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Wohnraumheld: Christoph
Stein Schneider - 2011
Mit Fury in The Slaughterhouse hat er (deutsche)
Musikgeschichte (mit-)geschrieben, seit 2002 spielt er auch in seinem Projekt Wohnraumhelden. Gemeinsam mit Fabian Schulz,
alias B-Man Mayor frönt er dabei einer Spielart, die mit Fury nur
entfernt etwas zu tun hat – oder vielleicht doch nicht? Im Mai erschien ihr
neues Album, im Juli kommen sie zum Wochenende an der Jade. Hier zieht Christoph
Stein Schneider Vergleiche, blickt zurück und in die Zukunft…
Ich höre, Du bist
sogar halber Wilhelmshavener…
Ja, ich hab da acht Jahre meines Lebens verbracht, d.h.
meine Eltern haben da gelebt und ich habe bis zu meinem 15. Lebensjahr da
verbracht. Sogar meine erste Band war in Wilhelmshaven: Killroy! Mit denen hab
ich das erste Mal im Pumpwerk gespielt.
Deswegen kommst Du so
gerne zurück!
Klar, auch mit den Wohnraumhelden haben wir schon im Bonny’s
Diner und Open Air beim Mittwoch am Pumpwerk gespielt. Naja, und mit Fury waren
wir ja auch mehrere Male dort – bei der FH Party, im Pumpwerk, in der
Stadthalle…
Und ihr kommt zurück:
Beim Wochenende an der Jahre spielt ihr zwei Tage hintereinander!
Ja, mit unserem mobilen Musikeinsatzkommando, unserer
dreirädrigen Ape, der wir noch eine Bühne davor gebaut haben. Damit spielen wir
ja viel und gerne.
Und zwischendurch
nehmt ihr neue Alben auf – so wie das neue. Hat Musik den Auftrag des
Entertainments?
Nicht nur. Aber ich finde immer, ich habe meinen Job gut erledigt, wenn die Leute fröhlicher
nach hause gehen, als sie gekommen sind. Natürlich kann man Musik unheimlich
viel sagen – über persönliche Emotionen und die Schlechtigkeit in der Welt,
aber für mich ist Musik eher ein Fluchtpunkt, mit dem man das Ganze auch
einfach mal einen Moment vergessen kann. Wenn ich sehe, dass das Publikum vor
der Bühne Spaß hat und tanzt und grinst, dann ist das das Schönste für mich.
Warst Du auch bei
Fury der Klamauk-Faktor?
Ja, ich nenne das ungern Klamauk – aber ja, Klamauk haben
wir auch gemacht, und ja, ich denke schon. Für mich ist es wichtig, dass ein
enger Kontakt zwischen Band auf und Publikum vor der Bühne entsteht, da muss
ich nicht vorne stehen als großer Zampano und die Menschen applaudieren. Man
kann auch wunderbar kommunizieren und sich auch sehr nahe sein, wenn man sich
nicht vom Namen her kennt.
Bei Fury war der
Spaß-Faktor jedenfalls nur ein kleiner Teil – hier ist es der hauptsächliche…
Da können wir uns auf jeden Fall drauf einigen. Musik ist so
vielfältig, dass es alles darf – und wir haben uns gesagt, mit den
Wohnraumhelden können wir eben alles machen – Balladen, Politik und eben auch
Klamauk.
Auf große Botschaften
verzichtet ihr dabei, oder?
Wir sind die Wohnraumhelden, wir sind im Namen der Göttin
der Musik unterwegs, wir glauben an eine bessere Welt und wir kämpfen für eine
bessere Welt – das ist unsere Botschaft.
Wer ist denn die
Göttin der Musik?
Ich glaube, dass jede Religion so individuell ist wie der
Fingerabdruck.
Religion? Ist Musik
deine Religion?
Sie hat auf jeden Fall viele religiöse Anteile für uns,
nicht umsonst war sie immer ein so wichtiger Teil von uns. Aber Religion im
religiösen Sinn meine ich damit nicht. Sobald etwas dogmatisch wird, ist es
nicht mehr mein Ding.
Und die kleinen
Botschaften?
Oft ist wichtiger, was zwischen den Zeilen steht wichtiger
als das, was gesungen wird. Ich möchte mich ja nicht hinstellen und die Welt
erklären. Ich stelle meine Sichtweise dar.
OK, nehmen wir ein
paar Texte. Über „Helden“ z.B. Wer sind denn eure Helden?
