Rock-, Pop- und Szene-News und mehr....
Interview The Church:
Marty Wilson-Piper
"Under the Milky Way" war ihr großer Hit vor knapp 15 Jahren, das dazugehörige Album "Starfish" machte die Australier plötzlich in aller Welt bekannt. Leider war dieser große Erfolg nicht von langer Dauer, bereits das Nachfolge-Album, "Gold Afternoon Fix" verkaufte schon nur noch einen Bruchteil der Stückzahlen von "Starfish". Nur die wenigsten wissen, dass es bereits vorher einige interessante Alben in der Geschichte der Band gab. Und es schien sie auch nicht zu interessieren, dass es auch in der Folgezeit fantastische Songs und Alben gab. Wie zum, Beispiel ihr neuestes Werk, "After Everything Now This". Der beste Grund, sich mit Gitarrist Marty Wilson-Piper zu treffen, und ihn über den aktuellen Stand zu befragen. Zum Beispiel, was er über das Album denkt...
Eine weitere Scheibe melancholischer Schönheit von The Church, die nie enttäuschen.
Aha! Große Töne...
Ich denke, wir können uns auf die melancholische Schönheit konzentrieren, nicht auf das nie enttäuschen. Ich denke, man darf das neue Album getrost zu den besten Werken der Band zählen.
Ja, ich denke, ich könnte Dir da zustimmen. Gab es
frühere Alben, die so wunderbar alle Stärken der Band zur Geltung kommen ließ?
Ich weiß nicht, sag Du es mir. Vielleicht ist es ja auch das beste Church Album, aber das ist nicht unbedingt, was ich dazu sagen würde. Ich meine, ich würde ja auch nicht sagen, dies ist das beste Kind, das ich geboren habe. Klingt einfach nicht richtig für mich.
Nun, an einem Album hast Du mehr Möglichkeiten, an seinem
Gelingen beizutragen, als an einem Kind...
ja aber bei diesem Album konnte ich auch nicht mehr machen, als ich bei allen anderen gemacht habe.
Ok, dann kommen wir zur melancholischen Seite - viel von
der Melancholie kommt durch Steve Kilbey´s Stimme - seid Ihr trotzdem alle eher
die melancholischen Menschen?
Eins der Stücke singe ich - weiß Du welches?
Nein. Ich bin überrascht!
Na siehste, das beantwortet doch die Frage.
Trotzdem ist The Church doch eine Rock Band, oder?
Klar. Es ist ja auch nicht wichtig, welche Art von Person Du bist, alles was wichtig ist, ist, was dabei herauskommt, wen eine bestimmte Gruppe von Leuten zusammen kommt. The Church machen diese Art von Musik, wenn wir zusammen kommen, und es ist das Resultat all unserer Einflüsse und Persönlichkeiten.
Schränkt Euch das denn ein? Ich meine, kommt ihr zusammen
und sagt, wir sind The Church, also machen wir diese Art von Musik?
Nein, absolut nicht. Es ist einfach das, was dabei heraus kommt. Ich meine, das war doch das Problem der letzten Platte von Pink Floyd. Es schien mir, als ob sie sich gesagt hätten ´lasst uns wie Pink Floyd klingen´ - und dadurch wurde es gequält. Sobald man anfängt, darüber nachzudenken, was jemand von einem erwartet, gerät man in Probleme. Ich meine, hör Dir die letzten Nick Cave Platten an - gräßlich! Er versucht nur noch so zu klingen, wie er glaubt, sein Image von ihm selbst wäre. Aber ich glaube, er weiß auch schon selber nicht mehr, wie er da raus kommen sollte.
Habt Ihr versucht, Euch weiter zu entwickeln, Eueren Stil
zu verändern über die Jahre?
Natürlich, wie hätten wir sonst gute Platten produzieren sollen?
Nun, das ist das Songwriting, nicht der Stil.
Nein, es ist mehr als das Songwriting, es ist alles. Die Produktion, wie es aufgenommen wurde, was die Songs versuchen zu sein.
