Und wieder zurück an den Drums: Nachdem mit Taylor Hawkins ein
weiterer seiner musikalischen Weggefährten von uns gegangen ist,
hat Dave Grohl nicht nur das Songwriting und den Gesang, sondern wie in
alten Nirvana-Zeiten auch die Drums wieder unter seine Fittiche
genommen. Was wohl vorerst nur für das Album gilt, aber darum geht
es ja hier. Und zwei Jahre nach „Medicine at Midnight“
präsentiert das eine der größten Rockbands unserer Zeit
wieder zurück auf der Spur! Der Vorgänger war ja erschreckend
kommerziell, gezähmt, zahnlos, nenn es wie du willst, ich sage mal
schwach ausgefallen. Aber vielleicht ist Grohl bewusst geworden, dass
er das a. gar nicht nötig hat und b. ihn auch nicht in neue
Sphären aufsteigen lässt – falls er das überhaupt
wollte. Mit „Rescued“ und „Under You“ startet
das Album erfrischend knackig und nach kurzer Verschnaufpause ist auch
das Titelstück wieder ein Rocker erster Güte. Klar, es gibt
auch ruhigere Töne, aber die sind in überschaubar kleiner
Zahl und deswegen nur willkommene Abwechslungen. Eine ausgewogene
Sammlung guter Songs und gelungener Hooklines und mit „The
Teacher“ ein (zehnminütiges!) Opus über eine weitere
Person, die er verloren hat: Seine Mutter. Ein großes Album und
ein richtig gutes dazu!
Seit
ihrem Knaller-Debütalbum
„Interspheres><Atmospheres“ (2010, den Vorläufer
unter anderem Namen kannte zu der Zeit ja noch keiner) besetzen die
Mannheimer einen Stammplatz in der Liste der Bands, die mit der
Ankündigung eines neuen Albums bei mir für einen
erhöhten Puls sorgen. Zwar konnten die weiteren Alben der vier
Popakademie-Absolventen keine vergleichbaren Sensationen entfachen,
aber das wäre auch wohl zu viel verlangt. Stattdessen können
sie immer wieder aufs Neue mit ihrer grandiosen Mischung aus Rock, Pop,
Prog und Alternative überzeugen, haben längst ihren eigenen
Trademark-Sound entwickelt, den sie immer wieder aufs Neue austarieren
und in neue Ecken vorstoßen. So hat auch das neue Album mit dem
Titelstück einen perfekten Opener, in „Down“ oder
„Heads Will Roll“ fette Metal-Sounds eingebaut und in
„Who Likes To Deal With Death?“ Funk-Elemente mit
wunderbaren Melodic-Breaks. Muse winken aus der Ferne in „A la
Carte“, „Corrupter“ lässt es etwas straighter
angehen, die beiden abschließdenen „Treasure Chest“
und „Under Water“ eher ruhiger. Aber kein Song läuft
einfach nur durch, immer wieder gibt es überraschende Wendungen
und Breaks, die begeistern, ohne dass man Prog-Fan sein müsste, um
ihnen zu erliegen. Schade nur, dass der ganze Spaß nach knapp 38
Minuten schon wieder dabei ist!
Den Stempel Hardrockband tragen die Briten seit Langem nur aus guter
Tradition – und weil es ihrer inneren Überzeugung wahrscheinlich
immer noch am nächsten kommt. Gestartet als NWOBHMetal-Band
standen sie sich streng genommen bereits mit ihrem Erfolgsalbum
„Hysteria“ (1987) dem Pop/Rock-Genre näher als dem
klassischen Hardrock. Spätestens ihr 2006er Coveralbum
„Yeah“ zeigte auch, wo es, bzw. wo sie als Band herkam.
„Drastic Symphonies“ zeigt das genauso. Auf komplett
andere, deutlich aufwändigere Art und vor allem mit ihren eigenen
Songs. Mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra aufgenommen wurden
aus den alten Hits und Klassikern jetzt symphonisch arrangierte
Pop-Songs. Nicht einfach mit klassischem Hintergrund erweitert, sondern
in der Tat an vielen Stellen neu arrangiert. Was eine Leistung ist,
allerdings wahrscheinlich nicht die der Band selbst. Produziert von
Ronan McHugh und Nick Patrick, dürfte es am ehesten auf Arrangeur
Eric Gorfain (Neil Diamond, Ryan Adams, Christina Aguilera)
zurückgehen. So zahnlos das Ergebnis ist, es hebt die
Schönheit der Kompositionen noch einmal auf neue Art hervor
– und so manchmal reichen ja auch die großen Melodien zum
glücklich sein. Joe Elliots neuer Gesang dazu, hier und da noch
ein gutes Gitarrensolo verbaut, dann macht´s am meisten
Spaß, Ungeachtet ihrer eingangs in Frage gestellten
Genre-Zugehörigkeit erscheint dieses Album gerade rechtzeitig zum
Auftakt der Co-Headliner-Tour mit Mötley Crüe. Ob dieses
Album, bzw dessen mitunter etwas arg lieblichen Versionen der Songs
dabei eine Rolle spielen werden?
Ich
liebe Alben, die dich durch den ganzen Tag tragen. Weil sie so
abwechslungsreich sind, dass man auch nach dem fünften oder
sechsten, siebten, achten Mal hören noch überrascht ist und
neue Dinge entdeckt. Und während ich beim Hören ja immer auf
der Suche bin nach dem Stück, was ich stellvertretend für das
Album oder aber als Album-Highlight in meiner „Blizzard Friday
Night Rock Show“ spielen kann, kann ich mich Sleep Token immer
noch nicht etscheiden. Dabei habe ich es heute den ganzen Tag über
im Garten gehört, lediglich unterbrochen von 2 Stunden Bundesliga
Show auf NDR 2. Werder bleibt in der Bundesliga, Hertha steigt ab und
dass die Bayern ihre Meisterschaft verspielen, war ja nicht abzusehen,
deswegen hatte ich mich ab 17:30 Uhr schon wieder dem Album gewidmet.
Was für ein Meisterwerk! Sleep Token agieren ähnlich den
norwegischen Kollegen Leprous, nur mit deutlich weniger
gewöhnungsbedürftigem Sänger. Aber was diese Jungs aus
London an Abwechslungsreich tun auf ihrem Album präsentieren, ist
genial. Von deftigen Metalsounds bis zu melancholischen, leisen
Tönen ist alles dabei. Progressive Einschübe,
Crossover-Rap-Einlagen, Jazzklänge und liebliche Töne bis hin
zu effektvollen DeathMetal Screamo. Sensationell! „Take Me Back
To Eden“ ist dabei der dritte Teil ihrer Trilgie, die 2019 begann
und hiermit ihren klaren Höhepunkt erlebt. Anathema ließen
sich als weitere Referenz anführen, aber nur um eine Orientierung
zu geben. Vergleichbar ist hier eigentlich nur Leprous. Deswegen kann
ich hier nur eine absolute Empfehlung aussprechen. Viel Spaß
damit!
Ein Konzert von Neal Schon ist zwangsläufig eine Reise durch
die Zeit: Seit den frühen 70ern auf internationaler Bühne
dabei, startete er mit Santana, lernte da Keyboarder Greg Rolie kennen
und gründete mit ihm Journey. Der ist zwar seit 1980 nicht mehr
bei Journey dabei, bleibt aber für Schon ein Verbündeter. Und
als Schon im Februar 2018 zwei Benefizkonzerte für die Opfer der
Feuer in der San Francisco Bay Area spielte, war er an seiner Seite.
Mit dem Ergebnis, dass der diese Konzerte einiges an gemeinsamen Songs
und Alben in Erinnerung ruft. Neben Solosongs gibt es also auf
insgesamt drei CDs und 161 Minuten lang auch Songs aus den ersten drei
Journey-Alben, bei denen Rolie auch wieder den Gesang übernimmt.
Da Deen Castronovo ohnehin am Schlagzeug dabei war, übernimmt der
für die unvermeidlichen Journey-Klassiker – und einige
weitere Raritäten aus ihrer Diskographie – die Rolle als
Frontmann. Und an den fünf Jahre alten, unbearbeiteten Aufnahmen
wird deutlich, warum er für die Ansprüche der Kultband zwar
im Studio locker mithalten kann, aber live nicht ganz an die
Frontmannqualitäten seiner Kollegen anknüpfen kann. Zum
Abschluss noch zwei Santana-Klassiker und immer wieder grandiose,
ausufernde Gitarrensoli des Namensgebers. Ein karriereumspannender
Rückblick, der es nicht verdient hätte, in den Archiven zu
verstauben. Leider entspricht die Klangqualität nicht mehr ganz
aktuellen Standards, aber das fällt nach kurzer Zeit nicht mehr
ins Gewicht.
Wer
A sagt, muss auch B sagen. Und wer Lies („Lies“, siehe KW
11) bespricht, muss auch das neue Album von Lakes erwähnen! Zumal
die Briten die Kollegen von American Football sogar als Einfluss
erwähnen. Neben Fleetwood Mac, Phil Collins und Peter Gabriel.
Womit ihr Sound schon ausreichend beschrieben ist, den Rest müsst
ihr selbst nachhören. Mit „Deep End“ packen sie den
vielleicht besten Song des Albums gleich an den Anfang – obwohl
„Aces“ auch mega ist – und ehrlich gesagt ist es
schwer, hier überhaupt einen Song über einen anderen zu
stellen. Ein wunderbares Art-Pop Album voller wunderbarer Melodien,
Abwechslungsreichtum, gekonnten Hooklines und variablem Gesang. Sehr
schön! In der Art des Duett-Gesangs erinnern sie mich übrigens an die Band 1997!
Ich kann es nicht ändern, auch wenn ich dem AOR Melodic Rock schon lange kaum mehr etwas abgewinnen kann, bleiben
manche Bands so fest mit meiner musikalischen DNA verwachsen, dass sie
mich auch weiterhin begeistern können. Journey ist eine
dieser Bands. Ihr Breitwand-Rock, ihre fett produzierte Mischung aus
energetischen Rockern und bombastischen Balladen, kombiniert mit
herrlich rauem Gesang und begnadeten Gitarrensoli schafft es in den
allermeisten Fällen, nicht zuletzt dank grandioser Hooklines die
Kitschgrenze zu umschiffen. Das war einmal mehr beim 2022er
„Freedom“, dem ersten Journey-Album seit 2011, der Fall.
Seit 2015 ist ein Name dazugekommen, der über Drummer und (bei
Journey gelegentlichem Zweit-)Sänger fest mit Journey in
Verbindung steht, albumproduktionstechnisch ihnen aber weit
überlegen ist. Dem selbstbetitelten Debüt kommt jetzt das
mittlerweile 4. Album dazu, und einmal mehr steht hier die
Qualität von Songwriting, Performance und Abwechslung auf
demselben, hohen Niveau. Was zum einen an der auch bei Journey immer
wieder mal gezeigten gesanglichen Qualität (und Ähnlichkeit)
zur Originalstimme liegt, zum anderen an den Mitmusikern, bestehend bei
diesem Album erstmals aus dem atemberaubende Gitarristen Joel Hoekstra
(Whitesnake, Transsiberian Orchestra) und Bassist Jeff Pilson (u.a.
Foreigner). Ein rundum gelungenes Album!
Ist es Fishing for Compliments? Oder nur ein Beispiel für seinen Hamburger Humor? Es mutet schon etwas überraschend an, dass ausgerechnet einer der begnadetsten Poeten der deutschen Singer/Songwriter-Szene sein neues Album „Pseudopoesie“ nennt. Nun, immerhin ist es einer der Songtitel. Neben der Poesie und den Texten voller Intelligenz und Wortwitz ist es zudem die Musik, die so schön ist wie eine warme Dusche und eine Stimme zwischen Melancholie und Sehnsucht. Auch auf seinem siebten Album sich der Hamburger, der sich Anfang der 90er zunächst als Frontmann von Nationalgalerie einen Namen machte, einmal mehr von seiner besten Seite. Ohne sich in Soundexperimenten zu verlieren, sind seine Songs meistens auf das Nötigste reduziert und trotzdem voller Abwechslung. Klasse!
Ein extrem abwechslungsreiches Album, zwischen Pop Punk und großer Stadion Rock Hymne. Das beinhaltet einige sehr ernste Songs und Töne, u.a. durch die Corona beeinflussten Texte, aber auch der Partyfaktor kommt nicht zu kurz. Und diese Mischung macht dieses Album extrem sympathisch. Letztlich ist es gerade diese Mischung aus unterschiedlichen Stimmungen und Genres, wegen der es Spaß macht, das Album wiederholt zu hören. Dazu kommen Überraschungen wieder Earth Wind & Fire-infizierte „What a Time to be Alive“, genauso wie die klassischen Töne zu Beginn des Albums und im abschließenden Titelsong. Absolut gelungen!
City
and Colour ist das Pseudonym des Sänger, Songwriter und Performer
Dallas Green, "The Love Still Held Me Near" ist bereits sein 7.
Stuaioalbum. Und während er mit der Tiefe und Intimität
seiner Songs bereits Fans auf der ganzen Welt gewinnen konnte, treibt
er diese Qualitäten auf dem neuen Album auf einen neuen
Höhepunkt. Grund dafür dürfte sein, dass die Songs von
der schwierigsten Zeit in Greens Leben handeln, in der er u.a. seinen
besten Freund und langjährigen Toningenieur Karl Bareham 2019
verloren hat. Spannend wird das Album aber v.a. durch die
abwechslungsreiche Umsetzung: Wie schon in der ersten Single
„Fucked it up“ bringt Dallas Green immer eine Dosis Rock
mit rein – was seine Songs von der Qualität der Counting
Crows, GooGooDolls oder Death Cab For Cutie wesentlich Rock-Affiner
werden lässt. Leider trifft das erstmal nur auf die ersten drei
Stücke zu. Danach wird’s etwas melancholischer und ruhiger,
was die Songs nicht weniger schön macht, aber halt weniger Rock.
Zum Ende hin legt er allerdings mit "Hard, Hard Time" und vor allem
"The Water Is Coming" noch einmal richtig los und lässt es
krachen. Ein tolles Album: Intensiv, schön, melancholisch,
abwechslungsreich. Groß!
Die Finnen haben sich in der Vergangenheit schon einen Namen machen können mit einem Sound zwischen melodischem Rock
und progressiver Ausrichtung. Und auch das Hören des neuen Album
bringt Vergleiche mit großen Namen ins Spiel: „Telepathic
Minds“ passt bestens zwischen Pink Floyd, Transatlantic und in
erster Linie Sylvan! Was dreimal für große Qualität
steht - und in der Tat liefern die Finnen diese auch immer wieder.
Wobei nicht alle Songs auf ganzer Länge überzeugen
können, aber es tauchen immer wieder tolle Ideen und Momente auf,
Abwechslung und starke Soli inklusive. Und bei 90 Minuten
Gesamtspielzeit darf man sich auch die eine oder andere Länge
erlauben.
