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Interview des Monats: Hanh Brown über George Brown:
Motor hinter Kool & The Gang
September 2024
George Brown war
nicht zu bremsen. Seit er 1969 die Band Kool & The
Gang gegründet hat war er Songwriter, Keyboarder und Ideengeber der Band und
immer Teil ihrer größten Erfolge. Drei Jahre kämpfte er gegen den Krebs in
seiner Lunge und, so scheint es, wurde sogar noch produktiver. Er stellte sein
erstes Soloalbum fertig, beendete seine Memoiren, nahm noch ein weiteres Album sowie
eine Riesensammlung weiterer Songs auf – und starb dann am 16.11.2023. Seine
Frau Hanh hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Nachlass zu verwalten – und
stand sogar für ein Interview zur Verfügung.
Eine ungewöhnliche Situation, nicht mit dem
Künstler, sondern seiner Witwe zu sprechen…
Ja,
das kann ich mir vorstellen. Es ist für mich auch eine neue Situation, ich war
sonst immer die Frau hinter dem Künstler, aber die Lage lässt keine Alternative
zu. Und es ist so schön, sein Erbe weiterführen zu dürfen! Schließlich ist es sein
erstes Soloalbum, über das wir hier sprechen und er hat seine letzten Jahre
hart daran gearbeitet, es fertigzustellen.
George ist nach
dreieinhalb Jahren schwerer Krankheit an Lungenkrebs gestorben, hat ihn die
Erkrankung nie am Singen gehindert?
George
war schon immer ein Kämpfer und er hat bis zuletzt gehofft, dass er den Krebs
besiegen kann. Und das Singen und die Arbeit mit den Aufnahmen hat ihn
zusätzlich motiviert, die ganzen drei Jahre lang. Alles war fertig aufgenommen,
der Mix und alles war fertig, Es war ihm wichtig, es war sein Streben, den nächsten
Schritt zu gehen, eine neue Etappe zu starten, er wollte wieder auf Tournee
gehen, er wollte singen!
Er hat eine neue Solokarriere und sogar
Konzerte geplant?
Ja,
er stand in Kontakt mit Kool & The Gang, sie wollten Abende gemeinsam
bestreiten, er im Vorprogramm, vielleicht gemeinsame Songs, er hat sich so
darauf gefreut, wieder auf die Bühne zu gehen. Kool & The Gang war immer
seine erste Liebe, er hat diese Band gegründet, er hat alles für diese Band
gemacht. Organisation, Songschreiben, Ideen abseits vom musikalischen usw. Aber
sein Fundus an Songs ist riesig, Er hat immer geschrieben.
Das Album ist sehr
abwechslungsreich, sowohl was die Musik als auch was den Gesang angeht. Ist das der wahre George Brown, mehr noch als seine Alben mit Kool &
The Gang?
Ja,
das Album ist ein Querschnitt durch seine Vorlieben und sehr sorgfältig
ausgewählt: Es ist seine Message, was seine Leben ausgemacht hat. es ist sehr
persönlich – für ihn und für mich auch. Wenn man in einer Band ist, ist das
Ergebnis immer ein Resultat aus den verschiedenen Einflüssen aller Beteiligten.
Es war nicht so, dass er sich nicht ausreichend gehört fühlte, aber trotzdem
war er immer mehr, als er da unterbringen konnte.
Warum hat es so lange
gedauert, bis er sein erstes Soloalbum angeht?
Ich
habe ihn immer wieder gefragt, wann er so weit wäre, aber er war sehr
selbstkritisch. Er sagte immer, es ist nicht leicht. Er hat seine Arbeit
infrage gestellt, er meinte, das Material sei noch nicht reif, die Zeit wäre
noch nicht reif, die Songs wären noch nicht komplett, er war ein Perfektionist.
Also sagte er immer: „Es wird. Es kommt!“ Nun, hier ist es!
Wir
haben uns entschieden, dieses Album zu veröffentlichen, weil es komplett
fertiggestellt war, es war alles komplett da. Das nächste Album ist quasi auch
schon komplett, es wird ein Jazzalbum, was eigentlich seine allererste Liebe
war. Das Album wird 2025 erscheinen.
Warst du ein stiller
Teilhaber seiner Kunst oder sein härtester Kritiker?
Ich
habe ihm immer meine ehrliche Meinung gesagt und er hat sie wertgeschätzt. Wir
haben 30 Jahre unseres Lebens gemeinsam
verbracht. Ich meine, er war bereits in der Band, als wir zusammenkamen, aber
ich habe ihn immer nach Kräften unterstützt.
Hattest du auch künstlerischen Input?
Nein, er hatte andere Partner, mit denen er gearbeitet hat – entweder in der
Band oder auch für sein Soloprojekt. Aber wir haben uns viel ausgetauscht über
seine Idee und seine Songs.
Er
hatte einen breiten Musikgeschmack – Jazz, die alten Klassiker, brasilianische
Musik, aber er war immer darauf bedacht, andere Künstler nicht zu kopieren. Und
das hat er so auch an seine fünf Söhne weitergegeben. Musik war immer Teil
unseres Familienleben. Und sein jüngster – und unser gemeinsamer – Sohn Aaron
Brown, er ist 19, wird in Kürze seine erste Single veröffentlichen! Er wird
also seine Karriere starten, was George leider nicht mehr erleben wird.
Was sind deine Lieblingserinnerungen an das
Leben mit George?
George
am Klavier. Wenn er den Raum mit Musik gefüllt hat, gab es nichts Schöneres für
mich. Ich habe das geliebt, egal ob ich mit im selben Raum oder einfach nur im
Haus war. Musik war überall. Und seine Geschichten – musikalische genauso wie
die erzählten. Er war ein Geschichtenerzähler und ich habe ihm gerne zugehört.
Die hat er ja auch festgehalten in seinem Buch!
Ja,
das ist im letzten Sommer veröffentlicht worden – Kool & The Gang and Me.
Es ist iroisch, dass das alles erst veröffentlicht wird, wenn er es schon nicht
mehr erlebt – zumal er das Buch vor dreißig Jahren begonnen hat. Ich habe ihm
geholfen, es zu tippen und es war ihm sehr wichtig, die Geschichten zu Ende zu
erzählen. Er war ein sehr ruheloser Geist – schon immer. Wenn er nach Hause kam
aus dem Studio oder von Tour, hat er immer schon wieder neue Ideen und Pläne im
Kopf gehabt und hat daran gearbeitet.
“Where I m Coming From”
erscheint jetzt, im nächsten Jahr ein Jazz-Album, du betonst seine kreativ
Rastlosigkeit. Was kommt denn noch alles?
Und
er hat so viele Songs – ich habe eine Liste gemacht es wird eine Weile brauchen,
um das alles zu sichten, aber ich möchte sein Erbe zugänglich mache, also
werden wir gemeinsam daran arbeiten, seine Songs zu veröffentlichen. Ich kann
mich daran erinnern, als wir zusammen kamen, habe ich ihn mal gefragt, wann
Musiker in Ruhestand gehen würden. Aber er lachte und sagte: Machen wir nicht.
Niemals. Und ich fürchte, diese Ruhelosigkeit hat er jetzt an mich
weitergegeben – aber ich liebe es!