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Dream Theater

 Interview 2007 - ältere Interviews mit Mike Portnoy gibt es hier: 1999 - 2001 - 2003 - 

Ein Interview mit Sänger James LaBrie zu Dream Theater und zu seinem Soloalbum (2010) gibt es hier!

Die New Yorker sind zurück mit dem neuen Album „Systematic Chaos“, das erneut den Ausnahmestatus der Band unterstreicht. Mit neuer Plattenfirma im Rücken stehen sie am Anfang eines ereignisreichen Jahres, das sie gleich nach der Veröffentlichung der CD auf deutschen Boden führte für ein paar Shows, in denen sie ihr „Chaos mit System“ live vorstellten. Zeitpunkt-Redakteur Ralf Koch nutze die Chance, um mit einem der Hauptprotagonisten der Band, Schlagzeuger Mike Portnoy über das Album, die Einstellung der Band und die aktuellen Pläne zu sprechen.

 

Glückwunsch zum neuen Album, es scheint Ihr kennt keine Schwächephase, oder?

Nun, seit wir 1999 volle Kontrolle über unsere Produkte wieder gewonnen haben, arbeiten wir im Prinzip an den Alben, bis wir wirklich zufrieden sind. Bei „Falling into Infinity“ waren wir ein bisschen in einer Kompromisssituation, aber seit dem das geklärt ist, sehen wir einfach zu, an dem Album zu arbeiten, bis wir alle glücklich sind – und erst dann geben wir es der Plattenfirma.

 

Das heißt, Ihr diktiert Euch selbst auch keine Deadlines?

Wir geben uns erst einmal viel Zeit, und erst wenn wir an einem bestimmten Punkt angelangt sind, an dem wir absehen können, dass wir voran kommen, sprechen wir mit den entsprechenden Leuten, und auch erst dann, dürfen bestimmte Ankündigungen gemacht werden. Wie gesagt, deswegen ist es wichtig, volle Kontrolle zu behalten. So können wir in unserem eigenen Tempo arbeiten.

 

Die Faszination beginnt ja schon mit dem Cover – und dem Titel „Systematic Chaos“ – eine klare Referenz an Eure Musik, oder?

Klar, es gibt eben diesen Kontrast in unserer Musik. Diese wirklich verrückten Instrumentalparts, die für normale Ohren schon mal sehr intensiv und chaotisch erscheinen, aber für uns ist das sehr methodisch, also ist der Titel schon eine sehr gute Definition der Musik von Dream Theater.

 

Ihr nennt jedes neue Album gerne eine Reaktion auf den Vorgänger – was hat sich also geändert Deiner Meinung nach?

Nun, „Octavarium“ hatte eine durchaus poppige Seite mit den kürzeren Songs, die teilweise sehr eingängig waren – was auch wieder eine Reaktion auf den eher harten Vorgänger war – und dieses Mal wollten wir keine fröhlichen, poppigen Songs, sondern eine eher dunkle und aggressive Stimmung. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch ruhige und progressive Momente gibt, aber auch die sind dieses Mal sehr dunkel und mächtig.

 

Ich nehme an, der Deal mit Roadrunner hatte keinen Einfluss darauf?

Nein, wir hatten uns nicht einmal entschieden, welchen Deal wir nehmen würden, bevor das Album fast fertig war. Dass es jetzt Sachen wie die erste Single, „Constant Motion“ oder „Dark Eternal Night“ gibt, passt natürlich wunderbar ins allgemeine Bild von Roadrunner. Aber wenn man kuckt, in welche Richtungen die in den letzten Jahren ihr Repertoire erweitert haben, hätten wir auch mit jedem poppigeren Album dahin gepasst, schließlich haben die ja mit Nickelback oder Stone Sour echte Chartsthemen in ihren Reihen.

Und Roadrunner steht mehr hinter uns, als Warner oder Electric jemals, und der Erfolg stellt sich ja jetzt schon ein. Wir sind in die Top 20 in den USA – das haben wir bislang noch nie geschafft. Tatsache ist, dass wir mit jedem neuen Album versuchen, neue Fans zu gewinnen – sowie die alten zu halten – und für dieses Anliegen scheint uns Roadrunner der richtige Partner. Das heißt aber nicht, dass wir uns beim Songwriting irgendwie beeinflussen lassen. Wir machen, was wir machen, und wichtig ist, dass das Label uns versteht. Was sie damit machen, wenn sie das Material in der Hand haben, erst das ist ihre Sache dann.

 

Interessant ist einmal mehr die Bandbreite des Albums – würdest du sagen, dass es einen charakteristischen Song für das Album gibt?

Ehrlich gesagt, nein. Jeder Song repräsentiert eine Seite der Band, und man muss schon das ganze Album hören, um das Gesamtbild zu bekommen. Ich meine, da ist „Dark Eternal Night“, der klingt wie Pantera, und direkt danach folgt „Depentance“, der wie Pink Floyd klingt. Abgesehen von unseren 20-Minuten-Stücken wie „Octavarium“ oder auf dem neuen Album „Presence of Enemies“, wo es in der Regel die komplette Bandbreite gibt, gibt es kaum einen repräsentativen Song von Dream Theater.

 

Hier und da gibt es ein paar deutliche Referenzen…

Wir hatten noch nie ein Problem damit, unsere Lieblingsbands zu nennen, jeder weiß das. Und es ist auch ok, Einflüsse zu haben, die einen in neuer Richtung inspirieren aber wenn es darum geht, unser eigenes Album einzuspielen, ist das Endergebnis immer noch klar Dream Theater. Klar gibt es Vergleichsmöglichkeiten, und unsere Fans scheuen sich auch nicht, uns darauf hinzuweisen, dass wir hier nach Opeth, da nach Muse oder Pink Floyd klingen, aber wir geben das auch gerne zu, weil ich immer noch denke, dass es nach uns klingt, nach Dream Theater, die verschiedene Sachen machen.

