So und nun zum Jahresende auch noch eine Weihnachts CD und die Begründung warum diese Rezension nicht schon Anfang des Monats und damit rechtzeitig als Kauf Tipp erschienen ist. Eine kleine (, traurige Weihnachts-) Geschichte.
Da
hängt er nun, oder passender ist es, zu sagen, er baumelt. Er
baumelt nämlich an dem Haken, an dem er sonst den Weihnachtsbaum
befestigt ha. Keiner aus seiner Familie hat ihn in diesem Jahr besucht.
Es wurde eine sehr einsame Weihnacht für ihn. Zu allem
Überfluss kam er dann auf
die Idee, in seinem CD Regal nach einer Weihnachts CD zu suchen. Tom
Chaplin, seines Zeichens
Sänger von Keane, auf deren neues Album er längst gewartet
hatte. Nur leider hatte der nur ein Weihnachts-Album auf den Markt
geschmissen - was
per se nichts Schlechtes sein muss.. Aber auch Tom Chaplin scheint
– wie seine eigene vermaledeite Familie den Sinn von Weihnachten
nicht
richtig verstanden zu haben. Gemütliches Beisammensein,
fröhliches Lachen, ein Austausch von Ideen und netten Geschichten,
schönes Essen und noch viel mehr kann Weihnachten sein. Und auch
musikalisch kann man Weihnachten aus vollen Halse zelebrieren.
Künstlerkollegen aus aller Herren Länder haben es ihm doch
schon vorgemacht. Chaplin aber hatte sich überlegt, v.a. seiner
Melancholie und nicht nur seiner schönen Stimme endlich und solo
freien Lauf zu gewähren. Das Ergebnis ist so langsam und so traurig,
dass der geneigte Hörer sich spätestens nach Song acht "Another Lonely x-mal Ahead" nicht mehr
anders helfen konnte und den guten alten Haken im Wohnzimmer
missbrauchte. Sollten die doch alle sehen was sie davon haben. Eine
zweite Chance haben gar nicht alle verdient. Ach, Weihnachten hätte so schön sein können......
Zu morbide? Dann behaltet
die Nachrichten nach den Feiertagen mal im Auge. Einen Gefallen,
geschweige denn ein Denkmal hat sich Chaplin hiermit nicht
gesetzt.
Nachdem ich mich gerade über die neuen Album von Starsabout, bzw. v.a. auch über die Schwächen der beiden Alben ausgelassen habe, kommt das Werk von Koyo zur richtigen Zeit, möchte man meinen. Zielt es doch in die gleiche Richtung und stellt sich klar als mögliche Konkurrenz dar. Leider ist auch hier noch nicht alles so rund wie es sein könnte. Dabei fängt es stark an, mit rockigem Einstieg und schwungvoller Fortsetzung – aber schon bald verliert sich die anfängliche Abwechslung und verfällt das Album in ähnliche Melancholie und Schwere, ohne weitere Duftmarken setzen zu können. Auch der weibliche Gesang schleicht sich nur einmal leise und ein, zweimal zum Duett ins Bild anstatt hier als Chance genutzt zu werden. So bleibt bei prinzipiell spannender musikalischer Ausrichtung zwischen Post Rock Soundwällen und Anathema-Melancholie und einleitend noch weiteren, eingängigeren Rock-Varianten v.a. der variationsarme Gesang ein Hauptproblem der überraschungsarmen CD. Anders ausgedrückt: Wenn der Gesang keine Akzente zu setzen vermag, müssen diese aus der Musik kommen, und das tun sie hier zu selten. Wenngleich das auch Meckern auf hohem Niveau ist – aber ich fürchte, Mogwai (überraschenderweise wieder!) und Anathema haben beide bessere Alben 2017 vorgelegt.
Sie kommen aus Polen und sie kommen mit guten Absichten. Aufbauend auf den klassischen Mogwaiischen Instrumentalen Postrock-Soundwällen versehen sie ihre Songs mit Gesang – und schaffen damit etwas durchaus Eigenes. Damit begeben sie sich in die Nähe von Anathema, von Twelve Drummers Drumming, falls die, bzw. deren Nachfolger Dead Guitars, noch jemand kennt oder der The Church-eigenen Mischung aus Pop und Psychedelic. Und machen damit auch eine Menge richtig. Leider mangelt es ihrem Album, bzw. da sie ihr Debütalbum gleich mitveröffentlichen, kann man hier auch im Plural sprechen, also ihren Alben, an Abwechslung und echter Begeisterungsfähigkeit. Insgesamt zu vorhersehbar und v.a. im melancholischen Gesang zu monoton, zu textarm, um das daraus werden zu lassen, was die hier genannten Referenzen erhoffen lassen.
Newcomer sind immer spannend. Neues Blut, neue Sounds, immer wieder gern genommen. Noch spannender ist es, wenn in ihrem eigenen Land längst etablierte Bands endlich den Schritt in unsere Breiten wagen. Die drei Von Hertzen Brüder aus Finnland machen seit 2001 (!) zusammen Musik, stürmen seit 2003 regelmäßig die heimischen Charts und man fragt sich, warum nicht schon eher jemand darauf gekommen ist, sie bei uns zu vertreiben. Zumal sie mit Tourneen mit u.a. Foo Fighters, Biffy Clyro, Thirty Seconds To Mars und Anathema doch durchaus auf dem richtigen Weg ins internationale Geschäft waren. Naja, jetzt mit neuem, holländischem Label im Rücken könnte sich das ändern. Wobei das noch kein Selbstläufer ist. Das Album überzeugt als Ganzes mit einem wuchtigen Sound, tollen Rock-Songs, bei denen alle o.g. Tourpartner als Referenz angenommen werden können und einem begeisternden Abwechslungsreichtum. Hier und da bricht auch ein bisschen Pomp im Stile Pink Floyds oder ihrer Helden Queen durch. Der große Hit, der ihnen den Weg in die Ohren potentieller Hörer erleichtern würde, ist allerdings nicht unbedingt auszumachen. Also: Trotz zurückliegender Erfolgsgeschichte in Finnland wird es hier noch ein paar Ochsentouren brauchen, bis ihr Name adäquat angenommen wird.
Back in Rock! Natürlich war Walter Schreifels nie wirklich weg, aber solo war er jetzt nicht mehr der einflussreiche Musiker, der er mit Gorilla Biscuits und v.a. mit Quicksand und Rival Schools einmal war. Jetzt kommt er aus dem Nichts mit einem neuen Album seiner alten Formation um die Ecke und haut ein Werk raus, von dem sich die Genre-Kollegen eine Scheibe abschneiden können, wenn sie fertig sind mit dem Verwundert-die-Augen-reiben. Dieses Album atmet den alten Esprit der Band, vermittelt die alte Energie und Unbekümmertheit, hat aber – vielleicht auch durch Produzent Will Yip – einen absolut zeitgemäßes Element, das es einmal mehr zum Referenzprodukt werden lassen könnte. Ein neuer Klassiker, eine Platte, die klassische Alternative Rock-Sounds mit zeitgemäßer Attitüde verbindet, irgendwo zwischen Pearl Jam und Biffy Clyro – und mit „Cosmonauts“ oder „Interiors“ auch potentiellen Singlehits, mit denen die Welt von seiner Existenz erfahren könnte.
Kurz und wild: Spirit Desire kommen aus Linz, Österreich und rocken zwischen Post-Punk und atmosphärischem Rock. Nach Demo und Split-EP mit der Hardcore-Band Orphan 2015 folgte 2016 eine erste EP und jetzt das Debütalbum – wobei es schon mutig ist, 26 Minuten Musik „Album“ zu nennen, aber es sind 9 Songs zwischen atmosphärischem Intro und mitunter auch mal krachend scheppernden Gitarren, denen die frühen Einflüsse von Weezer und Dinosaur Jr. anzumerken sind, während die Band sich heute lieber auf Kollegen wie Basement, Tigers Jaw oder Nothing beruft, mit denen sie auch schon die Bühne geteilt haben. Produktionstechnisch ist da noch Luft nach oben, aber kompositorisch weiß dieses Album zu gefallen.
Mal wieder eine Band aus Griechenland, die mit einer sehr
eindrucksvollen Mischung aus atmosphärischem Rock, Post-Rock-Wall
of Sounds und elektronischen und progressiven Elementen beeindrucken
kann. 2007 gegründet, erschien 2013 das Debütalbum
„Athens“ – ein Album über ihr eigenes Land und
seine Kinder in der Krise. Im Anschluss tourten sie u.a. in Italien und
den Niederlanden, u.a. mit Anathema und Riverside. Zwei Namen, die sie
natürlich gerne fallenlassen in ihrer Biografie, denn musikalisch
sind sie genau dort anzusiedeln.
Ihr neues Album, "In time with gravity" setzt zumindest genau dort an.
Schon der Opener „Crossing“ ist ein Glanzstück
atmosphärischen (Post-)Rocks im Stile Porcupine Trees und der
beiden oben genannten. Retro-Rock könnte man hier noch
zusätzlich ergänzen, wenn nicht die starken
modern-elektronischen Elemente mit reinspielen würden und den
Sound der Griechen dadurch sehr eigenständig machen. Die
musikalischen Themen bleiben schwer und düster – wie auch
die Texte: Geschrieben während die Band von Griechenland in die
Niederlande umsiedelte, haben sich die Gedankenspiele um das
krisengeschüttelte Athen erweitert um die industriellen
Landschaften Rotterdams bis hin existenziellen Fragen. Ein spannendes
Stück Musik! Toll!
