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Dirk Darmstaedter:
Mit Twenty-Twenty in eine neue Freiheit!
Seine Stimme ist deutsches Kulturgut seit dem ersten Hit
der Jeremy Days: Mit „Brand New Toy“ startete 1988 die musikalische Reise des
Hamburgers, acht Jahre später begann er mit seinem zweiten Abschnitt, seiner
Solokarriere. Nach zwanzig Jahren und 13 Studioalben ist es Zeit, darauf
zurückzublicken – und für Scout-Redakteur Ralf Koch Anlass genug, mit ihm
gemeinsam die Karriere Revue passieren zu lassen.
Das neue Album ist
noch gar nicht so alt, da gibt es schon wieder Nachschlag!
Das stimmt, 2016 war ne Menge los, aber ich hatte ja auch
keine Wahl. Die erste Soloplatte kam 1996, da wäre es ja auch doof gewesen,
wenn ich das Jahr nicht genutzt hätte. „Twenty-One Twenty-One“ klingt nicht
ganz so geil wie „Twenty-Twenty“.
Allerdings hast Du
es jetzt gar nicht so genau hinbekommen…. Auf dem Cover steht 2017!
Ja, du hast Recht. Aber ich hatte nun mal nur 20 Songs…
(lacht). Mehr passte auch nicht drauf. Nein, gefühlt ist das auch ein 2016er
Album. Ursprünglich sollte es schon erschienen sein, über meine Homepage gibt
es sie schon seit 2016…
Ok, lassen wir
gelten. Wonach hast du denn die Songs ausgewählt?
Hmm, ich wollte eine poppige Platte machen, das war mein
Leitfaden. Es sollte meine tiefe Liebe zum klassischen Popsong reflektieren –
Lovin´ Spoonful, Prefab Sprout, Lloyd Cole, die Beatles – meine Faszination und
Suche nach dem genialen Popsong widerspiegeln. Es gibt auf meinen Alben ja auch
andere Songs und eine andere Seite, aber diese Platte sollte eben eine
leichtfüßige Sammlung sein. Dann hatte ich den Song „Sonny and Cher“, den hatte
ich noch von den Sessions zur letzten Platte „Beautiful Criminal“ überbehalten,
und das passte dann eben zu gut. Bei einem solchen Titel weiß man ja schon, wo die
Reise hingeht – meine Vorliebe für Popmusik als Kunstform. Dafür waren die
beiden ja stilbildend. Der Text geht jetzt gar nicht so sehr um die beiden als
Künstlerpaar, es ist mehr die Idee, die dahintersteht.
Hat die
Reihenfolge eine Bedeutung?
Nein, ich bin bewusst nicht chronologisch vorgegangen, sondern nach
ästhetischen Gesichtspunkten, so dass ein gut hörbares Album dabei herauskommt.
Ich habe ja auch extra nach den alten Masterbändern geforscht, und es ist
erstaunlich, was man da noch klanglich herausholen kann mit der neuen Technik
und einem modernen Mastering.
Zwanzig Jahre
retrospektive – ich nehme mal an, nicht ohne Stolz, oder?
Ich nenne das gerne Dirk 2.0. Früher gab es die Jeremy
Days, die haben wir auch mit einer Best-of abgeschlossen, und in Zeiten von
Spotify fragt man sich natürlich, was soll eine Compilation, die braucht doch
kein Mensch. Eigentlich ist es ja auch so, es kann sich ja jeder seine eigene
Playlist zusammenstellen, aber für mich ist es einfach eine mentale Klammer.
Jetzt bin ich frei. Für mich ist es ein schöner – nicht Abschluss, es geht ja
weiter, aber 20 Jahre ist ja auch ein Meilenstein, den man auch mal
entsprechend feiern kann. Jetzt kann es ja wieder etwas Neues geben – auch wenn
ich noch nicht weiß, ob es so neu wird. Aber es fühlt sich gut an, ganz egal,
ob jemand dieses Album braucht.
Aber wir müssen
uns jetzt keine Sorgen machen, dass es – vergleichbar mit dem Ende der Jeremy
Days – nicht weitergeht? Eher alternative Ideen? Neue Konzepte, neue Leute?