Musikalisch halten sich die progressiven Elemente in Grenzen - die
„Taktwechselfrequenz" würde ich ungefähr mit Saga
vergleichen wollen - sie kommen vor, stören aber den Fluss des
Songs nicht wirklich. Sehr gutes Album!
Mike
und Nate Kinsella sind eigentlich Mitglieder der US-Indierock/Emo-Band
American Football – neben diversen weiteren Projekten, die sie
betreiben. Beim Schreiben neuer Songs entdeckten sie die gemeinsame
Vorliebe für einen Sound, für den sie diesen neuen Bandnamen
ins Leben riefen. Lies spielen Pop. Art-Pop, um genauer zu sein. Diese
wunderbare Mischung, die man sonst von Künstlern wie Peter Gabriel
oder Paddy McAloon (Prefab Sprout) kennt, Das Tears For Fears-Duo
Orzabal und Smith oder auch Midge Ure in ihren besten Momenten, alles
Namen, in die sich die beiden Cousins locker mit reinreihen
dürfen. Raffinierte Keyboardmelodien, markante Hooklines,
entspannte Streicher, dezent angeschlagene Gitarren und groovige
Rhythmen wechseln sich ab. Wunderbar!
In der Regel tue ich mich schwer damit, in meiner Sendung Instrumental-Tracks zu spielen. Dieses Mal konnte ich nicht anders: Ihr
Opener "Kill The Sun And The Moon And The Stars" ist so eine
fantastische Mischung aus Pink Floyd Atmosphäre und Postrock, dass
ich nicht umhin kam, ihn zumindest leicht gekürzt zu spielen (Blizzard).
Zudem ist es nur ein Beispiel für ihre Qualitäten: Auch das
knapp 6-minütige "In My Dreams The Wind Chases Away The Clouds"
besteht aus den gleichen Zutaten und ist so gut, dass man locker in
einer weiteren Sendung nachlegen könnte. Dabei ist es gar nicht
nötig. Denn das Frankfurter Quintett agiert so abwechslungsreich,
dass man problemlos auch andere Songs findet: Im vierminütigen
„Winter Song“ und vor allem im tollen Abschluss
„Lostlostlostlostlostlostlostlost“ kommt auch Christian
Blasers Gesang zum Einsatz. Weitere Beispiele für die
abwechslungsreiche Songwriterkunst zwischen klassischem Psychedelic
Rocks und immer wieder auch härteren Rock-Elementen – das
kann schon mal dabei rauskommen, wenn drei Gitarristen an Bord sind.
Ein tolles Debütalbum!
Sie
stehen für modernen – und oft unberechenbar
abwechslungsreichen Progressive Metal: Bereits mit ihrem Debüt
„Aquarius“ 2010 stellten die Briten klar, dass sie das
Genre neu denken. Und egal, ob sie in der Folgezeit eher
Wave-orientierter oder metallischer unterwegs waren, sie blieben ihrem
Trademark-Sound irgendwie immer treu. Was sicherlich auch an
Sänger Ross Jennings lag, dessen sanftes Timbre immer einen
gelungenen Kontrast zum Metal-Ansatz seiner Kollegen darstellte –
und der im Zusammenspiel mit Neal Morse und Nick D`Virgilio 2022 auch
seine Allzweckwaffen-Qualitäten unter Beweis stellte.
Das neue Album fasst viele der o.g. Qualitäten der Band zusammen,
ist mal straighter Rock (im Opener), mal klassisch progressiv-heavy
(„Nightingale“), bisweilen auch mal komplexer
(„Beneath the White Rainbow“), aber auch moderner und
elektronischer („The Alphabet of Me“) oder einfach nur
groß („Lovebite“, „Eyes Of Ebony“). Mal
sollte schon eine gewisse Prog-Affinität mitbringen, aber Haken
geben sich Mühe, ihren - natürlich mit melodischen
Zwischenspielen, aber auch - oft komplexen ProgMetal mit
gemäßigten Zwischenspielen alltagskompatibler zu machen. Was
es leichter macht, dieses Album zu erkunden. Es lohnt sich!
Die Schweden stehen schon eine ganze Weile für extrem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Rock, der sich den verschiedenen Spiel- und Stilarten bedient. Mitunter krachend wie im Stoner Rock, eingängig treibend wie im besten Grunge Rock oder auch mal softer zwischen Biffy Clyro, College Rock und Pop-Hooklines haben sie sich auf für ihr neues Album einige Überraschungen ausgedacht. Dabei haben sie sich ihre Kanten bewahrt: Während die Kollegen von Pearl Jam oder den Foo Fighters (die sie mit der Single „Starkiller“ locker übertrumpfen) fast übertrieben sanft zu Werke gehen, lassen Sänger Niklas Serén und seine Kollegen immer wieder gerne auch die Rocker raushängen. Dabei platzieren sie im Hintergrund gekonnt feine Spielereien, die auch beim genaueren Hinhören immer wieder für Freude sorgen. Ein weiteres, richtig gutes Rock-Album!
Sie
setzen ihren Weg fort vom Metal zum atmosphärischen
Stadion-Rock-Act. Musikalisch gesehen natürlich, erfolgstechnisch
reicht es dafür nicht ganz. Dabei sind die Franzosen mit ihrer
Mischung aus ProgMetal und Alterative Rock seit knapp 30 Jahren
unterwegs, anfangs noch mehr im Gothic und Metal Genre, seit ihrem
2008er Album "All Seeing Eye" auf dem entsprechenden Label Season of
Mist, in der Folgezeit aber immer offener, was nicht zuletzt der
Wechsel 2019 zu KScope dokumentiert. Und bei aller Affinität zum
Sound von Kollegen wie Riverside, Porcupine Tree oder Devin Townsend
hatten sie nicht zuletzt durch Sänger Yann Ligner und Saxofinist
Matthieu Metzger immer einer klangliche Ausnahmestellung. Letzterer
wird im Info zum neuen Album zwar nicht mehr aufgeführt, ich meine
aber, ihn z.B. im Tietelstück herauszuhören… und auch
Wikipedia nennt ihn noch aktuelles Mitglied. Wie auch immer, das
Besondere in ihrem Sound ist ohnehin geblieben: Sehr
atmosphärischer Breitwandrock voller großer Hymnen, der sich
nur selten in instrumentalen Ausschweifungen verliert und entsprechend
immer fokussiert bleibt, hin und wieder fällt der Gesang auch kurz
ins Extreme, wodurch sie auch für Metal-Fans noch interessant
bleiben dürften. Musikalisch wie klanglich absolut
überzeugend!
2003 vom kauzigen Briten Andy Tillison gegründet, der
jahrelang mit seinen Parallel Or 90 Degrees das undankbare Schicksaldes
unverdient unbekannten Prog-Acts teilte, waren es v.a. die prominenten
Mitspieler wie u.a. Roine Stolt (Flower Kings) und David Jackson (Van der Graaf
Generator), die ihm sofortige Aufmerksamkeit bescherten. Musikalische Qualität
hatte er denen, die es bemerkt hatten, mit PO90 längst bewiesen, jetzt erlaubte
es ihm die neue Aufmerksamkeit endlich, auf neuem Niveau zu spielen. Und damit
auch live europaweit zu touren, wie diese 140minütige 14-Track Compilation
beweist. Da ist v.a. bei den frühen Aufnahmen die Soundqualität nicht immer
state-of-the-art, aber musikalisch kann das locker mit dem seinerzeit parallel
agierenden anderen Allstar-Projekt Transatlantic mithalten. Hauptunterschied zu
denen ist, dass Tillison wiederholt gerne ein wenig Jazz mit einbringt. Zwar
blieb die Prominenz nicht lange mit an Bord, wohl aber die verdiente
Aufmerksamkeit. Die musikalische Qualität blieb nicht durchgehend auf dem
Weltklasse-Niveau des Debüts „The Music That Died Alone“, aber immer hoch, zudem bewies Mastermind Tillison
Wandlungsfähigkeit. Die hier versammelten 14 Songs können das bezeugen - und sind mit 20, 15 und 4x12 Minuten, dazu
11, 9, 8, 7, 6, 5 & 4 Minuten-Tracks ein wahres Longtrack-Festival!
Prädikat: Empfehlenswert!
Die
erste Single war ja schon ein echter Knaller: Sieben 7 Minuten lang
eine großartige Steigerung vom ruhigen Intro zum epischen
Stadionrocker zeigte „Carnival“ schon das Potenzial, das
die Band über ihren Retro-Rock hinaus zu bieten hat. Auf dem Album
ist noch ein weiterer Longtrack, der schon fast progressive Züge
trägt mit seinem Tempowechseln. Ansonsten changiert die Band
zwischen langsamen und schnelleren Rock- und Blues/Rock-Songs, nenn es
Classic Rock, Vintage Rock oder Retro-Rock. Das ist, wo die Band
herkommt und sich bislang präsentiert hat, aber sie beweist
wiederholt, dass da noch mehr ist. Nach dem Motto alles kann, nichts
muss, bringen Sie am Ende noch den sehr modernen, Beat-orientierten
Rocksong „Instant Conclusion Decade“ unter, der zeigt dass
die Band sich durchaus noch weiter entwickeln könnte, und man
durchaus noch spannende Dinge von ihr erwarten kann. Für dieses
Album haben Sie den richtigen Mittelweg gefunden zwischen dem Sound,
den man von ihnen kennt und den Möglichkeiten die sie sich offen
halten. Tolles Album!
Sie waren mal mit ihren Progressivrock an der Grenze zum Metalcore
gestartet – inklusive entsprechender gesanglicher Extreme,
zugegeben nur am Rande. Die Extreme wurden bereits auf ihre
Anfangs-Album-Trilogie immer mehr zurück gefahren, die
Metalelemente folgten. Über die Jahre wurden sogar die
Rockelemente soweit reduziert, dass sie schon zur Ausnahme und
gelungenen Erweiterung ihres abwechslungsreichen Sounds angesehen
werden konnten.
Das neue Album folgt einer langjährigen Pause und setzt den
beschriebenen Weg weitgehend fort. Mit "Friend or Foe" beginnt es fast
ungewöhnlich poppig, andere Songs beziehungsweise Songteile sind
so typisch Riverside, dass man meint, sie zu kennen. Zwischendurch wird
es - nicht nur gemessen an ihrer musikalischen Vergangenheit - fast
zärtlich leise, eine Seite die man bereits von früheren Songs
kennt.
Das alles ist gar nicht mal schlecht, die Entwicklung war ja auch
langsam genug, um davon nicht überrascht zu werden. Und
zwischendurch gibt es auch durchaus auch kräftigere Rockelemente.
Störend sind eigentlich nur bisweilen die Texte, bei denen Dariusz
fern ab von Reim und Schema munter vor sich hin erzählt und dabei
ein wenig überraschend plump und simpel agiert. Im vorletzten "06.
Im Done with You" erinnern sie dann - genauso überraschend –
plötzlich kraftvoll an ihrer Vergangenheit. In Ansatz, Härte
und Komplexität erinnern sie in __ Minuten noch einmal daran, wo
ihre Wurzeln liegen. Und auch das abschließende "Self-Aware"
greift diese Seite erneut auf, kombiniert sie im weiteren Verlauf sogar
ein wenig mit den erwähnten anfänglichen Pop-Elementen und
bringt es auf knapp 9 Minuten. Damit bündeln sie am
erfolgreichsten ihre Stärken und schaffen nebenbei den vielleicht
repräsentativen Song für ihren aktuellen Entwicklungsstand.
Ein sehr versöhnliches Ende für ein Album von mitunter etwas
durchwachsener Qualität.
Hier
kommt ein neuer Name für die meisten, denke ich, und definitiv ein
erstes Highlight 2023! Atsuko Chiba kommen aus Montreal und begeistern
mit einem Sound zwischen hypnotisch, abwechslungsreich und
mitreißend, zwischen Groove, Psychedelic. Postrock, Progressive
Rock und Krautrock, zwischen Archive und Pink Floyd – und damit
am ehesten mit den frühen Archive vergleichbar! Ihr Platteninfo
bringt noch Namen wie The Mars Volta, Beak und Spirit of the Beehive
mit ins Spiel, aus der Ferne grüßen …And You Will
Know Us By The Trail Of Dead. Alles Varianten ihres Sounds, der einen
vom langen Intro an gefangen nimmt und nicht so schnell wieder
loslässt – vorausgesetzt du hast die Repeat-Taste
gedrückt, denn ihre 6 Songs bringen es leider nur auf eine
Spielzeit von 36 Minuten. Dafür gibt es mit „So Much
For” ein Highlight zwischen Stoner-/Post und Progressive Rock ein
etwas komplexeres Meisterwerk sowie mit „Seeds“ eine etwas
lang geratene erste Single (7:45). Die glänzt dafür mit den
besten Zutaten des frühen Archive-Sounds und dürfte für
Fans, denen die Briten etwas zu elektronisch geworden sind, eine
willkommene Alternative sein! Und wenn man die Bandcamp-Seite der
Kanadier checkt, kommt man auf weitere Archive-Parallelen, denn ihre
2021er „Quick Infant Guilt“-EP kombiniert fette Hip Hop
Vocals mit Psychedelic Rock, und auch ihre 2016er EP „The Memory
Empire“ machte Schritte in diese Richtung. Ihr merkt schon, diese
Band hat mich so in den Bann gezogen, dass ich mich erstmal durch ihre
Diskografie gezappt habe: 2 Alben, 3, 4, EPs und ein paar einzelne
Singles lassen die schon ganz ansehnlich gefüllt aussehen, aber
ich empfehle trotzdem zunächst das aktuelle Album: Ein
extrem spannendes Werk, das dieser Band eine Menge neuer Fans bescheren
sollte!
Ich habe vor einem Jahr bereits ihr letztes Album „And The
Beauty They Perceive“ gefeiert, da stehen sie nicht
einmal ein Jahr
später schon wieder mit einem neuen Album bereit. Und einmal
mehr liefern sie eine starke Mischung aus Dream Theater-ähnlich
abwechslungsreichem Progmetal und sehr eingängigen Rocksongs ab,
die v.a. durch den tollen Gesang von Frontmann Dean Wells, der es
schafft, die härtesten Breaks weichzuzeichnen, kontrastiert wird.
Großartig!
Das Album beginnt spannend mit dem Titelsong, das sich letztlich aber
als Highlight des Albums herausstellt. Wogegen nichts spräche,
wenn die Australier es geschafft hätten, ihre Dynamikwechsel und
Melodikpassagen noch etwas abwechslungsreicher, ausgeprägter und
spannender zu gestalten. So verfliegt der anfängliche Begeisterung
irgendwann ein wenig – und schwächelt das Album im
Mittelteil ein wenig. Zum Ende ziehen die sechs aber wieder an,
beginnend mit dem herrlich melodischen Solo in „Dangerous
Me“, und liefern auch im Folgenden noch ein paar tollen
Gitarrenmelodien ab.
Beginnen
wir das Jahr mit einem weiteren Überbleibsel des letzten Jahres -
aber einem, das hier erwähnt werden muss!
