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Kevin James Labrie
Zum vierten Mal hat
sich der Dream Theater Sänger mit seinem Songwriting Partner Matt Guillory
zusammengetan und ein Dutzend Songs aufgenommen, die sich weiterhin deutlich
vom Sound seiner Stammband abhebt. Waren es auf ihren frühen Werken noch fast
Pop-orientierte Sounds, die den Unterschied ausmachten, sind es heute ganz
andere Extreme, in die der gebürtige Kanadier driftet.
Dass die
Veröffentlichung von „Static Impulse“ überschattet wird von den aktuellen
Entwicklungen im Dream Theater Lager war für ralf Koch nur ein weiterer Grund,
sich für ein Gespräch zu verabreden.
Das neue Album kann
man richtig progressiv nennen, oder?
Ja, wenn Du auf die neuen Elemente anspielst, klar, ist es
progressiv, aber ich nenne es gerne ein klassisches Metal-Album mit Abwechslung
drin.
Klar, aber ich meine
auch für dich ist es ja eine Weiterentwicklung – zB. was den Gesang angeht.
Ja, das stimmt. Matt und ich haben überlegt, was wir wollen,
wo wir stehen, was wir aussagen wollen, woran unser Herz hängt. Und wenn man es
genau nimmt, „Crucify“, der Opener unseres letzten Albums „Elements of
Persuasion“ war auch schon sehr hart, sehr metallisch und hat angedeutet, wo
wir hinwollten. Und diesen Weg wollten wir mit „Static Impulse“ weitergehen.
Und wir lieben diese Härte, wir sind beide Fans von Opeth, Meshuggah, Soilwork,
Katatonia, Therion, Darkane – und unser Drummer kommt von Darkane – und ich
verehre diese Musikalität im Death Metal – oder Melodic Metal, was unser Ansatz
ja auch eher ist – und das ist, was wir an dieser Stelle in unserer Karriere
aussagen wollten.
Trotzdem könnte ich
mir vorstellen, dass gerade Death Vocals zum Schwersten gehört, was man
Prog-Fans schmackhaft machen kann…
Ja, absolut. Das ist eine Beziehung zwischen Liebe und Hass
– viele lieben dass, wofür es steht, was es vom Charakter ausdrückt, aber sie
kommen nicht klar damit und können sich nicht dran gewöhnen. Für mich ist das
ein weiteres Instrument, eine Art, sich auszudrücken. Und ich liebe den
Kontrast zwischen Peters Schreien und meinem Gesang, ich denke, das ist, was
dieses Album so spannend macht.
Zumindest lassen die
Death Vocals Deine Stimme noch heller scheinen! Der Kontrast ist schon der
Hammer.
Danke, das war das Ziel. Wir wollten etwas kreieren, was
Dich gefangen nimmt, vom Anfang bis zum Ende.
Ihr hattet das
Stilelement ja schon auf dem letzten Dream Theater Album verwendet – gab es
Reaktionen darauf?
Ja, die gingen in dieselbe Richtung wie die Reaktionen auf
dieses Album. Sie fanden es spannend, aber mochten die Stimme nicht besonders.
Das war schon sehr kontrovers, aber ich höre auch immer wieder Stimmen, die
dann nach einer Weile die Death Vocals immer besser fanden, sich immer besser
hineingefunden haben und deshalb sehe ich das auch einfach als eine Tür, die
man ihnen öffnen muss. Zumindest wollten wir uns nicht aus irgendwelchen
Befürchtungen heraus in dieser Richtung beschneiden.
Hast Du es mal selber
ausprobiert?
Jein, nicht wirklich. Aus Spaß, ja, aber ich habe auch nicht
die Technik, die meine Stimme vor größeren Schäden bewahren würde, deswegen
überlasse ich das lieber denen, die das können.
Was war denn
überhaupt Deine Vergangenheit vor Dream Theater?
Ich war beeinflusst von den großen Stimmen des Rock –
Freddie Mercury, Steve Perry, Robert Plant, Ian Gillan, Steve Walsh, Rob
Halford – also die klassischen Hardrocksänger, bzw. ich nenne ja Led Zeppelin
auch gerne die erste Heavy Metal Band. Und dann war ich natürlich großer
Rush-Fan!
OK, also durchaus
eine große Bandbreite. Genauso wie Du ja auch schon eine Menge verschiedener
Sachen solo gemacht hast – angefangen mit Mullmuzzler. Das war ja schon fast
ein poppiger Ansatz, oder?
Ja, durchaus. Ich meine, auch „Static Impulse“ hat seine
Pop-Elemente – Songs wie „Euphoric“, „Over the Edge“, und sogar „I need you“
und „I tried“ – ich meine, auch wenn sie hart und aggressiv sind, sind sie in
der Basis radiokompatible Songs. Das ist eben der Ansatz, den Matt und ich
verfolgen – im Prinzip eingängige Songs zu schreiben.
