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Heather Nova: Künstlerisch frei zurück zu den Wurzeln

Interview 2005

„Walk this world“ und das dazugehörige Album „Oyster“ spülte diese junge Dame von den Bermudas mit einer Riesenwelle in die Musikwelt. Und sie tat genau das – tourte 12 Jahre lang pausenlos durch die Welt, nur unterbrochen von Studiophasen für ein neues Album. Mit „Storm“ zog sie die Notbremse in vielerlei Hinsicht. Nun, nach künstlerischer und familiärer Pause gibt es nach diesem Akustik-Ausflug ihr sechstes Album „Redbird“ – auf dem sie ihre künstlerische Freiheit genießt, sich aber doch wieder zu klaren Rocksounds bekennt. Im Interview erzählte sie mir die Hintergründe.

 

So früh morgens schon auf den Beinen?

Ja, meine Tageszeiten haben sich geändert, seit ich ein Kind habe.

 

Kann ich nachvollziehen, meine Zwillinge sind gerade 9 Monate alt... wie alt ist Dein Sohn jetzt?

Eineinhalb, er ist schon ´aus dem gröbsten raus´, wie man immer so gerne sagt (lacht).

 

Trotzdem stelle ich es mir nicht gerade einfach vor, „nebenbei“ ein neues Album fertigzustellen.

Nun, ich schätze mal, Zwillinge machen noch wesentlich mehr Arbeit, aber es stimmt, es war schon schwierig – man kriegt in den Nächten keinen Schlaf, und hat tagsüber keine Zeit... aber mein Mann hat mich bestens unterstützt. Er hat mir dann immer wieder Freiräume gegeben. Aber auch das war nicht einfach, weil ich nicht gewohnt war, in zwei Stunden mal eben Songs zu schreiben. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt. Und gleichzeitig war ich ja so inspiriert, hatte so viele Emotionen in mir, die auch so viel tiefer und intensiver waren – also nachdem ich erstmal „die Tür geöffnet“ hatte, gab es eine Menge Songs, die darauf warteten, geschrieben zu werden. Trotzdem hat alles länger gedauert, als sonst üblich bei mir. Auch der Aufnahmeprozess war etwas schwieriger, weil ich keine Lust hatte, mein Kind zur Tagesmutter zu geben, einfach weil ich darin nicht den Sinn sehe, ein Kind zu haben. Also haben wir das Kind mit ins Studio genommen, und ich hab erst einmal meine Stimme und die Gitarre aufgenommen, so dass ich das Kind im Arm halten konnte, während wir den Rest der Arrangements gemacht haben.

 

Dann ist es ja sogar noch überraschender, dass das Album nicht mehr Akustikgitarren-orientiert ist.

Das stimmt, aber ich denke, das neue Album ist eine Reaktion auf mein letztes Album, „Storm“. Nachdem ich den Vorgänger „South“ nicht so mochte, war „Storm“ sehr zurückgenommen, sehr akustisch. Ich liebe das Album, aber ich wollte nicht ein weiteres genau so machen. Dieses Mal wollte ich unbedingt zurück zum größeren, volleren Sound. Nicht unbedingt jetzt nur mit verzerrten Gitarren – obwohl es ein paar reine Rockstücke gibt auf dem Album – aber ich wollte auch mehr Elemente auf dem Album, wie in „A Way to live“ oder „Mezmerised“, die klingen einfach fett, aber ich arbeite mit Streichern oder auch Gospelchor, wa sich vorher noch nie gemacht hatte.

 

Diese Stiländerungen gab es ja auch schon früher von Dir – was beeinflusst Dich am meisten darin, wie ein Album klingen soll?

Eigentlich nur meine Stimmung, in der ich gerade bin. Und die Reaktion auf mein Vorgängeralbum. „Storm“ war eindeutig meine Ansage, von dem „South“ Album wegzukommen. Ich mochte das Album nicht, weil ich denke, dass es überproduziert war. Die Leute meines Labels in England waren einfach nicht mehr die selben, und sie wollten unbedingt Hitsingles, ließen mich mit 5 oder 6 verschiedenen Produzenten arbeiten in zu vielen verschiedenen Orten. Also bin ich mit „Storm“ den Independent-Weg gegangen, lizensiere seit dem meine Alben nur noch und wollte auch musikalisch ausdrücken, dass ich wieder dahin zurück wollte, wo ich hergekommen war und wollte einfach nur  eine gute Atmosphäre hinbekommen. Das hat mir eine Menge Freiheit zurückgegeben, und diese Freiheit haben ich auch beim neuen Album gespürt. Auch hier war mir die gute Atmosphäre wichtig, nur jetzt wieder auf einem anderen Level.

 

Würdest Du Dein neues Album Dein Lieblingsalbum nennen? Oder ist das eher ein anderes?

Schwer zu beantworten, weil ich jetzt noch sehr dicht dran an dem Album bin. Ich denke, ich mag jedes Album für die Zeit, die es repräsentiert. Jedes, ausgenommen „South“. „Oyster“ hat mich in die Musikwelt katapultiert und hat mein Leben verändert, aber auch wenn ich dankbar dafür bin, ist es nicht mein Lieblingsalbum.

 

Die Plattenfirma hat mir vorerst nur Auszüge der Stücke geschickt – aber „I miss my sky“ klingt, als wenn der Song richtig abgehen würde zum Ende hin.

Ja, absolut, der wird heavy. Der Song gehört zu meinen Lieblingssongs. Ich stellte mir vor, wie das Leben von Amelia Earhart wohl gewesen sein könnte, nachdem sie auf dieser einsamen Insel notgelandet war. Ich habe versucht, mir ihren Gefühlszustand, ihre Emotionen, ihr Leben vorzustellen. Ich liebe auch die Sprechgesang-Passagen darauf, in Verbindung mit Rocksounds haben die eine ganz besondere Kraft.