Ich bin ja eher treu, was Leute angeht. Aber ich habe so viele Bereiche der
Musikindustrie kennengelernt – sogar noch die Zeit, als man es Industrie nennen
konnte. Erst die Jeremy Days, Band, Singles, Videos, LPs, dann kamen die CDs,
wow, dann Tapete Records, mein eigenes Label, wir gegen das Imperium mit all
dem Blödsinn, den wir gemacht, über den Wechsel zum digitalen, napster, itunes
jetzt zum streaming und schließlich die Wiedergeburt der LP… und was kommt
jetzt? Kommt die nächste Platte noch auf CD oder klebt man das auf eine
Tesarolle? Keine Ahnung. Für mich ist alles möglich. Ich habe seit drei Monaten
keinen Song geschrieben – und das ganz bewusst. Ich mache Urlaub – und das
fühlt sich gut an. Vor zwei Jahren hätte ich mir noch Sorgen gemacht, dass ich
vielleicht eine Schreibblockade kriege, aber jetzt lass ich es auf mich
zukommen, wohin die nächste Reise gehen soll.
Deutlich ist ja
schon mal, dass die zweite Karriere deutlich länger anhält, als die erste.
Als Solokünstler ist es schwieriger, mit sich auseinanderzubrechen….
(lacht)
Auseinanderbrechen
vielleicht nicht, aber nach dem, was du jetzt gerade geschildert hast scheint
es ja eher ein neu zusammenfinden zu sein.
Ja, aber das war es für mich ja eh immer. Jeder Song ist
ja ein Neuanfang, man startet ja immer mit dem leeren Blatt. Es kann also auch
sein, dass in zwei Jahren eine neue Platte kommt, und die klingt wieder
genauso. Ich hab ja keine Lust, plötzlich progressiven Techno zu machen
(lacht).
Apropos Suche nach
dem perfekten Popsong – du hattest ja immer verschiedene Phasen, mal mehr, mal
weniger Bandsound, es gab auch sehr ruhige Alben und Songs.
Das ist ja meine andere Seite, Bob Dylan, Burt Bacharach,
Beatles die gehören ja auch alle zu meiner musikalischen Sozialisation, meine
knarzige Akustikgitarre – mehr braucht es ja manchmal gar nicht. Für mich war Pop immer etwas anderes als
Rhianna oder DJ Bobo, oder was sich andere Leute unter Popmusik vorstellen.
Anfangs hattest du
das mal Me & Cassity genannt – rückblickend eine doofe Idee?
Och nee, damals fand ich es cooler, mit einem Bandnamen,
aber man fällt immer mal mehr oder weniger schlaue Entscheidungen, das gehört
zum Gesamtpaket dazu.
Dann gab es dein
Label Tapete Records zusammen mit Gunther Buskies – warum hast du das
aufgegeben?
Weil wir irgendwann 40 Bands hatten und Veröffentlichung
Nr. 240, drei Musikfestivals aber der Tag hatte nur 24 Stunden… irgendwann muss
man sich auch von Sachen trennen. Das wichtigste in meinem Leben ist meine
Familie und meine eigene Musik. Natürlich war Tapete eine spannende Reise mit
vielen Höhen und auch Tiefen, aber ich bin ja nicht angetreten, um irgendwann
mal Plattenmogul zu werden. Und mit Gunther ist das ja auch weiter in guten
Hände. Da fiel das nicht so schwer.
Eins deiner
Signings war Lloyd Cole – für dich mehr als nur ein früher Einfluss, oder?
Total. Lloyd hat für mich in vielen Formen mein Leben
verändert. Das „Rattlesnakes“-Album war für mich wie ein Hammer auf den Kopf.
Ohne diese Platte wäre alles anders geworden. Über die Jahre sind wir enge
Freunde geworden, wir haben viel mit den gleichen Leuten gearbeitet und ich
habe Lloyd immer gesagt, schon als wir Album Nummer 1 gemacht haben, dass er
irgendwann zu Tapete müsste, worüber wir damals natürlich noch herzlich gelacht
haben. Aber irgendwann hat es gepasst – und ja: das war auch definitiv eins
meiner schönsten Erlebnisse, dass er bei uns war und zwei Platten mit uns
weltweit veröffentlicht hat.
Lloyd Cole hat
irgendwann die Commotions wiederbelebt – besteht diese Möglichkeit für die Jeremy
Days auch?
Ich glaube nicht. Sehe ich nicht. Wir sind noch in gutem
Kontakt, aber…. Christoph macht erfolgreich Filmmusik, Stefan macht
Theatermusik in Berlin und jettet durch die Welt, Louis lebt in L.A…. es gibt
nichts, was auf eine Reunion hindeuten würde. Wir waren so eng zusammen als
Band, a ist ein lockeres Zusammenkommen unter heutigen Verhältnissen gar nicht
denkbar.