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King Crimson, das war in
über dreißig Jahren und fast ebenso vielen Umbesetzungen nur Robert Fripp
(Gitarre, Keyboard) als Konstante. Als geistiger Lenker und kreatives Oberhaupt
war der Mitbegründer eigentlich immer Chef der Band und entscheidet bis heute
über die Besetzungen und musikalischen Wege des Prototypen einer britischen
Progressivrockband. Seit fast 20 Jahren Wegbegleiter Fripps ist der gefragte
Studio-, Live-, Session- und Solomusiker Adrian Belew (Gitarre, Gesang; Zappa,
Bowie, Laurie Anderson; 2 Soloalben; The Bears).
Ich sprach mit ihm vor
Beginn der Proben zur Ende Mai 2000 beginnenden Welttournee.
Du lebst in Nashville?
Ja,
es ist schön hier. Meine Frau kommt von hier, und ich habe ein Studio im Haus,
und das ist schon sehr praktisch.
Und die Band ist also in
Deinem Studio zusammengekommen?
Ja,
wir haben hier das neue Album aufgenommen, werden hier auch die Rehearsals für
die Tour starten, und Ende Mai geht es nach ein paar Aufwärm-Gigs hier in
Nashville direkt nach Kopenhagen. Wird ein großer Sprung werden...
Ja, und dann geht die Tour
gleich nach Deutschland. Ihr macht eine ganze Menge Gigs dort, hat das
spezielle Gründe?
Wir
haben in der Vergangenheit nicht sehr oft in Europa gespielt, und Deutschland
ist einer der Märkte, die wir uns gerne verstärkt erarbeiten würden. Deshalb
spielen wir bei euch mehr, als irgendwo sonst.
Wo seid ihr am populärsten?
Der
größte Markt ist in Amerika. Europa und Japan kommen dahinter an gleicher
Stelle. Ökonomisch gesehen, ist es nicht ganz einfach, in Europa zu spielen,
deshalb freue ich mich besonders darauf, mit der neuen Platte dort zu spielen.
Die neue Platte wird sich live sehr gut machen. Es ist eine harte Rock-Scheibe.
Es ist zwar schade, dass Bill (Bruford) und Tony (Levin) nicht dabei waren und
auch auf der Tour nicht dabei sein können, aber ehrlich gesagt, ziehe ich das
Quartett-Line-up dem Sextett sogar vor. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Bill
und Robert sich nicht immer bestens verstehen, und ich glaube, es trifft s ich
ganz gut, dass die beiden mal eine Zwischenpause haben. Und als Quartett ist
man freier und beweglicher. Man muss zwar auch härter arbeiten, aber man kann
spontaner sein. Und ich glaube auch, dass diese Platte nur so gut werden
konnte, weil wir nur zu viert waren. Ich bin sehr stolz auf das neue Album, es
könnte wirklich eins meiner Lieblingsalben werden, ´time will tell´.
Hast du ein Lieblingsstück?
Das
variiert, momentan ist es „Into the Frying Pan“, ein absoluter KC-Track, ein
bisschen härter und mit sehr vertrackten Momenten. Aber eigentlich ist das
ganze Album in dem Stil.
Die Texte kommen von dir,
kannst du mir darüber ein bisschen erzählen?
Es
ist nicht ganz leicht für mich, Texte zu schreiben, vor allem für King Crimson,
wo man eine Bedeutung für eine ganze Band projizieren muss. Also habe ich eine
ganze Weile damit zugebracht. Ich habe mir die Stücke oft angehört, und langsam
fingen sie an, mir zu erzählen, was für Texte sie brauchen würden.
Einer
meiner Lieblingstexte ist „The World´s My Oyster Soup Kitchen Floor Wax
Museum“, wo ich eigentlich nur immer eine zusammengesetzte Bedeutung genommen
habe, und jeweils den zweiten Teil in einen neuen Zusammenhang gebracht habe,
also „My Oyster“, „Oyster Soup“, „Soup Kitchen“, Kitchen Floor“ usw. – war eine
Menge Spaß, und machte für mich zu diesem speziellen Stück einen Sinn. Das ist
so ein verrücktes Stück, in dem jeder in verschiedenen Takten spielt, so viele
verschiedene Stimmungen vorkommen. Und ein weiteres Wahnsinnsstück ist Larks´
Tongues in Aspic – Part IV, der monumentalste Part dieser Serie bisher. Und
ganz am Ende habe ich einfach ein paar wichtige Ereignisse, die unser Leben in
der letzten Hälfte des Jahrhunderts verändert haben, aufgezählt.
