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Threshold Interview /
Richard West
Ihr letztes Album
"Hypothetical" (2001) war für viele der Höhepunkt in ihrer Karriere.
Ein ausgewogenes Album, basierend auf einem stabilen Line-Up (zum ersten Mal in
ihrer Karriere) und abwechslungsreichen Kompositionen. Das neue Werk,
"Critical Mass" kann dem sogar noch einen drauf setzen, ergänzt es doch
die typischen Threshold Trademarks durch ein paar moderne Sounds. Ein
fantastisches Album, zu dem Keyboarder Rich West uns ein paar interessante und
auch überraschende Details verraten konnte.
Wir haben hart an dem Album gearbeitet, und ich denke, wir
haben alles übertroffen, was wir bisher mit Threshold gemacht haben. Dies ist
unser bestes Album! Was gar nicht so einfach war, denn nachdem wir
"Hypothetical" veröffentlicht haben, haben alle gesagt, das ist das
beste, und wir können das nicht mehr übertreffen. Als wir ins Studio gingen,
haben wir uns gesagt, wir wollen kein "Hypothetical Part 2", sondern
wir wollen etwas neues ausprobieren. Wir haben versucht, einfach alle Konzepte
und Regeln, die wir für "Hypothetical" aufgestellt hatten, zu
vergessen. Wir gingen ins Studio völlig ohne Prämissen, und so konnten wir
absolut nicht sagen, wie das Endergebnis aussehen würde. Was wir so noch nie
gemacht
haben, aber am Ende waren wir alle erleichtert, was heraus
gekommen ist.
Was waren die Regeln
für "Hypothetical"?
Nun, eigentlich begann alles mit "Clone", als wir
anfingen, alles so weit zurückzunehmen, bis wir einen einfachen, rohen
Threshold Sound hatten, der nach einer Band klang, die live in einem Studio
spielt ohne große Produktion. Im Endeffekt haben wir dann schon neue Konzepte
hinzugefügt, aber alles war sehr riff-orientiert und sehr traditionell
Threshold - innerhalb der Grenzen des Classic Rock. Wir hatten keine Angst vor
dem neuen Millenium, aber viele unser Wurzeln liegen nun mal in den 70ern und
80ern. Aber als wir am neuen Album arbeiteten, sagten wir uns einfach, lasst
uns alle Regeln vergessen, und sehen, was passiert. Das hat das Schreiben sehr
viel freier gemacht - und befreiender!
Hmm, was hat sich
denn Deiner Meinung nach geändert? Ich meine, so radikal anders ist das Album
ja nun auch nicht...
Nein, das wohl nicht. Stimmt, so wie ich das beschrieben
habe, klingt das, als wenn wir ein Dance-Album aufgenommen hätten... Ich denke,
was sich geändert hat, ist die Herangehensweise. Aber es gibt diese ruhigen
Momente, während wir früher oft gedacht haben, wir könnten nicht so lange
spielen, ohne heavy zu sein. Oder an Stellen, in denen wir einen Loop hier oder
ein Sample da verwendeten, hätten wir früher gesagt, nein, lass uns klassisch
bleiben. Aber das kümmert uns nicht mehr, und deshalb denke ich, klingt das
Album frischer, lebendiger und mit mehr Luft zum Atmen. Und es hat eine Menge
Türen für die Band für die Zukunft geöffnet. Früher waren wir uns nie sicher,
wie wir an das nächste Album herangehen sollten, aber nun haben wir eine Menge
neuer Felder geöffnet, und ich freue mich jetzt schon auf das nächste Album.
Gab es irgendwelche
besonderen Gründe, warum ihr Euch gerade dieses Mal auf diese Weise an das
Album getraut habt?
Ich denke, wir haben uns einfach in unserer Situation wohl
gefühlt. Nach all den Line-Up-Wechseln musste man immer beweisen, dass es
trotzdem weiter geht wie gewohnt. Aber dieses Mal kamen wir aus einem Moment
der Hochstimmung - nach einem tollen und erfolgreichen Album, nach unserer
besten Tour jemals - und wenn man selbstsicher an neue Sachen geht, dann traut
man sich einfach mehr zu.