Veröffentlicht am 25.11.22 präsentiert der Brite, anfangs des
Jahrtausends noch als Frontmann des Alternative Rock Trios Reuben
unterwegs, eine sehr spannungsreiche Mischung aus Singer/Songwriting
und seiner Rock-Vergangenheit. Der Indie-Rock am Anfang ist dabei
noch etwas irreführend. Das Album ist so gespickt mit großen
Songs zwischen Pop, Singer/Songwriting und Rock, dass es das
Prädikat Indie nicht verdient! Sogar die Charity-Single "Hospital
Tree", deren Erlöse an National Health
System-Wohltätigkeitsorganisationen gehen, endet nach sanftem
Beginn in einem Rockfinale. Und von diesen Steigerung gibt es
einige. Und es mag Geschmackssache sein, aber wenn er auf diese
Art abgeht, wirds richtig spannend. Stimmlich erinnert er bisweilen an
Joe Jackson, musikalisch streift er von da durch diverse Felder der
80er und 90er - ohne signifikanante Plagiatisierung. Ein tolles
Album!...
Das Jahr hat 52 Wochen, also bleibt noch Platz für eine
Erwähnung, die es sonst wohl nicht mehr auf diese Seite geschafft
hätte.
Denn hier ging es mir mit der Entwicklung doch ein bisschen zu schnell:
Für ihre ersten beiden Alben "Black Holes" (2018) und "Hidden
Gems" (2021) noch abgefeiert für ihren begeisternden Rock zwischen
Hookline & Riff, Blues und Kante, zwischen The Black Keys, White
Stripes und Muse sind sie mit ihrem dritten Album deutlich
gemäßigter geworden. Bereits die ersten beiden Singles
"Don´t miss" und "Good Ideas" ließen es erahnen: Statt der
o.g. Bands dürften dem kanadischen Duo nun eher Chartsstürmer
wie Maroon5 oder The Script als Vorbilder gedient haben. Im Opener
"Healing" und v.a. in "Stay with me" lassen sie die Gitarre aufheulen,
auch "Let Me Out" ist ein guter Song, aber der Ansatz ist doch meist
deutlich mehr Pop. Und da die Herren Tarek Jafar und Justin Tessier nun
einmal selbst begnadete Songwriter sind mit einem Händchen
für gute Hooklines, kann man ihnen das nicht einmal übel
nehmen. Hoffen wir, dass es klappt! Denn sehen wir es so: Die Jungs
haben ihre Ochsentourneen gespielt, wir haben unseren Spaß
gehabt, ab nun wird (hoffentlich) Geld verdient. Es ist ja nicht
so, dass es an hoffnungsvollen Newcomer-Alternativen mangeln
würde.
Und noch eine lange Pause findet ein erfolgreiches Ende: Elf Jahre
sind seit ihrem Debütalbum "Permanent Transient" vergangen, einem
Album zwischen Indie-Attitüde
und Stadion-Hymnen. Musikalisch extrem überzeugend ließen
mich seinerzeit die gesanglichen "Übergriffe" etwas
zurückhaltend zurück. Diese Ausbrüche scheinen bei
Sänger Florian Sczesny der Vergangenheit anzugehören - und
doch wird man bei ihm das Bild nicht los von einem gezähmten
Tiger, der wachsam am Gitter auf und ab läuft, und nur auf die
Gelegenheit wartet, zuschlagen zu können. Was nicht heißen
soll dass er nicht auch in der gezähmten Variante ein tolles Bild
abgibt. Sein Gesang passt wunderbar zum Wechsel aus krachenden
Indie-Gitarren und melodischen Songstrukturen, zwischen aufregenden
Melodien und Taktschemata, die wiederholt an The Intersphere erinnern.
Ein sehr spannendes, und doch ausgewogenes Album, dass die Tür
weit aufreißt zum Mainstream, ohne die Identität der Band zu
verkaufen.
Erst zum Ende des Albums bricht Sczesny aus: In "Ashes" darf er schon
mal andeuten, wozu man ihn durchgehend in der Lage hielt. Und in
"Independence" gehen dann die Pferde endgültig mit ihm durch:
Keine Chance für Wärter oder Gegner. Wodurch seine
Performance insgesamt noch eindrucksvoller wird. 7 Songs in 43 Minuten,
drei davon über 7 Minuten, die Koblenzer haben etwas zu sagen. Und
in der Tat geht es ihnen nicht nur um die Musik. Neben ihrer
Unterstützung der Canadian Women's Foundation (durch die
Thematisierung des 'Signal For Help' im Video zum grandiosen
Album-Opener „Famous Last Words“) möchten die vier
Musiker mit "Bricks" den kulturellen Wiederaufbau im Ahrtal
unterstützen. Der Gewinn des gesamten Vorverkaufs fließt in
die Unterstützung des Landesteils und mit zusätzlichem
ehrenamtlichem Engagement u.a. in den Wiederaufbau von kultureller
Infrastruktur (z.B. temporären Proberäumen).
Unverhofft, dramatisch und wunderschön: Dieses Album sollte es
nie geben. Denn eigentlich sind Pale bereits seit über zehn Jahren
Geschichte. Zwei Schicksalsschläge ließen die Band aus
Aachen noch einmal zusammenkommen – um ein definitiv letztes
Album einzuspielen. 1993 gründet und 16 Jahre auflöst, 2012
doch nochmal für einen eigentlich letzten großen Abschied in
der Heimatstadt die Open Air Bühne betreten. 2019 erhalten
Gitarrist Christian Dang-anh und Schlagzeuger Stephan Kochs dann aber
am gleichen Tag von ihren Ärzten Diagnosen, die keinen Spielraum
bieten.
Es ist leider sehr ernst. Über den Schock der Vergänglichkeit
finden die zahlreichen Mitglieder, die PALE über die Jahre hatte
wieder Kontakt zueinander. Gründungsmitglied Philipp Breuer,
eigentlich schon 1996 ausgestiegen, schleppt in dieser Zeit das
allererste Demo der Band aus den frühen 90ern an und schlägt
vor: "Da könnte man doch nochmal ran!" Schnell fällt die
Entscheidung, die wertvolle Zeit, die man noch zusammen hat, mit dem zu
füllen, was so viele Jahre Dreh- und Angelpunkt ihrer Leben war:
Musik. Von einer aktiven Teilnahme muss Stephan Kochs da aus
gesundheitlichen Gründen leider bereits absehen. Trotz der
intensiven Behandlungen schreibt, spielt und singt Christian Dang-anh
mit der gesamten Band neue Songs ein. Im Mai 2021 erliegt er dann dem
Krebs. Jetzt erscheint es endlich, ein tongewordenes Denkmal für
die Freundschaft, für die Liebe zur Musik, voller wundervoller
Songs. Wie das aufregende „New York“ oder der
berührende Abschied von Christian, "Bigger Than Life". Songs, die
wie der größte Teil des Albums trotz aller Wehmut, die man
haben könnte, voller Energie steckt, voller zündender
Melodien und einem mitreißenden Drive. Dazu kommen Duette mit dem
ex-Kilians-Sänger Simon den Hartog (in seiner ersten
öffentlichen Aufnahme seit dem letzten Album seiner Band von 2012)
und Saskia Pasing. Große Emotionen dann doch noch einmal im
Finale "Someday You Will Know": Auf "It's the last song of a band /
that already played it’s final show" folgt die zufriedene
Erkenntnis "We were in this together". Herzergreifend!
Für 2023 haben PALE zwei Konzerte angekündigt: Am 02.03.23
spielt die Band das größte Konzert ihrer Karriere im
Kölner Gloria, bei dem sie von zahlreichen musikalischen
Gästen begleitet werden. Am 25.02.23 gibt es im Gleis 22 in
Münster ein Warm-Up Konzert. Beide Termine sind bereits
ausverkauft. :-/
Retro
Rock 2.0! Updated, upcycled, nenn es wie du willst. Ob das jetzt
"Cyberfunk" ist, sei mal dahingestellt, aber warum nicht? Billy Idol
hatte mal den Begriff Cyberpunk ins Spiel gebracht, aber bei ihm
war`s ein Griff ins Klo. Das ist diese Variante definitiv nicht! Die
Innsbrucker rocken zwischen Retro-Style, Jam Rock und deutlich
moderneren Zutaten, Computersounds & Disko- bis hin zum Funkrock
(in „Hit On Your Girl“) und bleiben doch
glücklicherweise weitgehend immer noch eine Rockband. Ein Song wie
„The Operator“ könnte in seiner Exaltiertheit auch von
den Landsleuten Bilderbuch stammen, deren Erfolg ja schon
bewundernswert wenn nicht beneidenswert ist. Mutig, vielleicht auch ein
bisschen verrückt, aber sie hatten jetzt ehrlich gesagt auch noch
keinen Status, den sie sich mit einem solchen Experiment komplett
kaputt machen würden. Im Gegenteil: Ich glaube, dass es sie nur
voranbringen kann, auch wenn dieses Album kein großer Erfolg
wird. Das gesagt, gefallen mir persönlich die Songs am besten, die
am meisten ihrer Retro-Rock Vergangenheit durchblitzen lassen. Aber in
seiner Gesamtheit mit Samples, softeren Songs etc. macht das Album
extrem Spaß!
Seltsame Songtitel, seltsame Cover - aber eine megaintensive Mischung! Eine große Klappe, eine Stimme oft kurz vor
dem Überklappen, Alternative-Rock-Gitarren zwischen Scheppern und
Brett und eine überbordene Energie: Skalp aus Ulm gehören auf
die große Bühne! Juvenil-energetischer Indie Rock, der an
die frühen Madsen oder Blackout Problems erinnert und mitunter
grandiose, atmosphärische Momente mit einbaut, und damit immer
wieder herrliche Kontraste zum High-Energie-Rock setzt. Die Stimme
bleibt meist knapp unterhalb der Schmerzgrenze, also noch im
grünen Bereich und der Rest der Band rockt munter und
abwechslungsreich drauf los. Die Texte sind mitunter etwas
frühreif-philosophisch, ein paar kluge Sätze, die zumindest
ein wenig Punk Spirit rüberbringen, aber das mag subjektive
Überempfindlichkeit sein. Wenn die Rhythmen etwas anspruchsvoller
werden, winken die Intersphere aus der Ferne. Ein tolles Album, das
dank seiner unterschiedlichen tollen Momente über volle Länge
überzeugen kann und entsprechend Spaß macht. Ein
Debütalbum von einer Band, von der man bestimmt noch ganz viel
mehr werden wird hören wird.
Wow, ein überraschend fett gelungenes Album! Prinzipiell
einzuordnen unter dem Label ProgMetal, aber im Gegensatz zu Dream
Theaters Frickel-Prog setzen Threshold auf den Kontrast aus
Breitwand-Metal-Passagen und vielen ruhigen Momenten, dominierende
Harmmonie und epische Songstrukturen - oder wie mein
Radio-Kollege Stephan Glück es ausdrückt: "den Spagat
zwischen Heavy-Power und melodiös-atmosphärischer Opulenz".
Und der gelingt ihnen auf dem neuen Album - mal wieder -
ausgesprochen gut!
Ein Spagat, der auch Dream Theater natürlich nicht fremd ist, aber
die Amerikaner machen das deutlich technischer und komplizierter als
die ihre britischen Kollegen. Was nicht heißen soll, dass
Threshold nicht auch wiederholt Solopassagen einbauen, allerdings
kommen die in erster Linie songdienlich erweiternd daher. Und
während on & off Sänger Damian Wilson mittlerweile bei
Arena untergekommen ist, sind Threshold wieder mit Glynn Morgan
zusammen - der im Gegensatz zu seinem früheren Auftritt auf
"Psychedelicatessen" viel, viel besser singt und auf Schrei-Attacken
komplett verzichtet. Ganz im Gegenteil: War er 1993 noch der
Metal-Shouter, ist er hier vielmehr ein weiterer melodisch
ausgleichender Part, der die Musik von "Dividing Lines" auch jedem
Nicht-Metal oder Nicht-Prog-Fan schmackhaft machen könnte.
Das gesagt, sollte man noch die beiden 10+-Minuten-Longtracks
erwähnen, die zum hohen Qualitätslevel dieses Albums
beitragen. Eigentlich hatte ich gar keine große Motivation,
dieses Album ausführlich zu hören, geschweige denn zu
rezensieren, aber die Beteiligten lassen mir keine andere Wahl. Und ihr
solltet`s auch antesten!
Spannend: The Backseat Lovers platzieren sich locker zwischen Jeff Buckley und Radiohead, womit sie eine
spannende Ecke zwischen Singer/Songwriter-Pop und anspruchsvollem
(Art-)Rock beackern. Dabei fordern sie mit ihrem extrem leisen Beginn
„Silhouette“ den Hörer von Anfang an, verlangen ganz
Spotify-untypisch die volle Aufmerksamkeit des Hörers im dem
gesunden Selbstvertrauen, dass die Neugier ihn nicht weiterskippen
lässt. Man wird belohnt durch die Steigerung des Songs zu einem
kurzen, eruptiven Finale, womit sie hier die Extreme ausloten, zwischen
denen sie sich weiter bewegen, die sie aber so nicht wieder
berühren. Das folgende „Close Your Eyes“ ist vom
Aufbau ähnlich, aber ohne die Extreme – entsprechend auch
eine der ersten beiden Singles. Im weiteren Verlauf wechseln sie die
Stimmungen, mal ganz sanft, und leise, mal rockig und laut, aber immer
mit dem gewissen Etwas und tollen Spannungsbögen. Sänger der
in Salt Lake City ansässigen Indie-Rocker, Jonas Swanson erinnert
wahlweise an Jeff Buckley und Thom Yorke. Ihr Debüt „When We
Were Friends“ erschien noch independent, für „How to
Spill” landeten sie bereits beim Major: Von dieser Band
dürfte noch einiges zu hören sein.
Als
Emo-Rock Band Kropp Circle von den drei Brüdern Emerson Barrett
Kropp, Remington Leith Kropp, Sebastian Danzig Kropp 2008
gegründet, veröffentlichten sie ihre ersten Alben erst nach
der Umbenennung in Palaye Royale (2016, 2018 & 2020). Ihre erste
Tournee durch Europa musste 2020 nach zwei Daten in GB wegen Covid
abgebrochen werden, vielleicht liegt ihre mangelnde Bekanntheit daran.
Wird ihr neues Album daran etwas ändern können? Wegen der
Kontaktbeschränkungen zunächst wieder als Trio der
Brüder komponiert und aufgenommen, ist die erste Single
„Broken“ schonmal ein potentieller Hit. Aber auch der Rest
des Albums kann überzeugen. Bezeichnet als ihr „bisher
hoffnungsfrohestes Album“ gibt es hier eine volle Ladung Pop mit
Crunch – oder auch: Alt. Rock mit Popfaktor. Der intensive
Gesang von Remington Leith platziert das Album irgendwo zwischen
Badflower und Sunrise Ave. , wobei die Band im Titelstück auch
fast Meat Loaf-Qualitäten entwickelt (bzw. Jim Steinman, weil Meat
Loaf erreichen sie dann doch nicht ganz). Durch den Crunch ein
abwechslungsreiches Album, auch wenn nur die balladeskeren Songs echte
Highlights sind.