Dieser Text speziell ist allen allein erziehenden Müttern in
Linden, Hannover gewidmet. Wenn ich sehe, wie die ihre Kinder mit Minimalgeld
groß ziehen, ziehe ich meinen Hut. Und die Menschen in Ägypten und Libyen sind
Helden. Was die gerade durchmachen… Wahnsinn! Wenn ich das vergleiche mit dem,
was uns hier oft als Helden angepriesen wird…
Und die
„Waldorflehrerin“ – bist Du Waldorfschüler?
Nein, glüklicherweise nicht. Der Text ist von einem guten Freund von uns,
Bernd, der hat den geschrieben und uns gefragt, ob wir dazu nicht Musik
schreiben wollen.
Und über „Rock“ – wie
viel Rock ist denn in den Wohnraumhelden?
Oh, sehr viel! Es überrascht mich immer wieder, zu sehen,
wie viel Rock man mit zwei Akustikgitarren erzeugen kann. Wenn das Publikum
dann hoch kommt und anfängt mit Stagediving… das ist schon faszinierend, was da
geht.
Na hoffentlich fällt
die Ape da nicht um…
Nee, wir haben da vorne so einen Laufsteg drangebaut, so ne
Egonase, und die benutzt das Publikum als Stagedivingrampe. Kannst ja mal auf
youtube die „Tourbiene der Wohnraumhelden“ suchen.
Bei Fury waren das
dann früher die Pogotänzer – die fallen dafür jetzt weg, oder?
Ja. Jein. Das ist jeden Abend aufs Neue überraschend, was da
so passieren kann. Wir versuchen ja auch viel mit dem Publikum zu interagieren,
das macht es auch spannend für alle Beteiligten. Wir gehen auch absichtlich
ohne festes Programm auf die Bühne, weil jeder Abend ganz speziell ist und weil
immer wieder Dinge passieren, mit denen man nicht rechnen kann. Und da gab es
auch schon Abende, an denen Pogo getanzt wird – genauso wie Abende, in denen
alle sitzen geblieben sind.
Wo wären die
Wohnraumhelden denn ohne Fury – und den „Promifaktor“?
Ich denke, genau da, wo wir jetzt sind. Dafür sind die ja
schon unterschiedlich genug. Aber natürlich stimmt es auch, dass zumindest
meine Person durch Fury einen gewissen Bekanntheitsgrad hat.
Mit Fury seit ihr
durch die Welt gereist, das fällt wohl nun eher weg, oder?
Ja, aber das vermisse ich nicht. Die USA z.B. waren bestimmt
auch eine tolle Erfahrung, aber auch nicht unbedingt das beste Land, um es zu
betouren. Da halte ich es lieber ganz englisch mit „been there, done that“ –
das muss ich gar nicht noch mal haben. Ich bin gespannt auf das, und auch
völlig zufrieden und mit dem, was wir jetzt machen. Ich habe rund 2000 Konzerte
gespielt – vor 100.000 Leuten und jetzt auch schon mal vor fünf – aber es ist
etwas, was neu für mich ist, und deshalb macht es Spaß.
Und jetzt – so ohne
Fury – habt ihr ja auch die richtige Zeit dafür… oder was hält dich noch
beschäftigt?
Ich hab so ein paar andere Projekte, in denen ich spiele –
mit Zöller, z.B., dem Schlagzeuger von BAP, dann mit einem Reggaefreund, eine
Band, von der ich im Moment noch nichts erzählen kann… aber die Wohnraumhelden
sind schon meine Hauptbeschäftigung.
Wie lange gibt es
denn jetzt Fury nicht?
Moment…
Nee, nicht nach
hinten, sondern nach vorne gerechnet.
Ach so! Nee, da ist nichts, was mir jetzt fehlen würde… Es
war eine schöne Zeit, aber sonst…
Aber irgendwann
kommen doch alle zurück?
Deswegen sage ich auch nicht nie, aber momentan ist
definitiv nichts geplant und es fehlt mir auch nichts. Ich will keine
schmutzige Wäsche waschen, aber es war am Ende schon klar, dass Schluss ist.
Die Abschiedstour war auch richtig gut, aber mir war schon lange klar, dass es
nicht weitergehen würde als das. Wir haben das schön zu Ende gebracht, gehen
uns jetzt nicht aus dem Weg, aber es war richtig, so wie es war.