Gibt es also irgendeine
spezielle Aussage mit den Texten?
Nein,
das kann man nicht sagen. Ich habe, wie gesagt, nur versucht, umzusetzen, was
die Musik sowieso schon auszusagen versucht. Texte sind ja schon wichtig, um
die Songs zu unterstützen, aber „Oyster Soup“, z.B. ist ein so verrückter Song,
dass man auch einen so verrückten Text dazu schreiben musste. Aber man muss
diese Texte nicht unbedingt interpretieren.
Du hast in vielen
verschiedenen Bands gespielt, hast Soloalben veröffentlicht, was liegt Dir am
besten?
Ich
glaube, gerade die Kombination ist wichtig. Es sind die beiden Seiten meiner
Persönlichkeit, und wenn ich nur eins der beiden machen würde, würde ich mich
nicht in jeder Hinsicht verwirklichen können. Wenn ich Soloalben mache, mache
ich alles selbst – schreibe die Songs und die Texte, spiele alle Instrumente,
produziere selbst, entwerfe das Cover – das ist alles sehr persönlich, und wenn
ich nur das machen würde, wäre das zu trocken. Es ist gut, wenn man mit anderen
kreativen Musikern zusammenkommt, und ich nicht alles selbst kontrollieren kann
und muss. Man muss reagieren können, flexibel sein, die Ideen anderer
weiterentwickeln. Es ist eine sehr gesunde Mischung. Wenn ich alt bin, möchte
ich auf ein abgerundetes Lebenswerk blicken können, und das ist für mich
hauptsächlich in kreativen Bands gespielt zu haben und Soloalben veröffentlicht
zu haben. Darüber hinaus spiele ich ja noch ab und zu auf Alben anderer Leute,
aber das sind ja nur kurze Intermezzos, die keinen sehr hohen Stellenwert für
mich haben.
Wie groß war Dein Input z.B.
bei David Bowie?
Das
erste Mal, dass ich bei ihm gespielt habe, war ich eigentlich nur Mitmusiker,
beim zweiten Mal, als wir 1990 für ca. ein Jahr getourt sind („Sound &
Vision Tour“), und er danach auf meinem Soloalbum zu Gast war, hatten wir eine
sehr enge Beziehung, und ich denke, es hätte noch mehr werden können, wenn wir
die Zeit dazu gehabt hätten.
Hast Du z.Zt. noch andere
Projekte als King Crimson?
Ich
arbeite immer noch mit meiner Band aus den Achtzigern „The Bears“ zusammen. Wir
sind vier Songwriter und kommen immer mal wieder zusammen, mixen unsere eigenen
Songs bunt durcheinander so ungefähr wie die Travelling Wilburies – wenn auch
nicht so erfolgreich. Aber auch die Musik ist eine ganz andere, als bei meinen anderen Sachen,
eher so Beatles-Pop.
Aber zurück zu King Crimson
– Robert Fripp war ja immer der Kopf der Band, ist er das noch immer?
Ich
nenne ihn immer die „Quality-Control“, d.h. wir bringen uns zwar alle ein, und
auch erst das Zusammenspiel ergibt diesen King Crimson-Sound, nicht die
Entscheidungen eines einzelnen, aber Robert hat immer das letzte Wort. Und das
ist auch wichtig und korrekt so. Einer muss ja ein bisschen die Fäden in der
Hand behalten.
Von Demokratie kann man also
nicht gerade sprechen?
Nein,
aber es ist auch keine Diktatur. Und ich für meinen Teil fühle mich so auch
sehr wohl. Ich genieße eine gute Partnerschaft mit ihm , möchte aber gar nicht
die Kontrolle über mehr davon haben.
Was hat sich geändert in der
Art, Musik zu schreiben und zu spielen bei KC?
