Das Jahr hat 52 Wochen, also bleibt noch Platz für eine Erwähnung, die es sonst wohl nicht mehr auf diese Seite geschafft hätte. Denn hier ging es mir mit der Entwicklung doch ein bisschen zu schnell: Für ihre ersten beiden Alben "Black Holes" (2018) und "Hidden Gems" (2021) noch abgefeiert für ihren begeisternden Rock zwischen Hookline & Riff, Blues und Kante, zwischen The Black Keys, White Stripes und Muse sind sie mit ihrem dritten Album deutlich gemäßigter geworden. Bereits die ersten beiden Singles "Don´t miss" und "Good Ideas" ließen es erahnen: Statt der o.g. Bands dürften dem kanadischen Duo nun eher Chartsstürmer wie Maroon5 oder The Script als Vorbilder gedient haben. Im Opener "Healing" und v.a. in "Stay with me" lassen sie die Gitarre aufheulen, auch "Let Me Out" ist ein guter Song, aber der Ansatz ist doch meist deutlich mehr Pop. Und da die Herren Tarek Jafar und Justin Tessier nun einmal selbst begnadete Songwriter sind mit einem Händchen für gute Hooklines, kann man ihnen das nicht einmal übel nehmen. Hoffen wir, dass es klappt! Denn sehen wir es so: Die Jungs haben ihre Ochsentourneen gespielt, wir haben unseren Spaß gehabt, ab nun wird (hoffentlich) Geld verdient. Es ist ja nicht so, dass es an hoffnungsvollen Newcomer-Alternativen mangeln würde.
Und noch eine lange Pause findet ein erfolgreiches Ende: Elf Jahre
sind seit ihrem Debütalbum "Permanent Transient" vergangen, einem
Album zwischen Indie-Attitüde
und Stadion-Hymnen. Musikalisch extrem überzeugend ließen
mich seinerzeit die gesanglichen "Übergriffe" etwas
zurückhaltend zurück. Diese Ausbrüche scheinen bei
Sänger Florian Sczesny der Vergangenheit anzugehören - und
doch wird man bei ihm das Bild nicht los von einem gezähmten
Tiger, der wachsam am Gitter auf und ab läuft, und nur auf die
Gelegenheit wartet, zuschlagen zu können. Was nicht heißen
soll dass er nicht auch in der gezähmten Variante ein tolles Bild
abgibt. Sein Gesang passt wunderbar zum Wechsel aus krachenden
Indie-Gitarren und melodischen Songstrukturen, zwischen aufregenden
Melodien und Taktschemata, die wiederholt an The Intersphere erinnern.
Ein sehr spannendes, und doch ausgewogenes Album, dass die Tür
weit aufreißt zum Mainstream, ohne die Identität der Band zu
verkaufen.
Erst zum Ende des Albums bricht Sczesny aus: In "Ashes" darf er schon
mal andeuten, wozu man ihn durchgehend in der Lage hielt. Und in
"Independence" gehen dann die Pferde endgültig mit ihm durch:
Keine Chance für Wärter oder Gegner. Wodurch seine
Performance insgesamt noch eindrucksvoller wird. 7 Songs in 43 Minuten,
drei davon über 7 Minuten, die Koblenzer haben etwas zu sagen. Und
in der Tat geht es ihnen nicht nur um die Musik. Neben ihrer
Unterstützung der Canadian Women's Foundation (durch die
Thematisierung des 'Signal For Help' im Video zum grandiosen
Album-Opener „Famous Last Words“) möchten die vier
Musiker mit "Bricks" den kulturellen Wiederaufbau im Ahrtal
unterstützen. Der Gewinn des gesamten Vorverkaufs fließt in
die Unterstützung des Landesteils und mit zusätzlichem
ehrenamtlichem Engagement u.a. in den Wiederaufbau von kultureller
Infrastruktur (z.B. temporären Proberäumen).
Unverhofft, dramatisch und wunderschön: Dieses Album sollte es
nie geben. Denn eigentlich sind Pale bereits seit über zehn Jahren
Geschichte. Zwei Schicksalsschläge ließen die Band aus
Aachen noch einmal zusammenkommen – um ein definitiv letztes
Album einzuspielen. 1993 gründet und 16 Jahre auflöst, 2012
doch nochmal für einen eigentlich letzten großen Abschied in
der Heimatstadt die Open Air Bühne betreten. 2019 erhalten
Gitarrist Christian Dang-anh und Schlagzeuger Stephan Kochs dann aber
am gleichen Tag von ihren Ärzten Diagnosen, die keinen Spielraum
bieten.
Es ist leider sehr ernst. Über den Schock der Vergänglichkeit
finden die zahlreichen Mitglieder, die PALE über die Jahre hatte
wieder Kontakt zueinander. Gründungsmitglied Philipp Breuer,
eigentlich schon 1996 ausgestiegen, schleppt in dieser Zeit das
allererste Demo der Band aus den frühen 90ern an und schlägt
vor: "Da könnte man doch nochmal ran!" Schnell fällt die
Entscheidung, die wertvolle Zeit, die man noch zusammen hat, mit dem zu
füllen, was so viele Jahre Dreh- und Angelpunkt ihrer Leben war:
Musik. Von einer aktiven Teilnahme muss Stephan Kochs da aus
gesundheitlichen Gründen leider bereits absehen. Trotz der
intensiven Behandlungen schreibt, spielt und singt Christian Dang-anh
mit der gesamten Band neue Songs ein. Im Mai 2021 erliegt er dann dem
Krebs. Jetzt erscheint es endlich, ein tongewordenes Denkmal für
die Freundschaft, für die Liebe zur Musik, voller wundervoller
Songs. Wie das aufregende „New York“ oder der
berührende Abschied von Christian, "Bigger Than Life". Songs, die
wie der größte Teil des Albums trotz aller Wehmut, die man
haben könnte, voller Energie steckt, voller zündender
Melodien und einem mitreißenden Drive. Dazu kommen Duette mit dem
ex-Kilians-Sänger Simon den Hartog (in seiner ersten
öffentlichen Aufnahme seit dem letzten Album seiner Band von 2012)
und Saskia Pasing. Große Emotionen dann doch noch einmal im
Finale "Someday You Will Know": Auf "It's the last song of a band /
that already played it’s final show" folgt die zufriedene
Erkenntnis "We were in this together". Herzergreifend!
Für 2023 haben PALE zwei Konzerte angekündigt: Am 02.03.23
spielt die Band das größte Konzert ihrer Karriere im
Kölner Gloria, bei dem sie von zahlreichen musikalischen
Gästen begleitet werden. Am 25.02.23 gibt es im Gleis 22 in
Münster ein Warm-Up Konzert. Beide Termine sind bereits
ausverkauft. :-/
Retro Rock 2.0! Updated, upcycled, nenn es wie du willst. Ob das jetzt "Cyberfunk" ist, sei mal dahingestellt, aber warum nicht? Billy Idol hatte mal den Begriff Cyberpunk ins Spiel gebracht, aber bei ihm war`s ein Griff ins Klo. Das ist diese Variante definitiv nicht! Die Innsbrucker rocken zwischen Retro-Style, Jam Rock und deutlich moderneren Zutaten, Computersounds & Disko- bis hin zum Funkrock (in „Hit On Your Girl“) und bleiben doch glücklicherweise weitgehend immer noch eine Rockband. Ein Song wie „The Operator“ könnte in seiner Exaltiertheit auch von den Landsleuten Bilderbuch stammen, deren Erfolg ja schon bewundernswert wenn nicht beneidenswert ist. Mutig, vielleicht auch ein bisschen verrückt, aber sie hatten jetzt ehrlich gesagt auch noch keinen Status, den sie sich mit einem solchen Experiment komplett kaputt machen würden. Im Gegenteil: Ich glaube, dass es sie nur voranbringen kann, auch wenn dieses Album kein großer Erfolg wird. Das gesagt, gefallen mir persönlich die Songs am besten, die am meisten ihrer Retro-Rock Vergangenheit durchblitzen lassen. Aber in seiner Gesamtheit mit Samples, softeren Songs etc. macht das Album extrem Spaß!
Seltsame Songtitel, seltsame Cover - aber eine megaintensive Mischung! Eine große Klappe, eine Stimme oft kurz vor dem Überklappen, Alternative-Rock-Gitarren zwischen Scheppern und Brett und eine überbordene Energie: Skalp aus Ulm gehören auf die große Bühne! Juvenil-energetischer Indie Rock, der an die frühen Madsen oder Blackout Problems erinnert und mitunter grandiose, atmosphärische Momente mit einbaut, und damit immer wieder herrliche Kontraste zum High-Energie-Rock setzt. Die Stimme bleibt meist knapp unterhalb der Schmerzgrenze, also noch im grünen Bereich und der Rest der Band rockt munter und abwechslungsreich drauf los. Die Texte sind mitunter etwas frühreif-philosophisch, ein paar kluge Sätze, die zumindest ein wenig Punk Spirit rüberbringen, aber das mag subjektive Überempfindlichkeit sein. Wenn die Rhythmen etwas anspruchsvoller werden, winken die Intersphere aus der Ferne. Ein tolles Album, das dank seiner unterschiedlichen tollen Momente über volle Länge überzeugen kann und entsprechend Spaß macht. Ein Debütalbum von einer Band, von der man bestimmt noch ganz viel mehr werden wird hören wird.
Wow, ein überraschend fett gelungenes Album! Prinzipiell
einzuordnen unter dem Label ProgMetal, aber im Gegensatz zu Dream
Theaters Frickel-Prog setzen Threshold auf den Kontrast aus
Breitwand-Metal-Passagen und vielen ruhigen Momenten, dominierende
Harmmonie und epische Songstrukturen - oder wie mein
Radio-Kollege Stephan Glück es ausdrückt: "den Spagat
zwischen Heavy-Power und melodiös-atmosphärischer Opulenz".
Und der gelingt ihnen auf dem neuen Album - mal wieder -
ausgesprochen gut!
Ein Spagat, der auch Dream Theater natürlich nicht fremd ist, aber
die Amerikaner machen das deutlich technischer und komplizierter als
die ihre britischen Kollegen. Was nicht heißen soll, dass
Threshold nicht auch wiederholt Solopassagen einbauen, allerdings
kommen die in erster Linie songdienlich erweiternd daher. Und
während on & off Sänger Damian Wilson mittlerweile bei
Arena untergekommen ist, sind Threshold wieder mit Glynn Morgan
zusammen - der im Gegensatz zu seinem früheren Auftritt auf
"Psychedelicatessen" viel, viel besser singt und auf Schrei-Attacken
komplett verzichtet. Ganz im Gegenteil: War er 1993 noch der
Metal-Shouter, ist er hier vielmehr ein weiterer melodisch
ausgleichender Part, der die Musik von "Dividing Lines" auch jedem
Nicht-Metal oder Nicht-Prog-Fan schmackhaft machen könnte.
Das gesagt, sollte man noch die beiden 10+-Minuten-Longtracks
erwähnen, die zum hohen Qualitätslevel dieses Albums
beitragen. Eigentlich hatte ich gar keine große Motivation,
dieses Album ausführlich zu hören, geschweige denn zu
rezensieren, aber die Beteiligten lassen mir keine andere Wahl. Und ihr
solltet`s auch antesten!
