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Die
Briten erschienen Mitte der 90er mit einer unwiderstehlichen Mischung aus
NuMetal, crunchiger Alternative Rock-Härte und eingängigen Melodien und konnten
sich mithilfe einiger Hits in der Rockwelt etablieren. 2001 war plötzlich
Schluss, die Mitglieder gingen ihrer eigenen Wege – bis 2009. Da erschein ihr
Best-of Album „Smashes and Trashes“ als Startpunkt eines zweiten Anlaufs. Nach
„Wonderlustre“ (2010) erschien nun „Black Traffic“ das zweite Album: Ein Werk,
das „best-of“-like die Stärken des Quartetts zusammenfasst. Ralf Koch sprach
mit Gitarrist Martin Kent (Ace).
Gibt es so etwas wie ein
verbindendes Element aller Skunk Anansie Alben?
Ja,
die Tatsache, dass sie alle sehr verschieden sind (lacht). Nein, natürlich
ist es dieselbe Band, die es schon immer
war und wir haben eine bestimmte Vorlieben und einen bestimmten Stil, aber wir
haben doch eine sehr kreative Art, damit umzugehen und unseren Sound zu
verändern und mit der Zeit zu gehen. Typisch ist für uns, dass wir wirklich ein
zeitgemäßes Album aufnehmen – das letzten Endes nach uns klingt. Und so hat
jedes Album seine spezielle Ausrichtung.
Ja, das würde ich vor allem
für die ersten drei Alben unterschreiben – bei den neuen beiden könnte ich das
jetzt nicht so sicher sagen.
Was
die Alben gemein haben, ist, dass wir versuchen, große Songs zu schreiben, die
schon richtig fett sind und mit guter Hookline, die aber trotzdem auch auf eine
Akustikgitarre wiedererkennbar sind, d.h. es geht wirklich um den Song. Neu
beim neuen Album ist die Art, wie wir vorgegangen sind. Beim letzten Album, das
ja insgesamt sehr geradlinig ist, haben wir die Songs vorab geschrieben und
arrangiert und sie mehr oder weniger live im Studio aufgenommen. Beim neuen
Album hatten wir die Songs noch gar nicht fertig, als wir uns Studio gegangen
sind, sondern haben sie erst dort zusammengeschraubt, jeden Song für sich,
bevor wir ihn aufgenommen und mehr oder weniger fertig gestellt haben. Dadurch
hat jeder Song für sich das bekommen, was er brauchte, dadurch haben wir sehr
viele verschiedene und sehr moderne Art von Elektronik u.a. Technik bekommen,
mehr als auf jedem früheren Album.
D.h. wenn Du die
Arbeitsweise vergleichst, meinst Du auch die erste Phase von Skunk Anansie?
Ja,
die Art von moderner Technik, die wir verwendet haben, wurde nie so kreativ
eingesetzt. Ich meine, generell sind wir immer auf kürzere Songs gegangen. Beim
„Post Organsmic Chill“-Album hatten wir ja auch schon eine ganze Menge
experimentiert und auch die Songs mehr jeden für sich behandelt.
Darauf wollte ich gerade
anspielen: In Eurer ersten Phase hattet Ihr Euch immer mehr zum Experimentellen
hin entwickelt, oder?
Ja,
das kann man so sagen.
Demgegenüber erscheinen mir
die neuen beiden Alben eher die Konzentration auf das wofür S.A. am meisten
stehen, man könnte auch sagen, was ihr am besten könnt, oder?
Ja,
ich weiß was du meinst. Es sind schon mehr die „Singles“-Songs. Aber das ist,
wo wir uns sehen und wo wir selbst auch stehen als Musiker. Es ist ein bisschen
so, dass wir sagen, das „progressive“ haben wir gemacht, jetzt mögen wir mehr
die poppigeren Sachen. Wir spielen immer noch gerne die alten Sachen, aber als
Songwriter haben wir uns weiterentwickelt.
