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Joe Jackson  

Interview 2003. Ein älteres Interview von 2000 gibt es hier)

Zuletzt haben wir uns mit diesem Urgestein britischer Pop-Musik unterhalten, als er auf dem Höhepunkt seines kreativen Selbstfindungsphase war – mit einer just veröffentlichten Autobiographie und seiner ersten Symphonie (nachzulesen auch HIER!). Mittlerweile scheint der mehr Song-orientierte Geist in ihm wieder die Oberhand gewonnen zu haben – und das sogar zusammen mit den original Bandmitgliedern seiner ersten Joe Jackson Band. Als hätte es die 2 Dekaden dazwischen nie gegeben, wurde mit „IV“ ein Album eingespielt, das nahtlos an die alte Zeit anzuknüpfen scheint.

Joe Jackson über Definitionsprobleme, Ansätze und Einstellungen im heutigen Musikbusiness.

 

Ich hätte nicht erwartet, ein solches Album noch einmal von Dir zu hören! Wie entstand diese Wiedervereinigung?

Die Idee einer Reunion lag einfach in der Luft – schon wegen des 25jährigen Jubiläums. Eine schreckliche Idee eigentlich, zu der ich absolut keine Lust hatte. Aber als ich so Songs schrieb kam mir immer mehr der Gedanke, wie es wäre, sie mit der alten Band einzuspielen, wurde diese Idee langsam interessant. Und die Jungs waren sofort Feuer und Flamme. Lieber so etwas, als auf Tour zu gehen und nur die alten Sachen zu spielen. Und so konnten wir das ganze angehen, als wenn es etwas ganz neues wäre.

 

Die eigentliche Grundidee war also das Jubiläum?

Ja, die Idee, wie schrecklich es wäre, etwas nur deswegen zu machen (lacht).

 

Also hattest Du eher Songs in diesem Stil geschrieben, und dachtest dann, sie würden zu Deiner alten Band passen?

Ich kümmere mich nicht um Stil, das ist nicht mein Ding. Wenn ich etwas schreibe, dann ist das mein Stil.

 

Nun, es gab schon so viele verschiedene Sachen von Dir – das waren ja schon sehr unterschiedliche Geschichten, oder?

Unterschiedlich, ja, aber es war kein anderer Stil. Nicht für mich. Es bleibt der selbe Künstler, der nur verschiedene Arten ausprobiert, sich auszudrücken. Ich glaube, es führt in die Irre, wenn man hier von verschiedenen Stilen spricht. Wie würdest Du das neue Album denn nennen. Und was ist der so andere Ansatz in Alben wie „Night Music“? War das nicht beides Pop? Ganz ehrlich: ich bin es leid, immer wieder zu lesen, dass Joe Jackson wieder etwas ganz anderes macht. So würde ich kein Joe Jackson Album kaufen wollen. Und es ist einfach nicht wahr. Ich mache Musik, keine verschiedenen Genre-Übungen. Ich kümmere mich nicht um Genres, und ich glaube nicht, dass ich jemals in ein bestimmtes Genre gepasst habe. Ein bestimmter Stil kommt von einem Künstler. Und den kann ich nicht festlegen bei mir, den habe ich. Wenn Du Stil sagst, meinst Du Marketing-Kategorien.

 

Dann würdest Du wahrscheinlich auch nicht zustimmen, dass dieses etwas mit „Retro“ zu tun hat?

Doch in gewisser Hinsicht ja. Wenn eine Band sich wieder zusammen findet, die vor 25 Jahren das erste Mal zusammen gespielt hat, eine Aufnahme im klassischen 24-Spur-Verfahren analog und live im Studio aufnimmt, dann hat das schon etwas von Retro. Aber die Menschen hören heute ja auch noch Bach.

 

Gutes Stichwort: Night Music hatte einen fast klassischen Ansatz, das neue Album hat einen Punk-Ansatz, oder? Auch trotz in beiden Fällen enthaltener Pop-Elemente.

Ist das so? 

 

War die Joe Jackson Band – damals wie heute – eigentlich eine Punk Band?

