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Interview 1998, geführt für das SRM (Sophisticated Rock Magazine, Duisburg)
Qu:Ihr seid das Komponistenteam, Ihr führt die Band, plant für sie – inwieweit ist Arena dann noch eine demo-kratische Band?
Mick: Schon sehr demokratisch. Das Ding war, daß wir
am Anfang zusammenkamen, und erst einmal sehen wollten, was für Musik wir
schreiben könnten oder wie erfolgreich wir sein könnten – das mündete im Debüt
„Songs from a Lion´s Cage“. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch gar keine Band.
Aber Arena war immer als Band geplant, nicht als Projekt nur
für Clive und mich. Aber für´s 2. Album gab´s
nun mal die Probleme im Line-up, so daß wieder nur Clive & ich übrig
blieben, um „Pride“ zu schreiben.
Das hat sich für´s neue Album geändert – hier haben alle
mitgeschreiben.
Clive: Nun, für dieses
Album haben wir endlich ein richtiges Line-up, und vor einem Jahr haben wir
angefangen, dafür zu schreiben, und jeder hatte Ideen und nahm im Endeffekt
teil am Entstehungsprozeß. Es ist schon richtig, daß Mick & ich die Chefs
der Band sind, wir sind ja auch Gründungsmitglieder, und irgendjemand muß den
Laden ja führen, aber dieses Album hat die ganze Band geschrieben, und das hat
sehr viel Spaß gemacht, und ich hoffe, daß wir das weiterhin so machen können.
QU: Im Interview mit der CLASSIC ROCK SOCIETY habe ich
etwas von einem „Fünf-Album-Plan“ gelesen, den Ihr am Anfang von Arena
aufgestellt hatten – in dem es schon klar war, daß die ersten beiden Alben vom
Stil her relativ ähnlich sein sollten, sozusagen das zweite Album „Pride“ als
Konsolidierung des ersten und der Band, in dem aber auch schon klar war, daß
das dritte Album ein Konzeptalbum sein sollte. (Der Rest des Plans wird
übrigens noch nicht bekanntgegeben!) Das klingt ja fast eher nach einem
geschäftlichen Unternehmen, als nach einer Rockband...
Mick: Wenn Du Erfolg haben willst, ist eine Band
auch ein Geschäft – und das muß man planen. Und wir kommen nicht einfach
zusammen und jammen ein bißchen; wir komponieren. Wir überlegen, was wir
schreiben, weil wir immerhin für den Rest unseres Lebens damit leben müssen.
Wir wollen etwas machen, was definitiv Arena ist, und nicht irgendwas. Wir sind
keine Amateurband und nehmen ernst, was wir machen. Wir haben großen Spaß
dabei, wir nehmen uns selbst nicht zu ernst, aber wir nehmen ernst, was wir
tun.
QU: Ihr investiert sehr viel Geld und Zeit in Arena. Seht
Ihr eine Zukunft für Arena und für Prog allgemein?
Mick: Für Arena:
JA, mit Sicherheit. Solange wir so weitermachen können, wie bisher. Als Band
ist das unser 3. Album, und wir fühlen uns sehr wohl, und denken, daß wir auf
dem richtigen Weg sind. Wir tun was wir können und wollen schon erfolgreich
sein, aber das bleibt nun mal Sache der Leute, die die Alben hören und kaufen.
Clive: Die Frage
ist nicht, ob es eine Zukunft für Prog gibt, das hängt von der Band ab. Prog
gibt´s schon eine ganze Weile, und wird´s auch noch eine ganze Weile geben. Uns
interessiert, ob es eine Zukunft für Arena gibt, und da denken wir: JA, sehr
wohl.
QU: Ist das neue
Album Progressivrock?
Mick: Ich weiß
nicht, wir schreiben, was wir schreiben wollen. Wir haben nie gesagt, es soll
Prog sein - oder irgend etwas sonst –
wir als Musiker werden wohl am meisten in dieser Richtung gesehen, auch durch
die anderen Bands, mit denen wir in Verbindung gebracht werden. Ja ich glaube es ist Progressivrock, weil ich
glaube, wir haben uns weiterentwickelt, und
wir spielen Rockmusik. Wenn Du aber Prog definierst als Retro-Genesis
und sagst nein – sag ich nur „Danke“.
Clive: Ich höre Progressivrock: KING CRIMSON, GENESIS,
PINK FLOYD, JADIS, PENDRAGON und RADIOHEAD,...
Die Bandbreite von sogenanntem Progressivrock ist sooo breit, und
da kann ich nur sagen: Yep, wir machen Prog. Wenn Du aber all diese Bands
nimmst, die so aufgekommen sind, wo es nur darum geht, wie sehr sie nach
Marillion oder Genesis klingen – das ist nicht unsere Intention, und dann sage
ich NEIN!
QU: Es gab relativ wenig Information über die Story...
wollt Ihr ein bißchen verraten?