Ich
hatte im Herbst auch die Gelegenheit, sie auf ihrer “Lady in
Gold” Tour zu sehen – und es war eins dieser Konzerte, bei
denen man vollends beglückt nach Hause geht. Eine fantastische
Band, eine spannend-abwechslungsreiche Setlist mit instrumentalen
Überraschungen und einer Spannungskurve, die ein Konzert zum
Erlebnis werden lässt – und mit Elin Larsson! Diese Frau ist
unglaublich. Unglaublich attraktiv, unglaublich energiereich, mit einer
atemberaubenden Stimme und einer endlos positiven Ausstrahlung…
ohne die Leistungen ihrer Nebenmänner schmälern zu wollen:
Diese Frau ist die Band! Von dem Moment, in dem sie auf die Bühne
kommt bis zum Schlussakkord strahlt sie das Glück, mit dieser
Musik auf der Bühne stehen zu können, aus. Und mit dem
Outfit, das sie dabei anhat, war es mir zum ersten Mal überhaupt
fast peinlich, so dicht vorne im Fotograben stehen zu dürfen.
Und ich würde mal sagen, es ist ihre Energie, die ihre Musiker
dazu antreibt, genauso und in jedem Moment ihr Bestes zu geben. Ein mit
1200 Zuschauern ausverkauftes Haus in der Stadt der Liebe treibt alle
Beteiligten noch einmal zusätzlich an, weshalb diese
Veröffentlichung ein fälliges Dokument ihrer allerorten
gepriesenen Livequalitäten darstellt. Falls ihr noch nicht das
Glück hattet, sie zu erleben: „We would call it a bit more
rock’n roll, more heavy, more jam parts, more psychedelic parts
– simply another expierence . Playing live is what we've always
enjoyed most.” Kein Zweifel daran!
Bruce Soord ist schon ein verdammt begnadeter Musiker. Und unter dem
Namen Pineapple Thief hat er auch endlich geschafft, Gehör zu
finden. Seine letzten, im Zweijahrestakt erschienen Alben
“Someone Here Is Missing”, „All the Wars“,
„Magnolia“ und „Your Wilderness“ erhielten
begeisterten Zuspruch von Medien und Fans zugleich, so dass er sich
auch immer wieder für Solotourneen auf dem Kontinent aufmachen
konnte. In brillanter Besetzung mit u.a. Gavin Harrison (King Crimson,
Porcupine Tree) und Darran Charles (Godsticks) kam es dabei zu
Konzerten, die die Mischung aus New Artrock und Modern Prog auf
exzellente Weise auf die Bühne bringen konnten. Klar, dass man das
gerne für die Ewigkeit festhält. Das Ergebnis ist ein Best-of
mit vielen Highlights, die man gerne auch als perfekten Einstieg in das
Schaffen der Band bezeichnen kann.
In der CD/DVD-Version kann man dabei den Jungs auch noch auf die Finger schauen!
Für
das Nine Inch Nails-Aussteigerprojekt Filter ging mit dem ´99er
Hit “Take A Picture” ein Stern auf, der am hellsten
strahlte mit dem 2008er-Album „Anthems for the Damned“, die
hochprozentigere Intensivversion von Muse oder Placebo, immer wieder
auch extrem aber immer auch extrem melodisch. Mit den folgenden Alben
verabschiedeten sie sich wieder verstärkt in die
Hardcore/NuMetal-Ecke, aus der sie ursprünglich mal gekommen waren
– und verschwanden vom (bzw. von meinem) Radar.
Jetzt tauchen sie in Gestalt von Nothing More wieder auf… als
verjüngte Reinkarnation. Fast. Nothing More kommen aus San
Antonio, Texas und machen mit ihrem aktuellen, sechsten Album das, was
Filter zwischen den o.g. Jahren gemacht haben. Anfangs muss man etwas
schlucken und kurz durchatmen, weil sie recht HC-heftig starten. Aber
ihre Intensität nimmt dich gefangen. Mithilfe einiger spannender
Breaks und atmosphärischer Samples und Zwischenpassagen und
spätestens mit zunehmender CD-Spieldauer, Melodik und Abwechslung
können sie überzeugen, bis sich am Ende Highlight an
Highlight reiht. Thirty Seconds to Mars können mit ihrer Mutation
zum Pop-Act einpacken!
Überraschungen, Überraschungen. Nichts als
Überraschungen! Die Ankündigung ihrer Rückkehr war die
erste frohe Botschaft. Es war klar, dass man sie gerne wieder aufnimmt,
die Sympathieträger von der Elbe. „Ladungsbrücken
raus“ immer noch im Ohr, genauso wie das Bewusstsein, dass sie
oft ganz schön schräg waren, irgendwo zwischen Indie-Pop und
Rock, zwischen wichtig und wunderlich. Eine Basnd die es einem schwer
machte, sie zu lieben, aber unmöglich, sie nicht zu
mögen.
Eine Tournee wurde auch noch gleich angekündigt, na die scheinen
es ja ernst zu meinen. Hatten die sich eigentlich richtig
aufgelöst – und nur in eine verlängerte Pause
verabschiedet? Irgendwas dazwischen wohl. Egal, denn jetzt sind sie
zurück! Was als Auftragsarbeit von Sänger Marcus Wiebusch und
Bassist Reimer Bustorff für das Theater Kiel begann, mündete
schnell in der Erkenntnis, wie gut man zusammen arbeiten kann. Und das
neue Album ist der Beweis. Das ist nicht einfach nur eine Fortsetzung
der Band, das ist die Essenz der Weiterentwicklung seit der letzten
gemeinsamen Platte 2012. Dieses Album ist das beste Kettcar-Album ever,
ein Füllhorn an guten Songs, starken, politischen Texten und
Aussagen und einer Extraportion Energie! Als hätte die sich 5
Jahre lang aufgestaut, ist dieses Album mehr Rock, nein, ist jeder Song
mehr Rock als jede Album zuvor – und eingängiger
(Indie-)Pop-Song zur gleichen Zeit. Sensationell. Super. Jetzt bin ich
auch Fan!
Dir
war die letzte Anathema-Scheibe “The Optimist” nicht zu
ruhig? Dann kannst du hier noch einen Schritt weitergehen. Mit seiner
Band feiert er den weltweiten Erfolg ihres aktuellen Albums mit einer
weiteren Headliner-Tournee, da bringt Sänger und Mastermind Daniel
Cavanagh auch noch ein neues Soloalbum an den Start. Und das setzt
stimmungstechnisch da an, wo seine Band sich auch mittlerweile zuhause
fühlen – in ruhigen, melancholischen Songs, von denen sich
einige im Verlauf in Richtung Rock-Hymnen steigern – wenn auch
nicht ganz in gleichem Maße. Und während zunächst der
Unterschied zu sein scheint, dass er im Gegensatz zur Band seine
Duettpartnerin Lee Douglas nicht an seiner Seite hat, übernimmt
ex-The Gathering-Sängerin Anneke Van Giersbergen auf zumindest
drei Songs diesen Part nicht weniger genial. Weiterer Gast ist Anna
Phoebe, die auf einigen Songs Violine spielt, was einen sehr
schönen, neuen, klanglichen Farbtupfer bedeutet! Ansonsten ist
dieses Album v.a. sehr persönlich und intim, sehr romantisch
– und letzten Endes doch noch wie gesagt noch einen Tick ruhiger
als das letzte Anathema Album. Aber wunderschön! Anathema Fans
dürften es nicht weniger lieben.
Für ihr elftes Album mussten die Briten einmal wieder
umdisponieren – und nutzen die Chance für ein paar
erfreuliche Änderungen. Damian Wilson sagte (mal wieder) Goodbye,
und anstatt einen neuen Sänger zu fragen, war seine frühere
Vertretung, Glynn Morgan, wieder erste Wahl. Mit ihm präsentieren
sie sich mit einem (Doppel-)Konzeptalbum und damit thematisch wie
musikalisch auf der Höhe ihres kreativen Schaffens.
Morgans erster Einstieg bei der Band 1997 stand insofern unter
schwierigen Vorzeichen, als Threshold seinerzeit fest entschlossen
schienen, mit ihrem dritten Album allen Dream
Theater-Clone-Vorwürfen ein Ende zu bereiten und eine neue,
härtere Richtung einschlagen zu wollen. Dazu passte der
Metal-Shouter Morgan bestens – aber zwei grundlegende
Veränderungen auf einmal waren für viele traditionsbewusste
(Heavy)Prog-Fans zuviel auf einmal.
2017 sieht das Ganze etwas anders aus. Die Briten stehen fest auf ihrem
Podest, sind sich, ihrem Status und ihrer Rolle in der Musikszene
bestens bewusst, haben sich längst wieder auf eine
melodisch-progressivere Ausrichtung rückbesonnen und haben mit
einer Personalveränderung am Mikrofon gar kein Problem. Erst
recht, wenn diese Veränderung so ein Glücksgriff ist! Glynn
Morgan ist ein Metal-Shouter, keine Frage, aber er legt auch gerne und
wiederholt seine wunderbar-melodische Seite an den Tag. Und
strenggenommen ist Damian Wilson auch einer; insofern ist der
Unterschied bei genauerer Betrachtung gar nicht so groß.