Ich
denke, es ist viel lockerer geworden. Zum Beispiel diese Projekte, die wir in
der Vergangenheit gemacht haben, das wäre früher nicht möglich gewesen. Und
jetzt die Aufnahmen zur neuen Platte, die gingen wie im Flug vorbei. Ich meine,
es war drei Monate sehr intensiver, harter Arbeit täglich, aber trotzdem war es
so schnell vorbei. Und das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Chemie in der
Band stimmt. Ich erinnere mich nicht an auch nur einen Disput während dieser
Zeit. Wir haben die besten Ideen zusammengetragen und diese Platte
hervorgebracht. Ich glaube, es wird eins meiner Lieblingsalben – hatte ich das
schon gesagt?
Und was hat sich in den
Zielen der Musik geändert?
Ich
glaube, die Ziele von King Crimson waren schon immer, einerseits einen
bestimmten Qualitätslevel zu erreichen, und andererseits immer einen Schritt
weiter zu kommen. Voranzugehen. Sich zu verändern, und die Sachen, die man
machen würde, zu verändern und etwas neues hervorzubringen. Es geht nicht nur
ums Improvisieren und Experimentieren, sondern Neues hervorzubringen. Und das
haben wir, glaube ich, auch nach so vielen Jahren immer geschafft – worauf ich
sehr stolz bin, auch wenn es bestimmt Leute gibt, die hoffen, dass wir endlich
nicht mehr so weit vorangehen.
Also versucht ihr immer
noch, das Rad neu zu erfinden...
Ja,
exakt. Das ist, was Robert sagen würde. Was nicht immer leicht ist, und uns
auch nicht immer glückt, aber man muss uns ein „A“ für das gezeigte Bemühen
geben!
Inwieweit hat das die Musik
verändert?
Nun,
ich denke, es gibt immer noch die charakteristischen Elemente von King Crimson,
aber die werden immer gewürzt mit neuen Sachen. Auf „ConstrucKtion of Light“
wirst Du viele Sachen hören, die Du klar King Crimsons Repertoire zuordnen
würdest, aber Du hörst immer wieder neue Gebiete.
Ein beliebtes Zitat von
Fripp ist „wenn ihr etwas schon mal gehört habt, spielt es ja nicht“...
(lacht)
nun, er wurde schon oft zitiert. Hat ´ne Menge guter Sachen gesagt.
Ich habe noch ein anderes
Zitat: David Cross wurde zitiert, als er die Band verlassen hat: „Es überrollte
einen. Ich konnte einfach keine Musik mehr hören, ohne sie zu analysieren“.
Kennst Du dieses Gefühl?
Nun,
da ist schon ein hoher analytischer Faktor in der Musik von King Crimson. Es
ist so komplexe und vielschichtige Musik, da muss man schon manchmal drüber
sprechen. Ich sollte das vielleicht nicht verraten, aber es gab während der
Aufnahmen zum neuen Album eine Zeit, wo wir uns hinsetzten und die Taschenrechner hervor kramten... um
heraus zu kriegen „ok, ich spiele 11/8 und Du spielst 7/4“, mal sehen, an
welchen Punkten wir uns treffen. Wir haben uns dann eine Mathe-Band genannt.
Ich denke, ein bestimmter analytischer Faktor ist einfach nötig bei dieser Art
von Musik. Aber ich bin Amerikaner. Ich will einfach nur spielen. So sind die
amerikanischen Musiker. Der englische Teil der Band war immer analytischer.
Das heißt, dass das Album
schon in hohem Maße „konstruiert“ ist?
Na
klar. Wir hatten unsere Computer, die uns dabei geholfen haben. Der Anteil an
Improvisation ist sehr gering. Das steht am Anfang, wenn die Ideen
zusammenkommen. Der Rest ist Rechnerei.
Stammt daher auch der Titel?
Nein,
der Titel stammt von einem der ProjecKte, ich weiß gar nicht von welchem. Er
half mir beim Schreiben der Texte und er war lange unser Arbeitstitel, so dass
wir irgendwann sagten, warum sollten wir ihn nicht lassen.
Du warst ja auch Teil eines
der Projekte, nämlich ProjecKt 2, was war die Idee dahinter?
Die
Idee hinter den Projekten war, eine freiere Art Musik zu erzeugen, und zwar
Musik, die auch durchaus als King Crimson Musik bezeichnet werden kann.
Ungewohnterweise hast Du,
wenn ich das richtig mitgekriegt habe, Schlagzeug gespielt!?
