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Seine ersten Erfolge feierte Russ
Ballard mit der Band Argent in den frühen Siebzigern, seit 1975 veröffentlicht
er Alben unter eigenem Namen. Noch viel erfolgreicher als seine Solokarriere
und die neun bislang veröffentlichten Solo-Alben waren allerdings die Songs,
die sich seit 30 Jahren in den Hitlisten tummeln, und von denen nicht selten
unbekannt ist, dass sie aus seiner Feder stammen. "God Gave
Rock’n’Roll To You", "So You Win Again", "Since You Been
Gone", "You Can Do Magic" – nicht wenige seiner Songs wurden
Welthits. Was ein Grund dafür sein mag, weshalb er sich mit seinen
eigenen Alben so viel Zeit lässt: "Book of Love" erschien nach einer Pause
von 11 Jahren! Ralf Koch im Gespräch mit dem Engländer.
Es gab mal so etwas
wie eine Solokarriere von Dir – würdest Du das immer noch so nennen?
Es ist schon verrückt, ich arbeite eigentlich jeden Tag im
Studio. Tatsache ist, dass ich dieses Album schon vor sieben Jahren machen
wollte. Ich wollte es als eine Art Konzeptalbum wie eine Reise durch
emotionales Wachstum machen, durch das wir als Menschen alle mit der zeit
gehen. Und in jedem Song wollte ich ein essentielles Statement dazu machen, das
zu meinem Leben passt genauso wie zum Leben des einzelnen Hörers. Und um die
passenden Themen zu finden, habe ich jede Menge Bücher gelesen, mich viel mit
der menschlichen Psyche befasst – und letzten Endes auch einfach mein Leben
genossen!
Und nebenbei gab es
ja auch noch Produktionen für andere Leute, oder?
Ja, auch, aber gar nicht mal so viel. Aber wie gesagt, ich
arbeite jeden Tag im Studio, spiele Klavier oder Keyboards, schreibe Songs –
das ist wie Meditation für mich. Und so staple ich Songs über Songs, die noch
nie jemand gehört hat. Viele sind fertig, manche landen auch schon in einem
frühen Stadium in der Ecke. Für mich ist es jedes Mal wieder eine wundervolle
Erfahrung, etwas in einer neuen Art zu sagen – und wenn mir das gelingt, dann
hatte ich einen guten Tag.
Es hat also einfach
so lange gedauert, bis Du genügend Songs hattest, mit denen du voll zufrieden
warst?
Sozusagen. Aber wie gesagt, ich habe viele verschiedene
andere Sachen gemacht. Ich schreibe auch viel mit meinem Sohn – er ist auch
Produzent, er hat z.B. die Top-10-Single für die Popstars Monrose geschrieben.
Außerdem hab ich gerade einen Song für Craig David geschrieben, hab ein paar
Songs mit Gary Barlowe gemacht. Ich habe so viele Vorlieben, ich liebe R'n'B,
auch wenn ich für mich selbst eher im Rock bleibe. Aber ich habe auch gerade
einen neuen Künstler, namens Brin Christopher, der sieht aus wie Elvis und
klingt wie Otis Redding, ein unglaublicher Kerl. Er ist erst 19 und wir
schreiben gerade ein Album zusammen. Und es ist gut, in verschiedenen Stilen zu
schreiben und mit verschiedenen Leuten zu arbeiten.
Nun, auf Deinem Album
"Book of Love" gibt es ja auch nicht nur Rock – das enthält ja
durchaus auch einige Pop-Elemente, oder?
Das stimmt, ja. Aber ich denke, die Texte sind sehr erwachsen.
Aber die Musik ist schon sehr eingängig – aber das ist die Art, wie ich
schreibe, ein Song braucht eine Hookline.
Kannst Du das Konzept
des Albums noch einmal weiter ausführen?
Die Idee ist, dass ich beobachte, wie wir durch's Leben
gehen. Ich meine, wir sind so intelligent beim Erfinden von neuen Sachen und
Technologien. Aber wenn es um das Zusammenleben von zwei Menschen geht, sind
wir so antiquiert wie vor 3000 Jahren. Wir töten uns mit den verschiedensten
Waffen. Und ich habe eine Menge Bücher gelesen über die Zersplitterung der
Seele, warum wir so stammeszugehörig
handeln, meine Religion, deine Religion, mein System gegen dein System, mein
Land gegen dein Land. Ich denke, Lehrer müssen so etwas schon mit Kindern in
der Schule behandeln. Es müsste mehr Philosophie gelehrt werden und wie wir
miteinander umgehen sollten.
Wobei die Frage wäre,
wann Kinder für so etwas aufnahmefähig wären.