Klingt logisch. Ja,
das dritte Album im selben Line-Up- bleibt das jetzt so?
Ich hoffe es. In der Vergangenheit hatten wir immer
Bandmitglieder, die irgendwelche anderen Pläne oder Verpflichtungen hatten,
aber jetzt sind wir alle sehr glücklich in der Band und was wir machen. Und wir
können andere Dinge machen, ohne der Band Threshold zu schaden. Wir haben die
selben Träume und Visionen für die Band. Man wird älter und weiser, und die
Egos bekämpfen sich nicht mehr. Wir sind wie eine Familie mittlerweile.
Mein erster Eindruck
von dem Album war, es ist weniger hart und melodischer - aber ist es das? Ich
meine, eigentlich gibt es immer noch die typischen Heavy-Passagen.
(lacht) Ich glaube, es gibt mehr atmosphärische Momente. Und
die Produktion ist anders. Früher war alles sehr gitarren-orientiert,
mittlerweile lassen die Gitarren dem Rest der Musik mehr Freiräume. Aber klar,
die Riffs knallen wie immer, ein Song wie "Fragmentation" ist absolut
typisch Threshold. Und wir haben noch immer zwei Gitarristen, und ich glaube
nicht, dass wir viel lighter geworden sind. Die Piano-Parts mögen mehr Raum
einnehmen, dadurch könnte es weicher klingen, aber ich glaube, das Album ist
einfach nur abwechslungsreicher. Was ich persönlich vorziehe! Und ich glaube,
das Ergebnis ist, dass dies Album sehr viel besser in einem durch zu hören ist
- es wird nie zu viel, nie zu wenig, es fließt einfach vom Anfang bis zum Ende.
Am Anfang Eurer
Karriere seid Ihr ja oft mit Dream Theater verglichen worden. Ihr habt zwar
sehr schnell beweisen, dass Ihr Eure eigene, eigenständige Sache durchzieht,
aber die Entwicklung JETZT ist ja der von DT wieder sehr ähnlich! Sie sind
ebenfalls dazu übergegangen, ihren Heavy-Sound durch experimentellere Sachen zu
ergänzen.
Ja, das mag stimmen. Ich denke, sie haben den selben Status
der Selbstsicherheit erreicht, wo man niemandem mehr etwas beweisen muss,
sondern einfach das machen kann, was man will. Ich meine, DT sind mehr im Jazz
und Fusion und im wahren Progressivrock zuhause, als Threshold, mehr auf der
instrumentellen Seite. Threshold haben sich mehr zu modernen Sounds bewegt, und
sich mehr auf Melodien und catchy Songs konzentriert.
Ich war nie der Meinung, dass wir sehr DT-ähnlich waren, wir
haben nur unser Debüt zur gleichen Zeit veröffentlicht wie sie ihr
erfolgreichstes "Images & Words". Und das hat usn automatisch zur
europäischen Antwort auf DT werden lassen, weil wir die Haupt-Bands des Genres
waren, aber wenn man genau hinhört, wird man sehr schnell die Unterschiede
heraushören.
Erzähl mir etwas über
die Songs, über das Konzept hinter den Texten.
Es ist kein Konzept-Album, aber es gibt zwei Haupt-Themen.
Alle Songs wurden von entweder John oder mir geschrieben, und wir haben beide
über das geschrieben, was uns in der Zeit bewegt haben. John hat sich sehr mit
religiösen und philosophischen Themen beschäftigt, so wie mit den
CELESTINE-Prophezeiungen, Texte über Reinkarnation und über die Idee einer
kleinen Gruppe von Menschen, die an einer Idee festhalten, die für sie zur
Philosophie wird, und mit der sie eine bestimmte Gruppe von Leuten erreichen,
die dann "The Critical Mass" genannt wird, du das wird damit zum
Kult, oder zur Religion oder zu einer Bewegung. Mein Ansatz war sehr anders.
