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Interview 2015. Ein älteres Interview mit Darius Keeler ist HIER zu finden.
Vorsicht:
Suchtgefahr! Die Briten haben eine sehr eigene Mischung aus Elektronik, TripHop
und Rock gefunden. Sie vereinen Stile auf sehr eigene und auch auf jedes Mal
ganz neue Weise. Dass sie dabei Musikfans aus allen Lagern gleichsam begeistern
können, liegt an ihren nahezu hypnotischen Kompositionen, die mit oft stoischer
Ruhe und Gelassenheit Spannungsbögen ziehen, die in ihrer Art einzigartig sind.
Auf ihrem neuen Album haben sie den Electro-Anteil wieder etwas verstärkt,
starten sogar verhältnismäßig poppig, finden aber im Verlauf des Albums immer
wieder zu ihren typischen Trademarks zurück. Wir sprachen mit Sänger Pollard
Berrier.
Wir hatten noch
nicht das Vergnügen… um ehrlich zu sein, war ich sogar überrascht, dass nicht Danny
Griffiths oder Darius Keeler das Interview geben… sind Archive jetzt eine Band?
Nein, ich glaube, man kann es immer noch eher ein Kollektiv nennen. Darius und
Danny sind die Gründer und das Rückgrat der Band, Darius ist der Haupt-Produzent,
aber irgendwie hat jeder von uns Input. Sogar Maria schreibt mittlerweile.
Gleichzeitig sind wir alle frei, unsere eigenen Projekte nebenbei zu machen,
die Besetzung ändert sich immer mal ein wenig – und wir sind alle zufrieden mit
der Situation, wie sie ist.
Nicht zu viel Verantwortung
auf dem Einzelnen?
Hmm, doch wir sind alle verantwortlich, unser Bestes dazu
beizutragen. Aber ja, Darius hat die größte Verantwortung.
Hast Du andere
Projekte?
Ja, ich schreibe eine Menge Songs für andere Musiker.
Seit wann bringen
sich alle Musiker ins Songwriting ein bei Archive? Inwieweit hat sich das
geändert?
Ich bin für „Lights“ eingestiegen und habe bis zum
letzten Album 7 Songs geschrieben. Es passte, weil Craig die Band verlassen
hatte und der Platz für andere, sich einzubringen, wuchs mehr und mehr.
Mittlerweile ist das alles sehr viel ausgewogener. Jeder bringt sich
gleichwertig ein, auch der Gesang ist sehr viel besser verteilt. Gleichzeitig
kann man sagen, dass Darius, Danny, Dave (Penn) und ich der Kern der Band sind.
Wir heuern andere Musiker an für die Tour und sie sind alle Teil des
Kollektivs, aber der Kern sind wir.
Apropos Tour: Da
ihr mit Eurem letzten Album „Axiom“ nicht groß getourt seid, habt ihr ja sogar
zwei neue Veröffentlichungen aus einem Jahr, über die wir reden können.
Ja, wir schreiben ja immer Songs. Immer wenn wir nicht
auf Tour sind, gehen wir immer mal ins Studio, und schreiben neue Sachen,
nehmen Sachen auf. Und dass „Axiom“ so schnell ging, war eine glückliche
Fügung. Wir hatten ursprünglich einen Film zu „Controlling Crowds“ machen
wollen, aber es passte alles nicht, weder zeitlich noch finanziell oder
personell. Also überlegten wir das zu „Axiom“ noch einmal, nachdem das so
schnell ging. Und es stimmt, wir hatten im letzten Jahr nur einige wenige
Auftritte, die aber waren dafür umso spezieller. Beim Montreux Jazz Festival,
in Paris, im „Roundhouse“ – und so wurde das Album nur zu einer
Zwischenstation. Promoter brauchen ja in der Regel ein Jahr, um ein Album und
die Tour richtig aufzubauen, aber die Zeit hatten wir gar nicht vor, zu geben.
Für euch war es
aber in der Tat ein richtiges Album?
Oh ja, durchaus. Und es gibt einige, die sagen, es sei
das beste Album, das wir je gemacht haben. Und mit dem Filmprojekt ist es
darüber hinaus ein ganz besonderes Projekt geworden. Aber du hast Recht, wir
haben es nicht wie ein vollwertiges Album behandelt.
Das Album war ja
recht ruhig – mit den typischen Trademarks zwar, aber doch eigen. War das ein
logischer Schritt von „With Us Until You’re Dead“?
Ja klar, wir wollen uns immer weiterentwickeln. Und so
sehr wir versuchen, neue Dinge mit reinzunehmen, so sehr kann man die
Entwicklung zum neuen Album sehen. „With us…“ war eine Sammlung von
unglücklichen Liebesliedern, „Restriction“ ist mehr die Vision unseres Sounds,
die wir haben. Wir sind keine TripHop Band, wir sind keine Pop-, Prog-, oder
Rock-Band, wir haben unseren eigenen Sound, egal, wo uns die Leute hinpacken
wollen.