Das neue Album ist darüber hinaus eine tolle Sammlung an Songs,
die die komplette Bandbreite der Band abdecken, seinen Schwerpunkt eher
auf der melodisch-progressiven Seite setzt, einige fantastische Solos,
v.a. von Gitarrist Karl Groom in petto hat und mit AOR-angelehnten
Songs wie „Stars and Satellites“ sogar noch neue Nuancen
ergänzt. Da dürfte es wenig auszusetzen geben!
Es
wird manchmal ein wenig viel möchte man meinen. Jede Tournee wird
in einem Live-Dokument festgehalten. Was zwangsläufig zu
Songwiederholungen führt, selbst wenn man, wie der
ex-Genesis-Sänger, auf ein riesiges Song-Archiv zurückgreifen
kann. Denn über die Frage, ob er diese Songs singen darf, brauchen
wir uns nicht mehr auszutauschen: Ja. Wenn nicht er, wer denn sonst?
Und um es vorweg zu nehmen: Die Songauswahl dieses Albums ist derart
gelungen, dass sich die Frage nach dem Sinn dieses Albums nicht weiter
stellt. Während er zunächst eine CD lang Songs aus dem
Genesis-Umfeld zelebriert, mischt er auf CD 2 die Song seiner
Solokarrieren bunt durcheinander. Soloakustisch, poppig, rockig oder
episch – seine Vielfalt ist beeindruckend. Seine
Songwriter-Fähigkeiten noch viel mehr!
Die von der letzten Deutschland-Tour bekannte (analoge
Keyboard-)Ergänzung durch Steffi Hoelk (Geige) erhält hier
noch Unterstützung von Agnieszka Kowalczyk am Cello, was den
Versionen einmal mehr eine ganz eigene Note und Tiefe verleiht. Das ist
nicht neu, das hat Ray Wilson auch schon früher gemacht –
und auch tondokumentarisch festgehalten – aber die Songauswahl
ist klasse: „The Dividing Line“, „Home By The
Sea“ oder „Entangled“, dass muss man erstmal so
bringen. Und „Ought To Be Resting“, „Makes Me Think
Of Home“ oder “First Day Of Change” stehen den
in nichts nach. Keine weiteren Fragen!
Sie gelten als südafrikanische Antwort auf Three Doors Down
– mit genügend Rock, um authentisch zu sein und
genügend Hookline, um täglich auf den Durchbruch warten zu
können. Den haben sie mittlerweile mehr oder weniger geschafft;
den Status, den sie in ihrer Heimat haben, werden sie bei uns kaum
erreichen können, für ein Gleichziehen mit 3DD dürfte es
an Originalität fehlen – vielleicht auch weiterhin nur den
richtigen Ort zu richtigen Zeitpunkt.
Wie ihre amerikanischen Kollegen sind auch die Jungs um Rockröhre
Ross Learmonth mittlerweile immer Pop-orientierter geworden und wandern
auf dem schmalen Grad zwischen Authentizität und Pop-Ausverkauf.
Wo ist die Grenze zwischen 3DD, Jimmy Eat World oder The Calling und
Imagine Dragons, The Script oder One Republic? Glücklicherweise
gibt es in der Musik mehr als messbare Komponenten – und deshalb
sind Prime Circle immer noch mehr als Rock als Pop – und
„If You Don`t You Never Will” ein gutes Album!
Melodisch,
episch, energetisch - und mit einer begeisternden Bandbreite - vom
eingängigen Pop-Rock Hit über bombastische, fast
Progrock-artige Rock-Hymnnen bis zur Screamo-Kante in letzter
Konsequenz in finaler Steigerung des einen oder anderen Songs.
(Übrigens ein Element, dass auf früheren
Veröffentlichungen - 1 Album und zwei Minialben - noch prominenter
vertreten war.)
Hammer! Ein Granatenalbum! Eine grandiose Rock Mischung! Oder alternativ in „Arp“ auch mal elektronisch angehaucht.
Beseelt, leidenschaftlich - „Melancholia Hymns“ ist das
zweite Album des britischen Trios und sie haben siech vier Jahre Zeit
gelassen dafür. Die Briten arbeiten mit Hochdruck daran, der
nächste Stadionact zu werden, ohne Kompromisse machen zu
müssen. Wer auf Muse und Biffy Clyro (beides Bands, mit denen sie
in den letzten Jahren getourt sind) steht, muss sich die Arcane Roots
anhören!
Die Rotterdamer sind zurück mit ihrem vierten Album. und obwohl
sie sich eigentlich eingängigeren Songs widmen werden wollten und
weniger komplex bleiben wollten, merkten sie im Laufe ihrer Aufnahmen,
dass es wenig Sinn machen würde, sich selbst zu limitieren und
sich unnatürlichen Zwängen zu unterwerfen. Also machen sie
das, was sie am besten können. Wobei sie die Fähigkeit,
eingängige Songs zu schreiben, trotzdem beherzt haben. Soll
heißen: Eingängig aber immer anspruchsvoll, komplex aber nie
frickelig, mit ausschweifenden Instrumentalpassagen, mit Steigerungen
und Dramatik, mit stoischen Wiederholungen und überraschenden
Wendungen – alles im besten Postrock-Stil; allerdings im
Gegensatz zu den meisten der Bands dieses Genres bleiben die
Niederländer nicht instrumental. Referenzen? Vergleiche?
Unnötig. Aber vielleicht so viel: Ein Track wie
“Sandwalker” hätte auch original von Transatlantic
nicht viel besser gemacht worden sein.
Zwischen Post und Progressive Rock, komplex und melodisch, mit
Einflüssen aus Jazz und Pop geben sich die Niederländer
ungemein spannend, vielfältig und einfallsreich. Fantastisches
Album!
Es gab mal eine Zeit, da standen U2 für eine bestimmte, genauso energetische wie eingängige Variante des Rock, die man gerne als Referenz heranzog. Sie implizierte einen gewissen Qualitätslevel, sie stand für Authentizität, für die richtige Mischung aus Indie-Charme, Gitarrenrock und Hitkompatibilität. Mittlerweile haben die vier Iren so viel Mist verzapft, sowohl musikalisch als textlich und erst recht ideell, dass man sich gar nicht mehr sicher sein kann, ob eine junge Band überhaupt noch mit U2 verglichen werden möchte. Gedanken, die mir während des schwungvollen Openers dieses Albums durch den Kopf gehen und mich an eine zeitgemäß, weil mit Alternative Crunch Gitarren aufgemotzte Version des beschriebenen Rocks denken lässt. Aber der weitere Verlauf des Albums macht klar, dass hier ohnehin noch viel mehr zu holen ist, als ein simpler U2-Vergleich andeuten könnte. Die Holländer sind zeitgemäßer, aufwändiger und spannender. Mit Postrock, Alternative Rock, in seinen vereinzelten Rhythmusvariationen sogar Progrock kommen hier Vergleiche mit The Intersphere, Oceansize oder A Perfect Circle der Sache schon viel näher. Zwei Longtracks über zehn Minuten bestätigen diese Einschätzung. Tolles Album, spannende Band! Am 8.10.2017 live in Baarlo, NL gemeinsam mit Tesseract, Soen, Voyager, Sleepmakeswaves u.a….
Auch auf ihrem neuen Album
überraschen Leprous mit ihrem eigen.willigen Ansatz. Kaum eine
Band klingt wie dieses norwegische Quintett. Sie beginnen leise, fast
zart und steigern sich bereits innerhalb des Openers zum New Artrock
Faszinosum. Sie fahren hoch bis zum technischen Prog an der Grenze zum
Metal, können im nächsten Song auch in alternativen Rock
Bereichen wüten, schalten aber immer wieder auch einen Gang
zurück. Das ist wohl, was manche eine Achterbahnfahrt nennen
würden. Immer wieder verwirrend, letztendlich aber auch
betörend schön. Allein die oft hohe Stimme sorgt bisweilen
für Verwunderung, ist aber gerade dadurch und durch die
Variabilität eins der wichtigen Werkzeuge der Band. Aber auch
musikalisch setzt die Band immer wieder überraschende
Kontrapunkte. Spannend. Begeisternd. Hörenswert!
Wer die Ankündigungen zu seinem neuen Album verfolgt hat, konnte schon mal verunsichert werden. Schlagworte wie „Pop-Album“, „80er-Einflüsse“, „Wave“ – dazu die Tatsache, dass er zum Labelriesen Universal wechselte und der lockere Pop im zweiten vorab veröffentlichten Song “Permanating”, da könnte man schon mal vorsichtig werden. Entwarnung: Steven Wilson würde seinen Namen nicht unter ein Album setzen, das nicht eindeutig seine Handschrift trägt und mit Songs ausgestattet ist, die seiner Kompositionsliga würdig sind. “Permanating” bleibt eine Ausnahme – und dürfte Thema im nächsten Interview werden. Wenn es ansonsten mal weniger ausschweifende Instrumentalpassagen gibt, dann ist das noch kein Argument dafür, dass seine Songs weniger interessant sind. Denn die sind immer noch mit derselben Qualität und Intensität konstruiert, die seine letzten beiden Studioalben ausgemacht haben. In der Regel kommen die Songs direkter auf den Punkt, besitzen aber fast ausnahmslos die besondere SW-Chemie, geben sich mal verspielt („Nowhere Now“), mal träumerisch („Pariah“), mal geheimnisvoll „Song of I“ und immer wieder auch rockig – und wenn Duett-Partnerin Ninet Tayeb, die bereits auf seiner letzten Tour für atemberaubende Harmoniemomente gesorgt hatte, ins Spiel kommt, kann man nur den Hut ziehen. Abgesehen davon: Wer mehr braucht, darf sich auf die 6-9-Minüter “People Who Eat Darkness”, „Detonation“ und „Refuge”, freuen, die zeigen, so ganz ohne Prog-Elemente kann er ohnehin nicht.