Aufnahmen der Firma Creed haben ein Abo auf meine Aufmerksamkeit. Egal was sie machen, ihre musikalische Mischung ist generell so hochwertig, dass ich daran nicht vorbeikomme. Waren in der Vergangenheit die Unterschiede zwischen den einzelnen Abteilungen, sprich Creed, Scott Stapp und Mark Tremonti nicht klar erkennbar, haben Alter Bridge auf ihrem neuen Album den Härtegrad ein wenig erhöht. Dadurch rutschen einige ihrer Songs auf die Grenze zwischen Hardrock und Metal, gehören aber weitestgehend immer noch zum typischen Soundspektrum. Vor allem die grandiose Stimmung von Myles Kennedy und die Gitarrenarbeit von Mark Tremonti heben diese Songs auf ein Niveau, dass das Prädikat hörenswert allemal verdient. Und ein bisschen Eigenständigkeit kann ja nicht schaden. Abgesehen davon, besitzen auch Songs wie „Stay“, der Titelsong oder das gut achtminütige „Fable Of The Silent Son“ so viel Power und Klasse, dass man die hier gar nicht weiter erklären muss.
So
schön und doch so schade: Die kanadische Art-Pop-Band kündigt
an, dass ihr drittes Album Trust Fall zugleich ihr letztes sein wird.
Dabei kann man sich an diesem Sound gar nicht satthören! Yes We
Mystic vereinen den Art Pop von Talk Talk mit den leicht progressiven
Elementen Peter Gabriels, dem Pop von Tears for Fears und Coldplay mit
zeitgemäßen Elementen. Das Ergebnis ist ein sehr
abwechslungsreiches, zeitloses Album mit wunderbaren melodischen Songs,
die immer wieder mit überraschenden Elementen begeistern
können. Dazu tragen u.a. diverse Gastauftritte bei.
Als Gruppe von Highschool-Schüler:innen gestartet, die in einem
Keller in Winnipeg, Manitoba, mit geliehenen Instrumenten Musik
machten, wurden sie innerhalb weniger Jahre zur international tourenden
Band, die vom BeatRoute Magazine als
"Art-Pop-Transformatoren“ bezeichnet wurde. Bereits nach der
Veröffentlichung ihres zweiten Albums Ten Seated Figures
(2019) war eine der Band ungewiss, nachdem sich die fünf
Mitglieder in verschiedene Richtungen gezogen sahen. Am Ende waren es
ihre neuen Songs, die das letzte Wort hatten. Adam Fuhr, Keegan Steele,
Jensen Fridfinnson, Jodi Plenert und Jordon Ottenson spürten, dass
sie gerade dabei waren, das stärkste Material ihrer Karriere zu
schreiben. Und genau das kann ich nur bestätigen: Ein
krönender Abschluss!
Famous last words (aus dem Finale “Sun Room”): “You
hope that it would never change but you had already changed”
Die Simple Minds sind eine der wenigen Bands, bei denen ich noch auf dem Newsletter stehe. Alte Verbundenheit. Darankonnten
auch ihre beiden schwachen letzten Alben nichts ändern. „Big
Music“ (2014) und „Walk Between The Worlds“ (2018),
beide viel zu Pop, unkreativ, weitgehend mit unnötigen Diskobeats
versehen. Als wenn Jim Kerr und Charlie Burchill noch nicht verstanden
hätten, dass sie trotz Glitzerkugel für Teenies nicht mehr
attraktiv sein werden. Der ausbleibende Erfolg von Singles und Alben
bestätigte alle Kritiker und ließ hoffen, dass die beiden
zur Vernunft kommen würden.
Die (zweite) Single zum neuen Album, „First you jump“
ließ aufhorchen, ja erinnerte fast an alte Großtaten. Aber
von Vernunft ansonsten leider keine Spur: Leider kann das Album die
aufkeimenden Hoffnungen nicht bestätigen. „Direction of the
Heart” wiederholt alles, was o.g. Alben falsch gemacht haben.
Ehrlich gesagt war mir da sogar die zwischenzeitliche Rückkehr zu
altem Wave-Sound Ende der 2000er lieber –weil letztlich immerhin
eine Rückkehr zu den Wurzeln war und damit passender. Erst in der
Mitte mit der guten, atmosphärischen Ballade „Solstice
Kiss“ sowie mit dem letzten Song, „The Walls came
down“ kommen sie ihrem Image einer Rockband noch einmal ein
bisschen näher: Mit der Coverversion können sie das Original
von The Call sogar um Längen übertreffen. Aber
rausreißen können sie das Album damit auch nicht mehr.
Back
to the Sixties: zwei Alben in einem Jahr. Keine aufgeblasene
Promo-Ankündigung sechs Monate im Voraus, drei Single
Veröffentlichungen und medienwirksam Release-Day-Aktivitäten,
was für eine Mega Band wie Red Hot Chili Peppers kein undenkbares
Szenario wäre. Stattdessen einfach ein Album. 17 Songs, 75 Minuten
und nicht ein einziger Ausfall dabei! Das nenn ich mal Wiedergutmachung
für das relativ schwache erste Album "Unlimited Love" im
Frühjahr. Was nicht heißen soll, dass sie hier einen
Meilenstein abgeliefert hätten, der letzte davon heißt
für mich immer noch "The Getaway" (2016), aber neben ein paar
ruhigeren oder auch Pop-orientierteren Songs gibt es hier zumindest ein
paar gute Rock-Songs, wie das Highlight "Eddie", der obwohl komplett
RHCP-typisch zumindest angesichts seines extended Solos durchaus eine
ernstgemeinte Hommage sein könnte. Ansonsten schimmert hier
nämlich auch immer wieder der Humor der Klamaukbrüder
durch.
Sie sind wie einer der helleren Tage im November. Bei Prophecy
Productions und grundsätzlich im Gothic Rock Genre beheimatet, bauen
Crone immer wieder schöne, helle Momente in ihre Musik ein.
Lockere Gitarrenlicks, perlende Pianoläufe, das hellt ihre Musik
schon immer wieder auf, vor allem, wenn sie dann, was öfter
vorkommt, auch mal schnellere Beats anschlagen.
Songs wie „Gemini“, „They“ oder
„Quicksand“ sind einfach gut arrangierte Rocksongs in einem
Genre, das sonst weitgehend von düsteren, langsamen Klängen
dominiert sind. Auch diese Seite gibt es, schließlich sind wir ja
noch im November, d.h. dass auch Crone gerne etwas langsamer,
mächtiger, und düsterer zu Werke gehen, hier in den meisten
Fällen ergänzt durch tolle Gitrarrensoli, die die Songs
aufwerten. Insgesamt ergibt sich hier ein sehr ausgewogenes
Verhältnis, so dass das Album schon zu gefallen weiß. H.I.M.
und The Mission sind mögliche Referenznamen, wobei Crone schon
ihren sehr eigenen Stil haben. Lediglich Gesang und Texte sind leider
manchmal etwas klischeehaft und können den hohen musikalischen
Anspruch nicht immerhalten.
Sänger
geht solo: Da öffnen sich durch die Bekanntheit seiner Stimme
schnell ein paar Türen, auch wenn „Seele“ mit dem Rock
seiner nach ihm (und seinen Brüdern) benannten Hauptband weniger
zu tun hat. Irgendwo zwischen dem Soul eines Phil Collins und den
softeren Songs von Madsen machen die Songs durchaus Spaß,
rutschen allerdings auch ein, zwei Mal über die Kitschgrenze ("Das
Gewitter"). Interessanterweise bleibt trotz der andersartigen
Arrangements sein Melodienkosmos sehr ähnlich: Songs, wie
„Als bei uns Sommer war“ hat man so auch von ihm schon
diverse Male gehört, Dabei sind die Texte mal wieder
Madsen-typisch sehr unterhaltsam und machen dieses Album durchaus
hörenswert. Insgesamt fehlt aber ein wenig die Abwechslung und
Spannung auf diesem Album. Aber Weisheiten wie „Sei nur du
selbst“ oder Beobachtungen wie „Immer nur am
Handy“ sind einfach klasse!
Der dritte im Bunde: Nach Steve Lukather und Josef Williams kommt jetzt mit David Page der dritte Toto-Musiker in diesem
Jahr mit einem Soloalbum. Ein Album das in den meisten Fällen
beweist, wie sehr die alten Toto Recken ihre Musik in die DNA
aufgenommen. Da ist natürlich auch nicht viel anderes zu erwarten,
wenn sie solo agieren. Wobei solo auch in diesem Fall heißt, dass
die Weggefährten dabei sind, d.h. in diesem Fall Steve Lukather
und Josef Williams. Dazu kommen u.a. Brian Eno, Michael McDonald und
Ray Parker Jr. Die Songs sind, das deutet der Albumtitel schon an,
Ideen, die lange Zeit auf einen Einsatz warteten… oder
vielleicht auch nicht? Denn die Frage bleibt: Sind im Ergebnis drei
Soloalben also dreifacher Toto Spaß? Leider geht die Formel nicht
auf. Denn einerseits wollen auch bei David Page nicht alle Songs
richtig zünden, streng genommen ist eigentlich gar kein Highlight
dabei. Irgendwas fehlt immer. Zudem lässt sich ein Solo Album
definitiv nicht mit einem Toto Album vergleichen, einem Album, bei dem
sich eine ganze Riege hochkarätiger Songwriter Material
beisteuern, sich alle Beteiligten der Verpflichtung ihres Namens
bewusst sind und Songs der Qualität des vorliegenden Albums
entweder durch massiven Kreativitätseinsatz bearbeitet und
glanzpoliert oder aber auf Halde geschoben hätten. Deshalb ist
auch dieses Album nur ein B-Ersatz und es bleibt die Hoffnung, dass wir
die Jungs auch unter dem Namen Toto wiedererleben, und die Frage, was
dann dabei herauskommt.
Sie
sind nicht mehr die produktivste Band, aber dafür sind ihre Alben
schlicht klasse! Seit den späten 90ern, als sie Alben noch im
Zweijahrestakt veröffentlicht hatten, gab es nur zwei Alben, jetzt
sind sie wieder da. Schon hier könnte man den Vergleich zu Peter
Gabriel ziehen, aber der wäre noch zu künstlich
herbeigezogen. Musikalisch sind da deutlich mehr Parallelen. Den lauten
Rock ihres 2014er „Do To The Beast“ präsentieren sie
nur im Opener „I'll Make You See God“, danach geht es mit
einer Mischung aus dem harmonischen und balladesken Art-Pop des 2017er
Nachfolgers „In Spades“ auf der einen, und polyrhythmisch
orientierten Songs zwischen Groove und World Beat wie "The Getaway" und
"Catch A Colt" (schönes Wortspiel in den Waffen-zugänglichen
USA!) weiter. Dabei passiert in den Songs immer eine ganze Menge mehr
als das einfache Strophe-Refrain Schema, ohne dabei allerdings
irgendetwas mit Prog Rock zu tun zu haben. Stattdessen ist das Album
einfach nur wunderbar vielschichtig, gespickt mit zahlreichen
Highlight-Songs, Duett Gesang und vielschichtiger Entwicklung. Toll!.
„Every Day“, im Original von seinem 1979er-Soloalbum
"Spectral Mornings" verdeutlicht es auf wundervolle Weise:
Für mich das erste
Album, das ich seinerzeit von
ihm gehört hatte, als ich mein Wissen um das Genesis-Umfeld
vermehren wollte und die Genesis Alben allein mir nicht mehr
ausreichten. Erschien mir damals noch etwas zu 70s-lastig, sowohl was
die Verspieltheit als auch den Sound angeht, aber ist jetzt im
Rückblick natürlich ein absoluter Klassiker der auch im
direkten Vergleich mit Genesis Material absolut bestehen kann.
Hackett hatte in den Siebzigern und Achtzigern ja immer so eine on-off
Beziehung zu Genesis-Songs, hatte lange versucht, als Solokünstler
nur mit seinem Solomaterial zu bestehen, hatte dann irgendwann mal eine
Genesis-Tournee eingebaut und dabei wesentlich größere
Besucherzahlen erreichen können. Danach versuchte er es auch
wieder ohne Genesis-Material, aber hat dann irgendwann verstanden, dass
er immer noch für die Band steht, dass die Leute auch diese Seite
von ihm hören wollen, zumal es das Original immer seltener gab,
und verstand es schließlich, die beiden Seiten glücklich zu
vereinbaren. Damit befindet er sich seitdem gefühlt auf einem
Dauerhoch, von dem letztlich auch seine Soloalben immer wieder
profitieren konnten. Und genau das ist es, was auch dieses Live-Album
einmal mehr ausmacht und beweisen kann.
Seit
seine Albumtrilogie vorbei ist, schlägt John Mitchell auch
persönlichere, bisweilen ruhigere Töne an. Album No. 5 unter
dem Nmen Lonely Robot und bringt einen weiteren Farbtupfer mit rein,
der auf eine einfaches Schlagwort zu reduzieren ist: Hit! Gar nicht
auszumalen, was passieren würde, wenn auf diesem Album der Name
Peter Gabriel stünde. Die Rockwelt würde stillstehen vor
Ehrfurcht. Ja, dies ist ein Hit-Album! Manch eingefleischter Artrock-
und Rock-Fan mag es auch vielleicht das Pop-Album nennen, fest steht,
dass John Mitchell, der schon immer für seine ausgezeichneten
Songideen bekannt war, selten so Hit- und Mainstream-affin war, wie auf
diesem Album. Wer John Mitchell kennt, weiß natürlich, dass
die Rock Momente nie zu kurz kommen, und dass die Pop-These eine
ketzerische ist.
Den Pop-Puristen dürften z.B. die kräftigen Gitarrenriffs und
-soli stören, aber das nenne ich jetzt mal ausgleichende
Gerechtigkeit. Wir sprechen hier von einem Pop-Album, wie es Peter
Gabriel in den Achtzigern aufgenommen hat, und da waren ja auch
Gitarren noch erlaubt. Der Name Gabriel ist natürlich nicht
zufällig gewählt, denn Parallelen gibt es einige –
musikalische wie stimmliche. Der Beginn von „Digital God
Machine“, der E-Piano-Sound in „Species In
Transition“, die omnipräsente Melancholie in den Songs, es
gibt immer wieder Momente, in denen man sofort in das Genesis-Umfeld
hineinversetzt wird.
Ein Gabriel-Album dieser Qualität wäre eine Sensation –
und ehrlicherweise nicht zu erwarten. Aber wir lassen uns gerne
überraschen. In der Zwischenzeit empfehle ich jedem, diesem Album
eine Chance zu geben und John Mitchell die Bühne die er verdient.