Ich frage mich immer, wenn
Bands auseinandergehen, wieder zusammenkommen und dann so groß weitermachen –
was war dazwischen, mit den Songs, mit dem Songwriter-Spirit?
Viele
Songs gibt es da nicht, weil es diesen Spirit nur gibt, wenn wir als S.A.
zusammen sind. Ich meine, wir haben ja alle Alben gemacht in der Zwischenzeit,
und vielleicht konnte man hören, dass wir von S.A. kommen, aber sie klangen
trotzdem nicht wie S.A., diesen Sound – und auch diese Art von Songs – haben
wir nur, wenn wir alle zusammen sind. Deswegen sind auch alle Songs auf diesem
Album nagelneu, da gibt es keine Songs, die in der Schublade lagen.
Mit welcher Intention seid
ihr denn wieder zusammengekommen?
Als
wir eine Pause einlegten – wir haben ja nie gesagt, dass wir uns als Band
auflösen würden – wurde diese Pause irgendwie immer länger. Aber wir hatten einen
Vertrag über drei CDs und ein Best-of Album. Irgendwann rief uns der Manager an
und erinnerte uns an den Vertrag und meinte, wir sollten das Best-of in Angriff
nehmen, also mussten wir uns ja mal treffen, wie das aussehen sollte. Und als
wir alle in einem Raum saßen, sprudelten plötzlich die Ideen – für ein paar
neue Songs, eine Tournee und von da hat sich das weiterentwickelt. Als wir erst
einmal wieder zusammen im Proberaum standen, war uns allen schnell klar, dass
wir das wieder machen wollten. Wir hatten eh noch den ganzen Kram, dasselbe
Management, unsere Songs – alles, was eine Band braucht (lacht).
Hattet ihr denn so lange
keinen Kontakt?
Doch,
hatten wir. Wir haben uns ständig in irgendwelchen Projekten und
Zusammenarbeiten getroffen, haben uns auf Festivals getroffen und haben uns
auch immer gut verstanden. Aber nie alle zusammen, wir hatten unsere Projekte,
Skin hatte ihre Soloalben, Mark spielt bei Feeder, Richard mit Gary Moore usw.,
ich hatte meine Geschichten. Erst als wir zusammen in einem Raum waren, lachten
und Witze machten, wurde uns klar, dass wir das wollten.
Was ist heute anders als
früher?
Viele Sachen sind gleich, aber wir sind erfahrener, wir haben unser eigenes
Plattenlabel, wir machen mehr für uns selbst und können mehr selbst
entscheiden. Gleichzeitig sind wir uns auch bewusst, was wir wollen und
brauchen – und das beinhaltet auch die Pausen, die wir einlegen. Die hatten wir
früher nicht, da haben wir einfach immer weiter gemacht. Deswegen brauchten wir
auch „die große Pause“, um mal etwas für uns zu machen. Es gab keinen konkreten
Grund, oder Streit oder so. Deswegen war es auch so einfach, weiterzumachen.
Ihr hatten alle eure eigenen
Projekte – vorher und dazwischen; was ist mit denen jetzt? Nehmt ihr euch jetzt
einfach die Zeit dafür?
Die liegen auf Eis, es gibt keine Zeit dafür! S.A. ist sehr beschäftigt
(lacht). Entweder schreiben wir oder wir nehmen auf oder wir drehen ein Video
oder machen ein Web-Geschichte oder kümmern uns um das Label – also ist es ein
Full-time Job für uns alle. Und wenn es Zeit gibt, dann habe ich gerne auch mal
einen Tag frei und kümmere mich um Haus und Familie. Im Januar habe ich das
letzte Mal ein Album produziert!
Zurück zum Album: Hast Du
Lieblingslieder?
