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Riverside: All about
S.O.N.G.S.!
„Ich finde, wir sind als Band am stärksten, wenn wir mehr nach Pink Floyd oder frühen Porcupine Tree klingen“
Interview 2013. Ein älteres Interview mit Mariusz Duda gibt es hier.
Bemerkenswert, in welche
Richtung sich die Vorzeigeband des polnischen New Art-/Progressivrock
entwickelt hat, ohne sich selbst untreu zu werden. Waren die Extremausbrüche in
härtere Gefilde schon auf den vergangenen Alben immer mehr zurückgefahren
worden und kamen auf den Soloalben von Sänger Marius Duda schon gar nicht vor,
sucht man sie auch auf dem neuen Riverside-Album vergebens. Was nicht heißen
soll, dass Riverside 2013 nicht auch heavy sein können, nur extrem würde ich
das nicht mehr nennen wollen.
Melodik ist indes Trumpf in den neuen Songs, ohne in wirklich zu seichte
Gewässer abzudriften. Da geht Vieles eher ruhig und eindringlich zu, gibt es
verstärkt Pink Floyd-Querverweise und spielen die Polen mit Sounds und
Stimmungen. Frontmann Mariusz Duda gab mir bereitwillig Auskunft über die
Entstehungsweise und Hintergründe.
Das neue Album vollzieht einen kleinen
Richtungswechsel, oder?
Ich hoffe es. Ich meine
nicht, dass es komplett anders ist, als das was wir in der Vergangenheit
gemacht haben, aber der Fokus ist ein neuer, ein erwachsenerer. Wir haben uns
mehr auf Arrangements konzentriert anstatt nur auf die Kompositionen. Deswegen
hoffe ich, dass es der Beginn eines etwas professionelleren Ansatzes ist. Ich
meine nicht, das wir vorher unreif waren, aber auf diesem Album habe ich mich
auf Details konzentriert, von denen ich früher nicht einmal wusste, dass es die
gab.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel haben mir
meine Lunatic Soul Alben mehr Selbstbewusstsein gegeben und
Studio-Produktionsdetails offenbart, die ich jetzt nutzen konnte. Ja, es ist
auch insofern eine neue Richtung, als es eben nicht mehr nur um Songs geht,
sondern auch um Stimmungen und Details.
Hat das auch etwas mit Alter zu tun? Zum Beispiel gab
es gerade im Vocal-Bereich viel mehr Extreme früher…
Es gab Elemente, die für
mich zum Klischee wurden, das betrifft den Gesang, das betrifft auch die Metal-Elemente.
Heute konzentriere ich mich mehr auf Emotionen, öffne mich gerne neuen
Richtungen. Tatsache ist doch, dass wir nicht immer wieder dasselbe Album
aufnehmen können. Auch das hat vielleicht etwas mit Alter zu tun, vielleicht
mit Weisheit. Aber wenn man die Lautstärke herausnimmt, hört man auch mehr
Details. Also muss man sich mehr darauf konzentrieren.
Euer letzten Album war zwei Monate in den Charts – ich
denke, je weniger extrem man ist, desto mehr Leute kann man erreichen, oder?
Vielleicht. Aber die
Stärke von Riverside war schon immer, dass man uns nicht eindeutig zuordnen
konnte. Wir haben Prog-Fans, wir haben Metalfans und viele Fans die irgendwo
dazwischen sind – und das ist unser Vorteil Mit dem neuen Album können wir das
noch erweitern, ja. Sogar meine Ma sagte, dass wir endlich ein Album
aufgenommen haben, das sie hören kann.
Ich weiß nicht, ob das das größte Kompliment für eine
Rockband ist, aber ich kenne deine Mutter auch nicht.
Sie ist 56. In dem Alter darf man alles sagen. Aber sie
mochte unsere frühen Alben auch, aber es war ihr manchmal ein bisschen zu
heavy.
Auf „Anno Domini“ gab es schon keinen Extremgesang
mehr.
Ja das stimmt. Aber
musikalisch war es schon noch mehr die Richtung unserer frühen Alben. Da ist
das neue Album schon anders. „Anno Domini“ war auch noch mehr Prog – wie eben
auf den früheren Alben. Auf dem neuen Album gibt es die noch, aber am ehesten
im Longtrack „Escalator Shrine“, der am meisten nach den klassischen Riverside
klingt. Songs wie „Feel Like Falling“ oder „We Got Used To Us” repräsentieren
eher die neue, songorientiertere Seite. Ich finde, wir sind als Band am
stärksten, wenn wir mehr nach Pink Floyd oder frühen Porcupine Tree klingen,
anstatt nach Dream Theater. Wir sind keine technische Band, waren wir auch nie.
