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In der Karibik
geboren, kam sie als Kind nach Birmingham, England, brachte sich
Gitarre und
Klavier und Komposition selbst bei und zog in den frühen Siebzigern
nach London,
um ihr Debütalbum “Whatever's for Us“ zu veröffentlichen. In
Deutschland wurde
sie in den Achtzigern bekannt durch Hits wie “Love and Affection“ oder
“Drop
the Pilot“. Wichtiger Baustein ihrer Musik war schon immer ihr
Abwechlsungsreichtum. Pop, Rock, Reggae, Soul – Joan Armatrading fühlt
sich in
vielen Musikstilen zuhause. Ihrem vorletzten Album „Into The Blues“
ließ sie
mit „This charming life“ zuletzt wieder eine Hommage an ihre
erfolgreichen
Achtziger folgen. Im Interview zum
„Into The Blues“ Album sprach sie über Inspiration, Abwechslung,
Definitionsfragen und Notwendigkeiten im Set ihrer Konzerte.
Bei Deinem
Abwechslungsreichtum war v.a. das reine Blues-Album eine Überraschung,
oder?
Nun, ich habe mein ganzes Leben schon Songs geschrieben, die
vom Blues beeinflusst waren, aber Tatsache ist, dass ich immer
verschiedene
Stile gemixt habe – Jazz, Rock, Reggae, eben alle Stile die ich mag.
Ich bin
einfach besessen von Musik, da lass ich mich ungern fest nageln.
Gleichzeitig
habe ich immer gesagt, dass ich gerne einmal ein reines Blues-Album
aufnehmen
würde. Aber ich habe keine Ahnung, warum da die Zeit dafür richtig war,
es
steckte kein Plan dahinter. Ich sagte mir selbst, nein, eigentlich
sagte mein
Selbst zu mir, lass es uns angehen. Niemand kann sagen, wohin einen die
Inspiration
führt.
Du hattest also gar
kein Einfluss darauf?
Nein, bis auf den generellen Wunsch, das zu machen – aber
das ist Jahre her. Es hätte also auch schon 1982 oder 1986 oder 2010
sein
können. Aber als ich erstmal damit angefangen hatte, fühlte es sich
einfach
großartig an. Der Blues kam so aus mir heraus, ich musste mich gar
nicht
umstellen. Ich hatte gar keine Popsongs oder was auch immer, die ich in
einen
Blues verwandeln musste, alles war gleich Blues. Gleichzeitig muss man
natürlich dazu sagen, dass ja auch der Blues sehr abwechslungsreich
ist, und
dass dieses Album das auch deutlich beweist. Es gibt Swamp Blues, Blues
Rock,
Gospel Blues – ich brauche diese Abwechslung.
In der Tat, während
der erste Titel noch ein reiner Blues ist, hat schon der zweite Song so
viel
Groove, dass es schon fast Dub ist. Und „Secular Songs“ ist nicht nur
Gospel,
das ist schon fast Pop, oder? Ist diese Vielfalt Deine Definition vom
Blues?
Ja, absolut, es ist das alles. Ich glaube, manche Leute
denken beim Blues immer an Melancholie, Trauer, und dass es einem
schlecht
gehen muss, um den Blues haben zu können. Dabei ist Blues doch so
abwechslungsreich wie alle Musikstile. Wenn man Rock mag, hört man ja
auch
nicht nur Grunge. Für mich ist es am wichtigsten, dass der Blues eine
Geschichte erzählt, dass man sagt, so begann es, so ging es weiter und
da führt
es mich hin.
Ist das so
Blues-typisch?
Ja, für mich schon. Natürlich kann „My baby is gone“ auch
schon eine Geschichte für sich sein, aber Rock oder Pop-Musik braucht
oft gar
keine Geschichte. Da geht es um eine gute Hookline, um einen guten
Rhythmus,
eine Atmosphäre. Ich meine, ich habe selber Popsongs geschrieben, die
hatten
längst nicht alle eine Geschichte, die sie erzählten.
Hat der Song „Deep
Down (I love you Baby)“ auch eine Geschichte? Der sagt – außer dieser
Zeile –
nicht viel, oder?