Clive: Es ist
schon mal ein Konzeptalbum – das noch mal zur ProgRock-Frage...
Da ist also dieser Mann, der über einen gefrorenen See geht,
er ist böse, depressiv, denkt an Selbstmord und hält sein Leben für wertlos,
und dann fällt er durch´s Eis, und das Album handelt von seinen Gedanken kurz
vor dem möglichen Tod. Er trifft diesen „Besucher“, der Gott sein könnte, oder
ein Alien, oder ein Traum, oder was auch immer, und dieser „Besucher“ nimmt ihn
durch seine eigenen Abschnitte seiner Persönlichkeit und seines Lebens.
Es ist wie in Charles Dickens´ „A Christmas Carroll“, wo dieser einfältige
Mann auch von drei Geistern besucht wird, die ihn zwingen sein eigenes Leben zu
betrachten, und am Ende der Geschichte ist er ein neuer Mensch. „The Visitor“
ist eine etwas dunklere Version dieser selben Idee, und unser Held trifft den
Vampir, den Clown usw., sie sind alle Teile von ihm, und Teile des „Besuchers“
und es gibt viele Hinweise zur Interpretation in den Texten. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten zur Interpretation, ich habe meine natürlich, aber
es gibt auch viel Raum für andere.
QU: Es gibt
Parallelen zu einem solchen Thema – viele Konzeptalben der Vergangenheit hatten
auch schon dieses Thema der Selbstfindung – Genesis´ „Lamb lies down“ oder IQ´s
„Subterranea“ sind nur zwei Beispiele. Gibt es dafür einen Grund?
Clive: Es gibt zwei Arten von Konzeptalben. Es gibt die
Suite, in der die einzelnen Tracks irgendwie etwas miteinander zu tun haben –
musikalisch oder textlich.
Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit, daß du eine Story
hast, die Du erzählst. Und wenn Du diese dann auch irgendwie noch live auf die
Bühne bringen willst, wird klar, daß Du sie für einen Charakter schreiben mußt,
den der Sänger dann darstellen kann. Es ist eine Art Rock-Oper. Und wenn Du
dann überlegst, was man da machen kann, wird sich das sehr schnell auf eine
recht einfache Idee zentrieren: Ein Mann gegen die Elemente, so die Art. Oder
ein Drogentrip oder oder, irgendetwas was mit einem Mann zu tun hat. Ich
denke, deshalb gibt es vielleicht Parallelen, „The Wall“ ist ein weiteres
Beispiel dafür, aber ich glaube die Geschichten sind dann auch schon wieder
unterschiedlich genug.
Und ich meine, unsere Idee ist wirklich so einfach wie nur
möglich – diese 15 Sekunden vor dem – vielleicht – Tod, diese Theorie, daß Dein
Leben vor Dir abläuft. Und Du könntest sagen, wir haben eine Stunde über diese
15 Sekunden vor dem Tod gemacht..
Mick: Nun verrate
nicht so viel!
Clive: Natürlich.
Wir wissen ja noch gar nicht, ob er stirbt, das wird erst auf der Tournee
herauskommen...
Mick: Was wir wissen ist,
daß wir den europäischen Teil der Tournee am 10. Oktober in Utrecht, Tivoli
beginnen werden, und ihn am 29. November im Paradiso in Amsterdam beenden.
Dazwischen liegen Gigs in Frankreich, Italien, Deutschland, Polen , etc... ich glaube es werden in Deutscland ca. 8
Gigs.
QU: Und wie werden die Konzerte aussehen? Wird das neue
Album komplett gespielt?
Clive: Wir werden
das „Visitor“-Album komplett spielen, und der Rest wird eine Best-of Show aus
den anderen Alben sein. Und wie ich schon sagte: das Konzept von „The Visitor“
ist größer, ist mehr als das Album allein. Wir hoffen, daß wir dieses Konzept
noch weiter entwickeln können, vielleicht auch noch mit weiteren Veröffentlichungen
um diese Idee herum.
QU: Und bis dahin werdet Ihr auch wissen, ob Euer
Protagonist stirbt oder nicht...
Clive: Nun, ich
weiß es schon! Aber wie gesagt, wir überlassen vieles dem Hörer. Es gibt viele
Hinweise und Zwiedeutiges in den Texten, und deshalb kann der Hörer selbst
seine Idee dazu entwickeln. Wir hoffen aber auch, in den Live-Shows das alles
noch ein bißchen klarer werden zu lassen
QU: Kann man die Show dann mit IQ´s „Subterranea
vergleichen?
Clive: Nein,
überhaupt nicht. Ich denke, es wird persönlicher werden; hauptsächlich, weil
wir so viele verschiedene Hallen besuchen werden – große und kleine, und
deshalb wird sich die Stage-Show mehr um
die Leute drehen als um die Szenerie. Aber um ehrlich zu sein, wir werden uns
am Wochenende zum ersten Mal treffen, um genauer über die Stage-Show zu
sprechen... es gibt also noch gar keine
genauen Pläne. Aber wir haben nicht vor, eine 2. Subterranea-Show zu machen –
oder eine zweite „Lamb lies down“ oder „The Wall“-Show. Es wird etwas werden,
das speziell ARENA wird.