Hat
dich das letzte Frank Turner Album auch so angefixt? Dann gibt es hier
Nachschub: Den Spirit des Punk, die Coolness desIndie-Rock
und genug Melodie um theoretisch auch mal einen Hit landen zu
können (wenn die Welt fair genug wäre). So lässt sich
dieses Power-Trio aus Oslo zusammenfassen. Das ist fetter, richtig
guter, kerniger Indie-Rock mit Kante! Womit sie mich an die (nicht nur
von mir) hoch gehandelten Kollegen von Black Foxxes und Frank
Turner erinnern. Wie Letzterer haben die Spielbergs eine sehr
geschickte Art, ihren rauen Drive in eine Melodie übergehen zu
lassen, dass sie immer wieder herrliche Kontraste und Momente zum
Durchatmen liefern. Das treiben sie nach „Go!“ sowie nach
der infernalischen Steigerung in „There´s No Way Out”
auf die Spitze, indem sie ganze Tracks als Ruhepausen
hinterherschieben. Mega!
Schon mit ihrem Debütalbum „This is not the End“
hinterließen sie 2019 sie einen extrem guten Eindruck, von den
beiden EPs davor und danach ganz zu schweigen: Nicht nur dass es
„Running All The Way Home“ (2019) mit 8 Songs auf 46
Minuten Spielzeit brachte, hier konnten sie vor allem auch ihren
Abwechslungsreichtum unter Beweis stellen. Mit "Vestli" (benannt nach
dem Vorortbezirk von Oslo, in dem zwei der drei Bandmitglieder
aufgewachsen sind) beweisen sie, dass sie diese Klasse halten
können.
Solo
ist das neue Bandalbum. Nachdem schon Flower King Jonas Lindberg
gezeigt hat, dass er solo in ähnlicher Qualität abliefern
kann, wie seine Stammland, zeigt auch Ryo Okumoto, was er von der
Band-Chemie in den letzten Jahren alles aufgesogen hat. Beim Opener
„Mirror Mirror” muss man in der Tat nochmal kurz aufs Cover
gucken: Nein es ist wirklich nicht Spocks Beard, was da steht, sondern
Ryo Okumoto. Während man zunächst noch terminliche
Gründe vermutet, weshalb man dieses Album nicht als Grundlage
für ein Bandalbum zusammen genutzt hat, klärt der Keyboarder
die Sache im Info selbst auf. Demnach war Ryo von Michael Whiteman (I
Am the Manic Whale) derart begeistert, dass er ihn nach einer
Kollaboration gefragt hat, ihm nach dessen Zusage 30 Demos geschickt
hat und Whiteman die ausgearbeitet hat. Die Songs seien für ihn
seine Version von Spock´s Beard, weshalb er darauf kam, aktuelle
und ehemalige Mitglieder um Mitarbeit zu bitten. Und die kamen
reichlich – und weitere obendrein. Nick D’Virgilio (Drums
& Vocals), Al Morse (Guitar), Dave Meros (Bass), Ted Leonard
(Vocals), Jimmy Keegan (Vocals) erklären die Qualität des
Endergebnisses. Dazu kommen ein fetter Sound und tolle Soli, u.a. durch
Steve Hackett, Mike Keneally und Marc Bonila. Die Freiheit als Chef
nutzt Ryo zudem dadurch, dass er eben nicht nur Ted Leonard und Jimmy
Keegan als Sänger an Bord hat, sondern auch Michael Sadler. Auch
die Idee, den „Abacab“-Rhythmus 1:1 zu übernehmen aber
mit neuer Melodie zu versehen („The Watchmaker“) macht
Spaß! Er krönt seine Bemühungen mit dem
22-minütigen „The Myth Of The Mostrophus“, das noch
einmal alle Spock`s Register zieht. Ein 60 Minuten Prog-Feuerwerk! Wann
legen Spock`s eigentlich mal wieder nach?
Im Frühjahr 21, als die Zwangspause aller Live-Aktivitäten
langsam begann schmerzhaft zu werden, erschien „The Battle at
Garden s
Gate“, das zweite Album von Greta Van Fleet. Und weil man gerade
so drin war im Streamen von Live-Konzerten, verfing ich mich in den
Videos dieser Band. Kann ich nur empfehlen, es lohnt sich. Seit diesem
Album stehen die Gretas auf einem Sockel, weil sie den Retro-Rock auf
eine neue Stufe hoben, die mit so viel eigener Frische angereichert
waren, dass es eine Freude war. Seit diesem Album müssen sich
ähnliche Bands an Greta messen lassen. The Shadow Lizards sind
eine dieser Bands.
“Someone`s Heartache” ist ihr zweites Album, und sie
agieren darauf so entspannt, als hätten sie diesen ganzen Led
Zeppelin- und Greta-Hype und Erfolg schon hinter sich. Mit diesem
lässigen Selbstverständnis legt das Trio mit dem Instrumental
„Stardust“ mit dem ersten Highlight los, bevor sie erst
einmal wieder einen Gang zurückschalten und im folgenden
„You Can't Runaway From Your Soul“ ganz langsam starten,
bevor sie in die Nähe eines Rockmomentum kommen. Der kommt im
Titelstück, in „No one can save me“ und vor allem im
achtminütigen Epos „Home or Lost“ genauso wie im
abschließenden „Who is Who“, in Momenten wo Gitarrist
Kris Karla richtig abgeht, aber man hat das Gefühl, sie legen es
gar nicht groß darauf an. Sie können rocken, sie können
aber auch ganz entspannt. Bisweilen fast zu entspannt… aber das
können sie ja live nachholen. Apropos: Während ich seit KW
16/2021 darauf warte, dass ich die Chance habe, die Amis live im Norden
zu sehen, könnte sich das bei The Shadow Lizards schon viel eher
ergeben, denn das Trio kommt aus Nürnberg! Da sollte sich doch was
machen lassen.
Wer
A sagt, muss auch B sagen. Was in diesem Fall nicht so schwer ist,
geschweige denn eine undankbare Aufgabe. Will meinen, wer das neue
Album von Project Patchwork vorstellt, muss auch dringend nochmal auf
das ebenfalls dritte Album der Legacy Pilots zu sprechen kommen, auch
wenn das schon ein paar Monate alt ist. Bei dem Projekt des Hamburgers
Frank Us gibt es da nämlich durchaus ein paar Parallelen: Wie Gerd
Albers hat auch Frank Us einmal mehr eine Menge prominenter Musiker um
sich versammelt – so wie Drummer Marco Minnemann; Bassist Pete
Trewavas oder sein Marillion-Kollege Steven Rothery, um nur einige zu
nennen. Und mit John Mitchell, Finally George und Jake Livgren hat er
zudem auch extrem illustre Sänger-Riege gewinnen können.
Respekt! Deshalb punktet er in dem Fall, bzw. in den Songs.
Demgegenüber stehen mehrere Instrumentalsongs, die in bester
ELP-Tradition stehen, mich allerdings nicht ganz so abholen und
deswegen einen für mich eher unnötigen Schwerpunkt bilden.
Dabei beweist Us, dass er selbst auch gut singen kann… wäre
also doch gar nicht nötig gewesen ;-)
Das klingt nach einer erfüllenden Aufgabe: In Ruhe Songs zu
komponieren, und sie dann mithilfe zahlreicher Musikfreunde
einzuspielen. Das Problem dabei ist aber, dass alle Aufgaben, die sonst
von einer ganzen Band erledigt werden könnten, letztlich an einer
Person hängen bleiben. Das kann dann auch etwas viel werden, wenn
man einen Großteil auch noch selbst einspielt und das Ganze
ersucht, nebenbei zu betreiben.
Komponist, Gitarrist und Schlagzeuger Gerd Albers hat sich dieser
Aufgabe trotzdem bereits zum dritten, allerdings auch letzten Mal
gestellt und ein weiteres Mal eine illustre Gruppe um sich scharen
können, die seine Ideen exzellent umsetzen. Fette Drums, teilweise
von Albers selbst, mächtige Keyboards (u.a. von Marek Arnold) und
immer wieder die exzellente Gitarrenarbeit, in einem Fall auch noch
durch einen Gastbeitrag von Martin Schnella ergänzt, sind die
Grundlage für die Songs, die jedem Eloy-Album zu Ehre gereichen
würden. Dazu kommen diverse Spielereien von weiteren Akteuren.
Kritischer Punkt ist sicherlich der Gesang, der aber sehr
abwechslungsreich und in den meisten Fällen sehr gut gelöst
wurde – hier wäre weniger manchmal mehr gewesen, aber da
denke ich bei Marillion auch oft.
Während das Eröffnungsduo noch etwas zusammengestückelt
klingt, ist Track 3 „Weeks Of Sorrow“ mit Subsignal
Sänger Arno Menses das erste Ausrufezeichen. Weitere Klasse-Songs
folgen, wie “Dead End Street” und v.a. der Longtrack
“Keepers Of The Fire”. Insgesamt überzeugt das Album
durch seine Abwechslun, aufgrund der eingangs beschriebenen Problematik
erklärt Albers aber, dass dies sein letztes Album sein wird. Mit
den Songs die er hier geschaffen hat, kann man ihm nur wünschen,
dass er eine Band findet, in die er zukünftige Ideen einbringen
kann.
Neue
Band, Debütalbum: Ich nehme an, das ist prinzipiell, wonach ihr
sucht, sonst würdet ihr diese Seiten nicht immer wieder
anwählen. Dieser Band aus Massachusetts sollte man Gehör
geben – für ihre Ideen, ihre Vielfalt und ihre
Einzigartigkeit. Während die Vielfalt der Genres an die Eklektik
(und einiges mehr) des Krautrock erinnert, nutzen sie letztlich nur die
grenzenlose Freiheit des Progressive Rock, um ihren Ideen den
nötigen Raum zu geben. Dabei bedienen sie sich aller Zutaten du
Elemente aber nur selten der typischen Klischees des Prog, und das
macht dieses Album so erfrischend und anders. Entsprechend können
hier kaum Referenzen genannt werden, außer den prinzipiellen
Verwandten wie Yes, King Crimson oder Rush, vielleicht Izz, um jetzt
mal zumindest diese Seite abzudecken – aber glücklicherweise
könnt ihr in Ruhe auf ihrer Seite reinhören. Das übliche
Rock-Instrumentarium wird vereinzelt erweitert durch eine
Bläsersektion oder auch nur einzelne Trompete, Saxofon oder
Klarinette, Rock wechselt mit Jazz, Ska-Elemente mit Joe Jackson-Pop,
bevor das nächste Rockgewitter hereinbricht, in dem die Gitarre
auch gerne mal etwas härter angeschlagen werden kann. All das
geschieht im stetigen Wechsel, ohne dabei verwirrend oder störend
zu werden. Der Song bleibt im Zentrum bestehen, auch wenn er selten
einfach nur durchläuft; ständig werden irgendwelche
Hindernisse eingebaut. Ein wunderbar abwechslungsreiches und wundervoll
inspirierendes Album!
Sie sind wieder zur kompletten Band angewachsen! Und hauen ein Album raus, das sich wie ein Soundtrack, zumindest aber
(mal wieder) wie ein Konzeptalbum anfühlt. Die Songs gehen oft
ineinander über, sind bisweilen mit kurzen Interludes verbunden,
so dass ein wunderbarer Fluss entsteht. Trotzdem hat das Album zwei
Seiten. Auch wenn sie Teil eins mit einem relativ spannenden
Intro starten, geben sie sich auf den ersten 9 Songs, also Seite 1
geben Sie sich noch songorientierter, spielen in einem Track ein wenig
mit den Takten, geben sich aber ansonsten noch relativ songorientiert
und radiofreundlich.
Im zweiten Teil, beginnend mit dem ersten Highlight des Albums,
„Golden Sail“, gibt es mehr Rock, mehr Drama, mehr Opulenz,
mehr Pink Floyd. Da ist sie plötzlich wieder, diese Kombination
aus Alternative Rock und Prog, die schon in der Vergangenheit
wiederholt von Ihnen gehört hat. Das nächste Highlight
„Taken By the Hand“ lässt nicht lange auf sich warten
und bringt es auf 11 Minuten und auch im weiteren Verlauf zaubern sie
viele spannende und viele schöne Momente auf Tapet. Die erste
Hälfte des Albums mag ein wenig zu harmlos geraten sein, die
zweite Seite hebt die Qualität und die Spannung des Albums
deutlich an – und ist mit 48 Minuten auch der deutlich
längere. Und auch wenn letztlich kein richtiger Highlight-Track
dabei ist, ist das Album eine musikalisch gelungene und
hörenswerte Reise.
Aus
dieser Band soll mal einer schlau werden. 2005 erzählte mir
Keyboarder Jonathan Cain noch im Interview (siehe hier), dass sie gar keine Alben mehr machen
wollten, weil sie der Meinung waren, dass die keiner mehr kaufen
würde, dann überzeugte Frontiers Records sie offensichtlich
vom Gegenteil, weshalb sie bis 2011 gleich drei Alben produzierten,
u.a. auch, weil sie festgestellt hatten, dass ihr neuer Sänger
Arnel Pineda auch noch ein guter Songwriter ist (siehe ebd.). Dazu kamen sie endlich
(!) auch wieder für Konzerte nach Europa, ließen sich in
Hallen und auf Festivals feiern – und dann stellten sie die
Studioaktivitäten doch wieder komplett ein. Lag es an den
Streitereien mit Drummer Deen Castronovo, der in der Zwischenzeit tolle
Soloalben auf Journey-Niveau unter dem Namen Revolution Saints
veröffentlichte? Die scheinen jedenfalls wieder ad acta gelegt,
denn der ist mittlerweile wieder an Bord. 2018 in die Rock and Roll
Hall of Fame aufgenommen, sind die Jungs um Gründungs- und
Langzeitmitglied, Gitarrist Neal Schon jetzt, 11 Jahre nach ihrem
letzten Album, wieder da! Und sie machen keine halben Sachen: 15 neue
Songs, die alles vereinen, was man von dieser Band hören will
– und die dermaßen begeistern, dass man gewillt ist, sie,
bzw. viele von ihnen zum Besten zu zählen, was sie seit ihren
erfolgreichen Achtzigern veröffentlicht haben.
Schon die erste Single “You Got The Best Of Me” ließ
Einiges erhoffen, aber dass es noch einmal so groß werden
könnte, übertrifft dann doch die Erwartungen. Zwar beginnen
sie das Album ungewohnt ruhig, steigern sich aber schon im Opener zum
kräftigen Rock-Act. Das folgende „Don't Give Up On Us“
(sic!) nimmt mal eben locker den „Seperate Ways“ Vergleich
auf. Und allein die Tracks eins bis drei sowie die darauf folgenden
Ballade „You Got The Best Of Me“ sind schon jetzt kaum von
einer zukünftigen Best Of Kopplung wegzudenken; von den weiteren
Singles des Albums ganz zu schweigen. Neal Schon ist immer wieder Dreh-
und Angelpunkt des Geschehens uns seine Soli einmal mehr
wunderschön! Weiter beschreiben muss man es nicht, dafür
kennt man den Sound dieser Band zu gut, aber bewerten darf man. Das ist
73 Minuten Stadionrock par excellence, für den man sich auch hier
bei uns das richtige Setting für die Jungs wünscht –
wenn sie denn damit vorbeischauen. Solange kann ich dieses Album nur
wärmstens empfehlen!
