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Neuenburg. Der
Amerikaner Troy Petty ist Vollzeitmusiker und hat es deswegen derzeit doppelt
schwer. Vor rund 10 Jahren veröffentlichte er seine erste Platte – „True Love
Maze“, damals noch mit seiner Band The Last Dark Show und noch in seiner
Heimatstadt Chicago. Aber abgesehen davon, dass er zu der Zeit bereits an
seinem Solodebüt feilte, hielt die Band nicht mehr lange. „Es ist sehr schwer,
eine Gruppe von Leuten zu finden, die dieselben Ziele haben, denselben Willen,
alles zu geben für eine Sache“, sinniert der Sänger und Songwriter. „Naja, das
ist es letztlich, woran diese Band scheiterte.“ Zwei Jahre später entschied er
sich, seine Passion zum Beruf zu machen, zog nach Columbus, Ohio, weil sich
dann die Fahrzeit zwischen den Konzerten
auf Eintagesreisen reduzieren ließen. 2016 folgte dann sein erster Abstecher
nach Deutschland: „Für meine erste Tour unter dem Motto ´songsandwhisper´ war
ich 26 Tage hier und spielte 24 Shows, das war maximal effektiv!“, ruft er
begeistert. „Solche Tourneen sind in den Staaten undenkbar!“ Im folgenden Jahr
plante er zwei Monate ein, 2018 bereits drei. „Ich habe eine Menge Klinken
geputzt und bin viel herumgekommen – nicht nur hier, auch im benachbarten
Ausland.“ Die Hannoveraner Plattenfirma Dachshund Records wird auf ihn
aufmerksam, nimmt ihn unter Vertrag und legt ihm nahe, nach Deutschland zu ziehen.
2019 packt er seine Sachen, lässt Familie, Freundin und Hund zurück und zieht
nach Jade. „Ich hatte 2016 schon in der Kaskade in Diekmannshausen gespielt und
auf dem „Andy ist auf einem Tennisturnier“-Festival in Butjadingen. Und als ich
damals auf dem Deich stand, hat mich das gefesselt. Ich liebe diese Ruhe.
Abgesehen davon kenne ich das Ablenkungspotential einer Großstadt, ich denke
also, dass ich auf dem Land ganz gut aufgehoben bin“, lacht er.
Sein Album „Director`s Cut“ wird in Deutschland noch
einmal neu aufgelegt, im Herbst startet seine erste eigene Tournee. Drei
Agenturen helfen ihm gelegentlich, den Rest organisiert er selbst. „Das hab ich
von Ohio aus auch, also kenne ich das schon. Aber es ist natürlich praktisch,
wenn man Kenntnisse vor Ort und von den Gegebenheiten hat“, erklärt er die
Unterstützung. Der zweite Teil der Tour hat gerade begonnen, da kommt Corona.
„Und plötzlich stehe ich vor dem Problem, dass ich mit meinem ´Artist Visum´
gar nicht auf andere Art Geld verdienen darf, als mit meiner Kunst. Und dafür
war ich noch nicht ganz weit genug. Für die Corona-Hilfen war ich noch nicht
lange genug hier, da kann es schon mal schwierig werden, wenn 95-98% der
Einnahmen vom Livespielen kommen“, beschreibt er den Beginn einer schwierigen
Zeit. Mit Hilfe von Freunden schafft er es, ein paar der existierenden
Hilfstöpfe anzuzapfen, u.a. bei der GEMA und bei der Stadt Oldenburg.
„Ich habe viel über mich selbst nachgedacht, habe an
meinem Deutsch gearbeitet und meine Existenz von einem ausländischen Musiker zu
einem lokalen Künstler vorangetrieben. Und letztlich hat sich an meinem
Tagesablauf gar nicht so viel geändert. Ich muss die Online-Plattformen
bedienen, Kontakte anschreiben, Business-Kram halt. Dazu Gesangsübungen,
Gitarre und Keyboard spielen, dann wieder Computerkram – Corona hat mir Zeit
gegeben, dabei etwas produktiver zu sein. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich
immer noch dabei, meinen Koffer nicht auszupacken“, lacht er. „Das habe ich
manchmal monatelang geschafft – oder besser: Nicht geschafft!“
Jetzt freut er sich zwar, dass es wieder losgeht,
aber es offenbart sich das Hauptproblem dieses Jobs: „Konzerte werden in der
Regeln 6-12, manchmal auch mehr Monate im Voraus gebucht, da ist es gar nicht
so einfach, kurzfristig etwas zu finden. Wobei mein Hauptjob ohnehin
Solokonzerte sind, die Konzerte mit Band sind die Luxusvariante. Solo ist es
auch leichter, spontan einzuspringen.“ Und jetzt zu erleben, wie sehr es das
Publikum genießen kann, ist das Größte. „Es ist verrückt, das ist, weswegen ich
hierher gekommen bin, diese Interaktion mit dem Publikum. Und so lange musste
ich jetzt warten, dass ich das wieder machen kann. Dadurch und durch das Livespiel mit der Loop
Station ist jeder Auftritt anders, immer wieder eine neue Herausforderung. Aber
das hält mich frisch!“
Sein Konzert am Sonntag, 28. November im Wattenmeer Besucherzentrum (WHV) wurde leider abgesagt.
Aber eine Woche später, am 4.12. ist er für ein
abendfüllendes Solokonzert in der Galerie Wachter (Neuenburg).