Die Jungs um Ed Kowalczyk und Chad Taylor haben jüngst
ihre Reunion in Originalbesetzung bekannt gegeben, passend dazu
erscheint anlässlich des 25. Jubiläums eine Neuauflage ihres
Debut-Albums. Es fehlt noch die Schmissigkeit späterer Hits wie
„Selling the Drama“ und „I Alone“ oder die
epische Dramatik von Songs wie „Lightning Crashes“ ihres
94er Nachfolgealbums „Throwing Copper“, aber alle diese
Elemente sind bereits in Ansätzen vorhanden. Die Arrangements und
die Herangehensweise ist noch etwas wild und ungestüm und erinnert
oft an eine Live-Aufnahme – inklusive eingeworfener
„C´mon“ Aufforderungen an ein – in diesem Fall
fiktives – Publikum. Vielleicht ein Tribut an ihre Anfangstage
als „Resident-Band“ mit monatlichen Auftritten im New
Yorker CBGB.
Erweitert wurde die Neuauflage durch das bisher unveröffentlichte
„Born Branded” aus den damaligen Aufnahmesessions, einen
groovigen Club-Remix des Openers „Pain Lies On The
Riverside“ und zwei Songs aus der 1991er EP „Four
Songs“. Als Bonus CD gibt es außerdem eine bisher
unveröffentlichte, vollständige Live-Aufnahme aus dem The
Roxy in Los Angeles, 1992. Hier gibt es die nicht nur mit
„Susquehanna“ einen weiteren bislang
unveröffentlichten Track, mit zwei Songs um die 10 Minuten spielen
sie auch ihre epische Qualitäten weiter aus.
Seit Juli sind die Jungs auf Tournee, mal sehen, ob sie auch nach
Europa kommen und was sie darüber hinaus noch alles so
vorhaben….
Andy
Tillison erzählt gerne Geschichten. Sowohl in Interviews als auch
in seiner Musik. Und da das Leben komplexe Geschichten zu bieten hat,
sind auch Tillisons Songs darüber komplex. Und entsprechend
interessant. Ein Mensch, dem man gerne zuhört –
vorausgesetzt, man bringt die Zeit und Muße mit, sich mit seinen
Geschichten auseinanderzusetzen. Denn die braucht man, das muss einem
klar sein. Ein Nebenbeihören beim Zusammenbauen eines neuen
IKEA-Schuhregals bringt einen hier nicht sehr weit. Ein genaueres
Zuhören wird indes belohnt mit Musik, die alles bietet, was man
von Progressive Rock erwartet. Eine Achterbahnfahrt der Emotionen,
verschachtelte Arrangements, mitreißende Soloparts – v.a.
allem die elegischen Gitarrensolos dürften jedem, dessen
musikalische Sozialisierung mit Genesis und Pink Floyd zu tun hat,
wiederholtes Lächeln ins Gesicht zaubern – und
Überraschungen an jeder Ecke. Jazz-Passagen sind bei ihm nichts
Neues mehr, sind aber immer wieder so passend und gewinnbringend
eingesetzt, dass man spätestens hier zum Fan wird. Kräftige
Rock-Passagen bilden den Gegenpol dazu.
Das Album beginnt harmlos und führt den Hörer in
überschaulicher Länge von sechseinhalb Minuten – aber
nicht weniger komplex und abwechslungsreich als die anderen Songs
– in das typische The Tangent-Revier ein. Die anderen vier Songs
bringen das Album dann mit Längen zwischen zwölf und 22
Minuten auf maximale CD-Laufzeit. Und dass man Geschichten auch allein
musikalisch erzählen kann, beweist das geniale,
zwölfminütige Instrumental "Doctor Livingstone", in dem so
viel passiert, das man erst später merkt, dass es
instrumental war, denn abgesehen davon, dass das ja eher
ungewöhnlich für die Band ist, fehlt einem (mir) hier gar
nichts. Mr. Tillison, meinen Glückwunsch für dieses neue Buch
von Erzählungen! Es wird mich eine Weile gewinnbringend
unterhalten können.
Ein Konzeptalbum zu schreiben, kann die einfachere Variante sein.
Man muss sich nicht für jeden Song ein neues Thema ausdenken, man
muss sich nicht einmal eine neue, zündende Hookline einfallen
lassen. Manches ergibt sich einfach von alleine. Und statt sich kurz
und prägnant fassen zu müssen, sowohl textlich als auch
musikalisch, kann etwas in aller Ausführlichkeit beleuchtet
werden. Was man allerdings braucht, ist eine Story, die es lohnt,
über Albumlänge auseinandergenommen zu werden. Das hatten
RPWL auf ihrer letzten CD „Wanted“ schon mal gut
hinbekommen.
Eine solche Story adäquat umzusetzen und auf die Bühne zu
bringen, ist eine nächste Schwierigkeit. Aber auch das war
für die Münchener nach ihren Erfahrungen mit dem
„Beyond Man and Time“-Album schon kein Neuland mehr. Vor
allem Frontmann Yogi Lang hatte in der Live-Umsetzung – und auf
der anschließend veröffentlichten DVD echte
Schauspieler-Qualitäten bewiesen. Die „Wanted“-Shows
setzten diese Idee fort. Sogar in kleinen Clubs schafften es die
Musiker mit Hilfe von einigen zusätzlichen Akteuren eine
Musical-ähnliche Show auf die Bühne zu bringen. Für die
Show, die hier festgehalten wurde, wurde der Aufwand noch erheblich
erweitert. Eine Riesenliste an zusätzlichen Akteuren,
Schauspielern und SängerInnen liefern hier eine Show ab, bei der
Musiker aufpassen müssen, nicht zur Hintergrundbeschallung zu
werden. Was sie aufgrund der Qualität der Musik und der vielen
solistischen Einlagen natürlich nicht werden, aber das
Gesamtpaket, das hier festgehalten wurde, ist schlicht sensationell.
Die DVD erlaubt es, die vielen Tricks und Finessen noch einmal von
Nahem zu beobachten, die Show des auf 2 Stunden Spielzeit
verlängerten Albums in aller Grandezza zelebriert zu sehen.
Zusätzlich gibt es eine 18-Minuten Making of-Documentary und eine
Zugabe, die 2 Audio-CD-Version konzentriert sich auf die musikalischen
Inhalte, bringt dafür noch zwei Zugaben mit aufs Tapet.
Großes Kino – im wahrsten Sinn des Wortes!
Der Gesang zwischen Melodie und Emo, zwischen Melancholie und Schreien bildet den Grundstein für die spannungsreiche Mischung der Stuttgarter. „Alteration“ ist das zweite Album, an dem sie ein Jahr geschraubt haben. Noch in der alten Besetzung war 2011 das Debüt „Versus“ erschienen, das ihren Anfängen zwischen Emo- und Post-Hardcore schon klare Tendenzen zum anspruchsvollen Alternative Rock freilegte. Diesen Weg sind die Jungs weiter gegangen, geben sich mal hochmelodisch, mal aggressiv und mitunter durchaus überraschend: Mit Bands wie Thrice, Karnivool, Funeral For A Friend, Circa Survive oder Muse benennen sie Einflüsse, die ihrer Musik eine Schlagseite geben, die sie von anderen Bands ihres Genres abheben. Prog(ressiv) mag das nur in Ansätzen sein, aber wer auf die o.g. Bands oder auch The Intersphere steht, bekommt hier spektakulären Alternative Rock mit Anspruch.
Es
kann doch so einfach sein, seine Fans zu überzeugen. Retro-Rock,
oder nenn es Jam-, Post-, Stoner oder Psychedelic-Rock, ist ja derzeit
(und immer noch!) mächtig angesagt, die Jungs um Sel Belamir
dürfen den Anspruch erheben, eine der Bands zu sein, die nicht nur
lange vor der großen Welle damit gepunktet haben, sondern
vielleicht sogar dazu beigetragen haben, immer einen Referenzpunkt
dafür zu bilden. Als sie 2011 mit „Octopus“, dem
ersten Album nach fünf Jahren relativer Stille zurückehrten,
waren ihren Fans ihrer frühen Großtaten
glücklicherweise noch gut im Gedächtnis, so dass sie nicht
bei Null wieder anfangen mussten.
Feedbackorgien, ausschweifende Soli und hymnische Momente – die
Jungs aus Manchester hatten ihren eigenen Sound gefunden, ihre
Experimentierfreude machte es ihnen indes zuweilen etwas schwer, immer
durchschlagen zu können. Große Überraschungen bleiben
beim neuen Album genauso aus wie Enttäuschungen,
überraschende Momente indes nicht. Unerwartete Breaks, Tempo- und
Spannungswechsel, Abwechslung und ein Akustik-Intermezzo in
„Anubis“ sorgen für allerlei Kurzweil.
„Supernova“ hat ein etwas anderes Soundbild und könnte
fast so etwas wie einen Hit abgeben, der Schlusspunkt „Old Blue
Eyes“ trägt fast Zappaeske Züge. Deswegen kann man es
kurz machen: Ein super Album, an dem man eine Menge Spaß haben
kann.