Spannend: The Backseat Lovers platzieren sich locker zwischen Jeff Buckley und Radiohead, womit sie eine spannende Ecke zwischen Singer/Songwriter-Pop und anspruchsvollem (Art-)Rock beackern. Dabei fordern sie mit ihrem extrem leisen Beginn „Silhouette“ den Hörer von Anfang an, verlangen ganz Spotify-untypisch die volle Aufmerksamkeit des Hörers im dem gesunden Selbstvertrauen, dass die Neugier ihn nicht weiterskippen lässt. Man wird belohnt durch die Steigerung des Songs zu einem kurzen, eruptiven Finale, womit sie hier die Extreme ausloten, zwischen denen sie sich weiter bewegen, die sie aber so nicht wieder berühren. Das folgende „Close Your Eyes“ ist vom Aufbau ähnlich, aber ohne die Extreme – entsprechend auch eine der ersten beiden Singles. Im weiteren Verlauf wechseln sie die Stimmungen, mal ganz sanft, und leise, mal rockig und laut, aber immer mit dem gewissen Etwas und tollen Spannungsbögen. Sänger der in Salt Lake City ansässigen Indie-Rocker, Jonas Swanson erinnert wahlweise an Jeff Buckley und Thom Yorke. Ihr Debüt „When We Were Friends“ erschien noch independent, für „How to Spill” landeten sie bereits beim Major: Von dieser Band dürfte noch einiges zu hören sein.
Als Emo-Rock Band Kropp Circle von den drei Brüdern Emerson Barrett Kropp, Remington Leith Kropp, Sebastian Danzig Kropp 2008 gegründet, veröffentlichten sie ihre ersten Alben erst nach der Umbenennung in Palaye Royale (2016, 2018 & 2020). Ihre erste Tournee durch Europa musste 2020 nach zwei Daten in GB wegen Covid abgebrochen werden, vielleicht liegt ihre mangelnde Bekanntheit daran. Wird ihr neues Album daran etwas ändern können? Wegen der Kontaktbeschränkungen zunächst wieder als Trio der Brüder komponiert und aufgenommen, ist die erste Single „Broken“ schonmal ein potentieller Hit. Aber auch der Rest des Albums kann überzeugen. Bezeichnet als ihr „bisher hoffnungsfrohestes Album“ gibt es hier eine volle Ladung Pop mit Crunch – oder auch: Alt. Rock mit Popfaktor. Der intensive Gesang von Remington Leith platziert das Album irgendwo zwischen Badflower und Sunrise Ave. , wobei die Band im Titelstück auch fast Meat Loaf-Qualitäten entwickelt (bzw. Jim Steinman, weil Meat Loaf erreichen sie dann doch nicht ganz). Durch den Crunch ein abwechslungsreiches Album, auch wenn nur die balladeskeren Songs echte Highlights sind.
Aufnahmen der Firma Creed haben ein Abo auf meine Aufmerksamkeit. Egal was sie machen, ihre musikalische Mischung ist generell so hochwertig, dass ich daran nicht vorbeikomme. Waren in der Vergangenheit die Unterschiede zwischen den einzelnen Abteilungen, sprich Creed, Scott Stapp und Mark Tremonti nicht klar erkennbar, haben Alter Bridge auf ihrem neuen Album den Härtegrad ein wenig erhöht. Dadurch rutschen einige ihrer Songs auf die Grenze zwischen Hardrock und Metal, gehören aber weitestgehend immer noch zum typischen Soundspektrum. Vor allem die grandiose Stimmung von Myles Kennedy und die Gitarrenarbeit von Mark Tremonti heben diese Songs auf ein Niveau, dass das Prädikat hörenswert allemal verdient. Und ein bisschen Eigenständigkeit kann ja nicht schaden. Abgesehen davon, besitzen auch Songs wie „Stay“, der Titelsong oder das gut achtminütige „Fable Of The Silent Son“ so viel Power und Klasse, dass man die hier gar nicht weiter erklären muss.
So
schön und doch so schade: Die kanadische Art-Pop-Band kündigt
an, dass ihr drittes Album Trust Fall zugleich ihr letztes sein wird.
Dabei kann man sich an diesem Sound gar nicht satthören! Yes We
Mystic vereinen den Art Pop von Talk Talk mit den leicht progressiven
Elementen Peter Gabriels, dem Pop von Tears for Fears und Coldplay mit
zeitgemäßen Elementen. Das Ergebnis ist ein sehr
abwechslungsreiches, zeitloses Album mit wunderbaren melodischen Songs,
die immer wieder mit überraschenden Elementen begeistern
können. Dazu tragen u.a. diverse Gastauftritte bei.
Als Gruppe von Highschool-Schüler:innen gestartet, die in einem
Keller in Winnipeg, Manitoba, mit geliehenen Instrumenten Musik
machten, wurden sie innerhalb weniger Jahre zur international tourenden
Band, die vom BeatRoute Magazine als
"Art-Pop-Transformatoren“ bezeichnet wurde. Bereits nach der
Veröffentlichung ihres zweiten Albums Ten Seated Figures
(2019) war eine der Band ungewiss, nachdem sich die fünf
Mitglieder in verschiedene Richtungen gezogen sahen. Am Ende waren es
ihre neuen Songs, die das letzte Wort hatten. Adam Fuhr, Keegan Steele,
Jensen Fridfinnson, Jodi Plenert und Jordon Ottenson spürten, dass
sie gerade dabei waren, das stärkste Material ihrer Karriere zu
schreiben. Und genau das kann ich nur bestätigen: Ein
krönender Abschluss!
Famous last words (aus dem Finale “Sun Room”): “You
hope that it would never change but you had already changed”
Die Simple Minds sind eine der wenigen Bands, bei denen ich noch auf dem Newsletter stehe. Alte Verbundenheit. Darankonnten
auch ihre beiden schwachen letzten Alben nichts ändern. „Big
Music“ (2014) und „Walk Between The Worlds“ (2018),
beide viel zu Pop, unkreativ, weitgehend mit unnötigen Diskobeats
versehen. Als wenn Jim Kerr und Charlie Burchill noch nicht verstanden
hätten, dass sie trotz Glitzerkugel für Teenies nicht mehr
attraktiv sein werden. Der ausbleibende Erfolg von Singles und Alben
bestätigte alle Kritiker und ließ hoffen, dass die beiden
zur Vernunft kommen würden.
Die (zweite) Single zum neuen Album, „First you jump“
ließ aufhorchen, ja erinnerte fast an alte Großtaten. Aber
von Vernunft ansonsten leider keine Spur: Leider kann das Album die
aufkeimenden Hoffnungen nicht bestätigen. „Direction of the
Heart” wiederholt alles, was o.g. Alben falsch gemacht haben.
Ehrlich gesagt war mir da sogar die zwischenzeitliche Rückkehr zu
altem Wave-Sound Ende der 2000er lieber –weil letztlich immerhin
eine Rückkehr zu den Wurzeln war und damit passender. Erst in der
Mitte mit der guten, atmosphärischen Ballade „Solstice
Kiss“ sowie mit dem letzten Song, „The Walls came
down“ kommen sie ihrem Image einer Rockband noch einmal ein
bisschen näher: Mit der Coverversion können sie das Original
von The Call sogar um Längen übertreffen. Aber
rausreißen können sie das Album damit auch nicht mehr.
Back to the Sixties: zwei Alben in einem Jahr. Keine aufgeblasene Promo-Ankündigung sechs Monate im Voraus, drei Single Veröffentlichungen und medienwirksam Release-Day-Aktivitäten, was für eine Mega Band wie Red Hot Chili Peppers kein undenkbares Szenario wäre. Stattdessen einfach ein Album. 17 Songs, 75 Minuten und nicht ein einziger Ausfall dabei! Das nenn ich mal Wiedergutmachung für das relativ schwache erste Album "Unlimited Love" im Frühjahr. Was nicht heißen soll, dass sie hier einen Meilenstein abgeliefert hätten, der letzte davon heißt für mich immer noch "The Getaway" (2016), aber neben ein paar ruhigeren oder auch Pop-orientierteren Songs gibt es hier zumindest ein paar gute Rock-Songs, wie das Highlight "Eddie", der obwohl komplett RHCP-typisch zumindest angesichts seines extended Solos durchaus eine ernstgemeinte Hommage sein könnte. Ansonsten schimmert hier nämlich auch immer wieder der Humor der Klamaukbrüder durch.
Sie sind wie einer der helleren Tage im November. Bei Prophecy
Productions und grundsätzlich im Gothic Rock Genre beheimatet, bauen
Crone immer wieder schöne, helle Momente in ihre Musik ein.
Lockere Gitarrenlicks, perlende Pianoläufe, das hellt ihre Musik
schon immer wieder auf, vor allem, wenn sie dann, was öfter
vorkommt, auch mal schnellere Beats anschlagen.
Songs wie „Gemini“, „They“ oder
„Quicksand“ sind einfach gut arrangierte Rocksongs in einem
Genre, das sonst weitgehend von düsteren, langsamen Klängen
dominiert sind. Auch diese Seite gibt es, schließlich sind wir ja
noch im November, d.h. dass auch Crone gerne etwas langsamer,
mächtiger, und düsterer zu Werke gehen, hier in den meisten
Fällen ergänzt durch tolle Gitrarrensoli, die die Songs
aufwerten. Insgesamt ergibt sich hier ein sehr ausgewogenes
Verhältnis, so dass das Album schon zu gefallen weiß. H.I.M.
und The Mission sind mögliche Referenznamen, wobei Crone schon
ihren sehr eigenen Stil haben. Lediglich Gesang und Texte sind leider
manchmal etwas klischeehaft und können den hohen musikalischen
Anspruch nicht immerhalten.
Sänger geht solo: Da öffnen sich durch die Bekanntheit seiner Stimme schnell ein paar Türen, auch wenn „Seele“ mit dem Rock seiner nach ihm (und seinen Brüdern) benannten Hauptband weniger zu tun hat. Irgendwo zwischen dem Soul eines Phil Collins und den softeren Songs von Madsen machen die Songs durchaus Spaß, rutschen allerdings auch ein, zwei Mal über die Kitschgrenze ("Das Gewitter"). Interessanterweise bleibt trotz der andersartigen Arrangements sein Melodienkosmos sehr ähnlich: Songs, wie „Als bei uns Sommer war“ hat man so auch von ihm schon diverse Male gehört, Dabei sind die Texte mal wieder Madsen-typisch sehr unterhaltsam und machen dieses Album durchaus hörenswert. Insgesamt fehlt aber ein wenig die Abwechslung und Spannung auf diesem Album. Aber Weisheiten wie „Sei nur du selbst“ oder Beobachtungen wie „Immer nur am Handy“ sind einfach klasse!