Wir kommen als Musikfans auch alle aus sehr verschiedenen Richtungen, und ich
hatte schon immer Probleme damit, bestimmte Klischees erfüllen zu müssen. Mir
ging es eigentlich schon immer v.a. um gute Melodien.
Ist das neue Album also ein neues Kapitel für Dich –
oder eine logische Weiterentwicklung?
Eine Weiterentwicklung.
Wir haben Erfahrungen gemacht, und auf denen basieren die neuen Songs. Ich habe
z.B. mehr über Drums gelernt, deswegen wollte ich mehr mit Grooves
experimentieren. Unsere frühen Alben basierten zumeist auf relativ simplen
Metal-Riffs, heute kombinieren wir anders, wechseln die Arrangements ab – und
das ist ein musikalischer Fortschritt. Mal sehen, ob wir schaffen, uns in die
Richtung weiterzuentwickeln, ich will das Kapitel „harte Musik“ gar nicht als
abgeschlossen sehen. Da kann noch viel passieren in der Zukunft.
Ehrlich gesagt dachte ich, deine Soloarbeit wäre deine
Alternativ-Output, jetzt zeigt sich, wie sehr sie Riverside beeinflusst hat,
oder?
Ja, das stimmt wohl. Wie
gesagt, ich habe viel gelernt dabei und wollte das auch mit Riverside umsetzen.
Und ich bin wirklich stolz auf das neue Album. Das soll nicht heißen, dass ich
mit den ersten Alben nicht zufrieden war, aber es gab immer gewisse Dinge, die
mich störten – musikalische wie äußere Umstände. Das Studio, die Deadline, das
Mastern, irgendwas war immer. Wir brauchten auch keinen Produzenten, weil ich
eine bestimmte Vision hatte und die Band sagte „OK, probier es aus“. Wir hatten
im Prinzip dann die Hilfe des Produzenten im Studio, aber ich hab Regie
geführt.
Gleichzeitig muss ich
aufpassen, dass Riverside eine andere Band sind und bleiben, deswegen muss es
auch die harten Elemente weiterhin geben.
Was haben die Jungs in der band denn überhaupt über
die Lunatic Soul Alben gesagt?
Ich glaube, sie mochten es.
Ihr habt nicht drüber gesprochen?
Nein, ich habe sie ihnen gegeben. Piotr, unser Drummer, mag das erste Album,
das sagte er mir mal. Nein, sie finden es ok, dass ich das mache. Sie haben
alle ihre eigenen Projekte, Piotr hat sein Label, z.B., und das stört Riverside
nicht.
Allerdings ist das letzte Riverside Album 4 Jahre alt…
Ja, aber das hing nicht
mit meiner Soloarbeit zusammen. Wir hätten die Pause auch ohne Lunatic Soul gemacht,
ich habe sie nur anders genutzt. Ich habe das Album eher zwischendurch
aufgenommen. Es waren 4 Jahre, ja, aber es gab genügend Aktivitäten zum letzten
Album, dann eine Pause, dann hatten wir unser 10-jähriges Jubiläum, das wir mit
einer EP gefeiert haben und irgendwann fingen die Arbeiten für das neue Album
an.
Die EP „Memories in my Head“ war eigentlich seltsam,
oder? Waren das alte Songs? Sie erschien z.B. nicht auf InsideOut.
Der Vertrag war gerade
ausgelaufen, und wir wollten etwas zu unserem Zehnjährigen machen im Stile
unserer ersten EP „Voices in my Head“ – was sich ja dann auch im Namen zeigte.
Jetzt sind wir zurück bei InsideOut.
Rückblickend hat die EP den Sound des neuen Albums
eingeleitet, oder?
Ja, vielleicht, ein
bisschen. Das neue Album ist weniger proggy, die EP war sehr Floyd-mäßig.
War das eigentlich ein Song oder drei in deinen Augen?
Für mich war es eine Story in drei Akten.
Ganz im Gegensatz zum neuen Album, auf dem es um Songs
geht… was schon im Titel angedeutet ist, oder?
Ja, ich wollte einen Titel mit 5 Buchstaben und die Art, wie das neue Album
geworden ist, drängte mir die Buchstaben S.O.N.G.S auf… da brauchte ich nur
noch einen Querbezug zu den Texten zu nehmen, dadurch entstand der Titel. Es
ist ein bisschen Spinnerei, ich gebe es zu, aber es machte Spaß.