Ich habe mich mit Ideen und Visionen beschäftigt, und wie wichtig es ist für
Menschen, seinen Träumen zu folgen. Ich meine, man kann sein ganzes Leben damit
verbringen, zuhause zu sitzen und davon zu träumen, was man gerne einmal machen
würde, aber man denkt, man hat nicht das Geld oder die Freiheit, es zu
verwirklichen. Und man denkt, vielleicht nächstes Jahr, aber im Endeffekt macht
man´s nie. Ich denke, jeder hat irgendeinen festen Traum, der sein Leben
komplett machen würde, aber die wenigsten Menschen gehen ihm nach. Meine Texte
handeln davon, zu versuchen, seine Träume zu verwirklichen. Denn das ist, was
ich gemacht habe. Ich hatte einen langweiligen Büro-Job, lebte in einem
verschmutzten Teil von England und hatte keine Zeit für meine Musik. Nun lebe
ich in der Tschechischen Republik, in einem wunderschönen Dorf, in einem
wunderschönen Land, ohne Verschmutzung, und ich habe alle Zeit der Welt, in
meinem Studio zu arbeiten. Klar ist es schwer, diesen Sprung zu wagen. Man muss
schon an seinen Traum glauben, aber ich kann es nur jedem empfehlen!
Du lebst in der
Tschechischen Republik?
Ja! Und es ist nicht grau und hässlich. Es ist sonnig und
toll, und hier leben wundervolle Menschen.
Wie kamst Du darauf?
Die Mutter meiner Frau ist Tschechin, also haben wir Wurzeln
hier. Und wir wollten raus aus London, einfach irgendwo hin, und so bot es sich
an. Und wir leben hier jetzt seit ein paar Monaten, und wir lieben es!
Süd-Böhmen - so I´m a true Bohemian now! Was für einen Musiker offensichtlich
sehr wichtig ist.
Ja, das ist, wo die
großen "Rhasodien" herkommen...
Absolut!
Ist es dann nicht
etwas schwierig, mit der Band zu arbeiten?
Ich denke, in einer normalen Band, ja. Aber Threshold waren
schon immer ganz anders. Wir kommen nur für Proben, Aufnahmen und zum Touren
zusammen. Und deshalb ist es egal, wo wir den Rest der Zeit sind. Und Mac,
unser Sänger lebt ja in Deutschland, und es hat sich herausgestellt, dass das
kein Problem ist. Vorher lebte ich eine Stunde von den anderen entfernt, jetzt
fahre ich 12 Stunden - no big deal.
Und ihr könnt von der
Musik leben?
Ja. Meine Frau, Farah West, ist auch Sängerin, und wir
wollten schon seit Jahren ein Album aufnehmen, aber in England ist man die
ganze Zeit damit beschäftigt, zu arbeiten, damit man Essen auf den Tisch
bekommt. Da hat man nach der ganzen Arbeit keine Zeit und keine Muße, sich noch
mit Musik zu beschäftigen. Und hier sind die Lebenshaltungskosten so viel
geringer, das Leben ist schön - und wir leben unseren Traum!
Ihr trefft Euch nur
zum Proben und zum Aufnahmen - das heißt, die Songs sind eigentlich fertig,
wenn Ihr euch trefft?
Wir sind einzelne Songwriter, und ich denke, es ist auch
sehr schwierig, mit mehreren Leuten zu schreiben. Ich kann das jedenfalls
nicht, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Ergebnis ein besseres
wäre. Ich schreibe den gesamten Song, nehme ihn auf und im Studio machen wir
nichts anderes mehr, als die einzelnen Spuren durch die Originalmusiker zu
ersetzen. Das gleiche gilt für Karl (Groom, Gitarre). Er schreibt den
kompletten Song und gibt ihn an Jon (Jeary, Bass), und der ergänzt seine Texte.
Deshalb ist es ja auch egal, wo wir wohnen. Und auf diese Weise habe ich
einfach mehr Zeit, mich mit Threshold zu beschäftigen. Und so haben wir es
schon immer gehalten, das scheint sich also bewährt zu haben.
Nick (Midson, Gitarre) und Mac (Andrew McDermott, Gesang)
schreiben auch Songs, aber Nick schreibt eher Song-Fragmente, die wir dann noch
in Songs versuchen einzufügen, und Mac schreibt eigentlich eher für sein
Soloalbum. Er hat Songs für das neue Album geschrieben, die sind auf der
Bonus-Disc gelandet. Aber das ist eigentlich nicht sein wirklicher Stil. Ich
habe Songs von seinem Soloalbum gehört, das sind wunderschöne Songs, aber es
sind eben keine Threshold Songs. Er schreibt die 3-Minuten AOR-Rocksongs. Ich
glaube, wenn er wollte, könnte er großartige Threshold Songs schreiben, weil er
den richtigen Sinn für Melodien hat, aber das hat er bisher einfach noch nicht
wirklich gemacht. Mal sehen.