Der dritte im Bunde: Nach Steve Lukather und Josef Williams kommt jetzt mit David Page der dritte Toto-Musiker in diesem Jahr mit einem Soloalbum. Ein Album das in den meisten Fällen beweist, wie sehr die alten Toto Recken ihre Musik in die DNA aufgenommen. Da ist natürlich auch nicht viel anderes zu erwarten, wenn sie solo agieren. Wobei solo auch in diesem Fall heißt, dass die Weggefährten dabei sind, d.h. in diesem Fall Steve Lukather und Josef Williams. Dazu kommen u.a. Brian Eno, Michael McDonald und Ray Parker Jr. Die Songs sind, das deutet der Albumtitel schon an, Ideen, die lange Zeit auf einen Einsatz warteten… oder vielleicht auch nicht? Denn die Frage bleibt: Sind im Ergebnis drei Soloalben also dreifacher Toto Spaß? Leider geht die Formel nicht auf. Denn einerseits wollen auch bei David Page nicht alle Songs richtig zünden, streng genommen ist eigentlich gar kein Highlight dabei. Irgendwas fehlt immer. Zudem lässt sich ein Solo Album definitiv nicht mit einem Toto Album vergleichen, einem Album, bei dem sich eine ganze Riege hochkarätiger Songwriter Material beisteuern, sich alle Beteiligten der Verpflichtung ihres Namens bewusst sind und Songs der Qualität des vorliegenden Albums entweder durch massiven Kreativitätseinsatz bearbeitet und glanzpoliert oder aber auf Halde geschoben hätten. Deshalb ist auch dieses Album nur ein B-Ersatz und es bleibt die Hoffnung, dass wir die Jungs auch unter dem Namen Toto wiedererleben, und die Frage, was dann dabei herauskommt.
Sie sind nicht mehr die produktivste Band, aber dafür sind ihre Alben schlicht klasse! Seit den späten 90ern, als sie Alben noch im Zweijahrestakt veröffentlicht hatten, gab es nur zwei Alben, jetzt sind sie wieder da. Schon hier könnte man den Vergleich zu Peter Gabriel ziehen, aber der wäre noch zu künstlich herbeigezogen. Musikalisch sind da deutlich mehr Parallelen. Den lauten Rock ihres 2014er „Do To The Beast“ präsentieren sie nur im Opener „I'll Make You See God“, danach geht es mit einer Mischung aus dem harmonischen und balladesken Art-Pop des 2017er Nachfolgers „In Spades“ auf der einen, und polyrhythmisch orientierten Songs zwischen Groove und World Beat wie "The Getaway" und "Catch A Colt" (schönes Wortspiel in den Waffen-zugänglichen USA!) weiter. Dabei passiert in den Songs immer eine ganze Menge mehr als das einfache Strophe-Refrain Schema, ohne dabei allerdings irgendetwas mit Prog Rock zu tun zu haben. Stattdessen ist das Album einfach nur wunderbar vielschichtig, gespickt mit zahlreichen Highlight-Songs, Duett Gesang und vielschichtiger Entwicklung. Toll!.
„Every Day“, im Original von seinem 1979er-Soloalbum
"Spectral Mornings" verdeutlicht es auf wundervolle Weise:
Für mich das erste
Album, das ich seinerzeit von
ihm gehört hatte, als ich mein Wissen um das Genesis-Umfeld
vermehren wollte und die Genesis Alben allein mir nicht mehr
ausreichten. Erschien mir damals noch etwas zu 70s-lastig, sowohl was
die Verspieltheit als auch den Sound angeht, aber ist jetzt im
Rückblick natürlich ein absoluter Klassiker der auch im
direkten Vergleich mit Genesis Material absolut bestehen kann.
Hackett hatte in den Siebzigern und Achtzigern ja immer so eine on-off
Beziehung zu Genesis-Songs, hatte lange versucht, als Solokünstler
nur mit seinem Solomaterial zu bestehen, hatte dann irgendwann mal eine
Genesis-Tournee eingebaut und dabei wesentlich größere
Besucherzahlen erreichen können. Danach versuchte er es auch
wieder ohne Genesis-Material, aber hat dann irgendwann verstanden, dass
er immer noch für die Band steht, dass die Leute auch diese Seite
von ihm hören wollen, zumal es das Original immer seltener gab,
und verstand es schließlich, die beiden Seiten glücklich zu
vereinbaren. Damit befindet er sich seitdem gefühlt auf einem
Dauerhoch, von dem letztlich auch seine Soloalben immer wieder
profitieren konnten. Und genau das ist es, was auch dieses Live-Album
einmal mehr ausmacht und beweisen kann.
Seit
seine Albumtrilogie vorbei ist, schlägt John Mitchell auch
persönlichere, bisweilen ruhigere Töne an. Album No. 5 unter
dem Nmen Lonely Robot und bringt einen weiteren Farbtupfer mit rein,
der auf eine einfaches Schlagwort zu reduzieren ist: Hit! Gar nicht
auszumalen, was passieren würde, wenn auf diesem Album der Name
Peter Gabriel stünde. Die Rockwelt würde stillstehen vor
Ehrfurcht. Ja, dies ist ein Hit-Album! Manch eingefleischter Artrock-
und Rock-Fan mag es auch vielleicht das Pop-Album nennen, fest steht,
dass John Mitchell, der schon immer für seine ausgezeichneten
Songideen bekannt war, selten so Hit- und Mainstream-affin war, wie auf
diesem Album. Wer John Mitchell kennt, weiß natürlich, dass
die Rock Momente nie zu kurz kommen, und dass die Pop-These eine
ketzerische ist.
Den Pop-Puristen dürften z.B. die kräftigen Gitarrenriffs und
-soli stören, aber das nenne ich jetzt mal ausgleichende
Gerechtigkeit. Wir sprechen hier von einem Pop-Album, wie es Peter
Gabriel in den Achtzigern aufgenommen hat, und da waren ja auch
Gitarren noch erlaubt. Der Name Gabriel ist natürlich nicht
zufällig gewählt, denn Parallelen gibt es einige –
musikalische wie stimmliche. Der Beginn von „Digital God
Machine“, der E-Piano-Sound in „Species In
Transition“, die omnipräsente Melancholie in den Songs, es
gibt immer wieder Momente, in denen man sofort in das Genesis-Umfeld
hineinversetzt wird.
Ein Gabriel-Album dieser Qualität wäre eine Sensation –
und ehrlicherweise nicht zu erwarten. Aber wir lassen uns gerne
überraschen. In der Zwischenzeit empfehle ich jedem, diesem Album
eine Chance zu geben und John Mitchell die Bühne die er verdient.
Hat
dich das letzte Frank Turner Album auch so angefixt? Dann gibt es hier
Nachschub: Den Spirit des Punk, die Coolness desIndie-Rock
und genug Melodie um theoretisch auch mal einen Hit landen zu
können (wenn die Welt fair genug wäre). So lässt sich
dieses Power-Trio aus Oslo zusammenfassen. Das ist fetter, richtig
guter, kerniger Indie-Rock mit Kante! Womit sie mich an die (nicht nur
von mir) hoch gehandelten Kollegen von Black Foxxes und Frank
Turner erinnern. Wie Letzterer haben die Spielbergs eine sehr
geschickte Art, ihren rauen Drive in eine Melodie übergehen zu
lassen, dass sie immer wieder herrliche Kontraste und Momente zum
Durchatmen liefern. Das treiben sie nach „Go!“ sowie nach
der infernalischen Steigerung in „There´s No Way Out”
auf die Spitze, indem sie ganze Tracks als Ruhepausen
hinterherschieben. Mega!
Schon mit ihrem Debütalbum „This is not the End“
hinterließen sie 2019 sie einen extrem guten Eindruck, von den
beiden EPs davor und danach ganz zu schweigen: Nicht nur dass es
„Running All The Way Home“ (2019) mit 8 Songs auf 46
Minuten Spielzeit brachte, hier konnten sie vor allem auch ihren
Abwechslungsreichtum unter Beweis stellen. Mit "Vestli" (benannt nach
dem Vorortbezirk von Oslo, in dem zwei der drei Bandmitglieder
aufgewachsen sind) beweisen sie, dass sie diese Klasse halten
können.
Solo ist das neue Bandalbum. Nachdem schon Flower King Jonas Lindberg gezeigt hat, dass er solo in ähnlicher Qualität abliefern kann, wie seine Stammland, zeigt auch Ryo Okumoto, was er von der Band-Chemie in den letzten Jahren alles aufgesogen hat. Beim Opener „Mirror Mirror” muss man in der Tat nochmal kurz aufs Cover gucken: Nein es ist wirklich nicht Spocks Beard, was da steht, sondern Ryo Okumoto. Während man zunächst noch terminliche Gründe vermutet, weshalb man dieses Album nicht als Grundlage für ein Bandalbum zusammen genutzt hat, klärt der Keyboarder die Sache im Info selbst auf. Demnach war Ryo von Michael Whiteman (I Am the Manic Whale) derart begeistert, dass er ihn nach einer Kollaboration gefragt hat, ihm nach dessen Zusage 30 Demos geschickt hat und Whiteman die ausgearbeitet hat. Die Songs seien für ihn seine Version von Spock´s Beard, weshalb er darauf kam, aktuelle und ehemalige Mitglieder um Mitarbeit zu bitten. Und die kamen reichlich – und weitere obendrein. Nick D’Virgilio (Drums & Vocals), Al Morse (Guitar), Dave Meros (Bass), Ted Leonard (Vocals), Jimmy Keegan (Vocals) erklären die Qualität des Endergebnisses. Dazu kommen ein fetter Sound und tolle Soli, u.a. durch Steve Hackett, Mike Keneally und Marc Bonila. Die Freiheit als Chef nutzt Ryo zudem dadurch, dass er eben nicht nur Ted Leonard und Jimmy Keegan als Sänger an Bord hat, sondern auch Michael Sadler. Auch die Idee, den „Abacab“-Rhythmus 1:1 zu übernehmen aber mit neuer Melodie zu versehen („The Watchmaker“) macht Spaß! Er krönt seine Bemühungen mit dem 22-minütigen „The Myth Of The Mostrophus“, das noch einmal alle Spock`s Register zieht. Ein 60 Minuten Prog-Feuerwerk! Wann legen Spock`s eigentlich mal wieder nach?
Im Frühjahr 21, als die Zwangspause aller Live-Aktivitäten
langsam begann schmerzhaft zu werden, erschien „The Battle at
Garden s
Gate“, das zweite Album von Greta Van Fleet. Und weil man gerade
so drin war im Streamen von Live-Konzerten, verfing ich mich in den
Videos dieser Band. Kann ich nur empfehlen, es lohnt sich. Seit diesem
Album stehen die Gretas auf einem Sockel, weil sie den Retro-Rock auf
eine neue Stufe hoben, die mit so viel eigener Frische angereichert
waren, dass es eine Freude war. Seit diesem Album müssen sich
ähnliche Bands an Greta messen lassen. The Shadow Lizards sind
eine dieser Bands.
