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Crowded House
Mit „Don’t dream it’s
over“ und „Weather with you“ waren sie die Chartbreaker in den späten
Achtzigern / frühen Neunzigern, haben einen Sound etabliert und definiert, der
sie jederzeit leicht wieder erkennbar machte. Aber das schien nicht, was Sänger
Neil Finn wollte – weshalb er 1996 die Band auflöste und solo weitermachte.
Erst gut zehn Jahre später fanden die Autralier wieder zusammen, konnte
vielerorts an alte Erfolge anknüpfen und die Marke Crowded House weiter
etablieren. Weshalb sie nun auch keine Bedenken haben, ihren Sound weiter zu
tragen – ohne sich an Traditionen festzuklammern. Ralf Koch sprach mit
Gründungsmitglied Nick Seymour genau einen Tag nach dem deutschen WM Auftakt in
Südafrika. Weshalb das Auftaktthema des Gesprächs vorprogrammiert war…
Hallo Nick, schön
dass Du noch mit mir sprechen magst – nach der Fußballnacht.
Ihr habt gewonnen, ne? Ich bin nicht so der Fußballfan, aber
ich habe es mitbekommen. Ja, ich hab’s sogar gesehen. Ich bin Australier, und
ich hätte ihnen gewünscht, dass sie weiter kommen. Aber Fußball ist in
Australien ist nicht gerade Volkssport, es kommt mehr von den Einwanderern.
Aber ich wünschte, es wäre populärer, denn Fußball ist Teil des globalen
Zeitgeistes und wenn Australien da mitmachen würde, wären sie weniger isoliert.
Ist Australien so
isoliert?
Ich habe es 1996 verlassen, weil ich die Isolation nicht
mehr ausgehalten habe. Es hat mich krank gemacht.
Kulturell oder wie
äußert sich diese Isolation?
Ich bin in einer sehr kreativen Familie aufgewachsen, bin in
jeder Hinsicht künstlerisch gefördert worden und hatte wirklich eine sehr
inspirierende Kindheit – in einem Land, in dem jeder Sportler glorifiziert wird
und Künstler kaum geachtet. Ich bin nach Irland ausgewandert, als ich begriffen
hatte, dass es meiner Heimat sehr ähnlich ist – mit dem Unterschied, dass es
nicht so sportverrückt ist und dass Kunst wirklich etwas bedeutet. Deshalb bin
ich dageblieben.
Was sind denn die
populären Sportarten in Australien?
Cricket. Rugby. Schwimmen. Und Leichtathletik. Aber am
meisten Rugby und Cricket. Aber es gibt auch nur sechs Länder, die Rugby
spielen…
Von Cricket sind es
wohl auch nicht mehr…
Siehst Du! Das ist, was ich isoliert nenne!
Kann man diese
Isolation auch auf die Musikszene beziehen?
Nun, es gibt schon eine Menge Bands, die es auch
international geschafft haben – v.a. in den 80ern, also sieht man, dass es
durchaus Kunst gibt, die für den Rest der Welt interessant ist. Auch wenn bei
manchen Bands vielen wahrscheinlich nicht mal bewusst ist, dass sie australisch
sind, wie bei The Go-Betweens, Nick Cave, Crowded House…
INXS bei 7:00
Was daran liegen
könnte, dass – um mal auf Euer neues Album zu kommen – ihr sehr international
klingt, oder?
Fein, das möchte ich nicht bestreiten. Ja, ich glaube, das
kann man so sagen, auch wenn ich das schwer selbst beurteilen kann, aber ich
denke, Crowded House 2010 ist die Summe aus unserer Erfahrungen und nachdem wir
schon eine Weile dabei sind, ist das auch eine Menge internationaler Erfahrung.
Und mit dem Alter ist man ja auch nicht mehr so sehr darauf aus, jemanden zu
provozieren…
Crowded House waren
für mich immer eine Referenzband – es gab viele Bands, die kamen und gingen,
die mich in bestimmten Momenten an Euren Sound erinnert haben – und es war
immer Euer Sound. Interessanterweise findet man gerade DEN auf dem neuen Album
am wenigsten!
Hmm, das ist interessant… (Pause)
Ich glaube, es liegt
an der Dominanz des Klaviers im Gegensatz zur Akustikgitarre in der
Vergangenheit.
Oh, das kann sein, ja. Ich glaube, wir haben ein paar der
traditionellen Soundwerte über Bord geworfen, als wir das Album produziert und
abgemischt haben. Mit dem Ergebnis, dass manche Songs gar keine Gitarre mehr
haben…
Was wir gemacht haben, war, dass wir beim Mischen immer
wieder verschiedene Spuren rausgenommen haben, um zu sehen, wie sehr wir die
Songs auf seine Essenz reduzieren könnten.
Die Songs waren also
ursprünglich mal größer?
Ich würde sagen: Komplizierter. Mit mehr verschiedenen
Parts. Mehr Elementen.
Und anders?
Vielleicht. Ein wenig. Die Herausforderung war, zu sehen,
was man alles weglassen kann, um überflüssige Störungen auszublenden. Dinge, die
von der Melodie und von den Texten ablenken. Wir haben gemerkt, dass nachdem
wir so lange an den Songs gearbeitet hatten, wir mehr in sie hineingepackt
hatten, als sie brauchten.