Im ersten Moment erschien die Meldung Ende letzten Jahres wie eine Sensation, bei genauerer Betrachtung war es vielleicht die einzige
Möglichkeit, die Wunderknabe Steven Wilson geblieben war. Dass er
sich mit seinem letzten Album verzockt hatte, war offensichtlich, und
nicht das Verschulden der Pandemie, die alle Begleitphänomene, die
er mit der Veröffentlichung von „The Future Bites“
geplant hatte, im Keim erstickte. Das Album war trotz einiger heller
Momente eine mittlere Katastrophe gemessen an dem Potential, das man
dem Briten zuschreiben konnte. Wohin also mit den Ideen, die er –
offensichtlich schon seit einigen Jahren – gesammelt hatte?
Wäre er unter eigenem Namen zurückgekehrt zum Progrock,
hätte er den Weg, den er eingeschlagen hatte, selbst ins
Lächerliche gezogen. Drastisch ausgedrückt. Zudem dürfte
die versandete Future Bites-Kampagne den einen oder anderen Pfund
verschlungen haben. Also lieber zurück mit einem richtigen
Paukenschlag? Inklusive der im Albumtitel angedeuteten Hintertür,
die Sache entweder immerhin zu einem würdigen Ende geführt zu
haben, oder aber als Beginn eines neuen Chapters zu verstehen, was,
siehe Interview, noch gar nicht entschieden ist. Womit wir bei der
Frage sind, ob „Closure / Continuation“ Grund genug ist,
auf Zweiteres zu hoffen.
Die erste Vorabsingle „Harridan“ war ja schonmal ein
leckerer Appetithappen – beruhigend rockig, angemessen komplex
und typisch PT. Kein Highlight, aber schon das, was man sich erhoffen
konnte. Das Album legt nach mit dem Single-tauglichen „Of The New
Day“, eine gute Mischung aus Ballade und Prog-Rocker, die auch
locker auf Wilsons Solo-Highlights gepasst hätte. Letzteres
könnte man auch zu „Rats Return“ sagen: Ein toller
Rocker zwischen Heavy und Komplex-Prog mit gelungener Atmosphäre.
Atmosphärisch wird es auch in „Dignity“. Die zweite
Single „Hard Culling“ ist noch ein weiteres sehr typisches
PT-Rock-Highlight, bevor das Album mit „Walk the Plank“
zunächst etwas seichter und im abschließenden
„Chimeras Wreck“ etwas melancholisch wirr wird, beide mit
typischer Wilson/PT-Handschrift, aber keine Großtaten. Die
beschriebenen 45 Minuten werden durch drei Bonustracks ergänzt,
die sich in sehr ähnlicher Manier einreihen. Alles gute Songs, bei
denen jeder Fan froh ist, dass PT wieder da sind und Wilson zurück
auf der (Rock-)Spur, die aber selten zu den ganz großen
Glücksmomenten führen. Dafür sind die Songs zu bunt
zusammengewürfelt, zu typisch und ohne die Band in neue Regionen
zu führen, was vielleicht aber auch etwas zu viel verlangt
wäre. Das könnte man sich für eine Fortsetzung erhoffen,
die sicherlich von den Allermeisten sehnlicher erwünscht
würde, als ein „Future Bites“-Nachfolger. Das, um die
o.g. Frage zu beantworten, schafft dieses Album auf jeden Fall!
Interessanterweise
bezieht sich ihre Plattenfirma auf ihre PopPunk Wurzeln, und in der Tat
sind die New Yorker auch in erster Linie hochenergetisch und extrem
eingängig. Das macht den Großteil der Anziehung ihrer Songs
aus. Dass man trotzdem nicht nach der Mitte des Albums bereits
gelangweilt ist und sich beim zweiten Hördurchgang schon
hilfesuchend nach Alternativen umschaut, liegt an der Abwechslung des
Albums und am Anspruch der Band. Sie erweitern ihre Soundpalette mit
wahlweise Elektronik oder Stadionrock-Attitüde, trauen sich auch
ganz leise Momente und arbeiten mit im Vorabinfo nicht weiter genanntem
Gastgesang. Zudem deutet der Albumtitel „Vaxis II“ schon
an, dass wir es mit einer Fortsetzung ihrer auf fünf Alben
angelegten Story zu “The Amory Wars” zu tun haben, einer
Geschichte von einem Paar auf der Flucht vor tyrannischen Mächten.
Auch beim neuen Album gibt es in der Deluxe-Version einen bebilderten,
96-seitigen Roman „A Window of the Waking Mind“ dazu, der
von Sanchez entwickelt und von seiner Frau Chondra Echtert geschrieben
wurde. Weitere Formate enthalten weitere Goodies, auf die ich jetzt
nicht weitere eingehe. Spannender ist die Musik – und die wird im
Verlauf des Albums immer theatralischer, schon das knapp 7minütige
“Ladders of Supremacy” ist ProgRock, das
abschließende knapp 9minütige „Window of the Waking
Mind” erinnert an Arjen Lucassen. Das ist eine weite Reise im
Vergleich zum oben erwähnten Einstieg des Albums, aber
ähnliche Neigungen gibt es ja auch bei Kollegen wie Tom DeLonges
Blink182 vs. Angels & Airwaves-Unternehmungen. I like it!
EPs sind ja extrem in Mode gekommen - sei es wegen Corona, als viele
Bands begannen, ihre Alben zurückzuhalten, weil sie meinten, ohne
Tournee lohnt sich die Veröffentlichung nicht, ohne Lebenszeichen
ist aber auch doof, sei es wegen des veränderten Zeitgeists, in
denen Alben ohnehin nur noch ein egozentrisches Luxusprodukt für
geltungssüchtige Künstler sind, weil eh niemand mehr Zeit hat
(bzw. sich nimmt), mehr als die Singles zu hören (Vorsicht:
Sarkasmus!). Da stellt so eine Ep einen halbwegs akzeptablen Kompromiss
aus Single-Halbwertszeit und wertiger Veröffentlchung dar.
Mir persönlich fehlt bei EPs (und bei Singles sowieso) die
Möglichkeit zum Gesamteinblick. Ein Hit ist schnell geschrieben,
ein zwei weitere okaye Songs dazu vielleicht auch noch, da ist eine
guute EP schnell gefüllt. Um mir ein Urteil über eine Band
bilden zu können, möchte ich mehr hören. Deswegen stelle
ich EPs gerne in meiner Radiosendung vor, als wertige, in schriftlicher
Form vorstellenswerte VÖ sehe ich sie selten.
Das vorliegende Exemplar ist jetzt die zweite ansprechende VÖ in
Folge von einer Band, deren letzte vollständige CD ich ohnehin
noch einmal nennen wollte.
2018 als Soloprojekt von Myles McCabe gegründet, war "Megabear"
das 2021 veröffentlichte Debütabum des Quartetts: Bestehend
aus 52 Tracks, die man per Random-Modus beliebig zusammenstellen
konnte. Ein interessantes Experiment, auf das man auch erstmal kommen
muss und mit dem man sich schon mal Kreativitätspunkte sichern
kann. Aber abgesehen davon, dass der Übergang nicht immer 100%
passte, war es letztlich unbefriedigend abwechslungsarm, weil jeder
Track in derselben Tonart enden musste, wie es angefangen hat und in
den dazwischenliegenden 30-60 Sekunden einfach zu wenig Zeit für
Spannung blieb. Da sind
mir ihre frischen, abwechslungsreichen Rocksongs ihrer beiden EPs
deutlich lieber. Gesanglich wie musikalisch in der Nähe von Frank
Turner angesiedelt, weisen sie ein ähnliches Hitportential wie
dessen Singles auf - und das ist schon bemerkenswert.
Am 4.2. erschien ihre EP "Pterodactyl", "Plesiosaur" setzt die EP Serie
erfolgreich fort, zeitgleich mit der digitalen Veröffetlichung
erscheinen beide auch als gemeinsame Vinyl. Die Tournee mit Foxing im
Mai wurde derweil leider abgesagt.
Tolle Harmonieren, fetter Sound, Walls of Sound: Das ist fettester
Post-Rock, den es sonst nur instrumental gibt. Hier ist er mit Gesang
kombiniert, der so lieblich ist, das es den maximalen tollen Kontrast
bildet. Selbst, wenn es musikalisch teilweise bis zum Double Bass
Drum-Gewitter geht, wird das durch den lieblichen Gesang komplett
entschärft.
Das hat den Stadionrock-Charakter von Tom DeLonges Angels &
Airwaves, und erinnert nebenbei an alle Postrock Kandidaten, macht
scheinbar alles richtig, hat aber doch einen Haken: Was fehlt, ist die
Abwechslung und die Laut-Leise Dynamik. Denn leider
beschränken sich Astronoid – ähnlich wie Lonely The
Brave – auf weitestgehend durchgehende High Energy Songs. Das ist
erst mal gut, auf Dauer aber auch etwas ermüdend. Allerdings ist
das Meckern auf sehr hohem Niveau. Der langsame Beginn im Opener
„Admin“ ist da noch die maximale Abwechslung. Zwar
reißt das Bostoner Quartett schon mit den ersten 4 Songs alles
ein, was ihnen an Abneigung entgegentreten könnte, aber danach
lässt die Songqualität im weiteren Verlauf doch etwas nach.
Oder liegt es an der fehlenden Abwechslung, die einem zu viel Zeit
lässt, sich um das Drumherum zu kümmern? Und dabei bemerkt,
dass auch im Gesangsbereich Luft nach oben ist. Also: auf dem
richtigen Weg sind die Jungs hier definitiv, aber für ein
Meisterwerk braucht es mehr.
Eine tolle Geschichte: 25 Jahre nachdem die Niederländer Galaxy
(1983-1997) ihr Debütalbum aufgenommen haben, wird es endlich veröffentlicht
– und sogar ordentlich promotet. Seinerzeit aufgenommen, aber
niemals abgemischt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht,
weil sich ihre Lebenswege trennten, wie das in jungen Jahren passieren
kann. Glücklicherweise gab es 1997 nicht mehr nur Tapes
später haben sie die alten Tapes und Festplatten gefunden und das
Album wiederbelebt.
Der Albumbeginn erinnert mich an die Schweizer Progband Clepsydra,
falls die noch jemand kennt – und damit wäre die Richtung
dieses Albums auch schon bestens beschrieben. Schon bei Clepsydra
konnte man nie genau sagen, ob man sie dem Prog oder dem Melodic Rock
Genre zuordnen sollte, und das ist auch bei Galaxy nicht einfacher. Da
tauchen jede Menge Marillion-Harmonien und –Soli auf, Enchant,
Pallas und It Bites sind weitere mögliche Referenzen. Das Album
sprudelt vor großen epischen Melodien und anspruchsvollen
Arrangement und wird abgerundet durch die angenehme, kraftvolle Stimme
von Sänger Bart Schwertmann auf, seit 2017 Sänger der
niederländischen Prog-Legende Kayak. Interessant dabei ist, dass
einem die Songs fast wie alte Bekannte vorkommen, so typisch sind sie
in bester 90er-Jahre Tradition arrangiert, ja es laufen einem bisweilen
wohlige Schauer über den Rücken, dabei sind diese Songs
allesamt unbekannt. Ein tolles Album!
Retro-/Blues-Rock-Debüt aus Schweden, der vieles richtig macht!
Damit wandeln sie auf den Spuren von Greta van Fleet – und das
gar nicht mal schlecht. Noch nicht ganz so kultig, dem Sänger
fehlt auch ein wenig vom Charisma eines Joshua „Josh“
Kiszka, dafür ist seine Stimme weniger
gewöhnungsbedürftig. Energetisch, abwechslungsreich, zwischen
70s-Blues Rock und Psychedelic, ruhige Momente inklusive sowie modernem
Sound. Oder wie sie selbst sagen: „Wir denken, so sollte
Rock`n`Roll 2022 klingen“. Sprichts nichts dagegen! Bitte
weitermachen!
Beim ersten Hören erscheint dieses Album als eine (bisweilen etwas zu) entspannte Version Postrock, das aber (meist) mit Gesang. Und schnell wirdk lar: Ein paar Highlights sind dabei! “In Vain” als erste Single und „Finding Failure“ (2/2022) als zweite Single waren schon geil, „Screams at Night“ ist ein weiteres Beispiel für ihre Klasse! Rock zwischen Stadion Hymne und Indie- - ja –Pop kann man fast sagen, mit Beatlesken Harmonien. An anderer Stelle mit Breaks und Richtungswechseln, ohne dabei jetzt im Progressivrock zu landen (Finding Failure, While it lasted). Ein spannender Ritt durch eine ganze Reihe interessanter Sounds! Abwechslungsreich, mitreißend; tolles Album!
Es
ist immer wieder faszinierend, welche blütenähnliche
Kapriolen Musik – eigentlich nichts weiter als eine bunte
Zusammenstellung von Noten auf immer neue Weise – schlagen kann.
Allein im Blues-infizierten Rock-Genre fallen mir spontan drei Namen
ein, die in den letzten Jahren mächtige Wellen schlagen konnten:
Greta van Fleet, All Them Witches und Wille & The Bandits.
Letztere, gegründet vor 15 Jahren, finden seit rund 10 Jahren
immer mehr neue Ohren, in denen sie sich spontan einnisten, sobald
Wille Edwards und seine Mitstreiter sie erreicht haben. Ihre kraftvolle
Mischung aus Rock und Blues wird gerne erweitert mit groovigen
Elementen genauso wie mit psychedelischen Jam-Parts, ergänzt mit
glänzenden Soli und der Reibeisenstimme ihres Namensgebers. Ihr
neues, fünftes Album „When The World Stood Still“, offensichtlich maßgeblich beeinflusst vom Lockdown
der letzten Jahre, mag nicht ganz so durchgehend überzeugend sein,
wie ihre frühen Klassiker „Grow“ und
„Steal“, geizt aber trotzdem nicht mit überraschenden
Ausflügen in o.g. Nebenarme. Besonders die Songs, die (mitunter
weit) über die 5-Minuten-Marke hinausgehen, und das ist schon die
eine Hälfte der Stücke, lassen sich die nötige Zeit um
mit Spielereien zu überraschen. Da wird man sich auf die
Live-Umsetzung freuen dürfen: Jetzt, wo es endlich wieder erlaubt
ist, kommen sie damit auf Tournee – und sind u.a. am Sonntag, 15.
Mai im Meisenfrei zu erleben, am Freitag, 20. Mai im Zollhaus (Leer) -
für den Rest des Landes:
Das kompositorische Geschick hat etwas gelitten: Mike Scott scheint
sich mittlerweile mehr als Geschichtenerzähler zu sehen, als sich
auf gutes Songwriting zu konzentrieren. Mit relativ simplen Strukturen
und Melodien und vor allem mit alle Songs überlagernde,
störende Computerdrums hat er hier wieder zehn neue Songs zusammen
geschraubt, die allesamt seine frühere Klasse, seinen alten Verve
vermissen lassen.