Radiokompatibilität
ist dann doch eher relativ, denke ich – aber „Falling“ zB. vom ersten
Mullmuzzler-Album – da hatte ich mich schon gefragt, ob man das nicht als
single ausprobieren sollte.
Weißt Du, ich habe mich das gleiche gefragt. Genauso wie bei
„Slightly Out of Reach“ vom „Elements of Persuasion“ Album – und ich bin nicht
der Einzige, der so denkt.
Andererseits habt ihr
das ja auch mit DT ausprobiert – und letzten Endes klappt es ja eh nicht so,
wie man es plant, denn planen kann man’s eh nicht.
Right. Exactly. Und im Musikbusiness ist ohnehin alles
anders, als man es mal kannte – vom Radio ganz zu schweigen. Ich denke, wir
hatten auch auf jedem Dream Theater Album Songs, die ins Radio gepasst hätten.
Aber es stimmt schon, es lässt sich schwer planen.
Aber wenn wir schon davon reden: EMI Canada plant eine
Kampagne zu dem Song „Euphoric“ im Januar 2011, um den Song als Single für alle
Radiostationen hier in Kanada zu pushen. Mal sehen, was daraus wird.
Deine erste Alben
liefen unter dem Banner „Mullmuzzler“, der Name ist mittlerweile völlig
verschwunden – eine Reaktion auf den veränderten musikalischen Ansatz?
Nein, das waren in erster Linie rechtliche Gründe. Elektra /
Atlantic, bei denen wir mit DT waren, wollte nicht, dass ich etwas unter
eigenem Namen veröffentliche, also musste ich einen anderen Namen nehmen. Das
war beim zweiten Mullmuzzler Album schon aufgeweicht, das hieß ja schon James
LaBrie’s Mullmuzzler – und mittlerweile hat sich das alles geändert, Magna
Carta und InsideOut wollten gerne meinen Namen nutzen und Elektra hatte auch
nichts mehr dagegen.
Gleichzeitig muss ich allerdings sagen, dass dieser Name dem
Projekt eigentlich gar nicht gerecht wird, weil Matt Guillory und ich von
Anfang alles zusammen geschrieben haben, diese Band ist wirklich unsere
gemeinsame Band, wir schrieben die Texte zusammen, produzieren es zusammen – es
ist wirklich eine 50:50 Partnerschaft, und das von Anfang an. Ich nenne es
gerne die French Connection. Aber mein Name ist eben bekannter.
Wenn Du nun auf die
vier Alben siehst – ist das eine logische Weiterentwicklung?
Ja, absolut. Nicht nur dass die Songs immer besser werden,
wir werden besser als Writingteam, unsere Instrumentalisten werden immer besser
– und musikalisch ist im Prinzip jedes Album eine Reaktion auf den Vorgänger.
Wie gesagt, Dinge, die wir auf dem letzten Album angedacht haben, haben wir
dieses Mal weiterentwickelt.
Dein Soloprojekt war
auch eine Reaktion darauf, dass Du Dich bei Dream Theater nie richtig
einbringen konntest – wird sich das jetzt ändern?
Es wird sich bestimmt ändern, ja. Und ja, ich wollte zeigen,
dass ich nicht nur der Sänger bei DT bin, sondern auch ein Komponist und
Songwriter. Und ich wollte zeigen, woher ich komme, was mein Background ist,
was ich denke. Und es gibt Unterschiede genauso wie Parallelen zu DT, also wird
das immer ein eigenes Projekt bleiben. Und im Endeffekt sind DT und meine
Soloband zwei verschiedene Welten. Was sich bei DT wirklich ändern wird, wird
sich zeigen, wenn wir am neuen Album arbeiten.
Das wir wann sein?
Gibt es schon Ideen dafür?
Momentan planen wir, im Januar 2011 damit anzufangen.
Momentan steht nur das, Ideen werden erst dann gesammelt, na ja eben der ganze
Prozess.
Wenn wir schon dabei
sind: Wie überraschend kam denn Mikes Entscheidung? Ihr hattet alle keine Ahnung,
dass er die Band verlassen wollte?
Nein, nicht wirklich. Im Nachhinein könnte man denken, ah,
deswegen war dies und das so, er hatte sich vielleicht etwas distanziert, aber
er hat auch schon immer gern sein eigenes Ding gemacht, also ich glaube, es war
für alle der gleiche Schock. Aber um ehrlich zu sein, alles, was hätte gesagt
werden müssen, ist gesagt worden, keiner kann sich irgendwas vorwerfen. Aber
wir werden damit fertig werden, wir wünschen ihm das Beste und wie es
weitergeht, werden wir im Januar sehen. Aber um die Frage zu beantworten: Nein,
keiner von uns wusste etwas.