Die Story von Faust entstand übrigens rund um den Song "Silvio",
der eigentlich für „Octopus" geschrieben wurde, es dann aber
nicht aufs Album geschafft hat. "...it didn't really fit in with the
Album's universal themes." Der Song bezieht die Story von Faust
nämlich auf den faustischen Politiker Berlusconi, und wurde,
nachdem er eine Weile durch den Bandkosmos gewandert war, zur Vorlage
für den Rest des Albums.
Uff! Was für grandiose Songs! Und wer sind eigentlich die Blues Pills? #2, 3, 4, 5, 8... dieses Album ist der Hammer! Für Blues- und Retro-Fans sowieso, aber man muss auch kein ausgewiesener Fan sein, um diesen Songs wiederholte Gänsehaut abgewinnen zu können. Abgesehen davon, dass die Songs sehr unterschiedlich sind, mal als straighte Rocker, mal als einfühlsame Ballade ihren Weg in die Gehörwege bahnen, sind sie auch extrem abwechslungreich arrangiert - und sorgen auch innerhalb ihres Verlaufs immer wieder für angenehme Überraschungen. Seinen Höhepunkt findet das im psychedelischen Longtrack "Jekyll & Hyde", aber auch sonst läuft kaum ein Song einfach nur so durch, was das Hören sehr kurzweilig werden lässt. Und was umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass das alles einem einzigen Hirn entsprungen ist: Pristine ist das Baby seiner Sängerin und Songwriterin Heidi Solheim. Nach zwei Tourneen u.a. mit den Blues Pills und The Brew 2016 setzte sie sich ans Piano und schrieb die neuen Songs. Aufgenommen an einem eizigen Tag ist "Ninja" in vielerlei Hinsicht eine Sensation. Nach zwei nur in ihrer norwegischen Heimat aufgenommenen Alben und dem ersten internationalen Ausrufezeichen "Reboot" dürfte "Ninja" die Band in eine neue Liga katapultieren.
Rock, Soul, Jazz, Pop, Prog? Eine äußerst spannende Mischung, die uns die Bostoner hier auf ihrem vierten Album, dem ersten auf InsideOut, vorsetzen. Wobei sich diese Mischung jetzt wilder anhört, als sie großteils ist. Eigentlich fängt es sogar ganz harmlos und progressiv an – abwechslungsreich, spannend, aber nicht verwirrend. Von der Atmosphäre her zwischen Peter Gabriel und Porcupine Tree. Mit Sängerin Courtney Swain, stimmlich nahe am ex-The-Gathering-Fixpunkt Anneke van Giersbergen, die ja nebenbei bemerkt musikalisch auch immer äußerst vielfältig unterwegs war, haben Bent Knee schon mal eine äußerst angenehme vokale Erscheinung in ihren Reihen. Und Songs wie der Opener „Terror Blind“, „Hole“, „Holy Ghost“ oder das Titelstrück sind schon in erster Linie Prog, aber da hier kein Stück nur das eine oder andere ist, kann man nur von Schwerpunkten sprechen – und sich über das ganze Album hinweg an der Stil- und Ideenvielfalt erfreuen. Im weiteren Verlauf mischen sich dann noch ein paar echte Überraschungen mit ins Bild, die dieses Album zum echten Highlight werden lassen. Da kann ein Song wie “The Well” in seiner Pop-Affinität auch an Prince, wahlweise auch an Amy Winehouse erinnern. Die Musiker wechseln spielend zwischen den Stimmungen hin und her und in Momenten der leisen Intimität, die in ihrer Kombination mit den lässigen Vocals zwangsläufig eine gewisse Erotik ausstrahlen, kann sich die Haut schon mal angenehm kräuseln. Tolles Album.
Sie kokettieren mit Pop genauso wie mit Emo oder Post-Hardcore und machen letzten Endes einfach guten, fetten, abwechslungsreichen (Alternative) Rock. Was ihren Sound so unwiderstehlich macht, das sind ihre eingängigen Hooklines. Das erinnert mal an Nickelback, mal an Thirty Seconds To Mars, und ist doch weit eigenständiger als diese Erwähnungen andeuten können. „Shameless ist das dritte Album der Dänen, nachdem ihr zweites Album 2012 “Breathe:See:Move” vom größten dänischen Musikmagazin GAFFA bereits zum Rock-Album des Jahres gewählt wurde. Diesen Weg könnte ihr neues Albuzm durchaus auch einschlagen, und wer weiß, mit der richtigen (z.B. Support-)Tournee sollte sich ihr Name auch bei uns durchsetzen können.
Sie haben es nicht leicht. Nachdem ihre letzten beiden Studioalben euphorisch gefeiert wurden, von ihre Tourneen ganz zu schweigen, hatten sie ja bereits versucht, ein paar Dinge zu ändern. Eine DVD mit Orchesterbegleitung, danach noch eine mit Akustikversionen... aber die Begeisterung wollte nicht abreißen. Also gehen sie mit ihrem neuen Album einmal mehr einen neuen Weg – und einen großen Schritt zurück. Nicht so sehr musikalisch als vor allem thematisch. „The Optimist“ versteht sich als Nachfolger ihres 2001er-Albums „A Fine Day To Exit“ – ein relativ düsterer Titel, zu dem wohl noch etwas klargestellt werden musste, und wie der Titel schon andeutet, gibt es ein Leben nach dem angedeuteten Ausstieg. Musikalisch wie erfolgstechnisch stellte das 2001er Album durchaus einen Wendepunkt dar, leitete es doch den Sound, der sie im Folgenden so erfolgreich werden ließ, ein. Epischer Rock mit viel Atmosphäre, himmlischen Keyboard- und Pianoläufen und Songs, die sich immer wieder in neue Höhen steigern und ihre Musik immer wieder zu einem Ereignis werden lässt. Das ist auch auf ihrem neuen Album nicht anders, auch wenn es das eine oder andere Mal überraschend ruhig bleibt – aber so unbekannt ist dem geneigten Fan auch diese Seite nicht. Neue Sphären erreichen die Briten hier nicht, aber das sind Erwartungen auf sehr hohem Niveau. „The Optimist“ ist ein weiteres fantastisches Album, nicht mehr und nicht weniger.
Von Roger „The Wall“
Waters erwartet man Großes. Und genau das liefert er. Seine
Affinität zu seinem monumentalen Meisterwerk hat er nicht zuletzt
durch seine wiederholten Tourneen immer wieder
„untermauert“, jetzt zeigt er, dass er auch 2017 noch
epische Prachtstücke schreiben kann. Sein erstes
„Rockalbum“ seit 25 Jahren ist nicht weniger geworden als
das, was man von ihm erwartet hat. Textlich anspruchsvoll (mit tollen
Kommentaren zum Weltfeind #1, Donald Trump), musikalisch
herausfordernd, mit Streichern, aufheulenden Gitarrensolos, dem
stetigen Wechselspiel aus laut und leise, ein Spiel zwischen
Singer/Songwriter-Intimität und Prog-Rock-Opulenz. Wie schon
„Amused To Death“ kein Album mit besonders herausstechenden
Songs, sondern eins das als Gesamtkonzept gedacht ist und funktioniert.
Ein Album, dass sich lohnt, in Ruhe zu hören, weil es – und
das sogar auch liedweise in Einzelteilen – wunderbar
entschleunigt, Weisheit und Ruhe ausstrahlt. Was sonst gar nicht mein
Beuteschema ist. Aber hier wirkt es.
Wer im Rahmen des Akustikgitarrenintros seines Albumopeners “Of the Orb” „make way for the Cinema Show“ singt, provoziert absichtlich bestimmte Parallelen. Umso mehr, wenn der knapp 11-minütige Song im Anschluss daran richtig loslegt. Und in der Tat macht Rikard Sjöblom vieles richtig in der Folgezeit. Vielen bereits bekannt als Sänger und Multiinstrumentalist bei Beardfish, deren Ende er 2016 bekannt gab und seit neuestem auch Mitglied bei Big Big Train, hat Sjöblom musikalisch einiges zu erzählen. Banks`sche Keyboards u.a. Instrumentalfinessen, mit denen er sich vor den selbst evozierten Vergleichen nicht zu verstecken braucht. Wobei Genesis nicht die einzige Referenz bleiben. Dafür agiert der Schwede, begleitet von den beiden Brüdern Petter und Rasmus Diamant sowie dem Beardfish-Gitarristen David Zackrisson, viel zu abwechslungsreich – und sind viele Teile auch viel zu zeitgemäß. Ein tolles, sowohl klassisch orientiertes als auch modernes Progressivrock-Album, auf dem es jederzeit eine Menge zu entdecken gibt. Das Album erscheint in seiner Erstauflage mit der 14-Track Bonusscheibe „Best of Gungfly“! Absolut empfehlenswert!
Dieses
Album macht dich sprachlos. Angesiedelt zwischen
Singer/Songwriter-Intimität und latenter HC-Bretthärte ist es
schonmal musikalisch ein Album zwischen den Extremen – auch wenn
Letzteres nur selten zum kompletten Ausbruch kommt, aber die Stimmung
lebt von der Spannung und Dramatik der Möglichkeit, wie ein guter
Thriller. Dazu kommen Texte, die dich erstarren lassen vor Offenheit,
die dich überrollen wie ein emotionaler Bulldozer. Eine Platte als
(Bericht von der) Psychotherapie. Zur ersten Single „No
Halo“ sagt Sänger und Gitarrist Cam Boucher: „Der Song
handelt davon, auch nach dem Tod eines guten Freundes so häufig an
ihn zu denken, dass Du plötzlich vor seinem Haus steht, weil Du
ganz vergessen hast, dass er in Wahrheit gar nicht mehr lebt. Er
handelt davon, wie schwierig es ist mit den Leuten die Du liebst in
Kontakt zu bleiben, wenn Du an einem anderen Ort bist und wie es sich
anfühlt nicht bei ihnen zu sein, wenn sich dich am dringendsten
brauchen.“ Sagt es und leerte für die Songs seine Seele,
stellte sich Tage, Wochen und Monate diesen und anderen Emotionen,
bis einfach alles aus ihm herausschwappte. Berichtet der
Waschzettel – und man zweifelt keinen Moment an diesen
Schilderungen.
