “Fast Forward The
Future” bleibt der große Durchbruch aus.
Jetzt hat er sich mit Keyboarder Dave Kerzner und einigen Gastmusikern
zusammen getan und präsentiert 5 weitere Jahre später den
Nachfolger zu ebendiesem Album. Nachfolger insofern, als der
musikalische Ansatz ein ähnlicher ist. Ein großes Rock-Album
mit einigen mächtigen Epics, teilweise etwas düsterer
Stimmung, schönen Soloparts und einer abwechslungsreichen
Bandbreite an Stilen. Classic, Progressive, Alternative, hier und da
mischen sich auch wieder Pop-angelehnte Töne in den Rock –
kein Album, das einen sofort in den Bann zieht, das aber zu vielen
Hördurchgängen einlädt, weil man immer wieder Neues
entdecken kann!
The Pineapple Thief-Mastermind Bruce Soord gibt sich weiter abwechslungsreich und innovativ: Sein neues Album hat er Katatonia-Frontmann Jonas Renkse auf den Leib, bzw. die Stimme geschrieben, ihn dann kontaktiert und eingeladen. Das Ergebnis ist eine sehr eingängige, melancholische Mischung aus teilweise fast poppigen Electro-Sounds, Rock und modernen Effekten kombiniert mit der ruhigen, sanften Stimme Renskes. Cool! Das erinnert abwechselnd an Pineapple Thief, Muse und Depeche Mode. Vielleicht auch an Katatonia… aber dafür müsste ich sie besser kennen, deswegen halte ich mich (bzw. deren Namen) raus. Das beginnt – und bleibt zumeist – im gemäßigten Bereich, schlägt hin und wieder aber auch ruppigere Klänge an. „Frozen North“, z.B: Der Song startet als ruhige Akustiknummer bis überraschend die Gitarren hereinbrechen und sich mit modernen Effekten ein interessantes Wechselspiel liefern. Das gut 7-minütige „The Light“ überzeugt derweil mit mächtigem Epic-Sounds im Anathema-Stil.
Was auch immer der Grund für ihn ist, neben Anathema noch unter anderem Namen zu veröffentlichen, Daniel Cavanaghs Projekt Leafblade dürfte die selbe Klientel ansprechen. 2003 gemeinsam mit Sean Jude und Kevin Murphy gegründet, präsentieren sie eine musikalisch sehr ähnliche Mischung aus ruhigen Akustikklängen, die sich – nicht immer, aber immer wieder – nach und nach aufbauen und mit großem Rockarrangement zu großen Epen auftürmen. Textlich ist das ganze etwas spiritueller, und das scheint einer der Unterschiede zu Anathema zu sein. Sean und Kevin kommen übrigens aus der Progband Valle Crucis, seit den 90ern Liverpooler Zeitgenossen und geschätzte Kollegen von Anathema. Nach ihrem ersten Album „Beyond, Beyond“ (2006) wurde das Trio Leafblade für ihr neues Album ergänzt durch Anathema-Drummer Daniel Cardosa. Schöne Stimmungen, Abwechslungsreichtum, begeisternde Steigerungen, mehrstimmiger Gesang – dieses Album hat alles, was Cavanagh in den letzten Jahren groß und populär gemacht hat.
Popmusik aus England - und was für eine mitreißende Mischung! Prefab Sprout, Tears For Fears, Beach Boys, Beatles, Style Council, Squeeze, Soul, Pop, Rock, diese fünf Herren und eine Dame mischen alles so frisch und frech zusammen, dass es eine wahre Freude ist! 60s, 70s, 80s, sie zitieren ohne zu klauen, schauen zurück ohne den Blick nach vorne aus den Augen zu verlieren und bedienen sich der verschiedensten Zutaten ohne beliebig zu werden. Ihr größtes Pfund ist ihre Unberechenbarkeit: Man weiß nie, was als nächstes passiert. Ob sich Emily lasziv säuselnd auf dem Klavier räkelt oder mit Tambourine in der Hand über die Tanzfläche springt (während ihr Duettpartner das Mikro übernimmt). Grandios! Hier wird Spaß groß geschrieben: Den hat die Band und den sollte jeder Hörer haben. In dem Sinne: Go for it!