QU: Soweit zum Album
und zur kommenden Tournee von Arena. Clive, eine Frage an dich: wieviel Zeit
hast Du neben den ganzen Arena-Vorhaben noch für deine anderen Projekte?
Clive: Im Moment nicht viel, weil die Arbeit mit Arena sehr
viel Zeit in Anspruch nimmt. Und ich setze natürlich Prioritäten. Es gibt
verschiedene Projekte, die ich gerne machen würde, die aber wahrscheinlich noch
etwas warten müssen. Trotzdem werden Sachen kommen – im Moment mache ich gerade
ein Album mit Oliver Wakeman und einer interessanten Mixtur weiterer Musiker,
das zum Jahresende herauskommen wird; sollte gut werden. Ein neues Strangers on
a Train-Album ist bereits fertig geschrieben, es muß nur noch aufgenommen
werden.... vielleicht nächstes Jahr, auch mit Shadowland würde ich gerne ein
paar Sachen machen... aber solche Sachen kommen wohl alle erst im nächste Jahr.
ARENA nimmt momentan viel Zeit, aber das macht nichts. Das zeigt mit, das es
gut läuft, und dem stelle ich mich natürlich nicht entgegen.
QU: O.k., dann natürlich ein Thema für Dich, Mick, das
sich nicht vermeiden läßt: ich würde gerne noch ein bißchen über Deine Zeit
nach Marillion erfahren...
Mick: Nun, was kann
ich sagen: mein Leben ging weiter, aber ich hatte kein Interesse an Musik mehr
nach meinen Erfahrungen mit den Marillion Jungs. Und es hat eine Zeit gedauert,
bis ich herausgefunden habe, daß nicht jeder im Musikbusiness ein Arschloch ist
– es gibt immer noch einige.... aber
vor 5 Jahren wurde ich bekanntgemacht mit Clive und meine Ansicht änderte sich
wieder.
QU: Klingt ziemlich frustriert...
Mick: Du weißt,
ich gründete Marillion, und habe viele Jahre daran gearbeitet; ich hatte eine
ziemlich genaue Vorstellung davon, was ich für Musik machen wollte, und die
anderen sind meiner Band beigetreten, ich nicht ihrer – und der Dank
war, was ich bekommen habe. Ich meine, weißt Du, es gibt mehr im Leben als in
einer Rockband zu sein. Ich habe meine Erfahrungen mit ihnen gemacht, und ich
wollte nichts weitermachen, wovon ich im Voraus wußte, daß es nichts werden
würde. Und danach bedurfte es viel Überredungskunst von Clive, um mich zu
überzeugen, daß es sich lohnen würde, wieder einzusteigen.
Ich habe Marillion gemacht, ich habe sie gegründet, habe sie
benannt, und Marillion sind geworden, was sie geworden sind – erst mit, dann
ohne mein Zutun. Ich bin stolz darauf, und eine Platin-Platte beweist, das ich
stolz darauf sein kann, aber das ist lange her, und man muß sich
weiterentwickeln, und ich glaube, Marillion haben sich nicht weiterentwickelt,
und ich glaube, Arena haben.
Clive: Ich
glaube, Marillion hatten eine bestimmte Magie für einige Zeit, sie waren das
Flaggschiff für eine bestimmte Bewegung, sei es Prog oder nicht, aber ich
glaube, sie haben ihre Orientierung verloren. Sie hatten Hitsingles, und
plötzlich meinten sie, sie müßten Hitsingles schreiben – und das ist ein
Unterschied. Es hängt alles von der Einstellung ab – wie so viel in der Musik.
Ich glaube auch, daß sie Interesse verloren haben an dem, was sie machen
(Nun – von den Gesprächen mit Steve Hogarth und Mark
Kelly wissen wir, daß Marillion schon noch 100%ig hinter ihrer Musik stehen,
aber das ist eine andere Geschichte; R.K.)
QU: Marillions große Hitsingle kam von einem Konzeptalbum
– würdet Ihr auch gerne eine Hitsingle haben?
Clive: Wir? Nur
wenn wir einen Track hätten, der sich anbieten würde... Wir versuchen nicht, Singles zu
schreiben! Naja, ok: es gibt da einen
Titel auf „The Visitor“, der vielleicht nicht die klassische Single darstellt,
der aber evtl. die richtige Länge für so einen „Single-Happen“, der
radiokompatibel wäre, hat, und das ist „Don´t forget to Breathe“ – aber wir
bestehen darauf, keine Singles-Band zu sein. Und glücklicherweise sind wir auch
nicht bei einer Plattenfirma, die so etwas haben will. Es ist nur, falls sich
so etwas ergeben würde... hätten wir natürlich nichts dagegen...