“Someone`s Heartache” ist ihr zweites Album, und sie
agieren darauf so entspannt, als hätten sie diesen ganzen Led
Zeppelin- und Greta-Hype und Erfolg schon hinter sich. Mit diesem
lässigen Selbstverständnis legt das Trio mit dem Instrumental
„Stardust“ mit dem ersten Highlight los, bevor sie erst
einmal wieder einen Gang zurückschalten und im folgenden
„You Can't Runaway From Your Soul“ ganz langsam starten,
bevor sie in die Nähe eines Rockmomentum kommen. Der kommt im
Titelstück, in „No one can save me“ und vor allem im
achtminütigen Epos „Home or Lost“ genauso wie im
abschließenden „Who is Who“, in Momenten wo Gitarrist
Kris Karla richtig abgeht, aber man hat das Gefühl, sie legen es
gar nicht groß darauf an. Sie können rocken, sie können
aber auch ganz entspannt. Bisweilen fast zu entspannt… aber das
können sie ja live nachholen. Apropos: Während ich seit KW
16/2021 darauf warte, dass ich die Chance habe, die Amis live im Norden
zu sehen, könnte sich das bei The Shadow Lizards schon viel eher
ergeben, denn das Trio kommt aus Nürnberg! Da sollte sich doch was
machen lassen.
Wer A sagt, muss auch B sagen. Was in diesem Fall nicht so schwer ist, geschweige denn eine undankbare Aufgabe. Will meinen, wer das neue Album von Project Patchwork vorstellt, muss auch dringend nochmal auf das ebenfalls dritte Album der Legacy Pilots zu sprechen kommen, auch wenn das schon ein paar Monate alt ist. Bei dem Projekt des Hamburgers Frank Us gibt es da nämlich durchaus ein paar Parallelen: Wie Gerd Albers hat auch Frank Us einmal mehr eine Menge prominenter Musiker um sich versammelt – so wie Drummer Marco Minnemann; Bassist Pete Trewavas oder sein Marillion-Kollege Steven Rothery, um nur einige zu nennen. Und mit John Mitchell, Finally George und Jake Livgren hat er zudem auch extrem illustre Sänger-Riege gewinnen können. Respekt! Deshalb punktet er in dem Fall, bzw. in den Songs. Demgegenüber stehen mehrere Instrumentalsongs, die in bester ELP-Tradition stehen, mich allerdings nicht ganz so abholen und deswegen einen für mich eher unnötigen Schwerpunkt bilden. Dabei beweist Us, dass er selbst auch gut singen kann… wäre also doch gar nicht nötig gewesen ;-)
Das klingt nach einer erfüllenden Aufgabe: In Ruhe Songs zu
komponieren, und sie dann mithilfe zahlreicher Musikfreunde
einzuspielen. Das Problem dabei ist aber, dass alle Aufgaben, die sonst
von einer ganzen Band erledigt werden könnten, letztlich an einer
Person hängen bleiben. Das kann dann auch etwas viel werden, wenn
man einen Großteil auch noch selbst einspielt und das Ganze
ersucht, nebenbei zu betreiben.
Komponist, Gitarrist und Schlagzeuger Gerd Albers hat sich dieser
Aufgabe trotzdem bereits zum dritten, allerdings auch letzten Mal
gestellt und ein weiteres Mal eine illustre Gruppe um sich scharen
können, die seine Ideen exzellent umsetzen. Fette Drums, teilweise
von Albers selbst, mächtige Keyboards (u.a. von Marek Arnold) und
immer wieder die exzellente Gitarrenarbeit, in einem Fall auch noch
durch einen Gastbeitrag von Martin Schnella ergänzt, sind die
Grundlage für die Songs, die jedem Eloy-Album zu Ehre gereichen
würden. Dazu kommen diverse Spielereien von weiteren Akteuren.
Kritischer Punkt ist sicherlich der Gesang, der aber sehr
abwechslungsreich und in den meisten Fällen sehr gut gelöst
wurde – hier wäre weniger manchmal mehr gewesen, aber da
denke ich bei Marillion auch oft.
Während das Eröffnungsduo noch etwas zusammengestückelt
klingt, ist Track 3 „Weeks Of Sorrow“ mit Subsignal
Sänger Arno Menses das erste Ausrufezeichen. Weitere Klasse-Songs
folgen, wie “Dead End Street” und v.a. der Longtrack
“Keepers Of The Fire”. Insgesamt überzeugt das Album
durch seine Abwechslun, aufgrund der eingangs beschriebenen Problematik
erklärt Albers aber, dass dies sein letztes Album sein wird. Mit
den Songs die er hier geschaffen hat, kann man ihm nur wünschen,
dass er eine Band findet, in die er zukünftige Ideen einbringen
kann.
Neue Band, Debütalbum: Ich nehme an, das ist prinzipiell, wonach ihr sucht, sonst würdet ihr diese Seiten nicht immer wieder anwählen. Dieser Band aus Massachusetts sollte man Gehör geben – für ihre Ideen, ihre Vielfalt und ihre Einzigartigkeit. Während die Vielfalt der Genres an die Eklektik (und einiges mehr) des Krautrock erinnert, nutzen sie letztlich nur die grenzenlose Freiheit des Progressive Rock, um ihren Ideen den nötigen Raum zu geben. Dabei bedienen sie sich aller Zutaten du Elemente aber nur selten der typischen Klischees des Prog, und das macht dieses Album so erfrischend und anders. Entsprechend können hier kaum Referenzen genannt werden, außer den prinzipiellen Verwandten wie Yes, King Crimson oder Rush, vielleicht Izz, um jetzt mal zumindest diese Seite abzudecken – aber glücklicherweise könnt ihr in Ruhe auf ihrer Seite reinhören. Das übliche Rock-Instrumentarium wird vereinzelt erweitert durch eine Bläsersektion oder auch nur einzelne Trompete, Saxofon oder Klarinette, Rock wechselt mit Jazz, Ska-Elemente mit Joe Jackson-Pop, bevor das nächste Rockgewitter hereinbricht, in dem die Gitarre auch gerne mal etwas härter angeschlagen werden kann. All das geschieht im stetigen Wechsel, ohne dabei verwirrend oder störend zu werden. Der Song bleibt im Zentrum bestehen, auch wenn er selten einfach nur durchläuft; ständig werden irgendwelche Hindernisse eingebaut. Ein wunderbar abwechslungsreiches und wundervoll inspirierendes Album!
Sie sind wieder zur kompletten Band angewachsen! Und hauen ein Album raus, das sich wie ein Soundtrack, zumindest aber
(mal wieder) wie ein Konzeptalbum anfühlt. Die Songs gehen oft
ineinander über, sind bisweilen mit kurzen Interludes verbunden,
so dass ein wunderbarer Fluss entsteht. Trotzdem hat das Album zwei
Seiten. Auch wenn sie Teil eins mit einem relativ spannenden
Intro starten, geben sie sich auf den ersten 9 Songs, also Seite 1
geben Sie sich noch songorientierter, spielen in einem Track ein wenig
mit den Takten, geben sich aber ansonsten noch relativ songorientiert
und radiofreundlich.
Im zweiten Teil, beginnend mit dem ersten Highlight des Albums,
„Golden Sail“, gibt es mehr Rock, mehr Drama, mehr Opulenz,
mehr Pink Floyd. Da ist sie plötzlich wieder, diese Kombination
aus Alternative Rock und Prog, die schon in der Vergangenheit
wiederholt von Ihnen gehört hat. Das nächste Highlight
„Taken By the Hand“ lässt nicht lange auf sich warten
und bringt es auf 11 Minuten und auch im weiteren Verlauf zaubern sie
viele spannende und viele schöne Momente auf Tapet. Die erste
Hälfte des Albums mag ein wenig zu harmlos geraten sein, die
zweite Seite hebt die Qualität und die Spannung des Albums
deutlich an – und ist mit 48 Minuten auch der deutlich
längere. Und auch wenn letztlich kein richtiger Highlight-Track
dabei ist, ist das Album eine musikalisch gelungene und
hörenswerte Reise.
Aus
dieser Band soll mal einer schlau werden. 2005 erzählte mir
Keyboarder Jonathan Cain noch im Interview (siehe hier), dass sie gar keine Alben mehr machen
wollten, weil sie der Meinung waren, dass die keiner mehr kaufen
würde, dann überzeugte Frontiers Records sie offensichtlich
vom Gegenteil, weshalb sie bis 2011 gleich drei Alben produzierten,
u.a. auch, weil sie festgestellt hatten, dass ihr neuer Sänger
Arnel Pineda auch noch ein guter Songwriter ist (siehe ebd.). Dazu kamen sie endlich
(!) auch wieder für Konzerte nach Europa, ließen sich in
Hallen und auf Festivals feiern – und dann stellten sie die
Studioaktivitäten doch wieder komplett ein. Lag es an den
Streitereien mit Drummer Deen Castronovo, der in der Zwischenzeit tolle
Soloalben auf Journey-Niveau unter dem Namen Revolution Saints
veröffentlichte? Die scheinen jedenfalls wieder ad acta gelegt,
denn der ist mittlerweile wieder an Bord. 2018 in die Rock and Roll
Hall of Fame aufgenommen, sind die Jungs um Gründungs- und
Langzeitmitglied, Gitarrist Neal Schon jetzt, 11 Jahre nach ihrem
letzten Album, wieder da! Und sie machen keine halben Sachen: 15 neue
Songs, die alles vereinen, was man von dieser Band hören will
– und die dermaßen begeistern, dass man gewillt ist, sie,
bzw. viele von ihnen zum Besten zu zählen, was sie seit ihren
erfolgreichen Achtzigern veröffentlicht haben.
Schon die erste Single “You Got The Best Of Me” ließ
Einiges erhoffen, aber dass es noch einmal so groß werden
könnte, übertrifft dann doch die Erwartungen. Zwar beginnen
sie das Album ungewohnt ruhig, steigern sich aber schon im Opener zum
kräftigen Rock-Act. Das folgende „Don't Give Up On Us“
(sic!) nimmt mal eben locker den „Seperate Ways“ Vergleich
auf. Und allein die Tracks eins bis drei sowie die darauf folgenden
Ballade „You Got The Best Of Me“ sind schon jetzt kaum von
einer zukünftigen Best Of Kopplung wegzudenken; von den weiteren
Singles des Albums ganz zu schweigen. Neal Schon ist immer wieder Dreh-
und Angelpunkt des Geschehens uns seine Soli einmal mehr
wunderschön! Weiter beschreiben muss man es nicht, dafür
kennt man den Sound dieser Band zu gut, aber bewerten darf man. Das ist
73 Minuten Stadionrock par excellence, für den man sich auch hier
bei uns das richtige Setting für die Jungs wünscht –
wenn sie denn damit vorbeischauen. Solange kann ich dieses Album nur
wärmstens empfehlen!
Im ersten Moment erschien die Meldung Ende letzten Jahres wie eine Sensation, bei genauerer Betrachtung war es vielleicht die einzige
Möglichkeit, die Wunderknabe Steven Wilson geblieben war. Dass er
sich mit seinem letzten Album verzockt hatte, war offensichtlich, und
nicht das Verschulden der Pandemie, die alle Begleitphänomene, die
er mit der Veröffentlichung von „The Future Bites“
geplant hatte, im Keim erstickte. Das Album war trotz einiger heller
Momente eine mittlere Katastrophe gemessen an dem Potential, das man
dem Briten zuschreiben konnte. Wohin also mit den Ideen, die er –
offensichtlich schon seit einigen Jahren – gesammelt hatte?
