Rock-, Pop- und Szene-News und mehr....
Ein neues Jahr, ein
neues Album der Australier. Mit einer nach 24 Bandjahren erstaunlichen
Produktivität veröffentlicht das Quartett um Sänger Steve Kilbey einen
begeisternden Reigen an zeitlosen Melodien. The Church funktionieren als „Album-Band“,
und so ist es nicht verwunderlich, dass es trotz der Vielzahl an vorgelegten
Arbeiten bisher erst einen weltweiten Hit gab. „Under The Milky Way“ (1988) verhalf
ihnen aber doch zumindest zu einem beachtlichen Popularitätsschub. Und wer damals
auf die Band aufmerksam wurde, wird immer wieder zu ihrer Musik zurück kehren. Ralf
Koch sprach mit Steve Kilbey über ihre neueste Veröffentlichung „Forget
Yourself“.
Würdest Du mir zustimmen, dass das neue Album eher rockiger ausgefallen ist?
Yeah, absolut! Es passierte einfach, anfangs aus Versehen, aber dann konnten wir nicht mehr aufhören. Es war schon eher so, dass wir immer, wenn eine Passage zu ruhig wurde, wir uns schon gesagt haben, ´ach nee, lass uns was anderes daraus machen´. Wir wollten ein kerniges Album machen!
Zumindest für The Church Verhältnisse...
Klar, eines reines Rock-Album können wir natürlich nicht machen. Aber für unsere Verhältnisse ist dies schon recht ordentlich.
Andererseits seit Ihr ja 1980 als Rock-Band angefangen, oder?
Das erste Album, ja. Aber schon mit dem zweiten Album fingen wir an, unseren eigenen Sound zu entwickeln, und der war eben nicht wirklich rock-orientiert.
Wie würdest Du überhaupt die Entwicklung Eures Sounds beschreiben?
Ich glaube gar nicht, dass wir uns entwickelt haben. Wir haben uns einfach immer mal wieder verändert, mal dies ausprobiert, mal das. Man wird ja immer von verschiedenen Sachen beeinflusst, hört mal Country oder Reggae – und das alles beeinflusst den Sound der Band. Es ist ja nicht so, dass wir uns sagen, wir wär´s mal mit so einem Album, es passiert. Wer weiß, wo es uns als nächstes hin führt?
Euer letztes Album „After everything now this“ war ja extrem ruhig, und ich fragte mich schon wie Ihr das live umsetzt. Ich meine, als ich Euch zuletzt 1990 gesehen habe, war das immer noch ein „Rock“-Konzert...
Ich nenne das immer eine Art Space-Rock Konzert. Es gibt viele verschiedene Sounds, wir rocken und immer irgendwelche Geräusche, die irgendwo passieren. Aber unsere Konzerte können sehr unterschiedlich sein! Wir gehen raus auf die Bühne, und wissen nicht vorher, wie die Show wird. Manchmal wird es eher rock-orientiert, manchmal auch sehr ruhig – genauso wie auf unseren Alben.
Auf einer Tour gibt es solch unterschiedliche Konzerte?
Ja. Für mich ist Musik wie ein wildes Tier, dem ich einfach folge. Ich kann und will es gar nicht beherrschen, wir lassen uns inspirieren von Momenten.
An was für Musik denkst Du, wenn Du das neue Album hörst – oder wenn Du an die Aufnahmen zurück denkst?
Ich weiß nicht, manche Songs haben etwas von John Lennon, die späte Phase mit den Beatles. Aber eigentlich denke ich nicht viel. Ich glaube nicht, dass wir wie viele andere Bands klingen. Vielleicht gibt´s ein bisschen Bob Dylan hier, und ein bisschen was weiß ich da, aber letztendlich versuchen wir nicht gerade, wie jemand anders zu klingen.
Nein, das stimmt wohl – es gibt wohl kaum eine andere Band, die einen so charakteristischen Sound hat.
Danke, das ist was wir versuchen. Und wir sind eher bemüht, wann immer etwas nach etwas anderem klingt, es sofort fallen zu lassen.
Nach „After everything..“ hattet Ihr noch dieses „Remix-Album“ – was für eine Idee war das?
Oooh, ja. War glaube ich keine wirklich brillante Idee. Remixe und The Church passen nicht wirklich zusammen. Unsere Fans mögen keine Remixe und Remix-Fans mögen The Church nicht. Trotzdem gab´s ein paar interessante Sachen auf dem Album!
