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Moonspell
2 Mini-CDs und 3 reguläre Studio-CDs, die europaweit und
auch darüber hinaus für eine große Anhängerschar in der Gothic/Death/Black
Metal Szene sorgen konnte. Im zehnten Jahr ihrer Existenz veröffentlichen sie
nun ihr neues Album "The Butterfly Effect", das für die Band einen
großen Schritt nach vorne bedeutet und auch die Fans überraschen - allerdings
keinesfalls verwirren - dürfte.
Sänger Fernando Ribeiro dazu: Ja, wir glauben sehr an
dieses Album, wir sind sehr enthusistisch darüber, weil es das spontanste Album
ist, das wir bisher gemacht haben, also auch das schwerste für uns, zu
beschreiben. Es ist genial, hat eine große Songqualität
Was ist der Unterschied zu früheren Alben?
Die anderen Alben haben wir in Hagen aufgenommen, aber
dieses Mal wollten wir einen neuen Stil und einen anderen Sound, weil es ein
sehr düsteres, urbanes Album ist, also wollten wir entweder in Berlin oder in
London aufnehmen. Und die englische Art, mit diesem Sound umzugehen, war für
uns der ausschlaggebende Faktor für London. London hat den richtigen Vibe für
diese Musik
Wann ist das Album entstanden?
Wir waren im Juni im Studio, davor haben wir in Portugal
eine Art Vorproduktion gemacht, dann kam Andy Reilly zu uns und wir haben über
die Produktion gesprochen, und insgesamt haben wir 4 Monate mit den Aufnahmen
und der Abmischung verbracht.
Aber die Songs waren doch schon ziemlich fertig, also
betraf der “Lononer Einluss” eher die Produktion?
Ja, die Songs waren zu 99% fertig, also konnten wir uns auf
die Performance konzentrieren, auf das Ausprobieren neuer Sounds und Stile,
hatten die Zeit, viel herum zu experimentieren. Zum Beispiel die Vocals, die
wurden alle in der Nacht aufgenommen zwischen 23 und 4:00. Klingt seltsam, aber
es war wirklich der Zeitpunkt, zu dem ich in der richtigen Stimmung war - die
üblichen Klischees, arbeiten bis in die Nacht, rauchen, trinken - und wir haben
all das gemacht, und es funktionierte. Tagsüber denkt man viel zu sehr nach,
über das was man und wie man etwas macht, aber nachts spielen gewisse
Schläfrigkeitskomponenten eine Rolle und man kann extremere Sachen ausprobieren
und machen.
Welche Rolle hat Andy Reilly (Bruce Dickinson, David
Bowie, UFO) dabei gespielt?
Andy war eine Art kontrollierter Schuss ins Blaue. Wir
wollten einen Heavy-Sound - harte Drums, harte Gitarren, also haben wir nach
jemanden gesucht, der sich mit diesem Sound auskennt. Er war nicht wirklich
unsere erste Wahl, aber ein paar andere waren ausgebucht, und so kamen wir mehr
oder weniger zufällig auf ihn. Und sehr schnell stellte sich heraus, dass er
der richtige Mann war. Er ist ein absoluter Profi, und er konnte genau die
Sounds erzeugen, an die wir gedacht haben. Und wir sind sehr zufrieden mit dem
Ergebnis, ich denke, das ist der Sound, den Moonspell auch in Zukunft spielen
werden.
Erzähle mir etwas über die Lyrics!
Typische Themen für Moonspell sind verdrehte
Liebesgeschichten, aber was neu ist, bei diesem Album ist der "human
factor" in den Texten und ausserdem die etwas weniger konkrete
Interpretierbarkeit, d.h. man kann die Texte nicht mehr unbedingt lesen wie ein
Buch, sondern muss sich schon ein bisschen Gedanken darüber machen. Ich haben
versucht, mehr mit weniger Worten zu sagen. Ich habe sehr viel mehr Zeit mit
den Texten verbracht.
Einige Songs haben dementsprechend mysteriöse
Schreibweisen - wie "Can´t bee" oder "Soulitary Vice".
Ja, das sind diese Wortspiele. Ich bin da ein bisschen von
den Nine Inch Nails beeinflusst, die ich sehr verehre. Sie haben die Fähigkeit,
Hits zu schreiben, aber sie zerstören sie! Sie verwursten einfach so viele
Ideden gleichzeitig und mixen das so extrem zusammen. Und diese Kraft, dieser
Mut hat mich beeinflusst. Und bei "Can´t bee" ist das ähnlich - es
ist ein sehr ernster Song über die Fähigkeit sich in jemanden zu verwandeln
oder sich in jemanden hineinversetzen zu können, der Dir sehr nahe steht - eine
typische Situation in Beziehnungen. Und mit der anderen Schreibweise von
"be" mußte ich eben diese Prise Ironie und Verdrehtheit mit
hineinbringen - die verfaulte Kirsche auf dem Eis.
Wenn wir gerade von der Liebe zu Worten reden - ihr habt
unter dem Namen "Morbid God" begonnen, warum habt ihr ihn geändert?