Es ist weniger
ruhig als „Axiom“, aber definitiv mehr Pop-orientiert, oder?
Es hat zunächst einmal nicht so viele lange Stücke wie
unsere früheren Alben, eher kurz und nett. Und „Feel It“ ist wahrscheinlich
einer der besten Radio-Popongs, den wir je geschrieben haben, aber wir haben es
nicht darauf angelegt, es ist einfach passiert. Es ist einer dieser Alben, für
die wir einfach ins Studio gegangen sind, und das gemacht haben, was wir in dem
Moment gefühlt haben. Und danach haben wir die Songs eher so gelassen, wie sie
waren, anstatt sie erneut zu überarbeiten. Ja, es ist nicht gerade Pop, den man
aus dem alltäglichen Radio kennt, aber für Archive ist es schon eher Pop, ja.
Vieles ist weniger
intensiv, als man es von Archiv gewohnt ist.
Vielleicht können auf diese Weise mehr Leute schnelleren
Zugang dazu finden. Die Songs sind leichter zugänglich. Archive haben in der
Regel eher Musik, die ein Zuhören abverlangt, trotzdem fürchte ich, ist das
immer noch nicht Pop, den wir im Radio hören werden. Dafür ist es noch zu sehr
Archive. Aber es würde mich nicht stören….
Ein Song wie
„Third quarter storm“ ist sehr „Axiom“-ähnlich – ist das die Verbindung der
beiden Alben?
Ja, warum nicht. Aber Verbindungen gibt es ja viele. Ich
meine, wir hatten schon immer auch sehr vordergründig poppige Songs – wie
„System insane“, „The empty bottle“ – nur normalerweise haben wir einen davon
auf dem Album, dieses Mal sind es ein paar mehr.
Archive starteten
als elektronische Band…
Ja! Dave und Darius standen anfangs eher auf Progressive
House, Jungle, Breakbeat und Bigbeat – ihre erste Band Genaside II wird auf
Wikipedia als Initialzündung für diese Musik geführt. Mit „Londinium“ begann
das Ganze mehr in Richtung Songwriting zu gehen und von da machten sie ihren
Weg.
Zunächst in eine
eher Rock-orientierte Richtung…
Ja, Craig war mehr der Rockgitarrist, und ich glaube,
Darius ist nach seinem Weggang ganz bewusst wieder davon abgewichen, weil er
mehr mit Orgeln experimentieren wollte. Auf „Controlling Crowds“ haben wir
schon viel mit analogen Samples gearbeitet, heute machen wir das fast nur noch.
Mit dem Moog klingt das einfach alles viel organischer und wärmer.
Also Elektronik
ja, aber nicht auf die technisch moderne Weise?
Nun, eine Menge Bands benutzen diese analogen Sounds. Sie
achten darauf, dass ihre Songs diese Wärme bekommen.
Aber Elektronik zu
benutzen ohne moderne Computertechnologie scheint ja zunächst mal ein Widerspruch,
oder?
Das stimmt, aber hör dir heutige Popmusik an, und ich
meine den Scheiß, der im Radio läuft, die Art, wie die Elektronik benutzen ist
doch auf die billigste Art und Weise – und alle machen das selbe damit. Die
Bands, die z.B. bei Mute oder Bleep oder Warp sind, die benutzen Elektronik auf
innovative Art und Weise, sie mischen analoge Sounds. Auch das Mastering ist
sehr entscheidend – und das ist, was wir eher versucht haben.
Trotzdem muss ich
gestehen, dass ich nicht so richtig glücklich bin mit der Reduktion der
Gitarren…
Dann musst du uns live sehen: Da haben wir immer noch
drei Gitarristen, was nicht notwendigerweise eine reine Rockshow ist, aber wir
möchten auf der Bühne anders klingen als auf den Aufnahmen und da ist auch eine
andere Energie auf der Bühne. Mit den Moogs und dem analogen Equipment hat sich
das auch eine ganze Ecke weiterentwickelt seit den früheren Tourneen. Es ist
sehr viel mehr live auf der Bühne.
Und indem ihr den
Axiom-Film vorab zeigt, supportet ihr euch sozusagen selbst?
Ja, wir wussten nicht, wie viele Leute den Film bis jetzt
gesehen haben, deswegen fanden wir diese Idee ganz gut. Und wir haben eh genug
Material, aus dem wir auswählen können, da können wir das „Axiom“-Album doch
auch auf diese Weise und damit ganz anders würdigen. Auf diese Weise wird es
einfach ein rundum angenehmer Abend mit Archive – vom Anfang bis zum Ende. Und
die Leute können selbst entscheiden, ob sie früh kommen und den Film sehen
wollen – ich meine richtig, in groß und in adäquater Lautstärke – oder doch nur
die Show.