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Camel Interview

 Intervew 2002

Die große Hitsingle blieb ihnen immer verwehrt, selbst wenn sie in den Achtzigern mal eine Zeit hatten, in denen ihre Songstrukturen direkter und weniger verspielt und/oder ausufernd waren. Davor und (für die meisten Fans glücklicherweise auch) danach widmeten sich Camel eher dem Progressivrock verwandten Arrangements und machen lieber mit ihren fantastischen  Alben von sich Reden. Dabei gehören die Mannen um Andrew Latimer mittlerweile zu den kontinuierlich arbeitenden, die nicht mit höchster Frequenz aber doch in verlässlicher Beständigkeit Album um Album veröffentlichen. Dem ´99er "Rajaz" folgt dieser Tage ihr neuester Streich, "A Nod and a Wink" (Paengg/SPV). Ralf Koch sprach mit Songwriter, Sänger und Gitarrist, Andrew Latimer.

 

Das neue Album soll in drei Wochen, Ende Juli, veröffentlicht werden, bisher gibt es nicht mal Vorabexemplare - seit Ihr irgendwie in Verzug geraten?

Nein, nicht wirklich. Wir sind durchaus noch im Zeitrahmen. Ich mag es nicht, ein fertiges Produkt erst lange herumliegen zu lassen. Da wir eh nicht zu den Topstars gehören, deren neue CDs in die Charts einsteigen, macht es nichts, wenn die Reaktionen darauf alle zur Veröffentlichung vorliegen. Dass ich hier und jetzt mit Dir rede liegt ja eher an Deinem Einsatz als an allgemeinen Promo-Terminen. Für mich ist dieses Album jetzt erst einmal im Kasten und ich kann mich neuen Projekten widmen, von denen wir in diesem Jahr noch einige vorhaben.

Zum Beispiel?

Ich arbeite bereits an einem Akustikalbum, was wir veröffentlichen wollen. Und ansonsten kümmere ich mich mit meiner Frau und ein paar angestellten um unser kleines Camel Production Label, da machen wir ja mittlerweile einen viel größeren Anteil selber, als das früher der Fall war.

Eigentlich sollte das neue Album bei InsideOut veröffentlicht werden, dann habt Ihr die Zusammenarbeit doch beendet, was ist passiert?

Irgendwie sind wir nicht richtig auf einen grünen Zweig gekommen mit der Zusammenarbeit. Momentan ist der deutsche Markt dadurch etwas schwierig für uns, was ich sehr bedaure, weil ich sehr gerne in Deutschland bin und ich viele Fans dort habe.

Label-Probleme scheinen Euch ja zu verfolgen, ich meine im Endeffekt waren die es doch, die Dich dazu bewogen haben, Camel Productions zu gründen, oder?

Mit Decca, unserer alten Plattenfirma haben wir uns in Freundschaft getrennt. Eigentlich sollten wir noch zwei Alben abliefern, aber sie wussten eh nicht mehr, wie sie uns vermarkten sollten, also ließen sie uns gehen. Sie wollten Hitsingles, und sagten wir machten Progressivrock - und Progressivrock war ein schlimmes Wort, mit dem sich nichts verkaufen ließe - ihrer Meinung nach. Uns reicht´s sehr wohl! Danach schrieb ich das "Dust and Dreams" Album und versuchte damit einen Deal zu bekommen, bis wir realisierten, dass wir das eigentlich gar nicht brauchen, sondern lieber unser eigenes Ding aufbauen. Und damit fahren wir sehr gut. Vielleicht erreichen wir nicht mehr ganz so viele Leute, und es dauert länger, ein Album bekannt zu machen, aber dafür haben wir auch weniger Mittelsmänner, die an den Alben mit verdienen.

Sie wussten nicht, wie sie Euch vermarkten sollten, Progressivrock war ein schlimmes Wort - wie würdest Du Eure Musik kategorisieren?

