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Labelportrait InsideOut Music (2007)
"Ohne neue Ideen
stagniert man, und stagnieren hieße, man könnte auch aufhören"
Thomas Waber, Michael
Schmitz und mittlerweile 12 Mitarbeiter kennen sich aus mit progressiven Dingen:
InsideOut aus Kleve sind Marktführer in ihrem Genre
Grundvoraussetzung für ein gut gehendes Unternehmen ist die Idee. Und die sollte möglichst einzigartig sein. Als Thomas Waber 1993 die Idee hatte, ein Progressivrock-Label zu gründen, war sie relativ einzigartig, denn kaum jemand sonst wollte das Wagnis eingehen, sich mit einem solchen Spartenprodukt selbständig zu machen. "Dabei waren wir uns in dem Moment natürlich nicht über die Folgen und Ausmaße bewusst, die dieses Unternehmen einmal annehmen würde", so Thomas Waber, der zusammen mit seinem Kollegen aus der schreibenden Zunft, Michael Schmitz, einfach etwas früher als andere erkannt haben, dass das Genre langsam wieder salonfähig wurde.
Progressiv-Rock war in den 70ern mit Namen wie Genesis, Pink Floyd oder Yes, um nur die drei erfolgreichsten Protagonisten zu nennen, zu Ruhm und Ehre gekommen, bevor Mitte des Jahrzehnts Punk und Wave auf die Tagesordnung kamen. In den frühen Achtzigern kam eine zweite Generation um Marillion, IQ, Pendragon oder Pallas immerhin wieder an Major-Deals, aber lediglich erstere konnten sich langfristig dort erfolgreich bewähren (die anderen drei veröffentlichen heute über InsideOut). Natürlich war die Szene nie weg, sie hatte bloß keine Chance, an die Oberfläche zu gelangen. Und genau diese Tatsache schien sich Anfang der Neunziger zu ändern – zunächst als Wunschtraum vieler Fans und Bands, dann spätestens mit Hilfe von Waber und Schmitz und ihren Entdeckungen.
"Alteingesessene Musikmagazine trauten sich ja endlich wieder, etwas über solche Themen zu schreiben, und dann hat auch schnell ein Schneeballeffekt eingesetzt. Und Bands wie Spock´s Beard auf der progressiven, wirklich innovativen Seite oder Symphony X auf der metallischen Seite des Genres haben dann auch Zeichen gesetzt – und Grenzen in den Köpfen eingerissen", so Waber rückblickend, wohl wissend, dass die genannten Bands, genauso wie die anderen "Top-Themen" des Labels, Saga, King´s X oder Ayreon durchaus davon profitiert haben, im gleichen Haus zu firmieren. "Unser Vorteil war und ist, dass wir uns seit vielen Jahren mit dieser Musik beschäftigen und deswegen sehr genau unterscheiden können, was Kopie ist oder was innovativ und neu. Dementsprechend haben wir unseren Bereich einen guten Ruf und folglich treue Kunden, die sich auf das Qualitätssiegel InsideOut verlassen."
Kongenial ergänzt wurde der Stamm an eigenen Bands durch den Vertrieb anderer Labels, und damit Bands, wie den o.g. IQ und Pendragon oder Namen wie Genesis-Legende Steve Hackett.
2005 kam außerdem das Sublabel Revisited Records dazu, welches sich auf Wiederveröffentlichungen konzentriert, und über das heute auch Bands und Musiker wie Amon Düül, Grobschnitt, Kraan, Klaus Schulze oder Pete Townshend "durch´s Haus gehen".
Bis Ende der Neunziger agierte das Duo Waber / Schmitz alleine, mittlerweile gehören inklusive einem Büro in Pittsburgh 14 Mitarbeiter zu InsideOut. Wodurch der Arbeitsaufwand allerdings auch nach 13 Jahren nicht weniger geworden ist: "Ich würde eher sagen, es ist mehr geworden und ich müsste überlegen, wie viele Stunden am Tag ich mich NICHT damit beschäftige! Das hört ja nach 9-10 Stunden im Büro nicht auf. Früher haben wir ein bisschen mitgemischt, heute hängt da viel mehr dran", stellt Waber klar. "Das, was mal Hobby war, ist Beruf geworden, und da ist dann auch längst nicht mehr alles nur aus Spaß." Was einerseits mit den Problemen im Musikbusiness zu tun hat, und andererseits mit einer ganz anderen Schwierigkeit: "Natürlich sind wir immer interessiert an neuen Bands, und wir bekommen ja auch viel angeboten, aber Tatsache ist, dass momentan erschreckend wenig neue, wirklich innovative Bands nachkommen. Zumindest in dem Markt, den wir bedienen, ob wir den nun "Progressive" nennen oder nicht. Denn Tatsache ist, dass der Erfolg von Namen wie Muse, Tool, Coheed & Cambria oder Mars Volta vor allem auch mit der Imagebildung zusammen hängt. Damit, dass viele junge Leute mit diesen Namen noch ganz andere Dinge auf die Musik projizieren – und das ist, auch wenn es musikalische Parallelen gibt, nicht unsere Welt. Eine Band wie Mars Volta würde, stünde sie am Anfang ihrer Karriere, bei uns einfach anders eingeschätzt werden und damit auch erheblich mehr Probleme haben."
Womit für Waber die Suche nach neuen Wegen nie aufhört, und eine Reduzierung des Aufwands, den er mit der "Familie", die er und Schmitz gegründet haben, gar nicht in Frage kommt: "Ohne neue Ideen stagniert man, und stagnieren hieße man könnte auch aufhören. Also werden wir ein zweites Label aufbauen, auf dem wir genau auf der Schiene versuchen werden, etwas zu machen. "Geschmäcker ändern sich, auch Trends verändern sich. Porcupine Tree haben, u.a. auch durch ihren eigenen musikalischen Wandel, viele Genre- und damit Hörerschichten durchbrochen. Wenn ich heute auf ein Porcupine Tree Konzert gehe, sehe ich Leute, die sich damals angefangen hatten, für Spock´s Beard zu begeistern. Das sind allgemeine Strömungen, und eine Band, der man ähnliches Potential bescheinigen kann ist Riverside aus Polen, deren letztjährige Tourneen sicherlich zu den Triumphzügen gezählt werden kann – wenn auch noch auf kleinerem Level", fachsimpelt Waber, für einen Moment fast vergessend, dass die Zeit, die sein voller Terminkalender für uns vorgesehen hat, eigentlich längst vorbei ist…