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1992 erschien sie
auf der Bildfläche und verzauberte die Welt mit zwei Alben und einem Stapel
Hits, der sich bis heute als Perlen der Singer/Songwriterkunst gehalten haben.
Insofern – und auch in musikalischer Hinsicht, waren „Little Earthquakes“ und
„Under The Pink“ so ähnlich, dass sie nun gemeinsam remastered
wiederveröffentlicht wurden. Und nachdem die (Jagd auf die) B-Seiten zum Kult
um diese Alben dazu gehörten – zumal viele der Songs nur schweren Herzens nicht
auf dem Album waren – werden nun alle Songs gleichwertig auf jeweils einem
Doppelalbum zusammengefasst. Wir sprachen mit der US Amerikanerin.
Von Ralf Koch
Wo bist du,
zuhause?
Zuhause ist eigentlich ein ungewöhnliches Wort für mich…
ich bin im Studio in Cornwall.
Was wahrscheinlich
auch eine Art zuhause für dich ist, oder?
Ja, ein bisschen. Mein Haupt-zuhause ist aber in Florida.
Aber momentan produzieren wir „The Light Princess“ für Universal, deshalb bin
ich schon wieder eine ganze Weile im Studio zuhause. Aber wir sprechen hier
über die Reissues, oder?
Ja, wenn das ok
für Dich ist… war das Deine Idee? Oder die deiner Plattenfirma?
Das war die Idee von Warner Bros., was die beste Art ist,
weil sie schon dahinter stehen müssen – und sie besitzen die Master, deshalb
geht es auch gar nicht ohne. Aber sie wollten es und wir holten Jon Astley, mit
dem wir seit vielen Jahren jetzt zusammengearbeitet haben, und sind mit ihm
nicht nur das Album sondern auch die ganzen B-Seiten durchgegangen, damit wir
das Ganze komplett machen konnten.
Wie präsent waren
diese Songs für Dich nach dieser ganzen Zeit. Ursprünglich waren die Alben
schon einmal als Doppelalbum geplant, oder?
Das Ding ist, dass das B-Seiten-Ding damals ein sehr
gesunder Markt war, mit dem man noch eine ganze Menge anstellen konnte. Also
fanden die Fans die B-Seiten damals auch und wünschten sie sich, z.B. bei
Konzerten. Manche Leute nannten manche B-Seiten sogar als ihre Lieblingssongs.
Deswegen war es schon lange mein Wunsch, diese Songs auf einem Album
zusammenzubringen.
Gab es für Dich
auch Favoriten – oder ist es Dir damals gelungen, Deine Lieblingssongs auf das
Album zu bringen?
Ich musste keine rauslassen, keine Sorge. Und spätestens
jetzt, wenn sie alle auf dem Album versammelt sind, ist es sehr schwer für
mich, da einzelne herauszupicken. Wir haben versucht, sie alle gleich zu
behandeln. Manchmal sieht man Dinge heute auch aus einer anderen Perspektive –
eine Melodie, die Dich an eine bestimmte Situation erinnert, an die du gar
nicht mehr erinnert werden möchtest. Aber das lässt sich gar nicht mehr ändern.
Also ja, es gab Momente, in denen ich dachte, das sollten wir nicht mehr
machen, aber aus der Produzentensicht war mir völlig klar, dass das nicht ging.
Es sind bis zu 30
Songs auf den Doppelalben – sind das jetzt alle Songs?
Gute Frage. Es sind die Songs, die veröffentlicht werden
sollten, sagen wir es so. Es wird immer Songs geben, die es nicht aufs Album
schaffen, die am besten niemand hören sollte. Sie sind Teil des Prozesses im
Leben. Das ist in jeder Kunstform so. Und so ist auf diesen Alben, alles was
damals – 1990 bis 1992 – veröffentlicht wurde.
Es sind also auch
alle schon veröffentlicht worden?
In irgendeiner Form in irgendeinem Land, ja.
Damals war es ja
Teil des Kultes um deine Alben, dass man all diese B-Seiten sammeln musste… war
dir das bewusst, bzw. bekannt?
Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal, und wie gesagt, es war die Zeit damals,
in der man das machen konnte und daraus auch eine Art Politik machen konnte.
Andererseits wusste man auch nie, wie viele Hörer man mit diesen EP-ähnlichen
Dingern erreichen würde.