 

Warum habt ihr „Presence of Enemies“ in zwei Teile unterteilt?

Der Song wurde als einer komponiert, aber als ich über die Songreihenfolge nachdachte, kam mir die Idee dazu. Als Opener wären die 25 Minuten vielleicht etwas viel gewesen und als Schlussstück hätten wir wiederholt, was wir auf „Octavarium“ gemacht haben, also haben wir ihn zweigeteilt – und jetzt eröffnet UND beschließt der Song das Album.

 

„Depentance“ ist ein Song, der zu einer Serie von Songs gehört, kannst Du darüber etwas sagen?

Angefangen habe ich damit auf „Six Degrees“, „Depentance“ ist der vierte Teil von fünf Songs, die einen roten Faden haben – musikalisch wie auch textlich. Ein großes Puzzle, das wir begonnen haben, und das einen sehr persönlichen Teil meines Lebens beschreibt, nämlich die 12 Stufen der Genesung: Ich bin seit sieben Jahren clean, und diese Songs beschreiben den Weg dahin. „Depentance“ beinhaltet die Schritte 8 und 9 und auf dem nächsten Album gibt es dann 10 bis 12 und dann spielen wir das ganze als ein Stück. Schon das Schreiben der Songs ist unglaublich therapeutisch, weil ich diese 12 Schritte ja selbst durchlebe und sie damit für mich selbst festige. Das ganze wird am Ende der 60-Minuten Soundtrack einer Heilung.

 

Obwohl Ihr immer wieder auch poppigere Platten hattet wurden Eure Live-Shows eher immer härter, oder?

Ja, ich denke, die Heavy-Seite kommt live auf jeden Fall mehr zu Tragen. Ich meine, letzten Endes sind wir eine Metal-Band, wenn auch eine mit vielen verschiedenen Seiten. Das versuchen wir durchaus auch live darzustellen, aber das „Gesamterlebnis“ bleibt das einer Metal-Show.

 

Faszinierend ist dabei immer wieder Euer unglaubliches Zusammenspiel und wie ihr es schafft, Euch durch all die Breaks und Taktwechsel zu hangeln – wer dirigiert das ganze?

Ich habe ein Signal-Pad, das nur die Musiker und der Lichtmischer hören können und ich benutze das zum an- und auszählen, für die Einsätze der Jungs oder um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu richten, wenn was geändert werden muss.

 

Kaum zu glauben, dass Du dazu auch noch Zeit hast neben all den Wechseln…

So kennen wir das seit wir Musik machen. Das komplizierte Spielen ist nicht das Problem. Das nicht-kompliziert Spielen ist viel anstrengender. Sich zurücknehmen zu müssen, die Sachen atmen zu lassen, das ist die Herausforderung. Nicht eine Millionen Noten zu spielen, das ist nämlich einfach. Es fällt uns leichter, 25-Minuten Epics zu schreiben.

 

Die Sachen etwas mehr ausgestaltet habt Ihr ja auf Eurem letzten Live-Album „Score“, wo ihr mit einem kompletten Orchester gespielt habt – eine unglaubliche Szenerie!

Absolut, das war eine magische Nacht. Das war schon ein Highlight in meiner Kariere!

 

Die Jungs sind erstaunlich cool geblieben – angesichts des frenetischen Jubels.

Die haben uns hinterher alle erzählt, was sie für Gänsehaut hatten. Aber ich glaube, auf der Bühne waren sie einfach zu konzentriert, um das zeigen zu können. Immerhin war es auch für sie ja auch eine einmalige Erfahrung, in so einer Rock-Show zu spielen und plötzlich diese direkte Resonanz eines Rock- und Metal-Publikums zu erleben.

 

Wie oft habt Ihr geprobt?

Nur einen Tag. Wir hatten alle vorher die Noten, haben jeder für sich geprobt, und einen Tag haben wir dann zur gemeinsamen Probe übrig gelassen.

 

„Octavarium“ war Euer aktuelles Album, das sich auch im Set widerspiegelte – habt Ihr hinterher manchmal gedacht, es wäre auch toll gewesen, diese Chance für ein Best-Of Set zu nutzen?

Nein, Dream Theater spielen keine Best-Of Shows. Wenn ich eine Set-List für ein Konzert schreibe, versuche ich nicht, die Hits da rein zu packen. Ich befriedige eher die Fans, die uns mehrere Male sehen. Und auch bei Set-List für CD & DVD-Aufnahmen, versuche ich eher, darauf zu achten, dass sich die Sets unterscheiden. Bei „Score“ ging es also sowohl darum, zu kucken, welche Songs sich gut mit Orchester machen würden, als auch darum, welche Songs auf den beiden Vorgänger-DVDs NICHT enthalten waren.

 

Das heißt, Ihr ändert auch die Sets während einer Tournee laufend?

Ich schreibe für jede Show eine neue Set-Liste. Und dabei tauschen wir nicht nur einzelne Songs, ich betreibe auch Nachforschungen. Heute Abend spielen wir in Berlin, also kucke ich, was wir bei den letzten 2, 3 Tourneen für Sets gespielt haben, damit wir heute Abend eine komplett andere Show spielen.

 

Eine Menge Arbeit – zumal Ihr eine ganze Weile unterwegs sein werdet, oder?

Ja, bis zum Sommer 2008. Die jetzigen Daten im Juni sind eine Art Warm-Up, danach spielen wir in Amerika und unsere richtige Europa-Tour ist im September/Oktober/November. Und dann werden wir im kommenden Sommer noch einmal zurück nach Europa kommen – dazwischen stehen die anderen Kontinente und eine kleine Pause im Dezember.