Eigentlich will der Veröffentlichungszeitpunkt nicht so recht passen… November wäre auch gegangen. Aber wer sagt denn, dass es einem nur im Herbst und Winter schlecht gehen darf? Sie haben also trotz Wonnemonat gerade allen Grund zu klagen? Einen Leidenspartner an seiner Seite zu haben, kann die Sache erleichtern (geteiltes Leid, halbes Leid) und wie im Fall des Albums von Anouk auch verschönern! Der Grund für die Traurigkeit der Holländerin bleibt dem Hörer verborgen, aber wie schon in der beim Eurovision Song Contest vorgestellten Single „Birds“ gibt sich die Dame überraschenderweise extrem schwermütig, sakral, pathetisch. Was schon einen Wandel darstellt: Wer den rockenden Wirbelwind aus frühen Tagen kennt („Nobody’s wife“), hat zunächst Schwierigkeiten, hier dieselbe Person zu erkennen. Nur die faszinierende Stimme schafft diesen Zugang. Und wie gesagt, wenn man eh gerade einen Leidenspartner braucht…
Toll! Man hatte immer ein bisschen darauf gelauert, ob ihm noch so ein solcher Geniestreich gelingen würde, wie mit seinem „Wenn jetzt Sommer wär“-Hit. Statt eines einzelnen Songs haut er jetzt ein Album raus, das ein echter Hit ist. Zwischen Singer/Songwriter-Ansatz und Pop, zwischen Akustik und Elektronik und Band Arrangement, mal deutsch, mal englisch, mit großen Hooklines und abwechslungsreichem Gesang. Ein erwachsenes Meisterwerk, das ihn in die Clueso-Liga überführt, in die neue Riege der deutschen Songwriter. Und mit Songs wie „Single in the Rain“, „Star Wars“, „Schreib mir“ oder „Von weit weit her“ hat er auch ein paar hitverdächtige „Sommer“-Nachfolger in petto. Hört’s euch an!
Wann ist ein Freak ein Nerd? Ich muss gestehen, dass ich mal zu denen gehörte, die sich von Marillion alle Singles kaufen mussten, weil es ja immer so spannende „B-Seiten“ (bei CD-Singles: Bonus Tracks) gab. Ist man dann schon ein Nerd? Anyway. Ich hab’s überlebt. Und dieses Hobby zugunsten anderer Dinge aufgegeben – dem Kaufen von Longplay-CDs, z.B. – aber das fällt dann nun wirklich unter den Begriff Freak. Musikfreak halt. Die spannenden B-Seiten blieben indes interessant und erstrebenswert, auch wenn die Vernunft siegte. Dass ich nicht der einzige Marillion-Nerd bin (war), beweisen die Mühen ihrer alten Plattenfirma EMI: Nachdem es 2009 bereits die 3-CD-Box zur Fish-Ära gab, haben sie jetzt alle spannenden A- und B-Seiten der Singles zusammengetragen, die Marillion mit Steve Hogarth bei EMI veröffentlicht haben und hier auf 4 (!) CDs vereinen. Neue Songs, Alternative Mixe, Live-Aufnahmen, unplugged Aufnahmen, Demos – vom ersten Album „Seasons End“ bis zum Konzept-Meisterwerk „Brave“. Alles nicht neu, geschweige denn unveröffentlicht, aber hier übersichtlich kompiliert.
Es
gibt Veröffentlichungen, an denen kommt man wegen seiner
Wertigkeit einfach nicht vorbei. Das 1983 veröffentlichte
IQ-Debüt „Tales…“ gehört zu den
Meilensteinen des Progressivrocks genauso wie das (parallel erschienene
Debüt) ihrer Wegbegleiter Marillions „Script for a Jester`s
Tear“. 1988 wurde es vorschnell als CD wiederveröffentlicht
– und offensichtlich war es der Band seit Langem ein Anliegen,
sich dem unausgegorenem Mix der brillanten Kompositionen erneut zu
widmen. 1983 hatten sie dafür einen Tag, jetzt nahm sich Gitarrist
Mike Holmes 3 Wochen – mit dem Ergebnis, dass der Sound nun eine
kristalline Klarheit einer aktuellen Produktion aufweist: Schlichtweg
grandios!