Schon ganz schön hart, was eine Seele so alles mitmachen kann
– Glückwunsch, wenn du zu denen gehörst, die ein
relativ problemloses Leben haben. Umso überraschender, dass es
bereits das dritte Album der Band ist und die Plattenfirma davon
spricht, dass diese Art Texte die Spezialität der Band
sind… Aber offensichtlich sind sie auch Methode. Nicht nur um
die Hörer zu begeistern, sondern, weil sie helfen können:
„Schlechte Zeiten sind genauso unausweichlich wie die Hoffnung.
Anstatt sich im Dunklen zu verkriechen, haben Sorority Noise gelernt,
dass der einzige Weg an den Anstrengungen vorbeizukommen, ist, nach
vorne zu Blicken und der Sonne entgegen zu laufen.“
Drei Soloalben hat er mittlerweile veröffentlicht, wobei das letzte, „The Remembering“ eine eher ruhige Sammlung atmosphärischer Soloimprovisationen war. Aber es war v.a. das 2014er „Celestial Fire“, dass aufhorchen ließ mit dem Sound, den man am ehesten von ihm erwartete, wenn man ihn von seiner Hauptband Iona kannte. Ein tolles Album zwischen leisen und lauten Tönen, mit ausschweifenden Instrumentalpassagen und auch den bombastisch, progressiven Elementen, wie Iona sie in den 90ern verstärkt eingesetzt hatte. Dass es solche Elemente auch bereits auf dem ersten Soloalbum des Gitarristen und Songwriters gab, beweist nun spätestens dieses 2CD/DVD-Live-Album aus dem „Fibbers“ in York vor einem – für die Qualität seiner Musik – viel zu kleinen Publikum. Aber die Band ist grandios und es ist eine Freude, ihnen auf der DVD auf die Finger schauen zu können – von Sängerin Sally Minnear ganz zu schweigen. Das Set ist ein toller Mix aus Dave`s Solostücken und einer delikaten Auswahl eher seltener, bzw. sogar einem niemals live gespielten Iona-Songs – bei denen (und auch nur bei denen) vielleicht noch am ehesten deutlich wird, dass Minnear nicht ganz an Joanne Hogg heranreicht. Der Meister der melodischen Gitarrensoli darf sich unter eigenem Namen nach Herzenslust austoben und seine Songs zelebrieren, spielt zwischendurch Keyboards und präsentiert auf der DVD schließlich noch ein paar kleine Übungsraum-Filmchen. Ein absolut gelungenes Package, das man Fans seiner Musik nur ans Herz legen möchte.
Es
gibt Bandnamen, die sind einem seit Jahren so geläufig, dass man
sie sogar musikalisch meint, einordnen zu können, ohne dass man
wirklich bewusst etwas von ihnen gehört hat. In Rezensionen
genannt, von Freunden erwähnt, früher gab es auch immer
goodwill-Einkaufslisten, die man mangels finanzieller Mittel niemals
abarbeiten konnte – aber es hätte ja immer sein könne,
dass man mal im Plattenladen genug Zeit hat, reinzuhören, oder
dass unverhofft jemand nach einem möglichen Geschenk fragt…
Heute, in Zeiten von Internet, Deezer und Spotify braucht man solche
Listen eigentlich gar nicht mehr, man könnte eigentlich gleich
reinhören – wenn man die Zeit, bzw. Muße dafür
hätte zwischen all den digitalen
Neuveröffentlichungs-Downloads… das Luxusproblem des
Musikrezensenten.
The Afghan Whigs haben meine über die Jahre in Abstinenz ihrer
Musik gewachsenen Erwartungen jedenfalls nicht enttäuscht. Ganz im
Gegenteil: Ihr neues Album „In Spades“, Wiki sagt ihr
achtes seit 1988, ist eine begeisternde Mischung aus großem
Art-Pop zwischen Peter Gabriel, Tears For Fears und Coldplay und (mal
mehr mal weniger Indie-)Rock zwischen U2 und Red Hot Chili Peppers (was
jetzt beides eher weniger Indie ist). Ein tolles Album – nicht
mehr und nicht weniger. Ich glaube, es hätte sich gelohnt, sich
ihnen schon früher zu widmen. Aber besser spät als nie!
Ganz schön schön! Auf ihrem vierten Album erweitern die Hamburger erneut ihren Klangkosmos, lassen ihren Prog-/NewArt-Rock à la Oceansize / Aerogramme weiter zurück und wenden sich Indie-Pop britischer, und dezent elektronischer Prägung zu. Nicht ohne ihren monumentalen Post-Rock-Sound ganz aus den Augen zu lassen, womit sie eine sehr eigene Mischung kreieren aus spannungsgeladenen Instrumentalpassagen und lieblichem Gesang, der hin und wieder an Sigur Ros erinnert. Wie auch die Musik nicht unbedingt die üblichen Post-Rock-Klischees aus Laut-Leise-Dynamik bedient, sondern Spannung vor allem durch Rhythmuswechsel und lange Steigerungen erzielt. In den ersten vier Songs versuchen sie dabei noch weitgehend, Song-Strukturen einzuhalten, auch wenn sie hier bereits teilweise die 7-Minuten-Marke überschreiten. In der zweiten Hälfte des Albums werden sie dann noch ausschweifender, verzichten auf den Gesang und heben ihre sphärische Seite noch mehr hervor. Grandios gemacht. Klasse Album!
Man
muss nicht tanzen können, um erfolgreich zu sein, das haben
Genesis und Herbert Grönemeyer längst bewiesen. Faunshead
machen spannende Musik, das ist viel wichtiger! Sie beginnen ihr Album
mit zunächst etwas sperrigem Alternative Rock, überraschen
und punkten dann aber immer wieder mit Breaks und melodischen
Elementen. Der Gesang von Matt Norman erinnert vereinzelt an Michael
Hutchence (INXS), was dann auch die Musik in ihre Richtung lenkt.
Dabei sind sie insgesamt energetischer, rauer und haben eine Menge
Spirit der Kings of Leon... und je länger und öfter man ihr
Album hört, desto mehr Facetten eröffnen sich dem Hörer.
Und richtig grandios wird’s dann, wenn sie Hymnen wie
„Nosferatu“ oder „We´re Focused“
anstimmen. Hammer!
Noch ein bisschen Background gefällig? Inspiriert vom
Psychedelischen Rock der 70er, Punk der 80er bis hin zu Grunge und
Stoner Rock der 90er wurde Faunshead 2014 vom Amerikaner Matt Norman in
Berlin gegründet. Nach anfänglichen Besetzungswechseln
besteht die Band seit 2015 aus Duarte (Bass) aus Portugal, Francesco
(Lead Guitar) aus Italien und Stefan (Drums) aus Österreich.
Könnte sich zum Vorzeigemodell entwickeln…
Kann es sein, dass es sich bis nach Mexiko herumgesprochen hat, dass die Jungs von Everon ihre Album-Aktivitäten eingestellt haben und es sich lohnen könnte, diese Lücke zu schließen, indem man seine Promo-Aktivitäten nach Osten ausdehnt? Kann. Muss aber nicht. Dass es eine funktionierende und potentiell interessierte Prog-Gemeinde in Europa gibt, wissen Cast längst, seit sie 2007 u.a. für das Progfarm Festival in Bakkeveen herübergejettet sind – einer der wenigen Abstecher, die sie bislang nach Europa gemacht haben. Möglicherweise haben sie bei der Gelegenheit Herrn Wenzler auf sich aufmerksam machen können, der sie nun auf seinem PPR Label bei uns zugänglich macht. Everon (Anm.: ihr letztes Album „North“ erschien 2008, seitdem schweigt auch ihre Homepage über jegliche Aktivitäten) bleibt eine wichtige Referenz, sowohl was die symfonische, dezent metallisch rockende Ausrichtung ihres Melodic Progs angeht, als auch was den Gesang betrifft. Cast fügen aber nicht zuletzt mit dem Violinisten Roberto Izzo als volles Mitglied Folk-Sounds hinzu, die dem Ganzen ein wenig Kansas-, bzw. Salem Hill-Flair verleihen. Ein tolles Album zwischen Komplexität und Symphonic Wall of Sound, garniert mit klasse Melodien und mitreißenden Soli. Weiter gehts mit dem Backkatalog? (Der ist allerdings mit über 20 Alben aus 30 Jahren Bandgeschichte prall gefüllt...)
John Mitchell hat eine tolle Stimme und die Fähigkeit,
exzellente Songs vom Stapel zu lassen. Das hat er mit It Bites
bewiesen. Und Kino. Und The Urbane. Und ist so auch schon auf
einen reichen Fundus an Songs und Alben gekommen, auf dem sich manch
einer schon ausruhen könnte. Mitchell forscht weiter. Und hat 2015
seine Fähigkeiten unter neuem Namen neu gebündelt und in neue
Spitzen getrieben. Die Einflüsse von Arena bis It Bites kombiniert
und in Songs perfektioniert, die das Debütalbum „Please Come
Home“ zu einem der Highlights des Jahres werden
ließen.