Ja, aber das ändert sich automatisch über die Jahre,
allein mit der fortschreitenden Technik. Das ändert nichts am Stil.
Aber Du sagst doch selber, das neue Album ist eins unserer besten Alben - aber wir haben uns nicht weiterentwickelt? Das widerspricht sich doch.
Für mich nicht. Für mich hat das, wie gesagt, mit dem
Songwriting zu tun. Manchmal schafft man es, eine Sammlung brillanter Songs zu
komponieren, manchmal bleibt es beim Mittelmaß. Würdest Du denn sagen, dass
sich Euer Stil verändert hat?
Ich denke, zwischen der ersten und der neuen Platte ist ein großer Unterschied.
Und worin besteht der?
Steves Sing-Stil hat sich geändert, die Texte sind andere geworden, es ist viel melancholischer und schöner geworden, ich meine, am Anfang waren wir viel rockiger, die Produktion hat sich geändert, es hat sich in vielen Ebenen geändert.
Andererseits, ihr seid mittlerweile über zwanzig Jahre
dabei - da kommen solche kleinere Veränderungen automatisch. Aber wenn man
einzelne Songs aus verschiedenen Phasen der Band nimmt, hätten die auch auf
jeweils anderen Alben sein können, oder?
Ja, aber wir sind ja auch in all der Zeit dieselben fünf Leute geblieben, die versucht haben, ihren Traum zu verwirklichen.
Themawechsel. Du konntest mir ja anfangs schon zustimmen,
dass The Church immer noch eine Rock Band sind - dafür ist das neue Album aber
sehr ruhig. Wird es auch live in der Art bleiben.
Meinst Du es könnte zu ruhig werden? Wir planen nicht so exakt, was wir machen, es hängt davon ab, wie der Wind bläst. Ich denke, wenn etwas gut ist, hängt es nicht von der Geschwindigkeit oder von der Lautstärke ab. Es muss auch nicht immer der perfekte Mix aus langsamen oder schnellen Stücken sein. Klar sind The Church eine Rockband, denke ich zumindest, aber The Church sind, was auch immer in der Nacht passiert. The Church sind diese Platte, aber auch die letzte Platte und die davor. Ich brauche das nicht zu kategorisieren. Und wenn die Leute es mögen, dann fein. Ich meine, im Moment wissen wir ja eh noch nicht, wie und in welchem Umfang wir in Europa touren, sagen wir mal es hängt von den Rehearsals ab.
Wie wichtig ist eigentlich der deutsche Markt für Euch?
Deutschland ist ein großer Markt für Albumverkäufe, aber der größte Teil, der da verkauft wird, ist Müll. Ich meine, Chris deBurgh ist bei Euch erfolgreich, das sagt doch schon alles, oder? Ich denke, das Problem für Bands wie The Church ist, genauso wie All About Eve, die andere Band in der ich seit Jahren spiele, es gäbe bestimmt viele Interessenten für diese Musik, aber man erreicht sie nicht. Weil das Radio formatiert ist, und man von Bands mit Musikern in den Vierzigern nichts mehr wissen will. Außer sie sind bereits Superstars wie Chris deBurgh. Interessante Musik zählt nicht mehr viel im großen Musikbusiness. Ich meine, "Starfish" war bestimmt nicht unser bestes Album, aber es hatte diesen Hit drauf, deshalb haben die Leute es gekauft. So einfach ist das. Und das war sogar noch zu einer Zeit, als die Massenmedien weit weniger formatiert waren.
Was war denn eins der besten Alben, Deiner Meinung nach?
Ich glaube, "Priest - Aura" war ein Meisterstück. Und, ja, vielleicht auch das neue Album. Aber wir wissen mittlerweile, dass es darum gar nicht mehr geht. Wie Oscar wilde sagt, ´jede Form von Kunst ist wertlos. Der einzige Grund, sie zu veröffentlichen, ist, sie selbst zu bewundern´. Und das ist, was wir machen, wir lieben das was wir machen. Und wenn es Menschen gibt, die sich ebenfalls daran erfreuen können, fein! Herzlich willkommen!