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Element of Crime

Interview 2006

1985 gegründet von Sven Regener schwimmen die Berliner derzeit auf einer außerordentlichen Erfolgswelle mit ihrem aktuellen Album „Mittelpunkt der Erde“ – Chartplatzierungen, ausverkaufte Hallen ihrer letzten Tournee, Echo-Nominierung. Erste Bekanntheit erlangte die Band mit ihrem von John Cale produzierten Album „Try to be Mensch“ 1987, seit 1991 singen sie auf deutsch. Nach einer gemeinsamen Tournee mit Herbert Grönemeyer und dem Erfolgsalbum „Weißes Papier“ finden Element of Crime auch in den Charts statt. Seit rund 10 Jahren engagieren sich die Mitglieder der Band auch in erfolgreichen Nebenprojekten (17 Hippies, Das Dreckige Dutzend; Kindermusik, Theater- und Filmmusik; zudem wurde Regener auch als Autor der Bücher "Neue Vahr Süd" und "Herr Lehmann" bekannt). Umso beruhigender, dass nach vier Jahren nicht nur das neue Album erschien, sondern dieses auch so extrem erfolgreich ist. Ich sprach mit Sänger und (neben Trompete, Akkordeon und Klavier) Gitarrist Sven Regener.

 

 

Eure erste Single heißt und dreht sich um Delmenhorst - warum Delmenhorst?

Die Idee kam mir wegen des Klang des Namens, warum auch immer. Eigentlich war es die Herausforderung, den in einen Song zu verpacken. Ansonsten verbindet mich eigentlich nichts mit Delmenhorst. Die Idee des Songs ist ja auch eher, dass eine Person ins Exil geht, an einen Ort, wo ihn niemand vermutet – und dafür ist die Stadt natürlich prädestiniert, weil es eine Stadt ist, die nur wenige auf der Rechnung haben.

 

Der Song klingt auch nicht unbedingt wie eine Liebeserklärung...

Man macht doch an Städte keine Liebeserklärung. Man liebt Menschen, keine Städte. Städte sind viel zu komplexe Dinger. Und „New York, New York“ oder „Berlin, ick liebe dir“ ist auch nicht die Art von Liedern, die wir schreiben. Ich schreib ja auch keine Lieder über´s surfen – weil ich da keine Ahnung von hab. Man muss ja nicht alles machen.

Aber Delmenhorst ist genauso kunstfähig wie Berlin oder New York.

 

Ihr werdet gerne die Melancholie-Rocker genannt. 

Ich habe die Musik von Element of Crime eigentlich nie als so melancholisch gesehen. Und wenn´s mal melancholisch werden sollte, dann auch richtig, dann auch konsequent. Aber ansonsten haben die Leute auf unseren Konzerten sehr viel Spaß. Da geht´s keineswegs nur um Trauer.

 

Wieso, Melancholie heißt doch nicht unbedingt Trauer sondern kann doch auch etwas schönes sein...

Das stimmt schon, natürlich. Sogar das Traurige kann Spaß machen. Das Ding ist, ich habe mich irgendwann nicht mehr gegen den Begriff Melancho-Rocker gewehrt, aber im Grunde sind unsere Songs nur Songs, und ich würde auch sagen rund 90% aller Songs sind Liebeslieder. Wir schreiben ja keine Songs, weil wir ein bestimmtes Anliegen haben, sondern weil wir Songs schreiben wollen. Und Worte haben im Endeffekt einen bestimmten Klang – das ist die Idee von Poesie überhaupt.

 

Sind Deine Texte nicht musikalische Poesie?

Nein, sie sind Songtexte, da muss man kein großes Etikett für suchen. Da muss man kein großes Aufheben machen oder einen besonderen Begriff suchen, um sie zu begreifen. Sie sind einfach, was sie sind.

 

Nun gibt es aber auch wesentlich banalere Songtexte...

Trotzdem sind sie Songtexte. Es gibt auch ganz banale Poesie oder auch ganz blöde Poesie. Von daher ist der Vergleich mit Poesie für mich auch kein Kompliment. Wie man die Texte dann findet, ist ja eine andere Sache. Aber wir machen ja immer erst die Musik, und dann versuche ich dazu einen Text zu finden. Das ist ja auch völlig normal in der Musik. Das haben die Beatles auch nicht anders gemacht.

 

Die – v.a. in ihrer früheren Zeit einen etwas direkteren Weg ihrer Wortwahl gewählt haben.

Natürlich gab es Songs wie „Love me do“ oder „She loves me“, aber spätestens mit „Lucy in the Sky with Diamonds“ oder „Helter Skelter“ oder „Cross the Universe“ von John Lennon hatten die doch Texte, die auf´s kontroverseste diskutiert wurden. Aber beide Arten von Texten haben ihre Daseinsberechtigung. Ein bestimmtes Lied will auch einen bestimmten Text haben. Wir haben nie Rockmusik gemacht, weil wir eigentlich weil wir eigentlich Dichter sein wollten.

 

Und das seit gut 20 Jahren mittlerweile! Hättest Du gedacht, dass du das so lange durchhalten würdest?

Nee, natürlich nicht, aber ich habe da auch nie groß drüber nachgedacht. 20 Jahre sind eine lange Zeit, wer kann sich das schon vorstellen. Klar ist das eine lange Zeit, aber wenn man eine Band findet, in der es richtig gut funktioniert, dann ist es auch klar, dass das halten kann. Ich hätte auch nie gedacht, dass wir mal in Berlin die Arena ausverkaufen oder in Köln vor 4000 Leuten, wie es jetzt ist.

