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Im letzten Jahr haben sie sich beim Wochenende an der
Jade vorgestellt, jetzt kommen sie mit ihrem neuen Album zurück: „The Grand
Delusion“ ist das fünfte Album der Band. Und nach überraschend langer
Unterbrechung fahren sie ein paar Neuerungen auf, ohne am Grundgerüst ihres
Sounds dramatisch viel geändert zu haben. Im Gespräch mit Gitarrist Thomas
Zipner erfuhr ich die Zusammenhänge.
The Grand Delusion
– ich hoffe, das ist nicht auf eure Band bezogen?
Neenee, das ist eher ein bisschen auf die Welt bezogen.
Wir sind eigentlich keine politische Band im Sinne von politischen Aktivisten,
aber es fällt schwer, nicht in irgendeiner Weise auf das zu reagieren, was wir
auf der weltpolitischen Bühne so erleben. Brexit, Trump, Brasilien – ich hatte
eigentlich immer das Gefühl, die Welt wächst mehr zusammen, aber im Moment
scheint es einen sehr gegenteiligen Trend zu haben.
Was im Prinzip an
einzelnen liegt, oder?
Das stimmt. Und das Thema der Platte ist eben auch, dass
es diese verschiedenen Realitäten von Leuten gibt und dass es Mittel und
Methoden gibt, andere Leute gezielt zu beeinflussen – und es gleichzeitig zu
viele Menschen gibt, die das nicht ausreichend hinterfragen.
Auch wenn ihr den
Titel nicht auf die Band beziehen möchtet – seid ihr zufrieden mit dem, was ihr
bislang erreicht habt?
Im Großen & Ganzen schon. Ein Wunsch wäre,
international noch besser aufgestellt zu sein, ansonsten haben wir`s ziemlich gut.
Wir sind bei einem Label, bei dem wir tun und lassen können, was wir wollen,
uns redet niemand rein, wir haben eine sehr treue Fanbase, für die wir auch mal
fünf Jahre wegbleiben können, ohne dass wir neu anfangen müssen, wir sind eine
Band, die langsam gewachsen ist, ohne den Stress irgendeines Hypes erlebt haben
zu müssen, aber es ist völlig klar, mehr Leute würden uns nicht stören.
Fünf Jahre sind in
der Tat eine lange Zeit für euch – woran lag´s?
Das sind ganz verschiedene Gründe. Wir standen ein bisschen
vor dem Problem, dass wir nach uns vier Alben gefragt haben, was machen wir
denn als nächstes? Wir wollten uns auch nicht einfach nur wiederholen, sondern
auch etwas Neues probieren. Das hat erstmal ein wenig gedauert, uns darüber
klar zu werden, dann haben wir neue Sachen ausprobiert, z.B. dass wir zu
Christoph ins Studio gefahren sind zum Jammen, ohne großen Plan, einfach mal
ein paar Tage aufnehmen, was wir auf die Kette kriegen. Früher hatte Christoph
die meisten Ideen vorgearbeitet, dieses Mal hat die Band deutlich mehr
involviert war in den ganzen Prozess. Dahin zu kommen, hat eine Weile gedauert,
aber als wir über einen gewissen Punkt waren, lief es dann auch wieder total
gut. Hinzu kommt, dass sich auch privat Dinge geändert haben – Familie,
Prioritäten haben sich verschoben, während man früher eigentlich immer Zeit für
die Band hatte, kommen irgendwann auch andere Dinge dazu. Aber in der Summe
dieser Dinge sind wir einfach super zufrieden mit dem Ergebnis unserer Arbeit –
und ich denke, dass man damit rechnen muss, dass wir es ein wenig langsamer
angehen.
Ist also die
Herangehensweise auch der Grund für die musikalischen Neuerungen?
Ja, total. Wir waren uns aber auch einig dass wir vom
Härtegrad wieder ein wenig zulegen wollten, und wenn man sich schon darin einig ist, bestimmt das ja schon mal die
Zielrichtung. Aber es sind v.a. auch von mehr Leuten die Ideen eingeflossen,
und dann war die Art, gemeinsam zu komponieren letztendlich auch der leichtere Weg.