Wäre er unter eigenem Namen zurückgekehrt zum Progrock,
hätte er den Weg, den er eingeschlagen hatte, selbst ins
Lächerliche gezogen. Drastisch ausgedrückt. Zudem dürfte
die versandete Future Bites-Kampagne den einen oder anderen Pfund
verschlungen haben. Also lieber zurück mit einem richtigen
Paukenschlag? Inklusive der im Albumtitel angedeuteten Hintertür,
die Sache entweder immerhin zu einem würdigen Ende geführt zu
haben, oder aber als Beginn eines neuen Chapters zu verstehen, was,
siehe Interview, noch gar nicht entschieden ist. Womit wir bei der
Frage sind, ob „Closure / Continuation“ Grund genug ist,
auf Zweiteres zu hoffen.
Die erste Vorabsingle „Harridan“ war ja schonmal ein
leckerer Appetithappen – beruhigend rockig, angemessen komplex
und typisch PT. Kein Highlight, aber schon das, was man sich erhoffen
konnte. Das Album legt nach mit dem Single-tauglichen „Of The New
Day“, eine gute Mischung aus Ballade und Prog-Rocker, die auch
locker auf Wilsons Solo-Highlights gepasst hätte. Letzteres
könnte man auch zu „Rats Return“ sagen: Ein toller
Rocker zwischen Heavy und Komplex-Prog mit gelungener Atmosphäre.
Atmosphärisch wird es auch in „Dignity“. Die zweite
Single „Hard Culling“ ist noch ein weiteres sehr typisches
PT-Rock-Highlight, bevor das Album mit „Walk the Plank“
zunächst etwas seichter und im abschließenden
„Chimeras Wreck“ etwas melancholisch wirr wird, beide mit
typischer Wilson/PT-Handschrift, aber keine Großtaten. Die
beschriebenen 45 Minuten werden durch drei Bonustracks ergänzt,
die sich in sehr ähnlicher Manier einreihen. Alles gute Songs, bei
denen jeder Fan froh ist, dass PT wieder da sind und Wilson zurück
auf der (Rock-)Spur, die aber selten zu den ganz großen
Glücksmomenten führen. Dafür sind die Songs zu bunt
zusammengewürfelt, zu typisch und ohne die Band in neue Regionen
zu führen, was vielleicht aber auch etwas zu viel verlangt
wäre. Das könnte man sich für eine Fortsetzung erhoffen,
die sicherlich von den Allermeisten sehnlicher erwünscht
würde, als ein „Future Bites“-Nachfolger. Das, um die
o.g. Frage zu beantworten, schafft dieses Album auf jeden Fall!
Interessanterweise bezieht sich ihre Plattenfirma auf ihre PopPunk Wurzeln, und in der Tat sind die New Yorker auch in erster Linie hochenergetisch und extrem eingängig. Das macht den Großteil der Anziehung ihrer Songs aus. Dass man trotzdem nicht nach der Mitte des Albums bereits gelangweilt ist und sich beim zweiten Hördurchgang schon hilfesuchend nach Alternativen umschaut, liegt an der Abwechslung des Albums und am Anspruch der Band. Sie erweitern ihre Soundpalette mit wahlweise Elektronik oder Stadionrock-Attitüde, trauen sich auch ganz leise Momente und arbeiten mit im Vorabinfo nicht weiter genanntem Gastgesang. Zudem deutet der Albumtitel „Vaxis II“ schon an, dass wir es mit einer Fortsetzung ihrer auf fünf Alben angelegten Story zu “The Amory Wars” zu tun haben, einer Geschichte von einem Paar auf der Flucht vor tyrannischen Mächten. Auch beim neuen Album gibt es in der Deluxe-Version einen bebilderten, 96-seitigen Roman „A Window of the Waking Mind“ dazu, der von Sanchez entwickelt und von seiner Frau Chondra Echtert geschrieben wurde. Weitere Formate enthalten weitere Goodies, auf die ich jetzt nicht weitere eingehe. Spannender ist die Musik – und die wird im Verlauf des Albums immer theatralischer, schon das knapp 7minütige “Ladders of Supremacy” ist ProgRock, das abschließende knapp 9minütige „Window of the Waking Mind” erinnert an Arjen Lucassen. Das ist eine weite Reise im Vergleich zum oben erwähnten Einstieg des Albums, aber ähnliche Neigungen gibt es ja auch bei Kollegen wie Tom DeLonges Blink182 vs. Angels & Airwaves-Unternehmungen. I like it!
EPs sind ja extrem in Mode gekommen - sei es wegen Corona, als viele
Bands begannen, ihre Alben zurückzuhalten, weil sie meinten, ohne
Tournee lohnt sich die Veröffentlichung nicht, ohne Lebenszeichen
ist aber auch doof, sei es wegen des veränderten Zeitgeists, in
denen Alben ohnehin nur noch ein egozentrisches Luxusprodukt für
geltungssüchtige Künstler sind, weil eh niemand mehr Zeit hat
(bzw. sich nimmt), mehr als die Singles zu hören (Vorsicht:
Sarkasmus!). Da stellt so eine Ep einen halbwegs akzeptablen Kompromiss
aus Single-Halbwertszeit und wertiger Veröffentlchung dar.
Mir persönlich fehlt bei EPs (und bei Singles sowieso) die
Möglichkeit zum Gesamteinblick. Ein Hit ist schnell geschrieben,
ein zwei weitere okaye Songs dazu vielleicht auch noch, da ist eine
guute EP schnell gefüllt. Um mir ein Urteil über eine Band
bilden zu können, möchte ich mehr hören. Deswegen stelle
ich EPs gerne in meiner Radiosendung vor, als wertige, in schriftlicher
Form vorstellenswerte VÖ sehe ich sie selten.
Das vorliegende Exemplar ist jetzt die zweite ansprechende VÖ in
Folge von einer Band, deren letzte vollständige CD ich ohnehin
noch einmal nennen wollte.
2018 als Soloprojekt von Myles McCabe gegründet, war "Megabear"
das 2021 veröffentlichte Debütabum des Quartetts: Bestehend
aus 52 Tracks, die man per Random-Modus beliebig zusammenstellen
konnte. Ein interessantes Experiment, auf das man auch erstmal kommen
muss und mit dem man sich schon mal Kreativitätspunkte sichern
kann. Aber abgesehen davon, dass der Übergang nicht immer 100%
passte, war es letztlich unbefriedigend abwechslungsarm, weil jeder
Track in derselben Tonart enden musste, wie es angefangen hat und in
den dazwischenliegenden 30-60 Sekunden einfach zu wenig Zeit für
Spannung blieb. Da sind
mir ihre frischen, abwechslungsreichen Rocksongs ihrer beiden EPs
deutlich lieber. Gesanglich wie musikalisch in der Nähe von Frank
Turner angesiedelt, weisen sie ein ähnliches Hitportential wie
dessen Singles auf - und das ist schon bemerkenswert.
Am 4.2. erschien ihre EP "Pterodactyl", "Plesiosaur" setzt die EP Serie
erfolgreich fort, zeitgleich mit der digitalen Veröffetlichung
erscheinen beide auch als gemeinsame Vinyl. Die Tournee mit Foxing im
Mai wurde derweil leider abgesagt.
Tolle Harmonieren, fetter Sound, Walls of Sound: Das ist fettester
Post-Rock, den es sonst nur instrumental gibt. Hier ist er mit Gesang
kombiniert, der so lieblich ist, das es den maximalen tollen Kontrast
bildet. Selbst, wenn es musikalisch teilweise bis zum Double Bass
Drum-Gewitter geht, wird das durch den lieblichen Gesang komplett
entschärft.
Das hat den Stadionrock-Charakter von Tom DeLonges Angels &
Airwaves, und erinnert nebenbei an alle Postrock Kandidaten, macht
scheinbar alles richtig, hat aber doch einen Haken: Was fehlt, ist die
Abwechslung und die Laut-Leise Dynamik. Denn leider
beschränken sich Astronoid – ähnlich wie Lonely The
Brave – auf weitestgehend durchgehende High Energy Songs. Das ist
erst mal gut, auf Dauer aber auch etwas ermüdend. Allerdings ist
das Meckern auf sehr hohem Niveau. Der langsame Beginn im Opener
„Admin“ ist da noch die maximale Abwechslung. Zwar
reißt das Bostoner Quartett schon mit den ersten 4 Songs alles
ein, was ihnen an Abneigung entgegentreten könnte, aber danach
lässt die Songqualität im weiteren Verlauf doch etwas nach.
Oder liegt es an der fehlenden Abwechslung, die einem zu viel Zeit
lässt, sich um das Drumherum zu kümmern? Und dabei bemerkt,
dass auch im Gesangsbereich Luft nach oben ist. Also: auf dem
richtigen Weg sind die Jungs hier definitiv, aber für ein
Meisterwerk braucht es mehr.
Eine tolle Geschichte: 25 Jahre nachdem die Niederländer Galaxy
(1983-1997) ihr Debütalbum aufgenommen haben, wird es endlich veröffentlicht
– und sogar ordentlich promotet. Seinerzeit aufgenommen, aber
niemals abgemischt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht,
weil sich ihre Lebenswege trennten, wie das in jungen Jahren passieren
kann. Glücklicherweise gab es 1997 nicht mehr nur Tapes
später haben sie die alten Tapes und Festplatten gefunden und das
Album wiederbelebt.
Der Albumbeginn erinnert mich an die Schweizer Progband Clepsydra,
falls die noch jemand kennt – und damit wäre die Richtung
dieses Albums auch schon bestens beschrieben. Schon bei Clepsydra
konnte man nie genau sagen, ob man sie dem Prog oder dem Melodic Rock
Genre zuordnen sollte, und das ist auch bei Galaxy nicht einfacher. Da
tauchen jede Menge Marillion-Harmonien und –Soli auf, Enchant,
Pallas und It Bites sind weitere mögliche Referenzen. Das Album
sprudelt vor großen epischen Melodien und anspruchsvollen
Arrangement und wird abgerundet durch die angenehme, kraftvolle Stimme
von Sänger Bart Schwertmann auf, seit 2017 Sänger der
niederländischen Prog-Legende Kayak. Interessant dabei ist, dass
einem die Songs fast wie alte Bekannte vorkommen, so typisch sind sie
in bester 90er-Jahre Tradition arrangiert, ja es laufen einem bisweilen
wohlige Schauer über den Rücken, dabei sind diese Songs
allesamt unbekannt. Ein tolles Album!
Retro-/Blues-Rock-Debüt aus Schweden, der vieles richtig macht!
Damit wandeln sie auf den Spuren von Greta van Fleet – und das
gar nicht mal schlecht. Noch nicht ganz so kultig, dem Sänger
fehlt auch ein wenig vom Charisma eines Joshua „Josh“
Kiszka, dafür ist seine Stimme weniger
gewöhnungsbedürftig. Energetisch, abwechslungsreich, zwischen
70s-Blues Rock und Psychedelic, ruhige Momente inklusive sowie modernem
Sound. Oder wie sie selbst sagen: „Wir denken, so sollte
Rock`n`Roll 2022 klingen“. Sprichts nichts dagegen! Bitte
weitermachen!