Vorgaben, die es dem nun vorliegenden Nachfolger ungleich schwerer
machen. Andererseits kann man sich ein seinem Fall aber auch relativ
sicher sein, dass hier nichts komplett in die Hose gehen kann. Und in
der Tat: „The Big Dream“ fügt seiner Sammlung ein paar
neue Songhighlights hinzu, die sich zugegebenermaßen der
bekannten Zutaten bedienen, bei dem aber auch einfach wieder alles
stimmt. Das geht, auch wenn das Album kein musikalisches Konzeptalbum
ist, einher mit einer Story, die seinen Astronauten von Album 1 auf
eine neue, eher surreale Reise schickt. Insgesamt
ist das Album vielleicht nicht ganz so stark wie da Debüt, aber
nicht zuletzt dank Songs wie „Sigma“, „In Floral
Green“, „False Lights“ oder „Symbolic“
und „The Divine Art of Being“ ein Album, an dem man als Fan
seiner Musik kaum vorbeikommt.
Shame
on me, „Remedies“ ist das erste Album das ich von dieser
Band in die Hand bekomme… und es ist eine Offenbarung! Soup
spielen mit den typischen 70s-Zutaten von Bands wie America, The Nice
und ELP, aber sie mischen die mit modernem Art- und Post-Rock mit der
typischen Dynamik aus leisen Singer/Songariter-Phasen und lauten Rock
zwischen Prog und Alternative, bzw. Art – und umgehen damit,
verstaubt und alt zu klingen. Die Wiederholungen, die Elektronik und
die Sounds erinnern teilweise an Archive, die langsam gesteigerten
Instrumentalpassagen sind Post-Rock in Reinkultur – Mogwai, Long
Distance Calling und Co lassen grüßen. Trotzdem benutzen sie
durchaus typische 70s-Sounds und legen es offensichtlich darauf an,
entsprechende Referenzen zu wecken. Eine spannende – und nicht
alltägliche Mischung!
Der Opener „Going Somewhere“ entwickelt sich durch diesen
Mix zu einem erstklassigen 8min-Rocksong, der in Atmosphäre und
Drive stark an Anathema erinnert. Andere Songs lassen sich noch mehr
Zeit. Das ist bisweilen so genial, dass man an einen legitimen
Archive-Nachfolger denkt, jetzt da die sich immer mehr in Richtung
Elektronik/Pop zu verabschieden drohen, manchmal ist`s einfach nur
schöne Musik. Deshalb werden wir jetzt mal nicht übertrieben
euphorisch, warten einfach mal ab, was weiter passiert und freuen und
über ein wundervolles Album!
Eins dieser Alben und Hörerlebnisse, die man erst einmal sacken lassen muss. Weil sie faszinieren. Spannend sind. Und es ad hoc keinen direkten Vergleich gibt. 22 kommen aus Norwegen und sie schleudern uns hier 8 Songs um die Ohren. Voller Energie, Spritzigkeit, Spielfreude, Musikalität, Größe und Grandezza. Da tauchen kurze Vergleichmommente auf, man denkt an Muse, Me, Spock`s Beard, The Intersphere, Queen, A.C.T. – was alles nicht die schlechtesten Vergleiche sind – die aber, von Muse und Me vielleicht abgesehen, keine validen Vergleiche sind. Dafür sind 22 zu schnelllebig, und ihre Songs auch. Nach 28 sind die ersten 7 Songs vorbei, dann folgt noch ein kurzes instrumentales Outro, das wars dann auch schon. Was im ersten Moment gar nicht so auffällt, weil man auch so schon fast erschlagen ist, was bei genauerer Betrachtung dann aber doch vielleicht etwas wenig ist, um als eigenständiges Album durchgehen zu können. Aber spannend sind sie. Ob das reicht, muss wohl jeder für sich entscheiden.
Dredg-Gitarrist Mark Engles greift wieder an: Seine Hauptband ist über die Jahre mehr und mehr in seichte Fahrwasser und damit in die Belanglosigkeit geraten, jetzt stellt Engles klar, dass sein Weg in eine andere Richtung zeigt. Noch immer zaubert er herrlich eingängige Melodien aufs Tableau, und wie bei Dredg ist der (in diesem Fall sehr vielseitige) Gesang von Bassist Ben Flanagan in erster Linie melodisch (kann aber auch mal extremere Töne anschlagen). Aber Engles selbst darf auch wieder mal kräftigere Saiten anschlagen. Das Gesamtergebnis ist herrlich abwechslungsreich, changiert zwischen Alternative Rock Crunch a la 3 Doors Down und Prime Circle und Rock der wilden Sorte, die an frühe U2 erinnert, sowie nicht zuletzt eingängigen Melodien und Vocal-Lines, die vereinzelt an Keane erinnern. Ein Albumdebüt nach Maß!
Es darf auch mal dramatischer werden? Songorientiert aber hier und da auch etwas komplexer? Phyria kommen vom Niederrhein und legen hier –mit ein wenig Verspätung – ihr zweites Album vor. Und das bietet melodischen Rock zwischen Alternative und Progressive, zwischen Hookline und Atmosphäre, zwischen Dredg, The Intersphere, Anathema, Oceansize und Porcupine Tree. Und „We left the old World“ ist wie ein neuer, bester neuer! Song der Hamburger Art-Rocker Sylvan. Da klingt manch Song wie da Grande Finale eines Albums – und doch kommt immer wieder eine Fortsetzung. Manch Song wäre auch instrumental als erstklassiger PostRock-Epos durchgegangen – mit Benjamin Hammans hat man aber einen Sänger in den eigenen Reihen, auf den man nicht verzichten möchte. Ein tolles Album mit vielen Highlights.
„Manche Alben sind wie Monumente, in Stein gemeißelt. Ich möchte, dass das Album diesem Kriterium entspricht“, sagte Tom Shoewalter über „Hard Love“. Und wie der Titel bei genauerer Betrachtung schon andeutet, gibt es die volle Bandbreite an Emotionen: Grandiose Rock Hooklines, schnellere, vorwärts treibende Songs in „Radio Kids“ oder langsame Balladen voller Tiefe wie in „Cry“ oder „Rest of it“, fetten Retro-Rock in „Everything“ oder „Taking Acid And Talking To My Brother“ oder epische Hymne im 12 Drummers Drumming-Stil in „On the Hill“, das ganze garniert mit einer tollen Stimme à la Ryan Adams. Was für ein geniales, abwechslungsreiches Rock-Album! Ja, ich denke, sein Album entspricht diesem Kriterium. „Hard Love“ dürfte seinen Platz finden. Dem im Wege steht eigentlich nur das grottige Cover-Artwork!
Ein Beispiel zum Lehrsatz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Weder die instrumentalen Postrock –Soundwälle der Spanier Toundra, noch und viel weniger die Flamenco-Erfolge des Newcomers Niño de Elche hätten mich jetzt zu Begeisterungsstürmen hinreißen lassen. Gemeinsam gehen sie eine faszinierend ungleiche Gemeinschaft ein. Beide Seiten verzichten nicht auf ihre wesentlichen Bestandteile, setzen sie aber song- und partnertauglich und –dienlich ein. Das Ergebnis ist umwerfend! Schon in erster Linie für Progressive & Postrock-Fans interessant, aber in seiner Kombination so anders, dass auch Außenstehende sich das Ergebnis zumindest mal angehört haben sollten, um sich ein Bild machen zu können. Naja, und da fünf der acht Songs zwischen knapp 9 und gut zehn Minuten lang sind, dürfte klar sein, dass die o.g. Zielgruppe ausreichend bedient wird.
Zuschlagen,
wenn der Gegner verwundbar ist… Mit ihrem dritten Album,
könnte man meinen, wollen die Skandinavier Soen ihre polnischen
Kollegen von Riverside vom Thron schubsen. Die hatten nach ein paar
ruhigeren Alben mit ihrem „Love, Fear and the Time
Machine“-Album ja gerade wieder an alte Stärken
anschließen können, stehen aber nach dem Tod ihres
Gitrarristen Piotr GrudziĆski vor etwas unsicherer Zukunft.
Das neue Album von Soen greift die frühen Tugenden ihrer
polnischen Kollegen auf und bietet eine brillante Mischung aus harten
Gitarren, groovigen Rhythmen und psychedelischen Sounds. Damit
konsolidieren sie ihren Kurs, der sie seit ihrem ersten Album 2012 im
Spannungsfeld zwischen Tool, Porcupine Tree, Opeth und A Perfect Circle
hält, präsentiert sich aber in kreativer Höchstform. Die
Band um ex-Opeth / Amon Amarth – Schlagzeuger Martin Lopez
könnte damit sowohl bei Prog- als auch Alternative Rock Fans
punkten, und mit ihrem an Retro-Rock angelehnten Sound passen sie
ohnehin bestens in den momentanen Zeitgeist. „Lykia“
verbindet Komplexität und Vielschichtigkeit mit viel Gefühl
und Atmosphäre und hat einen Stapel schlüssiger Songs
vereint. Klasse!
Hatte ich mal erwähnt, dass
ich in den 80ern total auf Rick Springfield abgefahren bin? Rein
musikalisch natürlich. „Rock of Life“, „Hard to
Hold“… das waren schon klasse Alben. Beim neuen Deaf
Havana Album werden da einige Assoziationen geweckt! Positive!! Eine
Dekade weiter gedacht, kann man auch Matchbox20, Tonic oder The Calling
ins Feld führen – oder ihren Sound einfach als allerfeinsten
Alternative Pop Rock bezeichnen, mal kerniger, mal massenkompatibler,
aber nie peinlich oder anbiedernd.