Es scheint, ihr habt
alle so euren kleinen Geheimnisse… ich meine, Du hattest Deins mit der
Lebensmittelvergiftung, die Deine Stimme über Jahre in Schach gehalten hat.
Ja, das stimmt. Ich meine, die Jungs wussten, was ich
durchgemacht habe – ich habe mich so heftig übergeben, dass Blut kam, und es
hätte wirklich so ernst werden können, dass ich nie wieder hätte singen dürfen
– oder können. Und es hat eine Weile gedauert, bis ich darüber hinweg war –
aber in den letzten vier Jahren kann ich sagen, dass ich keine Probleme mehr
damit hatte. Sie wussten, dass ich Probleme hatte, auch wenn sie nicht genau
wussten was abging, aber sie haben zu mir gehalten, und dafür bin ich ihnen sehr
dankbar. Aber ja, jeder hat eben so seine Probleme, seine Phasen, und lernt,
damit umzugehen.
Habt Ihr denn schon
Ersatz für Mike?
Wir hatten Auditions, ja, aber wir werden in den nächsten Wochen entscheiden,
wer es wird. Es war spannend, es wird sehr gut werden, und wir sind alle sehr
gespannt. Aber natürlich kann ich noch keine Namen nennen.
Gab es nie Zweifel,
dass es überhaupt weitergehen würde?
Um ehrlich zu sein, wir sind nicht in der luxuriösen
Situation, sagen zu können, ok, das war’s. Wir haben uns zusammengesetzt,
darüber gesprochen und wir waren uns alle einig, dass es noch sehr viel gibt,
was wir gemeinsam sagen wollen. Es gibt keinen Grund für ein Ende – oder auch
nur eine Pause.
Und die größte
Herausforderung? Nicht zu ändern?
Zumindest nur in einer positiven Art. Natürlich wird es anders werden, wenn ein
neues Mitglied dabei ist, aber warum sollte das ein Problem sein? Aber es wird
wohl kaum zu radikal sein – eher in einer Art und Weise, in der sich jeder wohl
fühlt – sowohl in der band als auch in der Fanbasis. Ich meine, es gibt die
DT-Signatur, daran sollten wir nichts ändern. Also wäre es vielleicht keine
gute Idee, plötzlich wie Tool zu klingen… obwohl, wenn ich drüber nachdenke, es
wäre eine gute Idee, wenn wir zumindest ein bisschen davon aufschnappen… ich
liebe Tool nämlich (lacht). Nein, wir werden bleiben, wer wir sind – und es
wird ein neues Album geben! Es wird ein neues Kapitel werden, so würde ich es
nennen. Und das Ziel ist, weiterhin relevant zu bleiben, zeitgemäß – und ich
glaube, das ist der Grundgedanke jeder Band.
Und letzten Endes war
er ja nur der Drummer…. just kidding!
Yeah! (lacht), ok. Aber das hast Du gesagt!
Wie würdest Du das
letzte DT Album kommentieren?
Ich liebe es. Ich denke, wir haben viel von unserer Vergangenheit
mit drin gehabt und doch einen ganz neuen Ansatz gebracht. Es war ein
exzellentes Album zu der Zeit.
Was mich am meisten
beeindruckt hat, war das Storytelling. Das war wirklich wunderbar. In „The
Count of Tuscanny“ z.B. – gab es dazu eigentlich einen wahren Hintergrund?
Jein. John (Petrucci) hatte eine Erfahrung in Italien, wo
ihn ein Weinbaron über seine Ländereien geführt hat und von seiner Geschichte
erzählt hat, und wie er Soldaten im Krieg versteckt hatte, und je nachdem wie
der Kampf ausging, konnte es auch schon mal passieren, dass sie auch in den
Weinfässern vergessen wurden, und da starben. Und wie er von diesem Erlebnis
erzählte, war schon spannend. Die beiden Besitzer waren durchaus gut erzogen,
sehr gebildet, und sie hatten sich einiges aufgebaut, aber sie waren trotzdem
sehr sonderliche Typen, und diese Erfahrung hat er umgeschrieben für den Song.
Ich finde, das ist ihm auf sehr poetische Weise gelungen.
Ok, abschließend noch
mal zum aktuellen James LaBrie Album. Gibt es eigentlich Pläne für eine
Live-Umsetzung?
Ich wollte sehr gerne damit auf Tour gehen, aber die
aktuelle DT Situation hat dieses Fenster erstmal geschlossen. Aber es ist
weiter in der Planung, mal sehen, wann wir dazu kommen.