Zu den Songs muss an dieser Stelle wenig gesagt werden, angefangen mit
dem 20-minütigen Opener „The Last Human Gateway“ haben
sie alle seit 30 Jahren den „test of time“ bestehen
können und bilden die Grundfesten für IQ’s Status als
eine der Speerspitzen des Neo-Prog. Erwähnung wert ist allerdings
das, womit IQ diese Veröffentlichung aufgewertet hat – von
Bonus-Tracks über unveröffentlichte Demos und der DVD mit
einem Live-Mitschnitt von 2011 bis zu einem Riesenfundus an mp3s, mit
dem die Band aufzuräumen scheint mit allem, was sich in (bzw.
seit) den Anfangstagen an Songs und Demos angesammelt hat, deren
explizite Erwähnung hier den Rahmen sprengen würde (und die
in Zeiten des Internet auch wohl überflüssig ist). Nicht dass
der Allerweltshörer das alles hören müsste – aber
wenn er wollte (und die Zeit hätte), könnte er . Das alles
noch in einem Digipack versehen mit Linernotes zu den
1983-Aufnahemsessions genauso wie zum 2013er Remix… ein Knaller!
Und spätestens mit diesem Jubiläums-Release kommt erst recht
keiner mehr dran vorbei.
Die Unterschiede zwischen seinen verschiedenen Escheinungsformen (solo akustik, solo mit Band, Stiltskin, Genesis mit Band, Genesis mit Streicherensemble) sind einerseits verwirrend, andererseits garantieren sie ihm selbst wie dem Publikum Abwechslungsreichtum. Das gilt insbesondere für seine Live-Konzerte. Aber auch auf CD trennt er diese Ansätze. Während er auf seiner letzten Veröffentlichung (2011) noch ironischerweise die härteren Rockansätze von Stiltskin mit seiner Genesis-Streichertour verglichen hatte, trägt seine neue CD keinen Namenszusatz – ist also Ray pur? Mit Band, ja. „Chasing Rainbows“ folgt also dem 2008er-Album „Propaganda Man“. Insgesamt eine Mischung aus lockeren Popsongs (#6/9), akustischen Balladen (8) und v.a. vielen getragenen Rockballaden, meist auch noch mit Streichern unterstützt. Die sind 2013 deutlich in der Überzahl, was dem Ganzen einen etwas melancholischen Anstrich verleiht; sie stellen aber prinzipiell kein neues Vorgehen dar. Lediglich „I see it all“ ist etwas härter. Einige Highlights sind dabei, echte neue Klassiker oder Hits drängen sich aber nicht auf. Ray Wilson überzeugt mal wieder als Gesamtpaket. Ein wenig mehr Abwechslung hätte dem Album aber nicht geschadet.
Jetzt ist er also in den Schoß des Jazz zurückgekehrt. Der Musik, die ihn gefesselt hatte, lange bevor er sich im TV-Rampenlicht stand und sein Land beim ESC vertrat. Mit seinem letzten Studioalbum „Durch Einander“ konnte er schon beweisen, wie gut das funktioniert, wie stark seine Ideen durch seine Band umgesetzt werden konnten – mit eigenen Songs wie mit mehr und weniger überraschenden Coverversionen. Dieses Konzept behält er auch auf „Live“ bei: Er mischt alte und neue Songs, singt deutsch und englisch, kombiniert Covers und Eigenes und integriert sie in sein Konzept zwischen Soul und Jazz, kann auch nie ganz ohne Rock-Elemente, und bleibt sich doch zu 100% treu. Das ist seine Leistung – und die seiner Band! So macht man den Jazz salonfähig – und attraktiv für Pop wie Jazzfans gleichermaßen.
Für ihre Nähe zu 3 Doors Down können sie nichts. Die liegt wohl v.a. in der stimmlichen Ähnlichkeit von Sänger Ross Learmonth begründet; auf die Musik können weder die Südafrikaner, noch ihre Kollegen aus Mississippi einen Copyright-Anspruch erheben. US-Alternative Rock allererster Güte können sie beide gut und entsprechend darf sich der geneigte Fan einfach freuen über ein neues Dutzend toller Rock-Perlen, denen die Stadion-Kompatibilität aus jeder Pore tropft, die die perfekte Mischung aus Melodie und Härte besitzen und mit Rocksongs und Balladen auch die richtige Balance gewahrt wird. Wobei sich Prime Circle noch ein größeres Maß an Kantigkeit bewahrt haben, als 3DDD auf ihren letzten Alben, die Gitarren gerne noch etwas crunchiger knallen und die soften Anteile keine Oberhand gewinnen. Das macht ihr Album so hörenswert!