Ich war wirklich mal ein großer Fan der Waterboys und Mike Scott
war auch einer der Künstler, die ich gerne mal zum Interview
getroffen hätte. Aber zumindest musikalisch hat nicht mehr so viel
Spannendes zu erzählen. Wie schon Tears for Fears auf ihrem neuen
Album mit simplem Pop enttäuschten, setzt Scott mit „All
Souls Hill” noch einen drauf. Ist hier ein Trend erkennbar, dass
die Achtziger-Jahre-Helden langsam in die Belanglosigkeit abdriften?
Die Rhythmen dieses Albums würden mich bei Lisa Stansfield, die
ich auch mag, nicht stören, aber für eine Rockband, wie die
Waterboys es mal waren, ist mir das zu wenig. Ein, zwei nette Balladen,
ein etwas herausstechen Uptempo Song („Blackberry Girl“),
mehr kann hier nicht herausgehoben werden.
Entweder
denkt er an Radio DJs, die kaum seine Longtracks spielen werden, oder
er möchte den Zugang zu seinen Songs allgemein erleichtern. Die
beiden Longtracks von 19 Minuten werden auf diesem Album
anschließend auszugsweise in vier Single Edits weiter seziert.
Das mag für manchen Musik Rezensenten und/oder Musikliebhaber, die
aus anderen Gründen gerne als Analytiker unterwegs sind, wenig
überraschen, für andere vielleicht aber auch etwas
ernüchternd sein. Was der Progressive Rock nämlich letztlich
ist, wird hier sehr deutlich: Viel aufgeblasener Bombast um einen
simplen Song herum.
Aber wer sich darauf einlässt, bekommt zwei wunderbare Songs
zwischen Pink Floyd, Camel und Southern Empire, ergänzt durch Hans
Zimmer-esque orchestrale Arrangements, die wahlweise an Harry Potter
oder James Bond Soundtracks erinnern, erweitert mit tollen Gitarren-
und Pianolinien. Und komponieren kann er: Vor allem beim Opener
„Die Before You Wake” bekommt man einen eingängiger
Song in der Mitte, an allen Ecken solistisch aufgewertet und
abgewandelt, aber im Zentrum bleibt der Song. Leider ist das folgende
„Amnis Flows Aeternum“ nicht ganz so genial, wie der Opener
und noch weitergehend instrumental, zudem sind zwei Songs auch etwas
mager. Finde ich. Aber hörenswert allemal!
If it ain´t Rock, why does it feel so good? Ich sollte
aufhören, mich so auf neue Archive Alben zu freuen. Waren Archive
mal eine Rockband?
Irgendwie schon. Zu Zeiten von „You all look the same to
me“ und auf der Bühne sowieso. Trotzdem: Die
größte Faszination ihrer Musik bestand nicht unbedingt in
den Rockelementen, sondern in ihrer einzigartigen Art, Pop in
hypnotische Strukturen zu verpacken. Natürlich waren es dann immer
die Rock Eruptionen, die die größte Begeisterung
auslösen, aber ein Schwerpunkt war hier nie auszumachen. Mit den
letzten Alben verschwand dieses Element immer mehr aus ihrer Musik.
Leider auch die überraschenden Momente, genauso wie die Hip-Hop
respektive Rap-Elemente. Stattdessen wurden sie eher elektronischer,
und poppiger im Sinne von einfacheren Strukturen. Diesen Trend scheint
auch das neue Album fortzusetzen. Oder doch nicht? Zunächst einmal
ist das Album vor allem extrem ruhig und packt dich mit unglaublichen
Harmonien und Passagen, in denen man die sprichwörtliche
Stecknadel fallen hören könnte. Umso wuchtiger fallen die
wenigen Rockelemente und dynamischen Songs auf, und dieser Kontrast ist
einer der Faktoren, die dem Album seine Faszination verschaffen.
Daneben gibt es auch die hypnotischen Momente, die wieder vermehrt
zurückgekehrt sind und vier Longtracks von gut 8 bis über 14
Minuten, auch wenn die nicht an die Großtaten der Band
heranreichen, enthalten sie durchaus die typischen Elemente.
Wie wir am letzten Birdpen-Album („All Function One“, KW
10/21) gesehen haben, scheint es einfacher zu sein, abseits der Band
die alten Qualitäten einzubauen. Archive bleiben die sich weiter
entwickelnde Band, und man muss weiter auf alles gefasst sein.
Faszinierend bleiben ihre Alben irgendwie immer. Und deswegen werde ich
auch nicht aufhören, mich auf – und v.a. über –
neue Archive-Alben zu freuen!
In
einem Genre wie dem Progressivrock ist es nicht ganz einfach, positiv
aufzufallen. Wenn man zu progressiv, sprich zu fortschrittlich neu ist,
muss man erstmal schaffen, die alten Hörgewohnheiten außen
vor zu lassen. Und ist man zu sehr gefangen in den üblichen
Schemata, war in den letzten 50 Jahren irgendwie dann auch alles
schonmal da. Da muss man schon extrem gut sein, um aufzufallen. Und
genau das machen Kite Parade, bzw. im Prinzip ist es
Multiinstrumentalist Andy Foster, der das geschafft hat mit seinen
Kompositionen. Große Songs, tolle Melodiebögen mit einer
Menge Genesis, Marillion, IQ und It Bites im Hinterkopf – also
alles was Spaß macht! Aufgewertet mit einer fetten Produktion,
abgerundet durch diverse Gäste an Drums, Bass, Gitarre und Piano
sowie Duettgesang, darunter sogar ein Herr Nick D’Virgilio. Der
Opener „Letting Go“ ist schon ein Paradebeispiel für
exzellent gemachten Prog und trotzdem macht Andy Foster nicht den
Fehler, diese Formel zu kopieren, sondern komponiert sehr
abwechslungsreich – eigentlich kommt kaum etwas doppelt vor! Kite
Parade agieren mal härter, mal langsamer, mal bombastischer, mal
energetischer. Möchte meinen: Alles richtig gemacht!
Es war schön, es war gut und am Ende nicht mal zu kurz (frei nach Wolfgang Niedecken ("Jraaduss"), dessen Heimatstadt die
alten Herren Genesis letztlich Dank Zusatzkonzert für ihren etwas
holprigen Abschied aus Deutschland gewählt hatten). Aber wer die
Herren Collins und Co. auf ihrer jüngsten Tournee erlebt hat, der
weiß, dass es wenig Sinn machen würde, auf Nachschlag von
diesen Herren zu warten. Also Zeit für etwas Neues. Und da kommen
diese – zugegeben auch nicht mehr ganz jungen – Herren hier
ins Spiel. Allesamt aus dem Spock Beard Umfeld kommend, war auch ihr
Sound auf den ersten beiden Alben deutlich in deren Umfeld angesiedelt.
Mit Album #3 denken Sie jetzt größer – oder auch:
Freier. Neue Klänge, erweiterte Einflüsse – und um auf
den Beginn des Textes zurückzukommen: Da sind auf dem neuen Album
einige Songs und Sounds enthalten, die durchaus
Genesis-Größe und -Potenzial haben. Aber warum nicht. Da ist
eine Lücke frei geworden, die es zu füllen gilt. Mit Songs
dieser Größe und dieser Abwechslung sollten sie ihren
Fankreis jedenfalls deutlich vergrößern können. Mit
„Day at the Beach“ kommt der lockere Pop-Song vielleicht
noch etwas früh in Ihrer Karriere, aber spätestens mit
“I can’t stay here anymore” bewerben sie sich
inoffiziell um die Genesis Nachfolge, würde ich sagen.
Dieses
Album ist zumindest eine Überraschung, für die Fans aber eine
handfeste Sensation. Natürlich war das auch schon der unerwartete
Auftritt im Logo im Januar 2020, und insgeheim hatte man natürlich
gehofft, dass es bis hier hin weiter gehen würde. Dass es aber
tatsächlich dazu kommen würde, dürfte jeden alten Fan
zum Jubeln bringen. 27 Jahre nach ihrem letzten Album sind sie wieder
da, und machen das, was sie am besten können: Handmade Pop Rock,
mit tollen Melodien und Refrains, und, wenn man es jetzt mal in
Kontrast zu Dirk Darmstädters zwischenzeitlichen Soloalben bringen
möchte, ein richtiges Band(sound-)album. Und ein richtig gutes
dazu. Knackige Melodien, hooklineorientierte Songs, abwechslungsreich,
zeitgemäß, genau das was der alte Fan sich wünscht. Mit
dem Opener und Titelstück ist dabei ein echtes Juwel dabei, und
auch sonst gibt es klasse Titel, aber das ist gar nicht so
entscheidend, wie die Tatsache, dass das Album insgesamt
überzeugen kann. Jetzt noch eine hoffentlich spielbare Tournee
dazu, und alles ist wieder in Butter. Welcome back!
In der breiten Musikwelt mögen sich die Geister über diese
Band scheiden, in der Prog Community sollten sie es nicht schwer
haben, ein Bein an die Erde zu bekommen. Zwei Jahre ist es her, dass
die „deutsche“ Band ihr Debütalbum
„Salutogenesis“ veröffentlicht hat. Wobei
„Band“ zu dem Zeitpunkt noch eine nicht ganz zutreffende
Bezeichnung war: Komponiert und initiiert großteils von Drummer
Fenix Gayed, eingespielt mithilfe von mehr als 50 Künstlern
unterschiedlichster Herkunft vereinte es vieles, was Art- und
Progressive Rock interessant macht. Eine unglaublich spannende
musikalische Reise durch Metal, epischem Progressivrock, klassische
Streicher und Elemente, Musical-Einlagen, Breaks und Taktwechsel auf
höchstem Niveau und fantastische Gesangs- und Musikerleistungen
und Soli inklusive. Schon damals mit dabei: Simon Kramer (Gitarren) und
Felix Jacobs (Bass), die für das neue Album durch Lewin
Krumpschmid (Keyboards) und Sänger Sami Gayed ergänzt wurden
und somit die Band auf Quintettgröße zurechtgeruckelt hat.
Wobei Gastbeiträge immer noch die Fünf ergänzen.
Spannend aber am neuen Album ist die Tatsache, dass nicht Fenix,
sondern Gitarrist Simon das Grundgerüst geliefert hat, zu
dem dann jeder der anderen seinen Teil beigetragen hat. Dadurch ist es
deutlich mehr ein Bandalbum geworden, bzw. „homogener“, wie
Fenix es ausdrückt. Die bereits erwähnte Vielseitigkeit ist
dabei erhalten geblieben und macht auch das neue Album ungeheuer
spannend. Die erste Vorabsingle „Incineration“ war
gesanglich zwar noch etwas sperrig, bleibt aber mehr oder weniger die
extreme Ausnahme und unterstreicht einmal mehr die immense Spannbreite
von Fenix Bruder Sami Gayed. Bereits die neue Vorabvorstellung auf
Bandcamp, „Disconnected“, die auch das Album eröffnet
ist ein Paradebeispiel für die Qualität des Albums, das
einmal mehr zwischen Dynamik und Melodie mit Elementen aus Prog,
Klassik und Progmetal spielt, in sieben Songs zwischen 4 und 7 Minuten
nie den Song aus den Augen verliert und mit grandiosen musikalischen
Beiträgen von v.a. Piano und Gitarre, aber auch z.T. mehrstimmigen
Gesang und Klassikelemente dieses Album zu einem Highlight macht.
Unbedingt antestenswert – und wenn alles gutgeht, sind sie im
Juli auf der Loreley und im Oktober in Mannheim live zu sehen.
Pläne gibt es obendrein für eine Tour im September.
Die sympathischste aller Punk Bands. Wobei sich die beliebte Frage
stellt, ist das noch Punkrock? Er hat sicherlich noch Elemente und
Wurzeln aus und im Punk, der Opener „Non Serviam“ (2.00),
„Fatherless“ (2.41) und „My Bad“ (1.44) sind
kurze wie klare Belege dafür, aber um dieses Genre noch
authentisch zu besetzen, schreibt er definitiv zu viele Hits. Oder
einfach zu gute Songs. Die Singles „Haven't Been Doing So
Well“ und „A Wave Across The Bay“ sind da nur die
Spitze des Eisbergs. Dazu gibt es Lustig-Nachdenkliches wie
„Miranda“, das melancholische Corona-Ergebnis „Little
Life“ oder den nach „A Wave…“ zweiten
wunderschönen Abschiedssongs „Farewell To My City“.
Nein, Punkrock ist das nicht mehr. Einfach eine angenehm
abwechslungsreiche Sammlung Rocksongs, mit der sich Turner einmal mehr
von seiner besten Seite präsentiert.
Live am 18.04.22 Bremen, Aladin Music-Hall
sowie 19.04.22 Dortmund, FZW - 21.04.22 Hannover, Capitol - 22.04.22
Stuttgart, Im Wizemann (Halle) - 23.04.22 Saarbrücken, Garage -
24.04.22 Leipzig, - Werk 2 - 26.04.22 Heidelberg, Halle 02 -
11.05.22 Nürnberg, Löwensaal
Harry Styles „Sign of the Times“ ist ein nettes Lied,
aber ich habe es aus zwei Gründen von Anfang an gehasst: Erstens
war der Titel bereits
für einen der Klassiker der Musikgeschichte vergeben, und zweitens
war der Song so simpel gestrickt dass es für eine Band wie
Marillion ein leichtes wäre, zehn davon zu schreiben. Die
hätten allerdings nie auch nur ein Zehntel des (kommerziellen)
Erfolgs von Harry Styles. Wenn ich dann noch sehe, dass Styles im
Sommer Stadionkonzerte spielt, kann man schon mal vom Glauben abfallen.
Das scheinen sich die Jungs von Marillion selbst auch gedacht zu haben,
denn jetzt machen sie es einfach mal. Das neue Album startet
theatralisch und eigentlich ganz spannend, mit einer wunderbaren
perlenden Pianomelodie und einer wirklich gelungenen, schmissigen
Komposition. Wie man insgesamt feststellen kann, dass dieses Album
offensichtlich der typischen Einstellung von Künstlern folgt, das
neue Album immer als Reaktion auf das vorangegangene anzugehen. Denn
während F.E.A.R. irgendwie nie aus dem Quark kam und alles andere
als schmissig war, rockt das neue Album wie schon lange nicht mehr. Die
ersten drei Songs sind alle (zumindest teilweise) Uptempo und auch
sonst geht es munter zur Sache. Und für Longtrack-Fans gibt es
zwei 10- und einen 15-Minüter. Aber leider bleibt die Innovation
auf der Strecke. Das Album ist eine Sammlung mittelmäßiger
Marillion-Standard-Sounds, was an sich noch erträglich wäre.
Hauptproblem sind die Texte. Zu belanglos, zu viel Herzschmerz und viel
zu viele Wiederholungen – ein Phänomen, das ich bei
Pop-Songs prinzipiell bemängele. „An Hour before it`s
dark“ scheint wie für den Pop-Markt gemacht. Und
entsprechend des Erfolges von Harry Styles (allein dieser Name…)
hätten die Songs locker das Zeug dazu. Aber es dürfte jedem
klar sein, dass Marillion nicht mehr in einer Altersgruppe spielen, in
der man mit diesen Sound in die Charts käme. Insofern ist die
Chance, ein Sahnealbum für Fans abzuliefern und sich damit einen
Namen zu machen, leider vertan.