Oh, da darf man Kinder nicht unterschätzen. Kinder lernen am
meisten durch Abkucken.
Eben, also was soll
da theoretischer Unterricht?
Nun, es ist seit Generationen verpasst worden, also müssen
wir irgendwo anfangen, wieder eine Ordnung rein zu bringen. Wir müssen lernen,
uns selbst zu kontrollieren, unser Gehirn zu benutzen, anstatt uns von falschen
Dingen leiten zu lassen. Wir müssen einen neuen weg finden. Was wir machen,
klappt einfach nicht, seit 3000 Jahre haben wir ständig irgendwelche Kriege –
wie lange soll das weiter gehen?
Naja, jedenfalls ist dieses Album über spirituelles Wachstum
und wie Mann und Frau besser zusammen leben können.
Und dieses Konzept
war so wichtig für Dich, dass es so lange gedauert hat, darüber zu schreiben?
Nein, wie gesagt, es war mehr als das. Ich habe mein Leben
als Musiker 'on the road' in rage gestellt, habe mich entschieden, mehr Zeit
mit meiner Familie zu verbringen. Aber es ging mir auch um die musikalische
Seite. Ich hätte 10 Alben in dieser Zeit veröffentlichen können, aber ich
wollte etwas sagen. Etwas aussagen. Es ging mir nicht darum, einfach ein Album
zu veröffentlichen. Daneben hatte ich noch mit ein paar privaten Problemen zu
kämpfen, was meine eigene Beziehung zu meiner Frau betrifft.
Nun gehst du auf
Tour, wirfst Dich also zurück ins Leben auf der Straße – wird die nächste Pause
dann wieder so lang?
Das Prinzip ändert sich nicht. Ich könnte nächstes Jahr ein
nächstes Album veröffentlichen, aber ich glaube, darum geht es mir nicht. Ich
würde auch gerne ein Blues-Album veröffentlichen. Und ein Piano-Album.
Die Tour musste im
Februar abgesagt werden, was war passiert?
Ich hatte eine Entzündung in der Hand, die ich erst
auskurieren musste. Ich konnte keine Gitarre spielen – aber ich konnte es
wieder auskurieren.
Deine erfolgreichsten
Songs waren die, die Du nur geschrieben hast, die aber im Endeffekt von anderen
Künstlern veröffentlicht wurden. In wieweit benutzt man dann seine besten Ideen
für sein eigenes Album – oder nur die zweitbesten? Denn immerhin ist ja auch nicht
gerade hilfreich, wenn ein Song schon von Dir selbst veröffentlicht ist, oder?
Ich würde sagen, 99% der Songs, die ich geschrieben habe,
habe ich für mich selbst geschrieben. Und viele davon habe ich auch zunächst
selbst veröffentlicht, bevor sie von anderen Bands zu Hits wurden. "Since
you've been gone" wurde dann ja auch erst von Head East
aufgenommen, bevor es ein Hit für Rainbow
wurde. Sogar "So you win again" hatte ich für mich geschrieben, als
die Plattenfirma mir riet, das lieber an eine schwarze Band abzugeben. Ich
wollte eigentlich ein R'n'B Album machen, aber CBS sagte mir, es würde nicht zu
mir passen, das wäre ein Hit für eine schwarze band. Naja, Hot Chocolate haben
das Beste draus gemacht.
Würdest Du einen Hit
auf Deinem Album haben wollen?
Ich mache mir keine Gedanken darüber – Musik von Leuten
meines Alters wird nicht im Radio gespielt. Aber ich würde mich freuen, wenn
mehr Leute von dem Album erfahren. Einfach, weil ich denke, dass das Album gut
ist, und dass die Leute die Chance bekommen sollten, sich darüber eine Meinung
zu bilden.
Eine weitere, sehr
erfolgreiche Zeit in Deiner Karriere war die Zeit mit Argent. In Zeiten
allgemeiner Reunions… wie steht es da bei Dir?
Ich habe vor ein paar Jahren eine Show in England mit ihnen
zusammen gespielt für einen guten Zweck. Und bei einer weiteren Tour habe ich
auch mal ihren erkrankten Gitarristen ersetzt. Wir haben da keine große
Reunion-Sache draus gemacht, es war einfach eine Menge Spaß, aber das muss
jetzt nicht ständig sein.
Außerdem gibt es das
Projekt RD Crusaders
Ja, das ist eine Band die Roger Daltrey u.a. mit Robert
Plant, Greg Lake ins Leben gerufen hat gespielt um
Geld für wohltätige Zwecke einzuspielen – mit fünf Shows haben wir drei
Millionen Pfund eingenommen! Und es werden noch ein paar weitere folgen.