Glücklicherweise halte sie ihren VÖ-Rhythmus nicht ein... Nachdem der Doppeldecker "Octopus" immerhin 5 Jahre gebraucht hatte, sind es dieses Mal nur 2 Jahre, die dazwischen liegen. Das Beste an diesen zwei Jahren war allerdings, dass sie nicht wie vorher nur lokal in England präsent waren, sondern ausgiebig und wiederholt in Deutschland unterwegs waren. Wer sie jetzt immer noch nicht gesehen hat: Selbst Schuld! Aber, es ist zu erwarten, dass es so weitergeht. Grund dafür könnte z.B. das neue Album sein! 8 Songs, die zwischen Amplifier-Klassik und Veränderung schwanken, wobei diese Veränderung in erster Linie das zurückfahren aller Energie- und Soundwälle ist: "Paris in Spring" und "Between today..." bleiben sehr ruhig, erinnern ein wenig an die akustischen Songs von The Verve und auch "Mary Rose" scheint zunächst ein ebensolcher Abschluss zu werden, bevor er sich dann doch noch steigert und das Album eher rockig beendet. Ein schlauer Zug, denn sonst hätte das Album einen noch ruhigeren Eindruck hinterlassen. Schon so muss man konzentriert nachhören, um festzustellen, dass es nur zwei Songs sind, die diese Ruhe ausstrahlen, und nicht mit den Amplifier-üblichen Zutaten protzen, und sei es manchmal eben auch erst nach ausgedehnter Anlaufphase, oder manchmal auch etwas reduzierter. Die Tatsache, dass sie hin und wieder gerne ausholen zum großen Schlag mit der Wall-of-Sound und dass sie das dann auch bis zum 12 Minuten lang machen, wie im Monster-Highlight „Extra Vehicular“, zeigt doch, dass sie sich bewusst sind, dass das ihre Stärken und Highlights sind. Da fragt man sich, warum sie das wiederholt zurückhalten.
Vom
Electronic/Wave/Pop-Act zur Arenen-füllenden Rockband und
zurück: Die neue 3-CD-Box zeichnet den langen Weg der Schotten um
Jim Kerr und Charlie Burchill mit 50 Song formidabel nach. Und
lässt wenig aus: CD 1 wandert von 1979-1984 durch die
Single(-Hit)s von 7 Alben. Vom Überraschungshit „Life in a
Day“ über „Someone, somewhere in Summertime“ bis
„Up on the Catwalk“. CD 2 kombiniert die Megaerfolgs-Hymnen
ihrer Alben zwischen 1985 und 1991 mit den obligatorischen
“Don’t you” vom Breakfast Club Soundtrack und einem
Ausschnitt des Live-Albums: „Promised you a miracle“ ist
ein exzellenter Beleg dafür, wie sehr sich das Schwergewicht vom
Synthesizer auf die E-Gitarre verlagert hatte.
CD 3 setzt diesen Weg noch kurz fort, bis Kerr & Burchill sich 1997
plötzlich mit „Néapolis“ einen
(fast)Komplettausfall leisteten – die beiden Ausnahmen
gibt’s hier. Das folgende „Our Secrets are the same“
wurde nicht einmal mehr veröffentlicht, die Schotten schienen am
kreativen Ende. Was sie 1997 halbherzig versucht hatten, führte
sie mehr Konsequenz nach kreativer Pause ab 2001 zurück auf die
Erfolgsspur. Begleitet von Promo- und Touraktivitäten konnten sie
mit der Rückbesinnung auf ihre musikalischen Anfänge wieder
Boden gut machen. Seit dem, so scheint es, haben sie ihren Frieden
gefunden, veröffentlichen in regelmäßigen
Abständen neue Songs, touren und können sich einer gewaltigen
Fangemeinde sicher sein. Von der weiß man schwerlich, welche
Phase der Band sie am ehesten favorisieren, aber so genau möchte
das vielleicht gar niemand wissen. Die beiden neuen Songs beweisen,
dass sie es auch weiterhin schaffen, qualitativ auf dieser Spur zu
bleiben.
