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Unser ehemaliger
Eurovision-Vertreter ist immer wieder für eine Überraschung gut. Sein neuester
Streich: HipHop Tracks als Soul Musik zu covern. In bemerkenswerter Akribie und
mithilfe zahlloser Gespräche und Beratungen entstand dabei zunächst mal ein
Überblick über die Vielfalt des HipHop. In seiner aufwändigen Umsetzung gibt
Mutzke zudem so etwas wie die Enzyklopädie des Soul! Alle verschiedenen Farben
sollten vertreten sein. Entsprechend heißt das Album „Colours“. Und wenn man
ihn darüber sprechen lässt, spürt man die eigene Begeisterung über das
erreichte. Am Montag, 4. Februar ist er damit in der Kulturetage.
Was war die Idee?
Es ging um zweierlei. Wir wollten Hip Hop Songs zu ihrem
Ursprung zurückführen, aus dem sie ja eigentlich mal erwachsen sind, dem Soul
nämlich, und den wollten wir möglichst umfassend darstellen. Und wir wollten
Soulmusik mit all seinen Farben genauso aufnehmen, wie die alten Kerle das auch
gemacht haben – analog und in einem warmen, fetten Sound, ohne digitale Hilfe
und copy&paste.
Dein Name steht auf dem Cover – also ist die Songauswahl auch von dir?
Leider nein, weil ich eigentlich nie HipHop Spezialist war. Aber wir haben in
dem Jahr, in dem wir daran gearbeitet haben, mit so vielen Leuten zusammen
gearbeitet und uns so intensiv damit beschäftigt, dass ich mich mittlerweile
zum Fachmann geworden bin. Die Auswahl hatte bestimmte Vorgaben. Es musste z.B.
eine Hookline haben, die man wiedererkennt – und das nicht nur unbedingt
musikalisch, sondern auch vom Text. Teilweise haben wir ja fast nur den Refrain
benutzt. Außerdem wollten wir viele verschiedene – alte und neue, bekannte und
unbekannte.
D.h. es war auch nicht originär deine Idee?
Ich hatte
ein Meeting mit meinem Team – Management, Label und so – und wir sprachen
darüber was wir als nächstes machen wollten. Wir waren eigentlich schon am
Ende, zogen uns die Jacken an, als einer sagte, wenn wir das durch haben,
könnten wir auch mal ein Album mit alten HipHop Tracks machen – und innerhalb
von 3 Minuten hatten wir so viele gute Ideen dazu und was es für geile alte
Sachen gab, dass ich schon auf dem Weg nach Hause die ursprüngliche Idee wieder
verworfen habe, weil ich merkte, wie viel Kreativität das plötzlich in uns
freigesetzt hat und was man da Spannendes draus machen könnte. Also hab ich bei
meinen Jungs angerufen und sie davon überzeugt, dass das sofort umgesetzt
werden sollte.
Aber sind es neue
Farben - oder sind es Songs, die du in deinen Soundkosmos einverleibt hast? Der
Opener „Augenbling“ ist doch eigentlich nichts anderes als deine Version von „I
can´t wait until tonight“ auf deinem „Live“-Album, oder?
Absolut, gut beobachtet! Aber du musst natürlich sehen, dass
das auch schon eine Adaption von Al Greens „Let stay together“ und dieser
smoothen Art. Wir hatten „Augenbling“ anfangs in einer James Brown-Version,
dachten aber, dass uns das zu nah am Original ist. Und als wir da nicht weiter
kamen, habe ich genau den Satz gesagt: Wir hatten auf dem Live-Album mal diese
Al Green-Version, aber wir haben das nur mit einer eigenen Version gemacht und
auch noch nie auf einem Studioalbum festgehalten. Live-Alben sind ja keine
richtigen Alben, aber ich wollte so einen Soul auch auf diesem Album. Denn damit
schließt sich ja der Kreis für dieses Album. Die Idee war ja nicht der Idee,
Hip Hop zu machen, sondern ein Album, das produziert war wie in den 60ern,
70ern. Ein Album mit dem Sound, den es heute eigentlich gar nicht mehr so gibt.
Und als wir schließlich dieses Studio von Torsten Eichen entdeckten, war uns
klar, dass das möglich war. Das Studio sieht aus wie ein Wohnzimmer und Torsten
will explizit nur analog aufnehmen – perfekt!
Also ein Beispiel für
einen Sound, der offensichtlich nicht neu für dich ist. Inwieweit sind die
anderen Farben also neu?