Was wir immer versucht haben, war sehr melodischer, emotionaler klassischen Rock, wenn Du so willst. Es gibt alle möglichen Einflüsse darin, Jazz, Blues, jede Spielart eigentlich, und die sind zusammen gefügt in unserem Sound, den viele als "progressiv" bezeichnen, was eigentlich ein dummer Name ist. Den Ausdruck gab es noch gar nichts, als wir mit diesem Sound angefangen haben, damals 1970. Wir machten unser Ding, und irgendwann kam irgend jemand mit dieser Bezeichnung, um dem ganzen einen Namen geben zu können. Was natürlich Quatsch ist, weil nichts davon wirklich progressiv ist, aber ich verstehe, dass man immer Kategorisierungen braucht. Wir haben alle diese Elemente, aber ich würde nie sagen, dass wir unbedingt progressiv sind.

Da ich die neuen Songs noch nicht gehört habe, muss ich Dich bitten, mir etwas über das Album zu erzählen! Wie lange habt Ihr daran gearbeitet?

Ich habe im Januar angefangen, an dem neuen Album zu schreiben, habe mich dann mit unserem Keyboarder, Guy LeBlanc, getroffen und habe noch ein paar Songs mit ihm geschrieben. Ich brauche meist sehr lange, für ein Album, weil ich sehr kritisch bin. Im Prinzip schreibe ich Material, das für mehrere Alben reichen würde, aber nachdem sich die Stücke ein bisschen gesetzt haben, fliegen die meisten Ideen wieder raus. Das dauert lange, aber nur so kann ich wirklich zufrieden sein mit dem, was am Ende dabei herauskommt.

Das heißt, dass Du schon mehr oder weniger allein verantwortlich bist für das Endresultat.

Ja, im Prinzip ist das schon sehr lange so, die Songs sind zum größten Teil meine Vision. Ich meine, ich habe seit 1970 Songs für Camel geschrieben, ich meine langsam zu wissen, wie sich die Stücke anhören sollten.

Das klingt nicht gerade, als wenn wir große Veränderungen erwarten sollten zu neuen Album?

Nun, es ist schon irgendwie anders. Bei jedem Album habe ich immer versucht, ein neues Terrain zu betreten, allerdings nicht zu weit weg von dem, was man allgemein von uns kennt. Das neue Album hat definitiv die alten Trademarks des Camel-Sounds, aber es gibt auch viele Bereiche, die wir bisher nie betreten haben. Das Album behandelt im Prinzip das Wiederentdecken. Man könnte es auch Zurückgehen nennen, aber es geht eigentlich um die Magie, die man als Kind hatte. Die Fähigkeit, unvereingenommen an neue Dinge heran zu gehen, neugierig zu betrachten, eine Fähigkeit, die man verliert, wenn man älter wird. Gleichzeitig schaue ich zurück auf meine Einflüsse - Brian Wilson, die Beatles, Genesis, und die Art, wie ich früher diese Musik gehört habe.

Beim letzten Album "Rajaz" bist Du über ein Buch über Arabien auf das Thema des Album gekommen, was war es dieses Mal?

Verschiedene Dinge eigentlich, aber u.a. auch ein Buch, namens "The Boy´s Life", was auch davon handelt, seine Kindheit wieder zu entdecken, aber ich habe auch viel an meine Vorbilder gedacht, wie ich sie früher gehört habe und wie sich ihr Bild für mich gewandelt hat. Sie sind menschlich geworden. Eric Clapton, zum Beispiel, er ist keine Inspiration mehr für mich. Oder auch Peter Green, Einflüsse, die man durchaus hört auf dem neuen Album, manche mehr, manche weniger.

Eric Clapton ist menschlich geworden - heißt das, Du hast gesehen, dass er auch Fehler macht?

Nun, er inspiriert mich nicht mehr. Clapton ruht sich auf seinen Lorbeeren aus, er arbeitet nicht mehr an sich, und sein neues Material ist nur noch bedingt interessant.

Er arbeitet nicht mehr an sich - wie lange übst Du denn?

Eine Menge, jeden Tag mindestens eine Stunde. Ich will mich immer weiter verbessern, neue Techniken, etc., ich glaube immer noch, dass ich mich noch verbessern  muss.

Und Eric Clapton macht das nicht mehr?

Nein, ich denke nicht. Warum sollte er? Er ist Gott!