Als
wäre sein – interessantes, aber letztendlich doch relativ
verhaltenes – letztes Soloalbum "Grace For Drowning" für ihn
nur ein erster Vorstoß zurück in die Zukunft gewesen: Auf
seinem neuen Werk führt Wilson uns in Prog-Größe, bzw.
-Tiefen, die ich ihm so irgendwie gar nicht mehr zugetraut hatte. Ich
hatte – spätestens nach dem Gemeinschaftsalbum mit Mikael
Akerfeldt – eher die Befürchtung, dass er jetzt eher seinen
Spleens folgt und sich deshalb sogar von seinen wahrscheinlich viel zu
engbahnig denkenden Porcupine Tree-Co-Akteuren und Autoren trennen
musste. Und dann knallt er uns hier dieses Prog-Meisterwerk um die
Ohren.
Der Opener beginnt in bester Spocks Beard Manier mit einem
5-minütigen Instrumental-Feuerwerk, nimmt im weiteren Verlauf noch
einmal eine Wendung mit fettester 70s-Genesis-Fanfare – genial.
Die im Interview zum letzten Soloalbum angesprochenen Einflüsse
früher Prog-Veteranen, die ihn seit der Arbeit an den Remasters
von King Crimson angefixt haben, sprich VdGG, Crimson, Yes – sie
sind alle hier und glänzen in vollster Blüte, werden, wie in
#4 aufpoliert zur modernen Variante, wo sich Porcupine Tree Sounds mit
Saxofon in VdGG Manier verbinden, er hangelt sich von Highlight zu
Highlight. Auch wenn lediglich der (dritte) Longtrack „The
Watchmaker“ etwas schwächelt: Dies ist definitiv der beste
Wilson-Output seit „Fear of a Blank Planet“ – auch
wenn’s musikalisch wirklich eine andere Baustelle ist. Superb!
Für ihre Vorabsingles war ich zunächst auf Muse als hauptsächlichen Einfluss gekommen. Auf Albumlänge wird deutlich, dass es Queen sind, die es diesen Australiern angetan haben. Wegen denen sie ihre warme Heimat verlassen haben, um – neben der kaltfeuchten Londoner Luft – die originalen Einflüsse zu atmen und schließlich auf ihrem Album umzusetzen. Exaltierter, theatralischer Rock, mal melodischer, mal kantiger, mal härter, mal verschwurbelter – aber immer gut durchdacht, komplex und überraschend. Die zeitgemäße Verbindung aus Alternativ und Progressive Rock. Dabei ist es im Prinzip unerhebnlich, ob es jetzt eher die klassischen Queen oder mehr die trendigen Muse sind, die man hier hört: In dieser Intensität haben ME diesen Stil längst zu ihrem eigenen gemacht und dürften – innovations- noch nicht größentechnisch – schon bald in einem Atemzug mitgenannt werden. Cool!
Die
irischen The Plea schmeißen hier einen melodischen Rock in den
Ring, der von der ersten Minute nach Stadion schreit. Rock, der nicht
zuletzt durch die „Bono-eske“ Stimme von Denny Doherty und
die „Edgy“ Gitarre seines Bruders Dermot sehr nach U2
klingt. Was aber nicht so richtig stören mag, weil a) The Plea
einfach extrem schmissige Songs schreiben, und b) U2 genau das seit
einigen Jahren nicht mehr so richtig schaffen wollen – schon gar
nicht in dieser Vielzahl. Das Brüderpaar Doherty und ihre Freunde
haben schlicht das richtige Händchen für gute Hooklines und
ihre entsprechende Instrumentierung. Songs, Arrangements, Produktion
– das passt schon alles. Ein wenig befremdlich mag nur sein, wie
sehr sie auf dicke Hose machen: Fotos, Posen, Titel… sie treten
hier mit einem Selbstverständnis auf, das sich Viele auch nach
mehreren „Goldenen“ noch nicht leisten – und die, so
möchte man meinen, müssen sich die vier hier erst noch
erarbeiten. Aber wer weiß, vielleicht geht das ja ganz schnell.