Ja,
Robert und Trey (Gunn) kamen zu mir ins Studio und hatten diese Idee von diesen
Spontangeschichten. Und ich hatte gerade das neue Electronic-Drum-Set bekommen,
und führte es ihnen vor. Und da sagten sie, das klingt toll, warum wirst Du
nicht einfach der Drummer? Und so entstand dieses Trio, dieses „ProjecKt 2“,
und es war eine sehr interessante Art, zu spielen Viele Sachen, die wir da
erfahren haben, waren auch die Grundlage für das, was wir auf dem neuen Album
gemacht haben, aber prinzipiell ging es nur um eine experimentelle Art, neue
Wege zu finden, in denen wir arbeiten konnten.
Es ging ja darum, abseits
vom typischen King Crimson Gefüge auf Tournee zu gehen und wiederum etwas ganz
neues zu schaffen. Inwieweit meinst Du, unterschieden sich die ProejcKte?
Nun,
so grundverschieden waren sie natürlich nicht, denn Robert und Trey waren in
allen Vieren. Und egal wie clever Du bist, irgendwie wirst Du immer wie Du
selbst klingen. Also haben die beiden natürlich schon eine ganze Menge des
Sounds bestimmt. Der Unterschied war die Chemie zwischen den jeweiligen
Musikern, und die war in jedem ProjcKt eine ganz andere.
Ist das auch das
Grundprinzip dieser „Double-Trio“ oder „Double-Duo“-Definition von Robert?
Diese
Double-Trio Idee ist eigentlich nie so richtig angelaufen. Die Idee dahinter
war, dass man zwei Trios hat, die zu jedem Zeitpunkt austauschbar sind. D.h.
dass drei Leute den ersten Teil eines Songs spielen, drei andere führen ihn zu
Schluss. Aber wir hatten nie genug Zeit, das zu vollenden oder genügend
auszuprobieren, was also wirklich passierte, war dass wir sechs Leute waren,
die zur gleichen Zeit spielen wollten.
Also ist das aktuelle
Line-up auch ein Quartett und kein Double-Duo...
Ja,
es wäre vielleicht eine gute Zeit für ein Double.-Duo, aber eigentlich ist es
ein Quartett.
Das
tollste am King Crimson Line-up ist, dass es so viele Varianten gibt. Wir könnten
zwei Drummer haben, ich könnte ja aushelfen. Wir könnten auch drei Gitarristen
haben, weil Trey auch eigentlich Gitarrist ist. Wir haben also eine Menge
Möglichkeiten.
Die ProjecKte waren ja
ziemlich viel Improvisation, nun kommt ihr wieder auf Tournee – wieviel ist da
Improvisation?
Nun,
die ProjecKte basierten nur auf Jamming und Improvisation, während wir nun
Monate an dem Album geschrieben haben, und die Strukturen oft viel zu komplex
und kompliziert sind, um live noch verändert werden zu können. Was allerdings
auch nicht heißt, dass wir das Material 1:1 spielen werden. Ich denke, wir
werden ein paar Spielereien dazwischenstreuen und ein paar Überraschungen
bringen können.
Wie weit werdet Ihr in der
Geschichte zurückgehen?
Wir
haben uns darauf geeinigt, dass wir hauptsächlich Material spielen werden, das
wir vier auch geschrieben haben, d.h. die CDs „Vroom“, „Thrak“ und „The
ConstrucKtion of Light“, wobei wir das neue Werk wohl komplett spielen werden,
weil sich das Material dafür einfach anbietet.
Kann man die Sachen
überhaupt 1:1 spielen?
Es
wird schwierig, aber wir werden es versuchen. Wir haben im Studio den Anteil an
Overdubs so gering wie möglich gehalten, um das ganze band-mäßiger klingen zu
lassen.
Zum Abschluss noch eine
etwas philosophische Frage: Worin siehst Du den Sinn des Musikmachens?
Nun,
für mich persönlich kann ich nur sagen, dass Musik mich jung hält, es ist meine
Seele und gibt meinem Leben eine Bedeutung, und ich glaube das ist allgemein
der Sinn von Musik. Für manche ist es Unterhaltung, für manche ist es
Provokation, für machen ist es eine Lebensart oder fast eine Religion, ich
denke es ist alles das. Manche Leute wollen einfach nur tanzen – aber dann ist
King Crimson die falsche Band...