Nein, er ist menschlich geworden.

Ja, aber das weißt er ja nicht. Ich meine, Leute wie Paul McCartney, die haben niemanden, der ihnen sagt, ´hey Paul, dieser Song ist Müll´.

Wer sagt Dir das? Du selbst? Deine Frau? Deine Band?

Alle drei. In erster Linie ich selbst. Ich bin sehr kritisch. Ich höre die Stücke meist für Monate selber, bevor ich sie irgend jemand vorspiele. Dann kann es durchaus mal vorkommen, dass Susan sagt, das ist Müll. Die Band ist da diplomatischer. Sie sagen, ´aha, sehr interessant, Andrew´, und weigern sich, daran weiter daran zu arbeiten.

Was Du bisher zum Album gesagt hast, klingt alles sehr autobiografisch...

Ja, ich denke schon. In meinem Alter schaut man ganz gerne mal zurück. Ich habe sogar eine Dampflock auf dem Album. Ich liebe Züge! Es geht darum, die Welt mit Kinderaugen sehen zu können. Mit der Magie der Kinder.

Nur textlich oder auch musikalisch?

Beides. Ich denke, es gibt viele Elemente und Sounds auf dem Album, die man als Kind aufschnappt. Nicht in Form von Kinderreimen, sondern mit Glocken, Flöten usw.

Ich muss noch einmal auf Deine Pläne, die Du am Anfang erwähnt hattest, zurück kommen. Beinhaltet das auch Tour-Pläne?

Wir wollten eigentlich ab Oktober touren, aber wir haben das auf das nächste Jahr verschoben, damit das Album erst einmal mehr Zeit hat, wie gesagt, mit einem kleinen Label dauert das alles ein bisschen länger. Und gleichzeitig haben wir Pläne für zwei DVDs und dann noch das Akustikalbum.

Auf der "Harbour of Tears"-Tour hieß es, es würde die letzte Tour werden.

Ja, es sah erst so aus. Wir hatten sehr viel Stress, es ging mir gesundheitlich nicht so gut, und wir hatten befürchtet, dass es die letzte Tour wäre. Aber mittlerweile sieht es wieder besser aus, und ich liebe es zu touren, also hoffe ich, dass ich das bis zum Lebensende noch machen kann.

Stichwort Akustikalbum - Du hattest erwähnt, dass Du meinst zu wissen, was einen Camel-Song ausmacht... ist es nicht die E-Gitarre?

Doch, ja.

Wieviel Sinn macht dann das ganze akustisch?

Die Idee kam von der letzten Tour, wo wir einen Akustik-Part hatten. Und das war eine Herausforderung, weil ich eigentlich kein Akustik-Gitarrenspieler bin. Es war sehr interessant für mich, die Songs auf´s Essentielle zu reduzieren und jeden Ton einzeln zu beachten, ohne eine große Verstärkeranlage dahinter. Und die Resonanz war großartig, und wir haben es alle sehr genossen. Also haben wir uns gesagt, wir sollten das noch einmal angehen.

Und die Songs werden aus der gesamten Karriere sein?

Ja, ich wähle derzeit Songs aus. Und auch im Internet haben wir einen Aufruf, Songs zu wählen.

Und es wird ein Solo-Album, oder ein Band-Album?

Guy wird spielen, Colin singt auf ein paar der Stücke, Dennis wird wohl nicht involviert sen, aber die anderen.

Und die DVD wird eine Neuauflage des "Coming of Age" Videos?

Ja, ergänzt durch Bonus-Material, Backstage, Rehearsals, Soundcheck etc. Und außerdem arbeiten wir an einer DVD über die Geschichte der Band, mit (neuen) Interviews mit mir, Andy Ward, unserem ersten Drummer, Doug Ferguson, unserem ersten Bassisten und Pete Bardens, dem ersten Keyboarder. Und wir sprechen alle über unsere Vergangenheit, ist schon interessant. Andys Interview ist sein letztes, bevor er leider im letzten Januar gestorben ist. Und das ganze ist ergänzt mit alten Live-Aufnahmen, BBC-Aufnahmen, Grey Whistle Test etc.