Es gab auch viele Ideen, die wir verworfen haben, aber die haben uns
letztendlich weiter gebracht in der Frage, wohin wir gemeinsam wollten.
Verworfen habt ihr
dann Sachen, die den früheren zu ähnlich waren?
Ganz klar, wir hatten die Vorgänger im Kopf, und haben
dann auch mal gute Ideen verworfen, weil wir das Gefühl hatten, dass wir das so
ähnlich schon mal auf Platte hatten. Aber durch den neuen Ansatz hatten wir
auch einen riesigen Haufen an Ideen. Und letztendlich sind wir so schlecht
vorbereitet wie noch nie ins Studio gegangen. Das klingt jetzt erstmal negativ,
war es aber überhaupt nicht. Wir haben früher einfach auch sehr, sehr lange an
den Sachen gearbeitet, weil wir relativ viel Zeit dafür hatten, und dann sind
wir ins Studio und die Sachen saßen schon ziemlich. Das war alles dieses Mal
ein bisschen anders, was letztendlich dazu geführt hat, dass die Songs noch
viel mehr ihre eigentliche Seele behalten haben. Man kann auch zu lange an
Songs arbeiten. Zu viel Perfektion kann auch schaden – wir reden ja von Musik!
Für mich ist diese Platte die, die mich emotional am meisten kickt.
Wobei ich ganz
ehrlich sagen muss, dass mich die Perfektion eures Debüts sehr nachhaltig
geflasht hat. Das ist auch gerade wegen der vielen Details so unglaublich
spannend immer noch. Abgesehen davon habt ihr ja von Anfang an einen Sound
gefunden, den ihr glücklicherweise auch noch nicht dramatisch geändert habt, den es so auch von
keiner anderen Band gibt, oder?
Ja, auch wenn es das Ergebnis aller unserer Einflüsse
war, war es immer unsere ganz eigene Mischung. ein bisschen Pop, ein bisschen
vertrackt, dann wieder Geprügel – aber eigentlich hatten wir damit auch immer
das Problem, dass wir für Pop zu sperrig waren, für Prog zu poppig, für die
Metalfans zu seicht, wir haben also nirgends reingepasst. Auch eine
Plattenfirma zu finden, war gar nicht so leicht. Die mochten, was wir machen,
wussten aber nicht, wie sie das verkaufen sollten, wo sie uns unterbringen
sollten. Und ich hatte immer die Hoffnung, wenn man das nur lange genug
durchzieht, wird ein Style draus und ein eigener Sound. Man muss das nur lange
genug durchziehen, dann merken die, man meint das ernst.
Das heißt, was man
in eurem Video zu „Antitype“ sieht, ist auch, wie das Album entstanden ist?
Oder ist das gestellt, weil man so einfach gar keine Alben mehr aufnimmt?
Eigentlich haben wir die letzten drei Alben schon so
aufgenommen. Aber das Video ist in der Tat auch erst im Nachhinein entstanden –
aber grundsätzlich sah das bei uns so aus. Wir gehen alle in einen Raum und
spielen. Erst zwei Tage Soundcheck, bis alles steht, dann nehmen wir ein paar
Takes pro Song aus und checken danach, was am besten klingt. Nur der Gesang wir
dann separat aufgenommen. Das macht einfach viel mehr Spaß, weil man eben
nichts künstlich produziert, sondern du spielst einen Song – und hast einen
Song! Und wenn man dann Stellen hat, wo sich die Dynamik ändert, muss sich auch
keiner was vorstellen, diese Dynamik ist da und ergibt den Charakter des Songs.
Was wir dieses Mal wirklich anders gemacht haben, ist, dass wir die Tempi
variieren. Wenn wir meinten, ein Refrain müsste ein bisschen schneller sein,
dann ist der auch schneller. Das sind nur Nuancen, das mag einem Drummer
auffallen, der ein Metronom verschluckt hat, sonst fällt das nicht so auf, aber
es tut der Lebendigkeit des Songs gut.