In dem Sinne: Warum lange mit Aufbauarbeit aufhalten? Warum erst mal
eine Nische des Rock suchen, sich eine eigene Fangemeinde erarbeiten,
um nach behutsamen Modifizierungen des Sounds erst dann langsam mehr
und mehr Fans akquirieren zu können? Warum nicht einfach das
spielen, was man eigentlich am liebsten mag und von dem man annehmen
kann, dass es Anklang finden dürfte? Ihre bisherigen Erfolge im
Internet geben ihnen Recht
Na das ist doch mal ein Debütalbum! Die fünf Herren aus Münster haben viel richtig gemacht auf diesem Album. Nenn es Power-Pop oder melodischen Rock zwischen Alternative und Pop oder nenn es wie du willst. Sie beginnen mit einem leisen Piano-Intro und rocken sich anschließend durch ein knappes Dutzend abwechslungsreicher Songs zwischen Indie-Charme und Stadion-Hymne. Da holen sie gerne auch mal zum großen Chorus aus, vergessen die flirrende Gitarrenlinie im Hintergrund nicht, platzieren sogar ein Orchesterarrangement, wenn es dem Song dient. Das mag hier und da an die „Großen“ erinnern – U2, Coldplay, vielleicht auch die Killers, an Namen wie diesen kommt man angesichts der Größe dieser Songs kaum vorbei. Das spielt aber auch mit der melancholischen Seite von Steven Wilson’s Blackfield oder Hurts. Und je mehr Namen auftauchen, desto weniger kann man sie darauf festnageln. Letzten Endes besitzen die Songs genügend Individualität und Klasse, um den Vergleichen standhalten zu können. Sehr schön!
Drei Jahre haben sie sich Zeit gelassen für den ganz großen Wurf – und er ist ihnen gelungen. Mit einem tollen Vorgänger und unermüdlichem Touren haben sie alles getan, um diesem Album den richtigen Boden zu bereiten. Dass es dann nicht nur ein Doppelalbum mit musikalisch wie textlich einzigartigem Konzept – jedes Album ist das genaue Gegenteil vom anderen, wie Sänger Simon Neil verrät – sondern auch noch gespickt mit großen Songs ist, lässt wenig Zweifel: Biffy Clyro werden einer der Abräumer 2013! Das Album spielt mit den Stärken der Band, brettert volle Fahrt voraus und umgarnt mit zuckersüßen Melodien. Das wird sowohl den alten Fans wie den Radiostationen passen, damit kann hier gar nichts mehr verkehrt laufen. Da sag nochmal jemand, Erfolg sei im Musikbusiness nicht planbar!
Das
Jahr 2013 startet musikalisch reichlich harmonisch; oder sehe nur ich
das so? Nach Riverside und t kommen auch Selig mit ihrem melodischstem,
eingängigstem und erwachsenstem Album – und vielleicht auch
besten seit ihrem Debüt! Er- und entwachsen dem Gedanken,
musikalisch die Revoluzzer sein zu müssen, dafür sind sogar
Selig ohnehin zu alt. Textlich legen sie allerdings gern mal den Finger
in die Wunde (nach Stück 1&2 dachte ich noch, es wird ein
Album über Christian Wulff…). Dennoch stehen Songs mit
großen, nicht immer ganz unbekannten Melodien im Vordergrund: Der
Opener „Ich lüge nie“ hat große „Wenn ich
wollte“-Ähnlichkeiten, „433“ benutzt die
Hookline von Radiohead‘s „High & Dry“,
„Love & Peace“ geht glatt als deutsche Fassung von
Billy Joel‘s „We didn’t start the fire“ durch.
Und auch die anderen songs sind nicht weniger eingängig. Die erste
Single „Alles auf einmal“ schaffte es auf Anhieb in die
Playlists großer deutscher Radiosender und könnte damit ihr
bislang größter Erfolg werden. Die durchgängige Melodik
liegt übrigens nicht zuletzt am Mix – kreischende
Gitarrensoli gibt es hier und da, aber sie sind relativ weit in den
Hintergrund gemischt.