Jetzt werden beide
Alben gleichzeitig wiederveröffentlicht – was passend ist, weil sie schon
irgendwie zusammengehören, oder? Ich meine auch musikalisch waren sie nicht
unähnlich.
In gewisser Weise, ja. Sie sind sich am ähnlichsten, das
stimmt. Der Break kam erst nach „Under The Pink“ für „Boys For Pele“. Ja, in
gewisser Weise war „Under the Pink“ die Verlängerung von „Little Earthquakes“
und der Anfang meiner Solokarriere.
Du hast – biografisch
wie musikalisch – in den USA begonnen, der Durchbruch startete aber in England
– ist das der Grund, warum Du u.a. in England lebst?
Haha, ich weiß es nicht. Mein Mann ist Brite, das ist
eher der Grund. Aber ich bin auf zwei Kontinenten zuhause. Hier in England bin
ich auch im Studio, meine Tochter Tash geht in London zur Schule, aber der Rest
meiner Familie lebt in Florida – und ich fliege hin und her.
Dein letztes Album
war wieder eine Rückkehr zu deinen Wurzeln, oder? Zu den ruhigeren Songs.
Ich glaube, als Kreativer erforscht man immer wieder neue
Wege und probiert aber auch immer wieder alte Wege aus. Außerdem hat man
bestimmte Stile, die zu unterschiedlicher Zeit einfach immer mal wieder passend
erscheinen. Und je länger die Karriere ist, desto größer die Chance, dass man
sich wiederholt. Als Pianistin hat man da auch etwas engere Grenzen.
Wenn ich an Tori
Amos denke, habe ich das Bild von Dir am Klavier vor Augen – ist das Die Art,
wie Du komponierst?
Manchmal, ja. Es ist mein erstes Instrument, aber ich
brauche keine Klavier, um zu komponieren. Was ich brauche, ist die Muse, und
ich weiß nie, wann sie mir auf die Schulter klopft. Andere Songwriter werden
das bestätigen können, manchmal dauert es Monate, bis sie mal wieder
reinschaut, und man weiß nie, wann es passiert.
Du hast 15 Alben
veröffentlicht, hast ein Buch geschrieben, du bist eine Mutter – ist das das
perfekte Bild eines erfolgreichen Lebens?
Puh, gute Frage. Man muss Erfolg für sich selbst immer
wieder neu definieren. Als Künstler muss man immer nach vorne schauen. Für
diese beiden Alben musste ich mal wieder zurückblicken, aber trotzdem schaue
ich dabei nach vorne. Schließlich wollte ich sicherstellen, dass wir zwar die
alten Werte erhalten, aber mit der modernen Technologie sollten sie auch
heutigen Standards genügen. Sonst bräuchte man sie ja nicht zu remastern. Und
das ist ein gutes Beispiel für Erfolg. Man schaut immer auch zurück, aber auch
immer nach vorne.
Du erwähntest „The
Light Princess“, kannst du darüber noch mehr sagen?
Es ist ein Musical, das ich mit Samuel Adamson zusammen geschrieben habe. Das
Buch und die Texte sind von ihm, ich habe die Musik inklusive Texte
geschrieben, und es lief im National Theater in London. Und im Herbst kommt das
als Album dazu heraus. Wieder einmal ein ganz neues Projekt für mich.
Wow, das wäre
meine nächste Frage gewesen. Gibt es nach den erwähnten „Erfolgen“ noch andere
Dinge, die du gern ausprobieren würdest?
Das ist lustig – man kann es eigentlich gar nicht sagen,
oder? Ich auch nicht. Ich weiß es nicht. Es ist ein Mysterium. Kreativ sein ist
ein Mysterium. Man weiß nie, was man vermisst hat, bevor man es vor sich sieht,
und man es summt und man sich sagt, das muss ich ausprobieren. Und manchmal
klopft dir eine Geschichte auf die Schulter und sagt, erzähle sie! Deswegen
muss man als Künstler auch immer offen sein, das ist das Schöne daran!
Ok, manche
Künstler wissen, dass sie noch gerne ein Buch schrieben oder einen Film drehen
wollen… nun ist deine Arbeit schon so vielfältig, du hast das ja schon alles
gemacht.
Danke, Ralf. Ich bin ja auch schon eine ganze Weile
unterwegs. Aber ich bin immer offen für neue Inspirationen. Und hoffentlich
gibt es bald wieder etwas Neues, über das wir uns unterhalten können!