Ich denke, das
einzige Album, das wirklich radikal anders war, war Euer zweites Album,
"Psychedelicatessen".
Ja, das war auch eine sehr neue Situation. "Wounded
Land" wurde über viele Jahre von Karl, Nick und John geschrieben, und nach
dem Erfolg musste plötzlich ein Nachfolger geschrieben werden. Dazu kam ein
neuer Sänger, ein neuer Drummer, und ich als neuer Songschreiber, keiner
wusste, was seine Rolle war, in welche Richtung man gehen sollte. Glynn (Morgan)
hat ein paar Songs geschrieben, ich habe einen geschrieben, ja, es war ein sehr
unterschiedliches Album. Aber ich mag es trotzdem. Es war aufregend.
Ich muss noch mal
kurz nachfragen... Ihr spielt die Songs nicht vorher durch, als Band meine ich,
bevor ihr sie aufnehmt? Oder nehmt Ihr nicht mal zusammen auf?
Nein. Haben wir auch noch nie. Ich habe mein Studio, Karl
hat seins, und die Basic Tracks sind fertig. Eigentlich haben wir das noch nie
jemandem erzählt, also ist das jetzt Top Secret... Wir tauschen im Endeffekt
nur die Tracks durch die Endaufnahmen (lacht). Ich meine, wir könnten uns
zusammen ins Studio stellen - um die Journalisten zufrieden zu stellen - aber
das würde die Aufnahmeart nicht ändern.
Aber wie kannst Du
dann von der Band als selbstbewusster sprechen nach der letzten Platte und Tour
- wenn Du im Endeffekt alleine im Studio sitzt und Dir sagst, hey, ich probier
jetzt mal was neues aus?
Nein, wir kommunizieren schon auch! Wir tauschen die Demos
aus, so dass jeder sie hört, und jeder seine Meinung sagen kann. Und wenn wir
im Studio aufnehmen, gibt jeder seine eigene Farbe zu dem Gesamtbild hinzu,
aber da Karl und ich die Alben auch produzieren, können wir uns sehr speziell
mit jedem einzelnen beschäftigen. Und wenn jemand eine Idee einbringen möchte,
dann sprechen sie ja mit uns als Komponisten der Songs, also entsteht da auch
eine Kommunikation. Aber mit 6 Leuten im Studio, das wäre doch nur Chaos! Einer
traut sich nicht, was zu sagen, ein anderer führt die Diskussion. So ist das
alles viel persönlicher.
Warst Du denn nie
zuvor in der Position, wo Du gesagt hast, lasst uns mehr experimentieren, aber
die anderen haben es einfach abgelehnt?
Ja, das gab es schon, wir hatten immer verschiedene
Strömungen in der Band. Aber zuletzt waren wir einfach relaxter und haben es
geschehen lassen. Und Karls Songs waren auch traditioneller als meine, und
seine klassische Herangehensweise haben abgefärbt auf meine Songs und mein
moderner Anspruch haben abgefärbt auf seine, und das Endresultat ist ein klassisches
Threshold Album mit einer Menge modernen Elementen darin. Ist doch wunderbar.
Das Ziel im Studio ist doch, ein homogenes Album zu schaffen. Und ich denke,
das haben wir geschafft!
Eine letzte Frage: Wo
seid Ihr in 10 Jahren?
Oh, ich hoffe, ich lebe meine Träume aus und kann sagen ich
bin glücklich. Musikalisch hoffe ich, dass wir weiterhin Threshold Alben
machen, denn das ist, was mir am meisten Spaß macht. Musik ist in meinem Blut
und ist mein Leben. Also hoffe, es wird so bleiben.
Und in 10 Jahren wird
es schließlich ein Dance-Album sein...
Oh nein, niemals. Ich liebe Rock und ich liebe Soul, aber
ich hasse Dance-Music!