Beim ersten Hören erscheint dieses Album als eine (bisweilen etwas zu) entspannte Version Postrock, das aber (meist) mit Gesang. Und schnell wirdk lar: Ein paar Highlights sind dabei! “In Vain” als erste Single und „Finding Failure“ (2/2022) als zweite Single waren schon geil, „Screams at Night“ ist ein weiteres Beispiel für ihre Klasse! Rock zwischen Stadion Hymne und Indie- - ja –Pop kann man fast sagen, mit Beatlesken Harmonien. An anderer Stelle mit Breaks und Richtungswechseln, ohne dabei jetzt im Progressivrock zu landen (Finding Failure, While it lasted). Ein spannender Ritt durch eine ganze Reihe interessanter Sounds! Abwechslungsreich, mitreißend; tolles Album!
Es ist immer wieder faszinierend, welche blütenähnliche Kapriolen Musik – eigentlich nichts weiter als eine bunte Zusammenstellung von Noten auf immer neue Weise – schlagen kann. Allein im Blues-infizierten Rock-Genre fallen mir spontan drei Namen ein, die in den letzten Jahren mächtige Wellen schlagen konnten: Greta van Fleet, All Them Witches und Wille & The Bandits. Letztere, gegründet vor 15 Jahren, finden seit rund 10 Jahren immer mehr neue Ohren, in denen sie sich spontan einnisten, sobald Wille Edwards und seine Mitstreiter sie erreicht haben. Ihre kraftvolle Mischung aus Rock und Blues wird gerne erweitert mit groovigen Elementen genauso wie mit psychedelischen Jam-Parts, ergänzt mit glänzenden Soli und der Reibeisenstimme ihres Namensgebers. Ihr neues, fünftes Album „When The World Stood Still“, offensichtlich maßgeblich beeinflusst vom Lockdown der letzten Jahre, mag nicht ganz so durchgehend überzeugend sein, wie ihre frühen Klassiker „Grow“ und „Steal“, geizt aber trotzdem nicht mit überraschenden Ausflügen in o.g. Nebenarme. Besonders die Songs, die (mitunter weit) über die 5-Minuten-Marke hinausgehen, und das ist schon die eine Hälfte der Stücke, lassen sich die nötige Zeit um mit Spielereien zu überraschen. Da wird man sich auf die Live-Umsetzung freuen dürfen: Jetzt, wo es endlich wieder erlaubt ist, kommen sie damit auf Tournee – und sind u.a. am Sonntag, 15. Mai im Meisenfrei zu erleben, am Freitag, 20. Mai im Zollhaus (Leer) - für den Rest des Landes:
Das kompositorische Geschick hat etwas gelitten: Mike Scott scheint
sich mittlerweile mehr als Geschichtenerzähler zu sehen, als sich
auf gutes Songwriting zu konzentrieren. Mit relativ simplen Strukturen
und Melodien und vor allem mit alle Songs überlagernde,
störende Computerdrums hat er hier wieder zehn neue Songs zusammen
geschraubt, die allesamt seine frühere Klasse, seinen alten Verve
vermissen lassen.
Ich war wirklich mal ein großer Fan der Waterboys und Mike Scott
war auch einer der Künstler, die ich gerne mal zum Interview
getroffen hätte. Aber zumindest musikalisch hat nicht mehr so viel
Spannendes zu erzählen. Wie schon Tears for Fears auf ihrem neuen
Album mit simplem Pop enttäuschten, setzt Scott mit „All
Souls Hill” noch einen drauf. Ist hier ein Trend erkennbar, dass
die Achtziger-Jahre-Helden langsam in die Belanglosigkeit abdriften?
Die Rhythmen dieses Albums würden mich bei Lisa Stansfield, die
ich auch mag, nicht stören, aber für eine Rockband, wie die
Waterboys es mal waren, ist mir das zu wenig. Ein, zwei nette Balladen,
ein etwas herausstechen Uptempo Song („Blackberry Girl“),
mehr kann hier nicht herausgehoben werden.
Entweder
denkt er an Radio DJs, die kaum seine Longtracks spielen werden, oder
er möchte den Zugang zu seinen Songs allgemein erleichtern. Die
beiden Longtracks von 19 Minuten werden auf diesem Album
anschließend auszugsweise in vier Single Edits weiter seziert.
Das mag für manchen Musik Rezensenten und/oder Musikliebhaber, die
aus anderen Gründen gerne als Analytiker unterwegs sind, wenig
überraschen, für andere vielleicht aber auch etwas
ernüchternd sein. Was der Progressive Rock nämlich letztlich
ist, wird hier sehr deutlich: Viel aufgeblasener Bombast um einen
simplen Song herum.
Aber wer sich darauf einlässt, bekommt zwei wunderbare Songs
zwischen Pink Floyd, Camel und Southern Empire, ergänzt durch Hans
Zimmer-esque orchestrale Arrangements, die wahlweise an Harry Potter
oder James Bond Soundtracks erinnern, erweitert mit tollen Gitarren-
und Pianolinien. Und komponieren kann er: Vor allem beim Opener
„Die Before You Wake” bekommt man einen eingängiger
Song in der Mitte, an allen Ecken solistisch aufgewertet und
abgewandelt, aber im Zentrum bleibt der Song. Leider ist das folgende
„Amnis Flows Aeternum“ nicht ganz so genial, wie der Opener
und noch weitergehend instrumental, zudem sind zwei Songs auch etwas
mager. Finde ich. Aber hörenswert allemal!
If it ain´t Rock, why does it feel so good? Ich sollte
aufhören, mich so auf neue Archive Alben zu freuen. Waren Archive
mal eine Rockband?
Irgendwie schon. Zu Zeiten von „You all look the same to
me“ und auf der Bühne sowieso. Trotzdem: Die
größte Faszination ihrer Musik bestand nicht unbedingt in
den Rockelementen, sondern in ihrer einzigartigen Art, Pop in
hypnotische Strukturen zu verpacken. Natürlich waren es dann immer
die Rock Eruptionen, die die größte Begeisterung
auslösen, aber ein Schwerpunkt war hier nie auszumachen. Mit den
letzten Alben verschwand dieses Element immer mehr aus ihrer Musik.
Leider auch die überraschenden Momente, genauso wie die Hip-Hop
respektive Rap-Elemente. Stattdessen wurden sie eher elektronischer,
und poppiger im Sinne von einfacheren Strukturen. Diesen Trend scheint
auch das neue Album fortzusetzen. Oder doch nicht? Zunächst einmal
ist das Album vor allem extrem ruhig und packt dich mit unglaublichen
Harmonien und Passagen, in denen man die sprichwörtliche
Stecknadel fallen hören könnte. Umso wuchtiger fallen die
wenigen Rockelemente und dynamischen Songs auf, und dieser Kontrast ist
einer der Faktoren, die dem Album seine Faszination verschaffen.
Daneben gibt es auch die hypnotischen Momente, die wieder vermehrt
zurückgekehrt sind und vier Longtracks von gut 8 bis über 14
Minuten, auch wenn die nicht an die Großtaten der Band
heranreichen, enthalten sie durchaus die typischen Elemente.
Wie wir am letzten Birdpen-Album („All Function One“, KW
10/21) gesehen haben, scheint es einfacher zu sein, abseits der Band
die alten Qualitäten einzubauen. Archive bleiben die sich weiter
entwickelnde Band, und man muss weiter auf alles gefasst sein.
Faszinierend bleiben ihre Alben irgendwie immer. Und deswegen werde ich
auch nicht aufhören, mich auf – und v.a. über –
neue Archive-Alben zu freuen!
In einem Genre wie dem Progressivrock ist es nicht ganz einfach, positiv aufzufallen. Wenn man zu progressiv, sprich zu fortschrittlich neu ist, muss man erstmal schaffen, die alten Hörgewohnheiten außen vor zu lassen. Und ist man zu sehr gefangen in den üblichen Schemata, war in den letzten 50 Jahren irgendwie dann auch alles schonmal da. Da muss man schon extrem gut sein, um aufzufallen. Und genau das machen Kite Parade, bzw. im Prinzip ist es Multiinstrumentalist Andy Foster, der das geschafft hat mit seinen Kompositionen. Große Songs, tolle Melodiebögen mit einer Menge Genesis, Marillion, IQ und It Bites im Hinterkopf – also alles was Spaß macht! Aufgewertet mit einer fetten Produktion, abgerundet durch diverse Gäste an Drums, Bass, Gitarre und Piano sowie Duettgesang, darunter sogar ein Herr Nick D’Virgilio. Der Opener „Letting Go“ ist schon ein Paradebeispiel für exzellent gemachten Prog und trotzdem macht Andy Foster nicht den Fehler, diese Formel zu kopieren, sondern komponiert sehr abwechslungsreich – eigentlich kommt kaum etwas doppelt vor! Kite Parade agieren mal härter, mal langsamer, mal bombastischer, mal energetischer. Möchte meinen: Alles richtig gemacht!
Es war schön, es war gut und am Ende nicht mal zu kurz (frei nach Wolfgang Niedecken ("Jraaduss"), dessen Heimatstadt die alten Herren Genesis letztlich Dank Zusatzkonzert für ihren etwas holprigen Abschied aus Deutschland gewählt hatten). Aber wer die Herren Collins und Co. auf ihrer jüngsten Tournee erlebt hat, der weiß, dass es wenig Sinn machen würde, auf Nachschlag von diesen Herren zu warten. Also Zeit für etwas Neues. Und da kommen diese – zugegeben auch nicht mehr ganz jungen – Herren hier ins Spiel. Allesamt aus dem Spock Beard Umfeld kommend, war auch ihr Sound auf den ersten beiden Alben deutlich in deren Umfeld angesiedelt. Mit Album #3 denken Sie jetzt größer – oder auch: Freier. Neue Klänge, erweiterte Einflüsse – und um auf den Beginn des Textes zurückzukommen: Da sind auf dem neuen Album einige Songs und Sounds enthalten, die durchaus Genesis-Größe und -Potenzial haben. Aber warum nicht. Da ist eine Lücke frei geworden, die es zu füllen gilt. Mit Songs dieser Größe und dieser Abwechslung sollten sie ihren Fankreis jedenfalls deutlich vergrößern können. Mit „Day at the Beach“ kommt der lockere Pop-Song vielleicht noch etwas früh in Ihrer Karriere, aber spätestens mit “I can’t stay here anymore” bewerben sie sich inoffiziell um die Genesis Nachfolge, würde ich sagen.