Oh, sehr gerne! Es
gibt ein paar angekündigte Live-Daten im Juni – aber nicht sehr viele. Und
keine in Deutschland…
Nein, es gibt keine Tour. Es ist Sommer, ich liebe den
Sommer, ich liebe es, im Sommer zu spielen. Das war so eine last-minute
Geschichte, die mich getroffen hat. Ich fürchte, es werden nur diese Handvoll
Daten bleiben. Ich liebe Deutschland, aber ich bin nur für ein paar Daten
eingeladen worden. Es ist nichts groß Geplantes.
Aber zurück zu dem
Musical… wird das auch noch woanders zu sehen sein?
Zunächst wird es die CD geben, das wird das erste
Kommerzielle dazu sein. Wenn das im Nationaltheater läuft, dann heißt das, dass
es fernab jeglichen Kommerzes betrieben wird. Und bevor es z.B. an den Broadway
gehen könnte, müssten erst ein paar kommerzielle Produzenten dazu kommen. Das
wäre dann der nächste Schritt, der erste Schritt wird die CD sein.
Der CD Markt ist
extrem eingebrochen – sind dadurch Plattenproduktionen weniger wichtig geworden
für dich?
Nein! Alben sind für immer! Sie sind dazu da, von Menschen für immer gefunden
zu werden. Das Format ist wichtig für den Künstler. Ob jemand das kauft oder
nicht, für mich ist ein Album ein historisches Dokument, das man hinterlässt.
Für immer.
Ich wünschte, mehr
Menschen sähen das so.
Ich sage immer, wenn Du das Album nicht bezahlen kannst,
nimm es, aber gebe etwas zurück. Irgendwann. Sonst ist man ein Dieb. So sehe
ich das. Wenn ich in ein Weingut fahre und mich beköstigen lasse und danach
einfach abhaue und sage „fuck off“, dann darf ich mich auch später nicht beschweren,
wenn es das Weingut nicht mehr gibt. Mindestens eine Flasche muss ich doch
kaufen, wenn ich gehe. Das ist die Philosophie, die wir haben müssen.
Wenn Du jetzt auf
die beiden Alben zurückblickst, wie siehst Du sie heute?
Ich glaube, sie haben eine Rock-Komponente – nicht so
stark wie auf „Boys For Pele“… ein Album, das ich sehr schwierig finde, es zu
hören, was eine Menge sagt – aber diese beiden, sie haben Traurigkeit und
Dunkelheit, genauso wie Schönheit, und das liebe ich an diesen Alben. Sie haben
eine tolle Balance aus Schönheit und Gefahr. Bei „Boys for Pele“ bin ich etwas
zu weit gegangen, was die Wut angeht (lacht). Aber wenn du 25 Jahre dabei bist,
dann hat man Alben zu verschiedenen Zeiten, die verschiedene Dinge mit dir
machen. Wenn sie alle das gleiche sagen würden, wäre es ja auch langweilig.
Sollen sie
weiteren also auch wiederveröffentlicht werden?
Wir werden sehen, was die Plattenfirma plant. Diese
hatten ihr 20jähriges, „Pele“ wird nächstes Jahr 20. Mal sehen, wie diese
beiden laufen und ob sie weitermachen wollen.
OK, eine Frage hab
ich noch: Was ist das Schönste, was das Schlimmste daran, berühmt zu sein?
Wow, das… ich glaube, man darf sich nicht beklagen. Das
Schwierige ist, dass es dazu kein Handbuch gibt. Man muss immer dazu lernen.
Man muss realisieren, was wichtig für dich ist. Es gibt verschiedene Arten von
Erfolg, kommerziell, kreativ – und man muss sich immer wieder fragen, was für
einen selbst Erfolg bedeutet.
Das ist ein
Problem von Erfolg – aber es beantwortet die Frage nicht, oder?
Ganz ehrlich? Ich kann die Frage gar nicht so ad hoc
beantworten. Ich würde gerne über die Frage nachdenken. Wenn man diese Frage
heutzutage falsch beantwortet, kriegt man gleich 20.000 Twitter-Beschwerden.
Ich glaube, viel zu viele Menschen denken zu selten darüber nach, was sie
sagen. Also: Warum verabreden wir uns nicht für das „Light Princess“-Album, du
wirst mich finden, und bis dahin habe ich mir eine Antwort überlegt, ok? Deal?
Deal? Klar, gerne.