Es war der erste Name den wir hatten, als wir anfangs, 1989
noch darauf aus waren, als möglichst extrem aufzufallen. Wir wollten die
extreme christliche Mentalität in Portugal ein wenig aufrütteln. Aber mit der
Zeit haben wir gedacht, dass dieser Name eigentlich nicht richtig zu uns passt.
Und ich denke, Moonspell ist eine bessere Wahl. Ich meine, wer denkt bei
"Morbid God" nicht an begrenzte mentale und spieltechnische
Fähigkeiten?
Warum dann Moonspell?
Der Mond ist die einzige natürliche Lichtquelle in der
Dunkelheit, und er hat unglaubliche Fähigkeiten. Und wir wollten ähnliches für
die Band ausdrücken - das Licht und die Dunkelheit und die Kraft ... wir waren
damals sehr arrogant!
Nun, "The Butterfly Effect" ist ja nicht in
erster Linie "hell leuchtend"...
Nein, es ist schon ein eher dunkles Album, aber im Prinzip
ist ein Name ja auch nur eine leere Tasche, die man über die Jahre mit
Bedeutungen und Erfahrungen füllt, und mittlerweile bedeutet auch Moonspell
sehr viel mehr für mich als diese ursprüngliche Interpretation des Namens.
In wie weit würdest Du sagen, dass sich auch die Musik
von Moonspell über die Jahre geändert hat?
Vor ein paar Wochen habe ich gerade den Test gemacht und
habe mir unsere bisherigen Alben hintereinander angehört und kann sagen, es
besteht schon ein gemeinsamer Nenner und Ausgangspunkt, aber die Musik hat sich
doch extrem geändert. Immerhin gibt es 2 Hauptfaktoren dafür: Erstens waren wir
nie eine "puristische" Band, das heißt, wir haben nie einen Hehl aus
unseren persönlichen Vorlieben zur jeweiligen Zeit gemacht - ich glaube Musik
ist eh nicht das richtige Medium für jegliche Art von Purität, man wird doch
immer von irgendetwas beeinflusst. Zweitens haben wir über die Jahre ja auch
diverse Erfahrungen gemacht, haben uns weiterentwickelt, ganz egal ob zum
positiven oder negativen, und unsere Musik reflektiert das.
Was sind dann Deine momentanen Vorlieben?
Wie gesagt, Nine Inch Nails; Primal Scream´s "Vanishing
Point" finde ich sehr gut, oder auch die Kollaberation zwischen Kurt
Cobain und William Burroughs, eine Art "Spoken Word mit Gitarre", ausserdem
viel Death Metal wie Morbid Angel, Cannibal Corpse usw., und vielleicht Spain,
Tindersticks und solche Sachen.
Ihr wart auf Tour mit Morbid Angel, Tiamat, Nine Inch
Nails - inwieweit siehst Du Euch in der selben Ecke?
Morbid Angel sind die genialste Death Metal-Band der Welt,
sie verbinden alles, was diese Musik ausmacht in ihren Songs. Es war unsere
erste Tour durch Europa mit ihnen, deshalb haben wir ihnen schon etwas zu verdanken.
Aber ihr macht ja nun keinen Death Metal....
Nicht wirklich, obwohl wir schon ein paar Einflüsse davon
auf dem neuen Album verarbeiten. Death Metal ist die leidenschaftlichste
Musikform für mich. Für viele Leute ist das nur Krach, aber diese Bands - z.B.
auch Napalm Death - haben wirklichj etwas - und sie ziehen mich sehr an.
Ich glaube, was mich da hauptsächlich stört - und mich
wahrscheinlich deswegen dfavon abgehalten hat, mich damit weiter zu
beschäftigen, ist der Gesang.
Das kann ich nachvollziehen. Das ist Geschmackssache. Aber
ich finde, sie können sowohl Melodielinien singen als auch brutal sein. Sie sind jedenfalls sehr ausdrucksstark.
Naja, und zu den anderen - Tiamat habe ich immer sehr
veehrt, ich habe früher alle ihre Demos gekauft und mittlerweile sind wir gut
befreundet mit ihnen, und sie waren der Hauptgrund für uns, bei Century Media
zu signen, weil wir wußten dass sie den anderen Bands dieses Stils immer einen
Schritt voraus sind, also schien das auch die richtige Plattenfirma zu sein.
Und Nine Inch Nails waren immer schon einer unser Haupteinfluss, und es war
schon ein Traum, 1996 mit ihnen auf Tournee gehen zu können.
Wird es eine Single zum Album geben?
Diese komerzielle Seite des Business läuft eigentlich an
Moonspell vorbei. Wir konzentrieren uns auf Album,verkäufe. Es wird wohl eine Radiosingle geben, und zu “The Butterfly
Effect” werden wir auch einen Video-Clip drehen, auch ohne offizielle parallele
Singleveröffentlichung. Aber inwieweit das hier auf den Clipsendern laufen
wird, wage ich nicht einzuschätzen. Aber schon allein für den portugiesischen
Markt brauchen wir ein Video, da wir da normalerweise auch in die Charts
einsteigen. Wenn Eure Leser das Video sehen wollen, müssen sie eben die
Videokanäle nerven...
Ralf Koch