Fast alle. Und nicht einmal die gab es auf einer
Studioplatte. Grandmaster Flash spielen wir als Otis Redding-Version. Hatten
wir noch nie. Oder „Off the Ground“ mit dem Harpspieler Gregoire Maret aus New
York: Ich hatte noch nie so einen Song, der so nach Stevie Wonder. Das sind
total neue Seiten. Und das liegt natürlich auch an der Detailverliebtheit der
Aufnahmen – wir waren ein ganzes Jahr im Studio, nicht durchgehend, aber immer
wieder. Das war ja schon absurd, wieviel Zeit wir damit verbracht haben.
Was für mich neu ist,
sind die Prince Parallelen.
Ja total! Prince und auch D´Angelo, der ja auch einen sehr
ähnlichen Sound hat – zwischen Prince, James Brown und Al Green. Soul ist ja
ein ganz weiter Begriff. Ray Charles, Otis Redding, Stevie Wonders, Bill
Withers, Marvin Gaye – das ist alles Soul, aber alles extrem unterschiedlich.
Wir wollten mit diesem Album aber auch diese verschiedenen Farben abdecken, da
ist es schon eine Art Konzeptalbum.
Hast du eine
Lieblingsfarbe?
Es ist im Prinzip die Prince-Seite: „Zu dir komm ich heim“
ist ja eins der beiden eigenen Songs auf dem Album und mein Lieblingssong, der
ist total Prince, auch mit dem Gitarrensolo. Was zurück geht auf meine Jugend –
ich war nie so für den Kommerz, als es also um die Frage Jacko oder Prince
ging, schlug mein Herz für Prince.
Bei manchen Song erkennt man nicht sofort, ob es ein Cover ist oder ein
eigener Song, entweder weil sie so komplett verändert wurden – musikalisch oder
textlich – oder aber weil es auch relativ unbekannte Sachen gibt – OK Kid zum
Beispiel.
Genau
richtig. Ich habe anfangs auch an Songs gedacht, die zu offensichtlich waren,
„Haus am See“ z.B., aber das wäre zu simpel gewesen. Außerdem wollten wir
einfach auch verschiedene Epochen abdecken. Ich wäre z.B. nie auf Grandmaster
Flash gekommen, aber das war damals wirklich etwas ganz Neues – auch wenn es
noch so rudimentär war. Und wenn man sich das anhört, weiß man, wo DJ Bobo
herkommt. Und ich fand z.B. Men in Black so gut, weil es im Original eigentlich
schon eine Neufassung von Patrice Rushens „Forget me not“ war. Will Smith hat
ja eigentlich nichts anderes gemacht, als auf ihren Backtrack zu rappen. Und
damit wollte ich zeigen, wie stark HipHopper inspiriert sind von geilen
Motown-Soul-Stax-Atlantics-Produktionen, weil die so warm aufgenommen sind.
HipHopper hatten gar keine Kohle, um groß ins Studio zu gehen, oder das
Knowhow, also haben sie die Musik und die Beats von James Brown und so
genommen, um sich darauf auszuleben – mehr brauchten die gar nicht.
Man hört deine Begeisterung – aber es klingt auch nach einem langen
Prozess!
Dieses Jahr
war wirklich ein Lebensabschnitt. Das war mit ganz vielen Entbehrungen
verbunden, mit ganz viel Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben, ganz viele
Fachleute – Musiker, die vom Fach kamen, Toningenieure, die sich mit diesem
Sound und diesem Equipment auskennen usw. Ich würde es jederzeit wieder so
machen, weil es einfach unglaublich viele neue Erfahrungen waren, die ich
sammeln konnte und die mich auch auf so vielfältige Weise weitergebracht haben.
Und wir
hätten das auch gar nicht machen können, wenn ich das nicht in erster Linie mit
meinem eigenen Team hätte machen können und wenn Torsten Eichen nicht so hinter
uns gestanden hätte – und so entgegen
gekommen wäre. Aber letztendlich darf man da keine Nutzen-Kosten-rechnung
aufmachen. Die Belohnung kommt, wenn jemand wie Radio-Guru Werner Reinke von
HR1 live on air gesagt hat: „Das ist für mich das wahnsinnigste Soul-Album, das
in den letzten 30 Jahren, vielleicht auch jemals so in Deutschland gemacht
wurde.“ Und da wusste ich, dass wir alles richtig gemacht haben. Das werden
vielleicht gar nicht so viele so wertschätzen können, aber einige wenige sind
es wert genug und für mich das geilste Album aller Zeiten.