Eher schon überraschend, dass es nicht zumindest irgendwo den
musikalischen Ausreißer gibt. Einzig das abschließende
„Magma“ ist der zähfließende Psychedelic-Rocker,
den man nach Albumtitel und Coverartwork vermutet hatte – und der
damit ein wenig Reminiszenz an ihr grandioses Debütalbum parat
hält. Trotzdem kann ich nicht umhin, als dieses Album als durchweg
gelungen zu bezeichnen. Selig sind auch ältergeworden, und wenn
man dagegen die Bon Jovis und Nickelbacks dieser Welt sieht, kann man
darüber nach diesem Ergebnis zu glücklich sein.
Ausgeglichenheit?
Ruhe? Sanfte Klänge? Harmonische Melodiefolgen zwischen
Melancholie und Schönheit. All das waren Eigenschaften die man
einem t-Album nicht unbedingt oder aber nur in Momenten zuschreiben
konnte. Der 18-minütige Opener des neuen Albums überrollt den
Hörer geradezu mit dieser Welle auch ungewohnter Sympathie und
Einklang. Thomas Thielen ist Vater geworden – und hat seine neue
Mitte gefunden? Alles tutti? Nicht ganz. Dem willkommenen Wohlklang
stehen aufwühlende Gedanken gegenüber, die er in seinen
Texten verarbeitet. Womit er musikalisch wie gesanglich oft sehr
Hogarth-ähnlich klingt, nicht zuletzt in dessen
2012er-Kollaboration mit Richard Barbieri. Und mit Stück 2 wird
die Ruhe schließlich jäh unterbrochen durch die progressiven
Klänge des 20-Minuten Nachfolgers „Kryptonite
Monologues“, das sich erst zum Ende wieder beruhigt. Das folgende
(mit 8 Minuten kürzeste Stück)„Irrelevant
Lovesong“ setzt diese mystische Ruhe zunächst fort, bringt
dann aber zusätzlich tolle (um im o.g. nicht ganz unpassenden Bild
zu bleiben: Marillion-)Bombast mit rein.
Die Balance aus beidem gelingt dem Multiinstrumentalisten auch im
großen Finale: Track No. 4, das abschließende
Titelstück, das in erneut rund 20 Minuten immer wieder auf- und
abschwillt, wartet mit tollen Gitarrensoli auf, die den Hannoveraner
einmal mehr die Nähe zu Marillion rückt. Aber Vergleiche
bleiben schwierig, t steht längst für sich selbst. Wie schon
auf den letzten Alben mischt er Elemente aus ArtPop, Modern
Electronica, New Artrock und RetroProg, wechselt zwischen Crimson und
VdGG-Sounds auf der einen Seite zu sphärischen Klängen im
Stile der späten Talk Talk, h oder Keith Jarrett – und
das auch gerne in einem Song mehrmals. Das neue Album beinhaltet, wie
gesagt, mehr von Zweiterem, trotzdem sollte man sich auch auf
„Psychoanorexia“ nie zu sicher sein, welche Klänge
sich als Nächstes anbahnen. Spannend, groß, genial!
Fragt
mich nicht, wie es passieren konnte, aber dieses Album ist zur VÖ
am 1.10.2012 nicht entsprechend gewürdigt worden. Kann man aber ja
nachholen, oder?
Galahad waren eine der Bands, die Anfang der 90er zum zweiten
ProgRock-Revival gehörten, als Prog sich langsam wieder in den
Medien etablieren konnte und wieder für voll genommen wurde.