Crowded House die
Progressivrockband?
(lacht) Es gab zwei Songs mit wirklich ungewöhnlich Takten,
einer hatte einen 7/8-, einer einen 5/4-Takt, die klangen nach ProgRock für
mich. Wir mussten sie rausnehmen. Sie waren nicht schlecht, aber zu
kompliziert. Maßlos.
Ihr möchtet also
lieber nicht zu anspruchsvoll erscheinen?
Anspruch kann man auch in einfacheren Dingen ausdrücken. Ich
meine, das ist die Schönheit von Natur. Ich liebe Anspruch, aber man muss es
nicht durch komplizierte Musik sagen.
Wenn die Songs sich
im Mix so verändert haben, was war Euer Anspruch, als Ihr begonnen habt, das
Album zu schreiben?
Wir sind wie immer einfach zu viert zusammengekommen, und
haben versucht, etwas zu entwerfen, aus dem sich für uns eine Idee von einem
Gesamtbild ergibt, das wir am Ende malen könnten. Wir hatten also nicht vor,
dieses Mal ganz anders zu klingen oder genauso wie immer oder sonst wie. Wir
lassen es einfach passieren.
Allerdings habt ihr
neue Instrumente mit hinzugenommen, dafür die typischen Trademarks
rausgeschmissen – das ist ja schon ein neuer Ansatz, oder?
Ja, das stimmt, das ist wahr. Aber das sind Entscheidungen,
die den Sound betreffen. Man experimentiert hier und da und stellt dann fest,
wie man Dinge verändern kann.
Es gibt einen Song
über Amsterdam!
Ja, einer der wenigen Songs, die eine Geschichte erzählen.
Den hat Neil geschrieben, als er in Amsterdam war mit einem Freund. Und diese
Geschichte kann nur in einer Stadt wie Amsterdam spielen – ein Zentrum moderner
Dekadenz. Von Leuten die ausgehen bis ans Ende der Welt ziehen, um Dinge wie
Gewürze und Diamanten zu bekommen. Und gleichzeitig ist es eine Ballade, die in
den Kontext der Stadt gesetzt wurde, die ja in gewisser Hinsicht einzigartig
ist.
Obwohl es immer einen
Beigeschmack hat, wenn Sänger – oder Künstler allgemein – über Amsterdam singen
– mit der Drogenpolitik…
Und auch damit hat es etwas zu tun, mit Konsum. Dieser ganze
Luxustourismus – Kaffee, Tabak, Diamanten, Drogen, was Du willst, das kam und
kommt doch alles über Amsterdam. Es hat sich ja nicht groß geändert.
„Falling Dove“ ist
sehr beatelesk – es ist selten, dass Ihr das so deutlich macht, oder?
Ist das so? Es gibt keinen größeren Einfluss auf Crowded
House! Ich kenne eigentlich kaum eine Band, auf die sie kein Einfluss waren.
Ich habe mal einen Mann in Dublin getroffen, und er sagte „ich mochte die
Beatles nicht!“ (lacht laut und lange). Ich habe noch niemals in meinem Leben,
in 51 Jahren auf diesem Planeten jemanden so etwas sagen hören. Wie kann man
die Beatles nicht mögen? Und dann sagte er „ich kann eigentlich gar nicht
sagen, dass ich sie nicht mag; ich weiß nur nicht viel von ihnen.“ Und das hat
mich noch mehr umgehauen, denn wie kann man auf dieser Welt leben und nicht
viel über die Beatles wissen?
Letzte Frage: Wo ist
Tim Finn eigentlich jetzt?
Er war nur auf „Woodface“ wirklich richtiges Bandmitglied.
Sein Input wird oft überschätzt, weil „Woodface“ so erfolgreich war. Aber er
gehört nicht wirklich zum Kern von Crowded House – auch wenn Neill sein Bruder
ist und die beiden natürlich auch musikalisch viel verbindet. Aber es war
letzten Endes nur eine kurze Phase, in der er Einfluss auf die Band hatte. Und
die ist lange her – und heute kein Thema mehr.
Crowded House ist ja
im Prinzip eine Pop-Band – das neue Album aber eher ruhig. Ist das Teil einer
Entwicklung oder eigentlich gar nicht ungewöhnlich für Euch?
Ich denke, es ist wie unser 4. Album „Together Alone“, auf
dem wir vieles live aufgenommen haben und den Live-Sound festgehalten haben und
dieses Album ist dem sehr ähnlich, weil wir wirklich das aufgenommen haben, was
wir meinen, die Band ausmacht. Sehr organisch. Und das Pop zu nennen, greift
zumindest in textlicher Hinsicht etwas kurz. Aber ich würde das trotzdem nicht
abstreiten wollen.
Aber letzten Endes
ist das, was die Band ist und ausmacht?
Also im Moment ganz bestimmt. Wir sind erwachsen, wir sind
zufrieden, die Songs sind eine Weile auf Tournee gewachsen, dieses Album
reflektiert genau das. Und im Gegensatz zu unserem letzten Album, das als
Soloalbum von Neil und mir gestartet ist und erst letzten Endes eine Crowded
House-CD geworden ist, ist dies wirklich ein Band-Album.