Ich
liebe „Hero“, das ist ein Klassiker, das hat diese Balladeske, die Dramatik,
die Streicher und so, aber ansonsten variiert das auch immer. „Sad Sad Sad“
macht sehr viel Spaß, „Break you“ ist der typische `hitter´, ich mag sie alle.
Und es kommt auch auf die Stimmung an. Ich höre sie gerade wieder öfter, damit
ich sie für die Tour drauf habe, und dann ist „Spit you out“ ein guter Song
fürs Auto, während „Hero“ und „Drowning“ die richtigen Songs für die U-Bahn
sind, weil sie mich runterholen in der Rushhour.
Wo
steht dieses Album für Dich – ist das neue Album immer das Beste?
ja, ich lebe vorzugsweise im Jetzt, deswegen ist das aktuelle Album immer das,
woran man gerade hängt. Und ich mag das neue Album, ich würde es unser „Achtung
Baby“ nennen, weil wir „Full Circle“ sozusagen da angekommen, wo wir herkommen
und die besten Elemente unseres Weges mit aufgenommen haben. Die Härte, die
Wurzeln, die Identität, aber auch das Moderne, das Zeitgemäße, alles, wofür wir
all die Jahre gearbeitet haben, kommt hier auf den Punkt.
Das würde ich dem Album
nicht Weise absprechen wollen – ich frage mich nur gerade: Ist das, wofür U2s
„Achtung Baby“ für dich steht?
Ich
hab U2 immer geliebt, und als das rauskam, schien es mir, als hätten sie ihre
neue Identität gefunden, modern, zeitgemäß…
…eben! Hat „Achtung Baby“
nicht vielmehr die große Veränderung eingeleitet von dem, wofür U2 vorher
standen?
Nein,
für mich war es eher die zeitgemäße Version von „Unforgettable Fire“ mit mehr
Studio-Effekten. Ja, es stimmt, es war schon der Beginn der großen Veränderung.
Und vielleicht ist dieses Album für uns ja auch der Punkt, an dem die großen
Veränderungen starten…
Das wäre meine nächste Frage
gewesen – was haben wir vom nächsten Album zu erwarten?
Oh,
wir werden uns mit Sicherheit weiterentwickeln und einmal mehr ein „ganz
anderes“ Album machen.
Nun, U2s nächstes Album war
„Discotheque“… ich hoffe, ihr geht nicht in der Richtung weiter…
Oh
ja (lacht)! Stimmt, das wäre wohl eine sehr überraschende Entwicklung für die
Band… nein, ich glaube, das muss niemand befürchten. Nein, ich denke, wir sind
uns sehr bewusst, was wir machen können und müssen. Und das ist auch der
Vorteil dessen, dass wir uns immer ein bisschen weiterentwickelt und verändert
haben, unsere Wurzeln immer schon zeitgmäß aufgepeppt haben, wir brauchen
diesen Befreiungsschlag gar nicht. Aber wenn wir davon gerade sprechen, auch
wenn das neue Album mein Lieblingsalbum ist, gleich danach kommt „Post Orgasmic
Chill“, weil ich glaube, dass das wirklich ein Album war, auf dem wir unseren
ganz eigenen Sound gefunden hatten. Wir hatten als Band etwas erreicht und das
war das Ergebnis davon, so sehe ich das.
Hast Du eigentlich noch in Erinnerung,
wie du Skin getroffen hast?
Absolut,
ja! Sie hat in meinem Club gespielt mit ihrer Band. Ich war DJ in meiner eigenen
Disko und empfahl ihr gerade den Hit einer damals noch unbekannten Band –
„Killing in the Name of“… Und seitdem haben wir uns öfter unterhalten. Aber sie
war schon in ihrer ersten Band so unglaublich präsent als Frontfrau. Wir sind
sehr glücklich, dass wir sie vorne haben, sie ist so unglaublich talentiert,
hat eine Aura, eine Wahnsinnsausstrahlung und Stimme – und sie hat Stil! So
viele positive Eigenschaften muss man erst einmal vereinen!