Unsterblich machten sie sich mit ihrem 1991er Debüt(!)Album
„Nothing is written“, seitdem sind 7 weitere (offizielle
Studioalben, daneben noch Liveaufnahmen und diverse
„Rarities“-Alben) erschienen, das letzte davon –
„Battle Scars“ – gerade einmal ein halbes Jahr vor
dem vorliegenden! Dass „Euphoria” trotzdem auf demselben, hohen
Niveau liegt, erklärt sich durch die Tatsache, dass beide Alben
gleichzeitig entstanden sind. Darum ist auch nicht überraschend, dass „Euphoria“ aus
dem gleichen Holz geschnitzt ist: Typischer Galahad-Sound, der sehr
abwechslungsreich neue Elemente mit einbaut. „Judgement
day“ ist dabei relativ hart durch crunchige Gitarren,
„Guardian Angel“ spielt gekonnt mit elektronischen
Elementen, beginnt als eher softe Hitnummer, erwächst dann aber
noch zu einem zehnminütigen Prog-Knaller. Apropos Highlight: Das
folgende „Secret Kingdoms… beginnt mit harter (Dream
Theater-)Kante, bevor es melodisch wird und übergeht in das fast
klassische „…and Secret World“ (klassisch in
zweifacher Hinsicht, sprich im Sinne von Klassik, als auch in Referenz
an ihren Klassiker „Richelieu’s Prayer“!), das
wiederum zum Ende hin den Bogen zurück spannt zum harten Beginn des
Doppels. Selbst ein relativ harmloses Stück wie „All in the
name..“ besitzt ein paar nette „Extras“ und Track 7
ist schließlich eine schöne Reprise des „neuen
Klassikers“ „Guardian Angel“. Ein tolles Finale
für ein Top-Album! Trotzdem damit nicht genug, denn gut zwanzig
Jahre nach seiner Originalveröffentlichung auf dem o.g. Debüt
stellen Galahad ihren Klassiker „Richelieu’s Prayer“
noch einmal in neuer Version vor. Braucht es noch mehr gute Argumente
für ein Album, um hier noch einmal (verspätet) vorgestellt zu
werden?
Bemerkenswert,
in welche Richtung sich die Vorzeigeband des polnischen New
Art-/Progressivrock entwickelt hat, ohne sich selbst untreu zu werden.
Waren die Extremausbrüche in härtere Gefilde schon auf den
vergangenen Alben immer mehr zurückgefahren worden und kamen auf
den Soloalben von Sänger Marius Duda schon gar nicht vor, sucht
man sie auch auf dem neuen Riverside-Album vergebens. Was nicht
heißen soll, dass Riverside 2013 nicht auch heavy sein
können, nur extrem würde ich das nicht mehr nennen wollen.
Melodik ist indes Trumpf in den neuen Songs, ohne in wirklich zu
seichte Gewässer abzudriften. Da geht Vieles eher ruhig und
eindringlich zu, gibt es verstärkt Pink Floyd-Querverweise und
spielen die Polen mit Sounds und Stimmungen. Richtige
Gänsehaut-Momente vermag das alles nicht zu erzeugen, aber das
Album nimmt einen als Ganzes derart gefangen, dass man es nur zu gerne
immer und immer wieder hört.
Wie spannend ist das denn? Typisch-große, irische Songwriting-Kunst: Eine atemberaubende Achterbahnfahrt der Gefühle von intimen Singer/Songwriter-Momenten über Indie-Rock-Phasen zwischen Ryan Adams und Radiohead (mit der zuletzt auch Ben Howard ganz groß punkten konnte, s. CDs der Woche 2011) bis zur Stadionkompatiblen Hymne im Coldplay-Format. Zwischendurch werden flirrende Electronic Sounds eingeflochten, während Sänger Conor O’Brien sich gefühlvollsten Melodien hingibt. {Awayland} ist bereits das zweite Album der Band. Bereits sein Vorgänger scheint bei Kritikern bestens angekommen zu sein – so sie denn davon erfahren haben. Nun, vielleicht wird sich der Bekanntheitsgrad mit diesem kleinen Meisterwerk steigern! Wäre ihnen zu wünschen.
Auch wenn es ein sehr düsterer Jahresabanfang ist... sagen wir mal: Passend zum Sylvesterwetter bei uns im Nordwesten! Das Album ist allemal eine Vorstellung wert. Im Vergleich zu Anathema (s.u.) sind Antimatter noch stärker im Dark/Gothic Rock verhaftet, agieren aber ansonsten ähnlich schwer, bedächtig, mächtig. Und kommen so - wie schon auf den früheren Alben - zu manchem Highlight vor allem dann, wenn sie die Gitarren etwas stärker anschlagen. Dann ist es der perfekte Kontrast zur Schwere der Stimmung - und auch für Nicht-Gothic-Rock-Fans spannend. In dem Sinne: Happy New Year!