Die Briten sind seit 2005 dabei, „All These Countless
Nights” ist ihr vierter Longplayer und wie nicht unüblich,
waren die härteren Gitarren auf ihren ersten Alben noch
stärker präsent. Ihr 2013er Werk „Old Souls“
steig dann erstmals in die britischen Top 10 ein und etablierte ihren
Namen in der Rockszene – die entsprechend massenkompatiblere
Ausrichtung ihres neuen Albums ist da keine allzu große
Überraschung (vgl. Biffy Clyro, Jimmy Eat World, Gaslight Anthemn
etc.; alles übrigens weitere Referenzen für diese Band und
dieses Album). Womit das Zielpublikum hier klar definiert ist –
und diesem sei dieses Album auch wärmstens empfohlen!
Die Frage, was die wunderbaren Keane eigentlich derzeit machen, blitzt anfangs vielleicht kurz auf, gerät dann aber schnell immer mehr in Vergessenheit, weil Amber Run sich gerade anschicken, diese Lücke spielend zu füllen. Tut man den Jungs Unrecht damit, sie mit Keane zu vergleichen? Mit ihrer Mischung aus Indie und Pop und einem Sänger Joe Keogh, der einem Tom Chaplin bisweilen frappierend ähnlich ist, müssen sie sich diesem Vergleich wohl stellen. Fürchten müssen sie ihn indes nicht. "For A Moment I Was Lost", das zweite Album der Briten ist ein wunderbares Stück Musik, das sowohl mit großen Hits wie „No Answers“ als auch mit zarten Tönen wie in „Machine“ oder Eigenheiten wie in „Haze“ punkten kann, mit prachtvollen Melodien aufwartet und zwischendurch auch mal die Gitarre(n) aufblitzen lässt – nebenbei der zweifelsfreie Unterschied zu Keane. Knapp zwei Jahre nach ihrem Debüt „5 AM“ könnte dieses Album ihnen endlich und verdientermaßen die große Bühne bescheren.
Das ging schnell: Weniger als ein Jahr nach ihrem Europa-Debüt sind die japanischen Superstars mit ihrem neuen Werk zur Stelle. Rock zwischen Radio-Kompatibilität und früher Thirty Seconds To Mars Power, zwischen cleanem Rock- und scharfem Screamo-Gesang. Sie haben die richtige Mischung raus, verwenden genau die richtige Menge Härte, haben extrem eingängige Hooklines, setzen die Akzente an der richtigen Stelle – da könnte man fast von Reisbrett-Kalkül sprechen, wenn es nicht so mitreißend wäre. Apropos Kalkül, bzw. Ambitionen: “Ambitions” ist das erste Album der Band, auf dem sie komplett englischsprachige Songs singen. Nachtigal… Die Band ist in ihrer Heimat Japan seit geraumer Zeit eine absolute Macht, wenn man sich dazu ein Bild machen möchte, sollte man auf youtube mal ihre neue Single „Taking off“ suchen – sehr sportlich, sehr energetisch, sehr beeindruckend... da fragt man sich fast, warum sie es so sehr darauf anlegen, es hier in Europa zu schaffen und nochmal die Ochsentour gehen wollen. Aber der Olymp liegt nunmal in Europa…
Ist das noch Retro-Rock oder schon die nächste Stufe des PsychedelicBluesRock? Mit Funk-Elementen. Nicht dass ihr Support-Slot bei der jüngsten Wolfmother-Tournee irgendwie unpassend gewesen wäre, aber die Hauptband kann im Nachhinein froh sein, dass die Songs von Mother`s Cake den meisten wahrscheinlich noch zu neu und unbekannt waren, um Andrew Stockdale und seinen beiden Mitstreitern die Show zu stehlen. Aber wenn man dieses Album erst einmal in Ruhe verarbeitet hat, bleibt kein Zweifel, dass ihre Größe der der Australier in nichts nachsteht. Die Innsbrucker feuert einen Stapel grandioser Songs aus der Hüfte, die in allen Songlängen (von 3 bis 10 Minuten) extrem unterhaltsam und mitreißend rüberkommt. Fett! Fett! Fett! Live ja schon sehr cool, aber v.a. in dieser Geballtheit eine absolute Hörempfehlung!
Das ist in der Tat eine Überraschung: Nachdem seine letzten Alben alle möglichen Formen der stilistischen Auswucherung angenommen hatten und er sich fast in seinem Unplugged-Projekt zu verlieren schien, ist Daniel Gildenlöw für sein neues Album zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und präsentiert ein Album, das an seine ersten Meisterwerke erinnert. Vielleicht hat er nicht ganz so viele und vielfältige, verarbeitete Einflüsse mit drin, aber die Dynamik ist dieselbe, mit der er in den späten 90ern für einige Furore sorgen konnte. Dynamik bezieht sich in diesem Fall sowohl auf die Energie des Albums, das einige harte Riffs in petto hat, als auch den Wechsel zwischen lauten und leisen, harten und soften Tönen, aus kräftigen Metalgeschepper und melodischen Balladen. Das ist, wie in „Meaningless“ mal fast straight, in „Silent Gold“ sogar ganz ruhig, ansonsten immer wieder aber v.a. überraschend, abwechslungsreich und komplex, in den drei Longtracks zwischen 9 und 15 Minuten auch in aller Grandezza. Mittlerweile das einzig verbliebene Gründungsmitglied, hat Gildenlöw sein Schiff wieder auf Kurs gebracht und dürfte hiermit seinen Namen wieder an die richtige Stelle rücken. So fängt das Jahr gut an!
Es scheint, dass die Phase der Erkenntnis und v.a. der Ergebenheit der Schönheit der Wunder dieser Welt wieder seiner alten Liebe zur Experimentierfreude gewichen ist. Die Harmonieaffinität des jungen Familienvaters hat dem alten Pionier- und Forscherdrang des Künstlers t Platz gemacht, das hatte er bereits mit seinem Vorgänger „Fragmentropy“ klargestellt. Sein 6. Album ist Teil 2 und die Fortsetzung dieses Albums und bietet in 7 Songs und über 78 Minuten eine spektakuläre Achterbahnfahrt, die sich nicht in vier, fünf Hördurchgängen erfassen lässt. Zu viele Breaks und Wendungen, zu viel Überraschendes, mit dem man sich erst einmal anfreunden muss versperren den Weg zur Eingängigkeit. Immer wieder tauchen wahrlich bezaubernde Momente auf, verpassen den Songs die Hooklines, an denen man sich einerseits festhalten kann und die andererseits immer wieder aufs Neue für wohlige Schauer sorgen, bevor sie wieder verhallen und verschwinden in hereinbrechenden Rhythmus- und Akkordwechseln. Zu einem späteren Zeitpunkt tauchen sie wieder auf und lenken das Durcheinander wieder in geordnete Bahnen – was dem Hörer freilich noch nicht beim 1. oder 2. Hören bewusst wird. Aber so einfach möchte Thomas Thielen seinen Hörern die Sache gar nicht machen – und seien wir ehrlich, so einfach darf es auch gar nicht immer sein. Das ist Progressivrock! Herausfordernd, spannend, nicht immer bequem, aber immer mit so grandiosen Momenten, dass sich alle Mühen lohnen und das Album für langanhaltenden Hörgenuss sorgt.
Der hannoveraner Multiinstrumentalist hat einmal mehr ganze Arbeit geleistet, hat alle Instrumente selbst eingespielt, gestapelt, zusammengebaut und durch Samples erweitert, so dass man die parallel bearbeiteten 100 (bis 240...) Spuren im Heimstudio bildlich vor Augen hat (vgl. Interview 2015). Auch alle Gesangsspuren sind selbst eingesungen und erinnern nicht zuletzt dort immer wieder an Marillions Steve Hogarth. Die Texte machen es einem nicht ganz einfach. Die Story ist in Szenen und Schnappschüssen erzählt, bzw. auch nicht erzählt, sondern eher gefragt, beleuchtet, wieder verändert. Ein Album, das einen eine Weile beschäftigt halten kann, wenn man die Zeit und Muße hat. Viel Spaß damit, es lohnt sich!
Vorsicht Falle: Der Beginn des Albums führt den Hörer mit seinem Titeltrack zunächst in HeavyProg-Gefilde, aber es wird sehr schnell deutlich, dass dieses Album sehr viel mehr zu bieten hat. Mit viel Abwechslungsreichtum und viel Atmosphäre mäandert das Album durch Djent, Trip , Alternative und New Artrock und hält immer wieder neue Überraschungen parat. Porcupine Tree, Fates Warning (Pleasant Shade of Grey), Chroma Key, Dredg, Devin Townshend, sind passende Namen, die man im Zusammenhang mit Lithium Dawn fallenlassen kann, da kann man sich ausmalen, dass es auch hierfür einige Interessenten geben dürfte. Und in der Tat ist „Tearing Back The Veil” ein äußerst unterhaltsames Album, das einen deutliche Steigerung ihres Vorgängers "Aion" darstellt. Den kann man als Orientierung trotzdem jedem ans Herz legen, da er als kostenloser Download auf ihrer Bandcamp-Seite erhältlich ist:. Und der Zusatz „I- Ascension” verrät, dass eine Fortsetzung in Planung ist. Sehr schön!