Ja, der Song hat eine Geschichte. Ich hatte mich mit diesem
Typen unterhalten, und er sprach von all den Problemen, die er mit
seinem
Mädchen hätte, bevor er feststellte, dass er sie tief drinnen doch
lieben
würde. Das war mir einfach zu profan. Was will der Kerl? Naja, und das
war für
mich die Story. Diese wenigen Worte sagten so viel aus. Die Geschichte
muss ja
nicht immer en detail erzählt werden.
Die besten Texte sind
ja eh die, die jedem Hörer Raum lassen für Interpretation.
Ja, alles ist offen für Interpretation. Man hat keine
Kontrolle darüber, was andere Leute denken. Man kann klare Definitionen
vorgeben, und trotzdem wird es Leute geben, die die Dinge anders sehen.
Und ich
habe zu Dingen ja auch meine eigene Meinung. Das ist wie in der
Malerei. Wie
Farben auf den Betrachter wirken, ist bei jedem anders.
Apropos
Interpretation – ist „Something’s gotta blow“ noch ein Blues Song? Oder
doch
eher Rock?
Für mich ist es Blues. Aber Rock ist Blues. Kuck Dir die
Stones oder Led Zeppelin an – das ist alles sehr Blues-orientiert. Und
das ist
die Schönheit des Blues. Blues ist die Wiege für so viele Arten von
Musik. Man
kann das gar nicht trennen. Auch wenn Jazz-Musiker improvisieren, ist
das oft
Blues.
Wie schon auf Ihrem
letzten Album „Lovers Speak“ lesen wir im Booklet „All songs written
arranged
produced and recorded” by Joan Armatrading.
Seit meinem allerersten Song habe ich meine Songs selber
geschrieben und arrangiert – es stand nur nie auf den CDs. Ich wusste
immer
genau, was ich wollte, und wie der Song sich anhören sollte, welche
Instrumentierung er bekommen sollte. Und ich habe auch schon immer die
Sachen
eingespielt. Die Plattenfirma hat mal eine Umfrage gestartet, wer wohl
die
Gitarrenparts auf meinen Alben spielt, und die Leute tippten auf
Knopfler, Eric
Clapton, Jimmy Page, all diese Leute, aber sie kamen nicht darauf, dass
ich das
selbst eingespielt habe. Die Leute waren immer fixiert auf meine Songs
und auf
meine Stimme. Was auch ok ist. Aber ich habe mein Ding immer allein
durchgezogen.
Manchmal kann aber
eine zweite Meinung auch hilfreich sein...
Ich spiele meine Songs nie Leuten vor, um sie nach ihrer
Meinung zu fragen. Niemals. Der Zeitpunkt, zu dem andere Leute meine
Songs
hören, ist, wenn wir sie aufnehmen. Ich frage weder die Plattenfirma
noch
andere Musiker. Ich weiß, was ich will. Ich muss auch nicht mit anderen
Leuten
arbeiten. Das kann für andere Leute hilfreich sein, aber ich arbeite so
nicht.
Nun, immerhin hattest
Du auch schon andere Musiker auf Deinen Alben.
Ja, aber die Demos waren immer schon komplett fertig. Und
seit meinem Debüt 1972 habe ich schon immer viele verschiedene
Instrumente
gespielt. Ich arrangiere meine Songs gerne. Wenn die anderen Musiker
also dazu
kommen, hören sie den kompletten Song und wissen genau, was sie tun
müssen.
Es ist also nur so,
dass Du irgendwann gesagt hast, dass Du das nicht mehr brauchst?
Das habe ich gar nicht gesagt. Ich habe das nur auf diesen
beiden Alben nicht gemacht. Abgesehen von der Rhythmusabteilung.
Es gab Zeiten, in
denen Du fast jedes Jahr ein Album aufgenommen hast. Aus dieser Zeit
stammt ein
Zitat, dass Du keine Zeit hättest, andere Musik zu hören. Hat sich
daran etwas
geändert?
Ich höre nicht viel Musik. Ich höre erst recht keine, wenn
ich schreibe – und ich schreibe sehr viel… Ich schreibe, weil ich es
liebe zu
schreiben und zu arrangieren – das ist mein Sinn meines Lebens.