Dieses Album ist zumindest eine Überraschung, für die Fans aber eine handfeste Sensation. Natürlich war das auch schon der unerwartete Auftritt im Logo im Januar 2020, und insgeheim hatte man natürlich gehofft, dass es bis hier hin weiter gehen würde. Dass es aber tatsächlich dazu kommen würde, dürfte jeden alten Fan zum Jubeln bringen. 27 Jahre nach ihrem letzten Album sind sie wieder da, und machen das, was sie am besten können: Handmade Pop Rock, mit tollen Melodien und Refrains, und, wenn man es jetzt mal in Kontrast zu Dirk Darmstädters zwischenzeitlichen Soloalben bringen möchte, ein richtiges Band(sound-)album. Und ein richtig gutes dazu. Knackige Melodien, hooklineorientierte Songs, abwechslungsreich, zeitgemäß, genau das was der alte Fan sich wünscht. Mit dem Opener und Titelstück ist dabei ein echtes Juwel dabei, und auch sonst gibt es klasse Titel, aber das ist gar nicht so entscheidend, wie die Tatsache, dass das Album insgesamt überzeugen kann. Jetzt noch eine hoffentlich spielbare Tournee dazu, und alles ist wieder in Butter. Welcome back!
In der breiten Musikwelt mögen sich die Geister über diese
Band scheiden, in der Prog Community sollten sie es nicht schwer
haben, ein Bein an die Erde zu bekommen. Zwei Jahre ist es her, dass
die „deutsche“ Band ihr Debütalbum
„Salutogenesis“ veröffentlicht hat. Wobei
„Band“ zu dem Zeitpunkt noch eine nicht ganz zutreffende
Bezeichnung war: Komponiert und initiiert großteils von Drummer
Fenix Gayed, eingespielt mithilfe von mehr als 50 Künstlern
unterschiedlichster Herkunft vereinte es vieles, was Art- und
Progressive Rock interessant macht. Eine unglaublich spannende
musikalische Reise durch Metal, epischem Progressivrock, klassische
Streicher und Elemente, Musical-Einlagen, Breaks und Taktwechsel auf
höchstem Niveau und fantastische Gesangs- und Musikerleistungen
und Soli inklusive. Schon damals mit dabei: Simon Kramer (Gitarren) und
Felix Jacobs (Bass), die für das neue Album durch Lewin
Krumpschmid (Keyboards) und Sänger Sami Gayed ergänzt wurden
und somit die Band auf Quintettgröße zurechtgeruckelt hat.
Wobei Gastbeiträge immer noch die Fünf ergänzen.
Spannend aber am neuen Album ist die Tatsache, dass nicht Fenix,
sondern Gitarrist Simon das Grundgerüst geliefert hat, zu
dem dann jeder der anderen seinen Teil beigetragen hat. Dadurch ist es
deutlich mehr ein Bandalbum geworden, bzw. „homogener“, wie
Fenix es ausdrückt. Die bereits erwähnte Vielseitigkeit ist
dabei erhalten geblieben und macht auch das neue Album ungeheuer
spannend. Die erste Vorabsingle „Incineration“ war
gesanglich zwar noch etwas sperrig, bleibt aber mehr oder weniger die
extreme Ausnahme und unterstreicht einmal mehr die immense Spannbreite
von Fenix Bruder Sami Gayed. Bereits die neue Vorabvorstellung auf
Bandcamp, „Disconnected“, die auch das Album eröffnet
ist ein Paradebeispiel für die Qualität des Albums, das
einmal mehr zwischen Dynamik und Melodie mit Elementen aus Prog,
Klassik und Progmetal spielt, in sieben Songs zwischen 4 und 7 Minuten
nie den Song aus den Augen verliert und mit grandiosen musikalischen
Beiträgen von v.a. Piano und Gitarre, aber auch z.T. mehrstimmigen
Gesang und Klassikelemente dieses Album zu einem Highlight macht.
Unbedingt antestenswert – und wenn alles gutgeht, sind sie im
Juli auf der Loreley und im Oktober in Mannheim live zu sehen.
Pläne gibt es obendrein für eine Tour im September.
Die sympathischste aller Punk Bands. Wobei sich die beliebte Frage stellt, ist das noch Punkrock? Er hat sicherlich noch Elemente und Wurzeln aus und im Punk, der Opener „Non Serviam“ (2.00), „Fatherless“ (2.41) und „My Bad“ (1.44) sind kurze wie klare Belege dafür, aber um dieses Genre noch authentisch zu besetzen, schreibt er definitiv zu viele Hits. Oder einfach zu gute Songs. Die Singles „Haven't Been Doing So Well“ und „A Wave Across The Bay“ sind da nur die Spitze des Eisbergs. Dazu gibt es Lustig-Nachdenkliches wie „Miranda“, das melancholische Corona-Ergebnis „Little Life“ oder den nach „A Wave…“ zweiten wunderschönen Abschiedssongs „Farewell To My City“. Nein, Punkrock ist das nicht mehr. Einfach eine angenehm abwechslungsreiche Sammlung Rocksongs, mit der sich Turner einmal mehr von seiner besten Seite präsentiert.
Live am 18.04.22 Bremen, Aladin Music-Hall
sowie 19.04.22 Dortmund, FZW - 21.04.22 Hannover, Capitol - 22.04.22
Stuttgart, Im Wizemann (Halle) - 23.04.22 Saarbrücken, Garage -
24.04.22 Leipzig, - Werk 2 - 26.04.22 Heidelberg, Halle 02 -
11.05.22 Nürnberg, Löwensaal
Harry Styles „Sign of the Times“ ist ein nettes Lied,
aber ich habe es aus zwei Gründen von Anfang an gehasst: Erstens
war der Titel bereits
für einen der Klassiker der Musikgeschichte vergeben, und zweitens
war der Song so simpel gestrickt dass es für eine Band wie
Marillion ein leichtes wäre, zehn davon zu schreiben. Die
hätten allerdings nie auch nur ein Zehntel des (kommerziellen)
Erfolgs von Harry Styles. Wenn ich dann noch sehe, dass Styles im
Sommer Stadionkonzerte spielt, kann man schon mal vom Glauben abfallen.
Das scheinen sich die Jungs von Marillion selbst auch gedacht zu haben,
denn jetzt machen sie es einfach mal. Das neue Album startet
theatralisch und eigentlich ganz spannend, mit einer wunderbaren
perlenden Pianomelodie und einer wirklich gelungenen, schmissigen
Komposition. Wie man insgesamt feststellen kann, dass dieses Album
offensichtlich der typischen Einstellung von Künstlern folgt, das
neue Album immer als Reaktion auf das vorangegangene anzugehen. Denn
während F.E.A.R. irgendwie nie aus dem Quark kam und alles andere
als schmissig war, rockt das neue Album wie schon lange nicht mehr. Die
ersten drei Songs sind alle (zumindest teilweise) Uptempo und auch
sonst geht es munter zur Sache. Und für Longtrack-Fans gibt es
zwei 10- und einen 15-Minüter. Aber leider bleibt die Innovation
auf der Strecke. Das Album ist eine Sammlung mittelmäßiger
Marillion-Standard-Sounds, was an sich noch erträglich wäre.
Hauptproblem sind die Texte. Zu belanglos, zu viel Herzschmerz und viel
zu viele Wiederholungen – ein Phänomen, das ich bei
Pop-Songs prinzipiell bemängele. „An Hour before it`s
dark“ scheint wie für den Pop-Markt gemacht. Und
entsprechend des Erfolges von Harry Styles (allein dieser Name…)
hätten die Songs locker das Zeug dazu. Aber es dürfte jedem
klar sein, dass Marillion nicht mehr in einer Altersgruppe spielen, in
der man mit diesen Sound in die Charts käme. Insofern ist die
Chance, ein Sahnealbum für Fans abzuliefern und sich damit einen
Namen zu machen, leider vertan.
Moderner
Prog-Rock, melodisch, überraschend, episch: Die Art der
zündenden Hooklines und die musikalische Ausrichtung ist am
ehesten mit Neal Morse vergleichbar, bzw., was die Abwechslung und die
Menge an Einflüssen angeht, noch viel mehr mit Transatlantic. Eine
Liga zu hoch gegriffen, meint ihr? Meine ich nicht. Die Melodien sind
kernig, die Breaks und Tempowechsel schlüssig. Lediglich der
Gesang ist bei Transatlantic etwas charismatischer, aber mit einem
Vollprofi wie Neal Morse zieht man auch nicht so leicht gleich.
Abgesehen davon singt Jonas Sundqvist auch nicht weniger professionell,
also bleibt das letztlich eine Geschmacksfrage. Und mit Jenny Storm hat
er auch eine Duett-Partnerin mit an Bord, die auch hier noch
Abwechslung mit rein bringt.
Lindberg startete mit der 2008 aufgenommenen EP „In Secret
Pace“ als Examensprojekt an der Musikakademie in Piteå,
Schweden. Veröffentlicht erst 2012, war die EP ein erstes
Lebenszeichen seiner Band, gefolgt von der zweiten EP „The Other
Side“ 2013. Erst 2016 erschien mit„Pathfinder“ das
erste Album, der Nachfolger wurde aufgrund intensiver Tourneen mit
vielen anderen Verpflichtungen bis 2019 auf Eis gelegt. Als Gastmusiker
auf „Miles From Nowhere“ ist u.a. Roine Stolt (The Flower
Kings, Transatlantic) zu hören. Vermisst wird derweil
Keyboarder Michael Ottosson, der 2020 verstarb, was dazu führte,
dass Lindberg die Keyboards übernahm.
Ein klasse Album mit sieben spannungsreich abwechslugsreichen Songs in
maximaler CD-Spielzeit, „Summer Queen“, z.B., startet als
luftiger Folk-Pop und entwickelt sich innerhalb von Minuten zum
Rock-Monster mit kreischenden Gitarren, bevor er sich zum ersten von
drei Long Tracks entwickelt, die allein mehr als 50 Minuten auf die Uhr
bringen (die Hälfte davon erledigt das abschließende
Titelstück). Großes Kino! Die anderen vier Songs bewegen
sich zwischen Genre-typischen 5 und 7 Minuten, nur „Why I´m
here“ und das Instrumental sind verzichtbar, aber das bleibt
ebenfalls Geschmackssache.
Sind es tatsächlich schon fünf Jahre, seit uns Dredg-Gitarrist Mark Engles mit dem fantastischen „In Droves“-Album begeisterte? Nachdem seine Hauptband über die Jahre mehr und mehr in seichte Fahrwasser und damit in die Belanglosigkeit geraten war, schien er hier die Rockseite wieder mehr ausleben zu wollen und schlug er hier zwischendurch auch wieder mal kräftigere Saiten an. Dank der Pop-affinen Melodien entstand eine hypnotische Mischung aus Alternative Rock Crunch der Marke 3 Doors Down und Prime Circle auf der einen und U2 und Keane auf der anderen Seite. Beim ersten Hören scheint der Rock-Faktor auf dem Nachfolger etwas zurückgefahren zu sein. Die Grooves und Ambient-Sounds, die auf dem Vorgänger vereinzelt angedeutet wurden, blitzen in den neuen Songs immer wieder mal durch. Bei genauerem Hinhören wird aber klar, dass die Gitarre hier fast durchgehend die erste Geige spielt und mit jedem Song das Dredg-Repertoire locker an die Wand rockt. Es sind die hittigen Melodien, Songs wie die potentielle Single „Nothing over me“ und gelegentliche Verschnaufspausen, wie der Beginn von „Burnout“ und der melancholische Titelsong, die einen gemäßigteren Eindruck andeuten. Der Rest des Albums rockt mit fetten Hymnen, angefangen beim Opener „Chasms“ über das Stadion-kompatible „Super Deluxe“ bis zur tollen ersten Single „Left for Dead“ – und allen anderen ungenannten Songs des Albums. Unbedingte Intensivhörempfehlung!