Du sagtest, man
wusste nicht, wo man euch unterbringen soll… ihr habt dann ja schon ein wenig
experimentiert mit dem Sound, oder?
Das war keine bewusste Entscheidung für mehr
Eingängigkeit, das Thema Radio haben wir für uns ohnehin abgeschrieben, das war
also keine Anbiederung deswegen, aber es waren schon Experimente, ja. Und die
gibt es ja auch auf dem neuen Album. „Linger“ empfinde ich eigentlich als
relativ poppige Nummer, auch wenn das Ende wieder der Radiokiller ist, aber das
ergibt sich alles natürlich.
Muss man das
abschreiben? Man muss das ja nur lange genug durchziehen, dann wird ein Style
draus – und dann haben sich auch immer mehr Leute dran gewöhnt, oder?
Sehr gerne, ja. Wir müssen uns ja glücklicherweise mit
der Frage nicht mehr auseinandersetzen. Auf welches Festival passt das, in
welches Magazin – diese Frage stellt sich gar nicht mehr. Das ist auch eine
Musik-Industrie-Denke, die sich das Publikum auch nicht stellt. Das ist auch
komplett bunt gemischt – mit dem gemeinsamen Nenner, dass es Leute sind, die
sich für Musik interessieren. Wir haben im Set einen Moment, wo ein Song ganz
langsam ausklingt und ein Moment der totalen Stille entsteht – und das Beste
ist, wenn, oder: Dass! dann wirklich keiner was sagt. Am Anfang war ich auch
unsicher, aber wir haben gelernt, dass das ein krass guter Moment mit
besonderer Spannung, bis der Applaus dann einsetzt.
„Shipwreck“
beendet das Album etwas überraschend… Zufall oder schon ein Hinweis auf
Zukünftiges?
Nee, das können wir schon mal ausschließen, weil das
können wir ja noch gar nicht sagen. Aber zugegeben fällt die Nummer etwas raus,
aber ohne Hintergedanken. Wir waren erst auch nicht sicher, ob wir die mit
drauf nehmen sollten, aber selbst wenn es etwas poppiger ist, ist der Song ja
nicht flach, von daher passt der schon gut dahin. Wir hatten auch erst Zweifel,
dass wir den Song überhaupt live spielen, aber das ist jetzt auch ein sehr
cooler Moment des Sets, auch wenn wir den Song nicht ganz ausspielen.
Ihr seid das Thema
Musik ja mit dem Studium an der Pop-Akademie Mannheim von Anfang an relativ
professionell angegangen – aber könnt ihr davon leben?
Nicht von der Band, aber wir alle sind in diversen
musikalischen Dingen involviert. Als Backing-Band, durch Songwriting,
Produzieren, Mo ist als Session-Schlagzeuger gefragt etc. Ursprünglich war die
Hoffnung schon, dass wir damit was starten können, mittlerweile ist es fast ein
Segen, dass wir davon nicht leben müssen, weil wir dadurch eben überhaupt
keinen kommerziellen Druck haben. Wir können machen was wir wollen, ohne das
und ohne uns verkaufen zu müssen. Wir haben den Luxus, dass die Leute zu
unseren Konzerten kommen, sonst wäre es etwas frustrierend, aber von der Band
leben müssen wir nicht. Das macht Spaß, ist ein Herzblut-Projekt und das ist
gut so. ich bin der einzige, der nebenbei noch etwas ganz Anderes mache, ich
programmiere gerne, aber das habe ich auch schon immer und gerne gemacht.
Ihr wart letztes
Jahr schon in Wilhelmshaven beim Wochenende an der Jade – hast du noch Erinnerungen
an den Auftritt?
Ja, ich hatte noch nie so eine Anfahrt zur Bühne direkt
am Deich. Aber es war verhältnismäßig leer – was, glaube ich, mit der
Zusammenstellung der Bands und mit dem kühlen Abend zu tun hatte…