Ihr lebt nicht mehr alle in Australien – erschwert das die Albumproduktion?
Nicht wirklich. Marty lebt in den USA, aber wenn wir ein neues Album machen wollen, kommen wir zusammen uns schreiben neue Songs. Es macht nichts, dass er nicht immer an unserer Seite ist.
Du veröffentlichst nebenbei noch Solo-Alben – was ist der Unterschied zu Church Alben?
In der Regel sind das eher Soundschnipsel, kaum wirklich durchstrukturierte Songs.
Von „The Red Eye“ mal abgesehen?
Ja, das war noch am ehesten Church-ähnlich, aber, puh! Das ist so lange her! Kannst Du Dich noch daran erinnern, was Du 1986, 1988 gemacht hast? Ich meine, es gibt auf jedem Album Sachen, die auch nach The Church klingen, aber das ist ja auch kein Wunder. Aber ich lege es nicht darauf an. Was immer ich schreibe, steht für die jeweilige Zeit, und kommt auf´s Album oder auch nicht.
Du kannst Dich also an 1988 nicht mehr erinnern? Immerhin war das die Zeit, als für Euch die wohl erfolgreichste Zeit anfing!
Ja. Und? Möchtest Du über 1988 reden?
Du offensichtlich nicht! Würdest Du gerne noch einmal so erfolgreich sein?
Ich würde gerne noch einmal so viele Platten wie von „Starfish“ verkaufen, aber ich würde nicht gerne zurückgehen zu der Situation, in die wir damals reingeraten sind. Ich lebe nicht in der Vergangenheit, und ich bin sehr glücklich mit dem Hier und Jetzt!
Ist das neueste Album immer das beste?
Natürlich. Immer! Bis das nächste Album kommt, und man sagt, oh Gott, ich mochte das Album überhaupt nicht! So geht es.
Also ist jedes Album besser als das davor?
Nein. Nein, es ist nur Dein Lieblingsalbum, weil Du daran zuletzt gearbeitet hast, und Du am aufgeregtesten darüber bist. Und ich denke, The Church habe immer geschafft, auf jedem Album gewisse Dinge zu präsentieren, die neu für den Hörer waren, so dass es immer etwas neues zu entdecken gab.
Wie auf dem neuen Album...
Die Rauheit, die Direktheit, ... und solche Sachen.
Hast Du einen Lieblingsstück?
Ja, z.B. „Sealine“. Es führt sehr gut in das Thema des Albums ein.
Wie wichtig sind die Texte?
Nun, sie sind die Texte, also sind sie sehr wichtig. Aber nicht ganz so wichtig wie die Musik. Die Musik bestimmt die Szene, die Texte geben nur ein paar mehr Details.
Inspiriert die Musik Dich zu den Texten?
Nun, ich habe gewisse Sachen, über die ich gewöhnlich schreibe, und in dem Rahmen lasse ich mich von der Musik leiten. Aber es gibt auch bestimmte Sachen, über die ich nicht unbedingt schreiben muss. In erster Linie sollten Texte ungewöhnlich sein, geheimnisvoll. Ich würde nicht unbedingt „I woke up this morning“ schreiben. Rock´n´Roll kann mehr sein, als Platitüden.
Interessant, dass Du gerade das Beispiel nennst – das ist mein meistgehasster Satz „I woke up this morning“. Wie kann man einen Song so beginnen? Das hat das komplette letzte Springsteen Album disqualifiziert.
Nun, Bruce Springsteen arbeitet mit Klischees. Wie Neil Diamond schreibt er für die Massen. Und er hat nicht die Last, mit intelligenten Texten kommen zu müssen.
„Die Last“ ist auch gut. Ist eine Last für Dich?
Ja, von ihm erwartet das keiner. Er spricht in Slogans, was der Mann auf der Straße fühlt, und niemand untersucht den Gehalt seiner Texte. Aber von mir ist man in der Regel gewohnt, dass ich Assoziationen wecke. Ich spreche für niemanden, nicht einmal für mich selbst. Ich liefere nur Ideengrundlagen ab, die die Leute mögen, und für ihre eigenen Gedanken benutzen können. Und das kann natürlich auch eine Last sein. Denn wenn ich einen einfachen Gedanken niederschreibe, hagelt es Kritik. Ganz im Ernst, es ist so! Was natürlich Quatsch ist, aber so ist es. Aber man setzt seine Standards selbst (lacht).