Amplifier
haben ihre Aktivitäten während der Pandemie weitgehend auf
Eis gelegt, Frontmann Sel Balamir nutzt derweil die Zeit für
Soloalben. Bereits im September erschien sein Debüt
„Swell“, das es mit dem zwanzigminütigen Titelsong und
zwei weiteren Longtracks auf über 40 Minuten Spielzeit bringt.
Nach seinem Umzug nach Brighton war das für ihn nahelegende Thema
des Albums klar: Ozeane. Und das ist durchaus passend umgesetzt: Das
erwähnte „Swell“ mit seiner an Alan Parson angelehnten
Hookline und seinem stoisch-repetitiven Charakter erinnert genauso an
Archive-Longtrack-Highlight wie einer langsam kommenden Flut.
Zunächst ungewöhnlich, aber doch großes Kino –
und damit seiner Hauptband nicht unähnlich. Während es
insgesamt etwas elektronischer zwischen Psychedelic und Ambient zugeht,
beendet v.a. der zweite Teil von „Seagull“ nicht zuletzt
durch sein episches Gitarrenfinale das Album in bester Amplifier-Manier.
Ähnlich Rock- und gitarrenorientierter startet auch sein neues
Album „( )rphans“, das mit sechs Songs auf dieselbe
Spielzeit kommt,
wie sein Vorgänger. Dabei bleibt der Opener „Theme (From
Crocodile Dundee)“ instrumental, aber „Astral Womb“
könnte auch ein Amplifier-Song sein. „Pink Bows“ ist
mit einem leichten Simple Minds Touch ausgestattet,
„Mannequin“ hat trotz seiner 7 Minuten einen Steven
Wilson-ähnlichen Pop-Appeal und auch der elfminütige
Longtrack „Don't Wear The Crown“ bleibt, wie die meisten
Songs, eher langsamer, aber gemeinsam können sie locker mit einem
Amplifier-Vergleich standhalten. Von denen gab es im Oktober
übrigens bereits den neuen Track "Red Feather" und ein neues Album
ist für Mai geplant. Bis dahin ist man mit dieser Alternative
bestens bedient!
Die Release-Tournee wurde leider schon wieder auf August verschoben, aber Alben lassen sich ja glücklicherweise Corona-konform genießen. Und dieses Album IST zum Genießen. das vierte Album der Jungs aus Manchester zelebriert erneut Art-Pop zwischen zärtlicher Stille und majestätischer Opulenz, luftigen Arrangements und bedrückender Schwere. Wobei vor allem die Lockerheit einiger Songs überrascht. Allein durch den unvergleichlichen Bariton Robert Goodwins war die Band prädestiniert für die Drama-Ecke, aber offensichtlich geht es auch mit mehr Pop. Ein Grund könnte Goodwins neue Lebenssituation sein: Er folgte seiner Liebe und wohnt seit einigen Jahren in Düsseldorf. Was die Aufnahmen in Zeiten Corona nicht gerade erleichterte. Aber wo ein Wille ist… Nebenbei experimentiert er auch mit einigen höheren Tönen. Textlich beschäftigt er sich, das deutet der Albumtitel schon an, mit dem Lockdown und den Dingen, die ihn in den letzten Jahren beschäftigt haben. Und die waren nicht unbedingt alle schlecht. Zeit für die Natur, neue Perspektiven und den Austausch mit den Fans auf einer anderen Ebene. Ein Album, das den Weg der Band noch komfortabler ausbaut!
Der Franzose Vivien Lalu zündet die nächste Stufe: Mit
Damian Wilson am Mikro dürfte ihm die Aufmerksamkeit einiger weiterer
Prog-Fans sicher sein. Dabei ist das (neben Gästen wie Steve
Walsh, Tony Franklin und Jordan Rudess) eigentlich nur ein
Türöffner und das i-Tüpfelchen auf den Songs dieses
Albums!
Zwischen melodisch-komplexen progressiven Uptempo-Rockern und
gemäßigten, fast Pop-affinen Rocksongs ist Lalus drittes
Album „Paint The Sky“ nämlich ein wunderbar
abwechslungsreiches Meisterstück! Das beginnt mit dem spannenden
Opener „Reset to Preset“, das hookline-orientierten Melodic
Rock mit Prog-Elementen wie vertrackten Rhythmen und Taktwechseln
verbindet. Hier wie in anderen schnelleren Songs erinnert das
wiederholt an Saga, in den langsamen v.a. an Landmarq. Mitunter wird
die Giarre auch mal etwas kräftiger, in “Stand at the
Gates” gibt es dagegen einen schicken Jazz-Part. „The
Chosen Ones“ trumpft mit einem Sahne-Ohrwurm-Refrain und im
Prinzip jeder Song mit einem tollen Solo. Zum Abschluss gibt`s noch ne
kleine Ballade (11) und ein tolles Instrumental feat. Simon Phillips,
das mich an Totos„Dave`s gone skiing“ erinnert.
Aber zurück zum ersten Satz dieser Review: Nachdem die Eltern von
Keyboarder Lalu beide in der Progband Polene aktiv waren, wurde er von
von Hubi Meisel (Ex-Dreamscape) für dessen Solo-Debüt
engagiert, spielte danach auf diversen Alben verschiedener
Progmetal-Acts bevor er 2005 seine eigene Band gründete. Bereits
das Debüt "Oniric Metal" erhielt zahlreiche gute Kritiken, neben
seiner Band ist Lalu mit Soundtracks für Film, Fernsehen und
Computer-Spiele beschäftigt.
Er macht es seinen Hörern nicht leicht. Aber wahrscheinlich hat er das auch nie als seine Aufgabe gesehen. In dem Fall sei daran erinnert, das Musikhören zu den Dingen im Leben gehört, bei denen man entspannen kann; genießen. abschalten oder mitsingen, glücklich sein. Die Grundlagen dafür liefert Thomas Thielen alias t zuhauf. Elektrisierende Sounds und Stimmungen, intensiven wie emotionalen Gesang und fantastische Gitarrensoli – auch das achte Album des Hannoveraners ist voll davon. Aber ich würde meinen: Zu voll. Während man sich im ersten Moment noch fragt, wie der Lehrer und Seminarleiter die Zeit findet, in solcher Regelmäßigkeit Songs zu komponieren, mit intelligenten Texten zu versehen, komplett in Eigenregie aufzunehmen, abzumischen und zu mastern, nebenbei noch mittlerweile auch Konzerte zu planen und zu spielen und mittlerweile sogar noch Gastmusiker bei anderen Musikern (u.a. Marillions Steve Rothery) zu sein, wünscht man sich im nächsten, dass er hier und da ein paar Abstriche machen würde. Genauer: Abstriche in der Fülle der Ideen, die er auf einem Album unterbringt. Die Spielzeit von 71 Minuten verteilt sich auf acht Songs, davon sechs mit rund 10 Minuten Länge (zwei knapp drunter, einer weit drüber), die allesamt ein Feuerwerk an Vielfalt, Abwechslung und Stimmungswechseln darstellen. Der stetige Wechsel von Laut und Leise, intimer Harmonie und krachender Instrumentalgewitter ist eine Zeitlang herrlich aufwühlend, spannend und interessant. Aber mit einer kurzen Ausnahme sowie dem etwas gemäßigteren „Idiot`s Prayer“ sind alle Songs in dieser Art bestückt. Da ist man als Hörer überfahren von der Ideen- und Break-Fülle und es dauert diverse Durchgänge, bis man in diesem Durcheinander die verbindenden und wiederkehrenden Elemente, den roten Faden identifiziert hat. Ein Album mit Langzeiteffekt also, dessen Erforschung eine faszinierende Herausforderung ist, was im Prog durchaus ein Qualitätsmerkmal ist, aber er macht es dem Hörer unnötig schwer mit seinem permanenten stop & go. Jede treibende Passage (z.B. in „Behind this pale face“), jeder Rockpart wird rüde abgebrochen, wenn er gerade Fahrt aufgenommen hat. Und das macht es unnötig anstrengend, die schönen Momente zu genießen. Ich schwanke zwischen Faszination und Ärger und ich fürchte, das wird nicht reichen, um diese CD als Stein im Brett zu etablieren.
ProgMetal? Prog? Rock? Das Übel mit den Genres: Den einen schreckt die (falsche) Schublade ab, der andere wird durch
sie erst aufmerksam. Teramaze lieben sie Abwechslung – und
liefern ein wunderbar vielseitiges Album ab. Der harte Beginn deutet
Progmetal an, im weiteren Verlauf bleibt aber vieles auch im moderaten
Rockbereich. Doch egal, wie kräftig, komplex oder melodisch sie es
angehen lassen, ihre Songs werden in jedem Fall wunderbar erweitert
durch ausgereiftes Songwriting, grandiose Soli und ein perfektes
Zusammenspiel aller Beteiligten und den tollen Gesang von Frontmann
Dean Wells. Ihr Sound ist technisch ausgefeilt, aber nie überladen
komplex und bisweilen scheuen sie auch vor fast hitverdächtigen
Song-Arrangements nicht zurück. Nicht nur in solchen Momenten
erinnern sie an Dredg („Untide“), zitieren die Beatles
(„Modern Living Space“) und geben sich im nächsten
Moment wunderbar majestätisch metallisch-balladesk.
„And The Beauty They Perceive“ ist das 9. Studioalbum der
Skandinavier – und das dritte innerhalb von 11 Monaten. Da
weiß offensichtlich jemand, die Lockdownpause sinnvoll zu nutzen!
Lifesigns sind eine Band, die ich vor Jahren schon mal auf dem Schirm hatte und aufgrund fehlender Promotion in Deutschland aus den Augen verloren habe. Im letzten Newsletter von Dave Bainbridge wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass er seit einigen Jahren mit zur Band gehört. Die Briten zelebrieren einen Prog-, bzw. Neo-Prog-Sound, der mich viele Jahre lang begleitet hat, den mich aber letztlich mehr und mehr zurück gelassen habe, weil mir ein wenig das Progressive, sprich Fortschrittliches dabei fehlte. Die erwähnte Mitwirkung von Dave Bainbridge ist letztlich, was auf diesem Album am positivsten zu erwähnen ist. Zwar sind schon die Songs teilweise hörenswert, wenn auch selten wirklich spektakulär, aber vor allem die Texte sind eher abtörnend. Aber die Gitarrensoli, beziehungsweise oft auch einfach die Atmosphäre, die durch die Gitarre mit reinkommt, macht die Songs sehr speziell. Dave Bainbridge hat seinen Stil, den man von seinen Soloscheiben, bzw. von Iona kennt und den er auch hier mitunter gefühlvoll einbringt. Schön!