Moderner
Prog-Rock, melodisch, überraschend, episch: Die Art der
zündenden Hooklines und die musikalische Ausrichtung ist am
ehesten mit Neal Morse vergleichbar, bzw., was die Abwechslung und die
Menge an Einflüssen angeht, noch viel mehr mit Transatlantic. Eine
Liga zu hoch gegriffen, meint ihr? Meine ich nicht. Die Melodien sind
kernig, die Breaks und Tempowechsel schlüssig. Lediglich der
Gesang ist bei Transatlantic etwas charismatischer, aber mit einem
Vollprofi wie Neal Morse zieht man auch nicht so leicht gleich.
Abgesehen davon singt Jonas Sundqvist auch nicht weniger professionell,
also bleibt das letztlich eine Geschmacksfrage. Und mit Jenny Storm hat
er auch eine Duett-Partnerin mit an Bord, die auch hier noch
Abwechslung mit rein bringt.
Lindberg startete mit der 2008 aufgenommenen EP „In Secret
Pace“ als Examensprojekt an der Musikakademie in Piteå,
Schweden. Veröffentlicht erst 2012, war die EP ein erstes
Lebenszeichen seiner Band, gefolgt von der zweiten EP „The Other
Side“ 2013. Erst 2016 erschien mit„Pathfinder“ das
erste Album, der Nachfolger wurde aufgrund intensiver Tourneen mit
vielen anderen Verpflichtungen bis 2019 auf Eis gelegt. Als Gastmusiker
auf „Miles From Nowhere“ ist u.a. Roine Stolt (The Flower
Kings, Transatlantic) zu hören. Vermisst wird derweil
Keyboarder Michael Ottosson, der 2020 verstarb, was dazu führte,
dass Lindberg die Keyboards übernahm.
Ein klasse Album mit sieben spannungsreich abwechslugsreichen Songs in
maximaler CD-Spielzeit, „Summer Queen“, z.B., startet als
luftiger Folk-Pop und entwickelt sich innerhalb von Minuten zum
Rock-Monster mit kreischenden Gitarren, bevor er sich zum ersten von
drei Long Tracks entwickelt, die allein mehr als 50 Minuten auf die Uhr
bringen (die Hälfte davon erledigt das abschließende
Titelstück). Großes Kino! Die anderen vier Songs bewegen
sich zwischen Genre-typischen 5 und 7 Minuten, nur „Why I´m
here“ und das Instrumental sind verzichtbar, aber das bleibt
ebenfalls Geschmackssache.
Sind es tatsächlich schon fünf Jahre, seit uns
Dredg-Gitarrist Mark Engles mit dem fantastischen „In
Droves“-Album begeisterte? Nachdem
seine Hauptband über die Jahre mehr und mehr in seichte Fahrwasser
und damit in die Belanglosigkeit geraten war, schien er hier die
Rockseite wieder mehr ausleben zu wollen und schlug er hier
zwischendurch auch wieder mal kräftigere Saiten an. Dank der
Pop-affinen Melodien entstand eine hypnotische Mischung aus Alternative
Rock Crunch der Marke 3 Doors Down und Prime Circle auf der einen und
U2 und Keane auf der anderen Seite. Beim ersten Hören scheint der
Rock-Faktor auf dem Nachfolger etwas zurückgefahren zu sein. Die
Grooves und Ambient-Sounds, die auf dem Vorgänger vereinzelt
angedeutet wurden, blitzen in den neuen Songs immer wieder mal durch.
Bei genauerem Hinhören wird aber klar, dass die Gitarre hier fast
durchgehend die erste Geige spielt und mit jedem Song das
Dredg-Repertoire locker an die Wand rockt. Es sind die hittigen
Melodien, Songs wie die potentielle Single „Nothing over
me“ und gelegentliche Verschnaufspausen, wie der Beginn von
„Burnout“ und der melancholische Titelsong, die einen
gemäßigteren Eindruck andeuten. Der Rest des Albums rockt
mit fetten Hymnen, angefangen beim Opener „Chasms“
über das Stadion-kompatible „Super Deluxe“ bis zur
tollen ersten Single „Left for Dead“ – und allen
anderen ungenannten Songs des Albums. Unbedingte
Intensivhörempfehlung!
Amplifier
haben ihre Aktivitäten während der Pandemie weitgehend auf
Eis gelegt, Frontmann Sel Balamir nutzt derweil die Zeit für
Soloalben. Bereits im September erschien sein Debüt
„Swell“, das es mit dem zwanzigminütigen Titelsong und
zwei weiteren Longtracks auf über 40 Minuten Spielzeit bringt.
Nach seinem Umzug nach Brighton war das für ihn nahelegende Thema
des Albums klar: Ozeane. Und das ist durchaus passend umgesetzt: Das
erwähnte „Swell“ mit seiner an Alan Parson angelehnten
Hookline und seinem stoisch-repetitiven Charakter erinnert genauso an
Archive-Longtrack-Highlight wie einer langsam kommenden Flut.
Zunächst ungewöhnlich, aber doch großes Kino –
und damit seiner Hauptband nicht unähnlich. Während es
insgesamt etwas elektronischer zwischen Psychedelic und Ambient zugeht,
beendet v.a. der zweite Teil von „Seagull“ nicht zuletzt
durch sein episches Gitarrenfinale das Album in bester Amplifier-Manier.
Ähnlich Rock- und gitarrenorientierter startet auch sein neues
Album „( )rphans“, das mit sechs Songs auf dieselbe
Spielzeit kommt,
wie sein Vorgänger. Dabei bleibt der Opener „Theme (From
Crocodile Dundee)“ instrumental, aber „Astral Womb“
könnte auch ein Amplifier-Song sein. „Pink Bows“ ist
mit einem leichten Simple Minds Touch ausgestattet,
„Mannequin“ hat trotz seiner 7 Minuten einen Steven
Wilson-ähnlichen Pop-Appeal und auch der elfminütige
Longtrack „Don't Wear The Crown“ bleibt, wie die meisten
Songs, eher langsamer, aber gemeinsam können sie locker mit einem
Amplifier-Vergleich standhalten. Von denen gab es im Oktober
übrigens bereits den neuen Track "Red Feather" und ein neues Album
ist für Mai geplant. Bis dahin ist man mit dieser Alternative
bestens bedient!
Die
Release-Tournee wurde leider schon wieder auf August verschoben, aber
Alben lassen sich ja glücklicherweise Corona-konform
genießen. Und dieses Album IST zum Genießen. das vierte
Album der Jungs aus Manchester zelebriert erneut Art-Pop zwischen
zärtlicher Stille und majestätischer Opulenz, luftigen
Arrangements und bedrückender Schwere. Wobei vor allem die
Lockerheit einiger Songs überrascht. Allein durch den
unvergleichlichen Bariton Robert Goodwins war die Band
prädestiniert für die Drama-Ecke, aber offensichtlich geht es
auch mit mehr Pop. Ein Grund könnte Goodwins neue Lebenssituation
sein: Er folgte seiner Liebe und wohnt seit einigen Jahren in
Düsseldorf. Was die Aufnahmen in Zeiten Corona nicht gerade
erleichterte. Aber wo ein Wille ist… Nebenbei experimentiert er
auch mit einigen höheren Tönen. Textlich beschäftigt er
sich, das deutet der Albumtitel schon an, mit dem Lockdown und den
Dingen, die ihn in den letzten Jahren beschäftigt haben. Und die
waren nicht unbedingt alle schlecht. Zeit für die Natur, neue
Perspektiven und den Austausch mit den Fans auf einer anderen Ebene.
Ein Album, das den Weg der Band noch komfortabler ausbaut!
Der Franzose Vivien Lalu zündet die nächste Stufe: Mit
Damian Wilson am Mikro dürfte ihm die Aufmerksamkeit einiger weiterer
Prog-Fans sicher sein. Dabei ist das (neben Gästen wie Steve
Walsh, Tony Franklin und Jordan Rudess) eigentlich nur ein
Türöffner und das i-Tüpfelchen auf den Songs dieses
Albums!
Zwischen melodisch-komplexen progressiven Uptempo-Rockern und
gemäßigten, fast Pop-affinen Rocksongs ist Lalus drittes
Album „Paint The Sky“ nämlich ein wunderbar
abwechslungsreiches Meisterstück! Das beginnt mit dem spannenden
Opener „Reset to Preset“, das hookline-orientierten Melodic
Rock mit Prog-Elementen wie vertrackten Rhythmen und Taktwechseln
verbindet. Hier wie in anderen schnelleren Songs erinnert das
wiederholt an Saga, in den langsamen v.a. an Landmarq. Mitunter wird
die Giarre auch mal etwas kräftiger, in “Stand at the
Gates” gibt es dagegen einen schicken Jazz-Part. „The
Chosen Ones“ trumpft mit einem Sahne-Ohrwurm-Refrain und im
Prinzip jeder Song mit einem tollen Solo. Zum Abschluss gibt`s noch ne
kleine Ballade (11) und ein tolles Instrumental feat. Simon Phillips,
das mich an Totos„Dave`s gone skiing“ erinnert.
Aber zurück zum ersten Satz dieser Review: Nachdem die Eltern von
Keyboarder Lalu beide in der Progband Polene aktiv waren, wurde er von
von Hubi Meisel (Ex-Dreamscape) für dessen Solo-Debüt
engagiert, spielte danach auf diversen Alben verschiedener
Progmetal-Acts bevor er 2005 seine eigene Band gründete. Bereits
das Debüt "Oniric Metal" erhielt zahlreiche gute Kritiken, neben
seiner Band ist Lalu mit Soundtracks für Film, Fernsehen und
Computer-Spiele beschäftigt.
Er macht es seinen Hörern nicht leicht. Aber wahrscheinlich hat
er das auch nie als seine Aufgabe gesehen. In dem Fall sei daran
erinnert, das Musikhören zu den Dingen im Leben gehört, bei
denen man entspannen kann; genießen. abschalten oder mitsingen,
glücklich sein. Die Grundlagen dafür liefert Thomas Thielen
alias t zuhauf. Elektrisierende Sounds und Stimmungen, intensiven wie
emotionalen Gesang und fantastische Gitarrensoli – auch das achte
Album
des Hannoveraners ist voll davon. Aber ich würde meinen: Zu voll.
Während man sich im ersten Moment noch fragt, wie der Lehrer und
Seminarleiter die Zeit findet, in solcher Regelmäßigkeit
Songs zu komponieren, mit intelligenten Texten zu versehen, komplett in
Eigenregie aufzunehmen, abzumischen und zu mastern, nebenbei noch
mittlerweile auch Konzerte zu planen und zu spielen und mittlerweile
sogar noch Gastmusiker bei anderen Musikern (u.a. Marillions Steve
Rothery) zu sein, wünscht man sich im nächsten, dass er hier
und da ein paar Abstriche machen würde. Genauer: Abstriche in der
Fülle der Ideen, die er auf einem Album unterbringt. Die Spielzeit
von 71 Minuten verteilt sich auf acht Songs, davon sechs mit rund 10
Minuten Länge (zwei knapp drunter, einer weit drüber), die
allesamt ein Feuerwerk an Vielfalt, Abwechslung und Stimmungswechseln
darstellen. Der stetige Wechsel von Laut und Leise, intimer Harmonie
und krachender Instrumentalgewitter ist eine Zeitlang herrlich
aufwühlend, spannend und interessant. Aber mit einer kurzen
Ausnahme sowie dem etwas gemäßigteren „Idiot`s
Prayer“ sind alle Songs in dieser Art bestückt. Da ist man
als Hörer überfahren von der Ideen- und Break-Fülle und
es dauert diverse Durchgänge, bis man in diesem
Durcheinander die verbindenden und wiederkehrenden Elemente, den roten
Faden identifiziert hat. Ein Album mit Langzeiteffekt also, dessen
Erforschung eine faszinierende Herausforderung ist, was im Prog
durchaus ein Qualitätsmerkmal ist, aber er macht es dem Hörer
unnötig schwer mit seinem permanenten stop & go. Jede
treibende Passage (z.B. in „Behind this pale face“),
jeder Rockpart wird rüde abgebrochen, wenn er gerade Fahrt
aufgenommen hat. Und das macht es unnötig anstrengend, die
schönen Momente zu genießen. Ich schwanke zwischen
Faszination und Ärger und ich fürchte, das wird nicht
reichen, um diese CD als Stein im Brett zu etablieren.
ProgMetal? Prog? Rock? Das Übel mit den Genres: Den einen schreckt die (falsche) Schublade ab, der andere wird durch
sie erst aufmerksam. Teramaze lieben sie Abwechslung – und
liefern ein wunderbar vielseitiges Album ab. Der harte Beginn deutet
Progmetal an, im weiteren Verlauf bleibt aber vieles auch im moderaten
Rockbereich. Doch egal, wie kräftig, komplex oder melodisch sie es
angehen lassen, ihre Songs werden in jedem Fall wunderbar erweitert
durch ausgereiftes Songwriting, grandiose Soli und ein perfektes
Zusammenspiel aller Beteiligten und den tollen Gesang von Frontmann
Dean Wells. Ihr Sound ist technisch ausgefeilt, aber nie überladen
komplex und bisweilen scheuen sie auch vor fast hitverdächtigen
Song-Arrangements nicht zurück. Nicht nur in solchen Momenten
erinnern sie an Dredg („Untide“), zitieren die Beatles
(„Modern Living Space“) und geben sich im nächsten
Moment wunderbar majestätisch metallisch-balladesk.
„And The Beauty They Perceive“ ist das 9. Studioalbum der
Skandinavier – und das dritte innerhalb von 11 Monaten. Da
weiß offensichtlich jemand, die Lockdownpause sinnvoll zu nutzen!
Lifesigns
sind eine Band, die ich vor Jahren schon mal auf dem Schirm hatte und
aufgrund fehlender Promotion in Deutschland aus den Augen verloren
habe. Im letzten Newsletter von Dave Bainbridge wurde ich darauf
aufmerksam gemacht, dass er seit einigen Jahren mit zur Band
gehört. Die Briten zelebrieren einen Prog-, bzw. Neo-Prog-Sound,
der mich viele Jahre lang begleitet hat, den mich aber letztlich mehr
und mehr zurück gelassen habe, weil mir ein wenig das Progressive,
sprich Fortschrittliches dabei fehlte. Die erwähnte Mitwirkung von
Dave Bainbridge ist letztlich, was auf diesem Album am positivsten zu
erwähnen ist. Zwar sind schon die Songs teilweise hörenswert,
wenn auch selten wirklich spektakulär, aber vor allem die
Texte sind eher abtörnend. Aber die Gitarrensoli, beziehungsweise
oft auch einfach die Atmosphäre, die durch die Gitarre mit
reinkommt, macht die Songs sehr speziell. Dave Bainbridge hat seinen
Stil, den man von seinen Soloscheiben, bzw. von Iona kennt und den er
auch hier mitunter gefühlvoll einbringt. Schön!