Es bleibt also nicht
viel Zeit für andere Sachen?
Oh, es gibt andere Sachen. Ich bin eine der Beauftragten der
Open University, Präsidentin von Woman of the Year und verschiedene
andere
Wohltätigkeitsaufgaben, aber in erster Linie bin ich ein Songwriter,
das ist,
wozu ich geboren wurde.
Hat das Blues Album –
oder dafür bereit zu sein – etwas mit Alter zu tun?
Nein. Wie gesagt, es gab auf allen meinen Alben schon Blues
Songs.
Also wäre dieses
Album so auch schon vor 30 Jahren möglich gewesen?
Wenn ich in der richtigen Stimmung dafür gewesen wäre, ja.
Deswegen sagte ich ja, ich habe keine Ahnung, warum jetzt die Zeit
dafür
richtig war. Schon mein erstes Album hätte die richtige Zeit dafür sein
können
– Inspiration kann man nicht steuern. Ich setze mich ja nicht hin und
warte
darauf, dass mir ein Song in den Schoß fällt. Du erwähntest
„Something’s gotta
blow“. Der Song entstand, als ich in einer U-Bahn in London saß. Früher
hatten
sie mal, wenn es einen Selbstmord auf den Schienen gab, gesagt, es
würde zu
Verzögerungen kommen, bla bla bla. Aber dann haben sie sich
entschieden,
künftig den Grund zu nennen, damit jeder für sich die Sache verarbeiten
könnte,
und sich nicht einfach ärgern müsste, weil der Zug zu spät kommt. An
dem Tag
kündigten sie einen solchen Selbstmord an, wir waren dicht gedrängt in
diesem
Zug, den Leuten war heiß, die Luft war stickig und manch einer sah aus,
als
wenn sein Kopf gleich explodieren würde. Als ich an diesem tag nach
Hause kam,
schrieb ich den text für „Something’s gotta blow“. Aber warum an dem
Tag? Es war nicht das erste Mal, das ich
in einer
solchen Situation war, nicht einmal das fünfte Mal erst. Aber es kommen
viele
verschiedene Dinge zusammen, um für die richtige Inspiration, die
richtige
Kreativität zu sorgen. Es ist und bleibt ein Mysterium.
Du könntest also nicht
sagen, wie sich das nächste Album anhören könnte?
Nein, keine Idee. Es könnte alles sein. Und ich weiß es
nicht, bevor ich das nächste Album angehe, und die ersten Songs
schreibe.
Welche Auswirkungen hat
das jeweils aktuelle Album auf die Tournee? Wird das eine typische Joan
Armatrading Show, oder ein Blues-Konzert?
„Love And Affection“ ist kein Blues-Song und ich werde auch
keinen draus machen, also kann ich gar kein Blues Konzert machen. Und
es gibt
einige Songs, die ich nicht auslassen will und werde – Willow, Drop the
Pilot,
die Leute werden alle Songs hören, die sie hören wollen. Wenn ich auf
ein
Konzert gehe, will ich ja auch bestimmte Songs hören, da wäre ich doch
enttäuscht, wenn die einfach weggelassen würden, nur weil sie gerade
nicht ins
Konzept passen. Trotzdem wird die Show ein gewisses Blues/Jazz-Feeling
haben,
wird der Rest der Songs so ausgewählt sein, dass es ein abgerundetes
Set wird.
Was im Endeffekt etwas ist, was ich immer gemacht habe.
Nun,
manche Künstler
scheren sich weniger um das, was ihre Fans unbedingt hören wollen…
Aber „Love And
Affection“ ist nur ein Song. Ich stehe zwei
Stunden auf der Bühne, da hab ich doch noch genug Zeit, all die anderen
Songs
unterzubringen, die ich spielen möchte. Ich finde es wichtig, diese
Songs zu
spielen. Wo auch immer ich in der Welt hinkomme, es ist nur möglich
durch „Love
And Affection“. Also wo immer ich auch hinkomme, werde ich diesen Song
spielen.
Aber ich habe kein Problem damit, ich bin sehr stolz auf den Song. Und
immerhin
variiere ich das Arrangement, also weiß man nie vorher, was einen
erwartet.