 

Bei solchen Songs frage ich mich immer, wie sich der live anhören könnte. Wie viel Improvisationen sind in deinem Live-Set erlaubt?

Es gibt ein bisschen, aber ich halte nicht viel davon, Songs zu sehr zu verändern, geschweige denn, sie endlos zu verlängern. Ich hasse es, auf ein Konzert zu gehen, und die Songs, mit denen man gewachsen ist, völlig anders und völlig verändert zu hören. Der Grund, auf ein Konzert zu gehen, ist doch, die Songs zu hören, die ein Teil deines Lebens geworden sind.

 

Nun, dann könnte ich ja auch gleich das Album hören...

Naja, es sind natürlich keine 1:1 Kopien, aber eben die großen Veränderungen, die mag ich nicht. Ich denke, ich habe eine gute Balance daraus gefunden. Ich finde immer, meine Songs werden erst live richtig lebendig, sie haben eine Extraportion Energie und Power. Das ist auch der Grund, warum ich immer wieder auf Tour gehe: Die Songs bekommen eine besondere Magie live.

 

Verändern sich die Songs dann nicht mit der Zeit?

Ja, das tun sie, und ich sage auch immer, der beste weg wäre, erst mit den Songs ein Jahr auf Tour zu gehen, bevor man ein Album daraus macht, aber leider arbeite ich nicht nach diesem Prinzip. Vielleicht schaffe ich es ja noch einmal, so herum zu arbeiten.

 

Noch ein anderer Song, den ich hinterfragen muss: Warum Chris Issacks „Wicked Game“? Was hat dieser Song, das ich nicht verstehe?

Du magst ihn nicht, eh? Da bist Du nicht allein, ich weiß. Aber dieser Song kann einen verfolgen! Er hat diese Düsterkeit, die das Leben haben kann. Und wie wahrscheinlich viele andere hat dieser Song ganz bestimmte Erinnerungen für mich. Ich mache selten Covers, und wenn ich welche mache, dann ändere ich auch ganz gerne die Arrangements. Aber ich habe es probiert in verschiedenen Versionen, und das Ding ist, wenn Du diese Slide-Guitar herausnimmst, dann passt der Song einfach nicht. Also habe ich sie wieder rein genommen, und den Song so gelassen, wie er war.

 

Du warst immer mein Idealbild eines barfüßigen Hippie-Mädchens, die auf ihrer Gitarre genau das macht, was ihr in den Sinn kommt – wieviel davon ist wahr, und wie vereinbarst Du das mit den Regeln des Musikbusiness? Interviews, Promotouren, ....

Nun, immerhin war das der Grund für mich, mein eigenes Label zu gründen, Ganz einfach, weil ich niemanden haben wollte, der mir in meine Alben redet, mir etwas aufdiktiert, wie es zuletzt bei „South“ war. Das ist absolut deprimierend und bringt dich völlig raus. Also arbeite ich jetzt nur noch mit den Leuten, die das Album, das ich ihnen anbiete, mögen. Und was den Rest betrifft: Es gibt einen Preis für alles, oder? Ich kann froh sein, das Leben und den Job zu haben, das ich habe. Ich fand Fotosessions oder Videos nie natürlich, aber ich habe verstanden, dass sie dazu gehören. Das macht sie nicht einfacher oder angenehmer, aber sie sind es mir wert, weil mir die Musik so viel Wert ist. Weil ich nur so die Menschen erreichen kann. Also sage ich mir ´ok, jetzt kommt der shitty stuff´. E gibt keine Perfektion im Leben. Außerdem habe ich meine Einstellung geändert. Früher hat mich dieser Kram krank gemacht, heute sehe ich, dass ich mich einfach nur mit musikinteressierten Leuten unterhalte, ich lerne Menschen und ihre Geschichten kennen.

 

Du bist zurück auf die Bermudas gezogen – auch für das Familienleben du Deinen Sohn?

Ja. Ich habe 12 Jahre in London gelebt, du es war sicherlich hilfreich am Anfang meiner Karriere. Aber irgendwann hatte ich Heimweh nach meiner Familie, dem Meer, der Einfachheit. Ich fühlte mich irgendwie leer. Ich war ständig auf Tournee, kam zurück in diese kleine Wohnung, es gab nichts außer Musik in meinem Leben, und das musste sich ändern!

 

Eine andere Sache, die Du gemacht hast, ist „The Sorrow Joy“, eine Sammlung von Gedichten und Zeichnungen – wo liegt der Unterschied zwischen Songtexten du Gedichten für Dich?

Songtexte sind irgendwie automatisch verbunden mit Melodien – nicht erst, wenn sie als Song fertig sind, sondern auch schon in meinem Kopf. Gedichte sind intimer, viel leiser. Songs werden geschrieben, um gesungen zu werden, Gedichte sitzen still auf ihrer Seite. Das bringt eine Menge Freiheit mit sich, weil der Rhythmus anders ist, es ist kein musikalischer Rhythmus. Ich bin in einer anderen Situation, wenn ich ein Gedicht schreibe, anders kann ich dir das auch nicht erklären. Es gibt immer mal wieder Phasen, in den ich Gedichte schreibe, aber sie kommen nicht sehr regelmäßig vor. Genauso wie Texte schreiben. Ich brauche immer mal wieder Pausen, in den ich auch gar nichts schreibe. In denen ich einfach Eindrücke sammle und sie in mir wirken lasse. Schreibblockaden kommen doch nur, wenn sich Leute vornehmen jeden Tag schreiben zu wollen. Das könnte ich nicht.