 

Das aktuelle Album ist ja sowieso extrem erfolgreich.

Ja, die letzte Tournee ging unglaublich durch die Decke, wir haben in größere Hallen verlegt oder wo das nicht ging, Zusatzkonzerte gemacht – das ist schon ziemlich erschütternd. 1993 hatten wir schon einmal so einen Effekt, dass plötzlich wie auf Kommando alles nach oben ging. Aber erklären lässt sich das nicht – warum gerade jetzt, warum nicht mit der Platte davor. Man trifft sich mit der Zeit.

 

Die Mysterien des Musikbusiness

Ja, der Kunst allgemein.

 

Nun ist deutsche Musik ja derzeit sehr populär – passt Ihr da rein?

Ja, wir passen überall rein und nirgends. Wir gehören ja nicht zu irgendeiner bestimmten Szene. Wir stehen ja schon durch unsere Biografie etwas alleine da, die anderen Bands die es da noch so gibt sind Bap oder die Toten Hosen oder die Einstürzenden Neubauten. Aber da gibt es wenig Überschneidungen – genau genommen gar keine. Außer dass das alles Rockmusik ist.

 

Ist das überhaupt Rockmusik?

Würdest Du das Leonard Cohen oder Adam Green auch fragen? Zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, was soll denn das sonst sein. Wir machen erst die Musik, dann den Text, wir spielen in unbestuhlten Hallen und haben ein klares, elektrisches Instrumentarium, und wären für mich die Kriterien für Rockmusik. Das ist Rock´n´Roll, man schreibt zusammen Sonogs und spielt die mit elektrischen Instrumenten.

Rock war lange Zeit eine ganz eingegrenzte Sache, Lederhosen, VoKuHiLa, Ausfallschritt und Ricke-Racke-Rock-Riff, aber das ist doch so ein weites Feld! Beim Echo waren wir ja auch (neben In Extremo, Kettcar, Subway to Sally und den Gewinnern Rammstein, Anm. d. Red) nominiert in der Sparte „Alternative Rock“ – noch  Fragen?

 

Während der Echo verliehen wurde, habt Ihr ein Konzert in Stuttgart gespielt. War das Kalkül? Immerhin bist Du nicht unbedingt scharf auf derlei Veranstaltungen, oder?

Och, wenn wir nicht gespielt hätten, wären wir da wohl hingegangen... ich war auch schon beim Echo. Dagegen muss man nichts haben. Ich habe mal einen Deutschen Filmpreis gewonnen, und da habe ich kritisiert, dass die Leute sich mit der S-Klasse vorfahren lassen, und sich dann über gekürzte Subventionen der Hamburger Kulturbehörde beschwerten. Das passte für mich nicht zusammen, dagegen hab ich revoltiert.

 

Ihr habt ein Vorwort zur neuen Tomte CD verfasst, wie kam´s dazu?

Die waren mal Vorgruppe bei uns und haben mich gefragt, ob ich Lust hätte, das zu machen. Ist doch ne prima Band. Wenn man mit Leuten befreundet ist, dann macht man das einfach. Dann fragt man nicht lange, sondern findet entweder die Zeit oder eben nicht. Warum hilft man einer Oma über die Straße? Das macht man einfach mal so.

 

Ob Tomte jetzt dieser Vergleich gefallen würde...

Zugegeben, dieser Vergleich ist jetzt etwas hart. Tatsache ist, dass man solche Sachen eigentlich gar nicht erklären sollte.

 

Eine Frage, die Du wahrscheinlich früher eher mehr als heute beantworten musstest – was bedeutet dir der Bandname?

Da hab ich mir seit Jahrzehnten keine Gedanken mehr drüber gemacht. Wir hatten damals einen Namen gesucht, und dieser Film war gerade populär. Würd ich heute so auch nicht mehr machen. Wir hatten dann auch überlegt, als wir ins deutsche gewechselt sind, ob wir den ändern sollten. Aber Tatsache ist, dass nach einem Jahr ein solcher Name einfach auch die normative Kraft des Faktischen hat. Aber wir haben den Namen nie als Auftrag verstanden oder als Verpflichtung, noch als Mahnung.

 

Du sagst, Du willst gar kein Star sein – kann man das immer so kontrollieren?

Das hängt davon ab. Wenn ich auf die Bühne gehe und da stehen ein paar Tausend Leute, dann sind wir die Stars, ganz klar. Dann haben wir das auch verdient, wir haben die verdammte Halle ausverkauft. Die Leute kommen wegen uns und unserer Musik. Aber das heißt ja nicht, dass ich mein Leben danach ausrichten muss. Ich bin ja kein Robbie Williams. Das will ich nicht. Wenn es denn so ist, und sich nicht vermeiden lässt, dann muss man sich was Neues überlegen, aber im Alltag strebe ich nicht an, ein Star zu sein. Ich will auch nicht auf der Straße erkannt werden.

 

Du wirst nicht erkannt?

Manchmal schon. Aber das Angenehme ist ja, dass ich maximal von Leuten erkannt werde, die interessiert, was ich mache – und diese Leute lassen einen dann auch meistens in Ruhe.