Hmm. Nein, ich glaube nicht. Wir waren immer schon zu gut als Musiker. Ich meine, wir hatten Einflüsse vom Punk, den konnte man zu der Zeit kaum vermeiden. Aber wir wollten nie eine Punk Band sein. Wir haben schnell gespielt, haben sie Songs einfach gehalten, aber es war nicht das selbe. Und unser ersten Album, „Look Sharp“ hatte alle möglichen Elemente – von R´n´B, Blues, Jazz, Funk bis zu Disco. Also versuche nicht, mir zu sagen, dass es da ein bestimmtes Genre gab, was wir da bedient hätten.

 

Hätte das neue Album 1980 veröffentlicht werden können?

Nein. Ich glaube nicht. Ich war noch nicht so weit entwickelt als Songwriter.

 

Die Songs sind also besser?

Ich bin als Songwriter besser geworden. Ich glaube, ich bin erwachsener geworden. Und Textschreiber. Und ein besserer Sänger. Und die Band ist besser geworden. Unsere Technik hat sich in jeder Hinsicht verbessert. Es gibt also viele Sachen, die wir so nicht hätten machen können. Aber ich meine, wer will schon behaupten, dass ein Song besser ist als ein anderer. Das bleibt Geschmackssache. Ich mag die neuen Songs, aber ich habe auch die alten Sachen immer gemocht.

 

Hat sich im Songwriting etwas geändert in der Joe Jackson Band? Oder sind noch immer alle Songs von Dir.

Ja. Die anderen spielen ihre Instrumente. Und tragen dazu bei, dass es nach Joe Jackson Band klingt.

 

Hätte sich das Endergebnis sehr viel anders angehört, wenn Du es mit anderen Leuten für ein „Soloalbum“ eingespielt hättest?

Ja, ich denke schon. Ein bisschen. Es wäre vielleicht elektronischer werden können, mehr Keyboard- und weniger Rock-orientiert.

 

Wir haben uns vor gut 3 Jahren das letzte Mal unterhalten, als Du Deine Symphonie veröffentlicht hattest. Und da klang es so, als wenn Du es für wenig angebracht hieltest, noch einmal Pop-Songs zu schreiben. Bist Du diesem Alter jetzt entwachsen? Oder nur dieser Einstellung?

Es gab eine Zeit, als ich wirklich die Nase voll hatte von der Popmusik-Industrie. Und ich wollte etwas anderes machen, als nur „Songs“ schrieben, ich wollte ambitioniertere Musik schreiben, wie „Heaven & Hell“ oder meine Symphonie. 
Und nachdem ich das gemacht hatte, wollte ich wieder mehr Song-orientierte Sachen machen. Daraus folgte erst „Night & Day 2“, und dann „IV“. Und es war eben so, dass ich 5, 6 Stücke geschrieben hatte, von denen ich dachte, sie wären vom Ansatz her etwas für meine alte Band. Sie hatten diese bestimmte Art von Arrangement, für die die Joe Jackson Band stand. Simple, direkte Songs, keine Overdubs, keine Computer.

 

Ambitionierter... - ist „IV“ ´weniger ambitioniert´?

Hmm, im Bezug auf die Struktur ist das wohl mehr.... hmmm, ´Standard´. ´Von der Stange´

 

Nun, das ist ja noch überraschender für Dich... heutzutage!

Giorgio Armani entwirft auch Standard-Modelle (lacht)! Besonderheiten werden doch nur für bestimmte Anlässe gemacht – Paris, Mailand... Michelangelo hat auch Bilder gemalt und Skulpturen entworfen. Es kann verdammt hart sein, ein Rennaissance-Künstler zu sein, wenn man im Mittelalter lebt, das kann ich Dir sagen!

 

Also war dies ein Spaß-Nebenprojekt?

Oh, ich hatte viel Spaß, als ich die Symphonie geschrieben habe – oder Heaven & Hell.

 

Aber trotzdem bleibt es bei der einen Scheibe?

Ja, nur diese eine Platte und diese eine Tour.

 

Wie lange wird die Tour noch weiter gehen?

Jahre! Immer weiter und weiter...

 

Das klingt, als wenn Du die Nase voll hättest.

Nein, so würde ich das nicht sagen. Die Konzerte machen Spaß, aber ich freue mich darauf, wieder frei zu haben. Wir spielen noch ein paar Gigs in Australien, und dann sind wir durch.

 

Und was kommt danach?

Wenn dieser ganze Wahnsinn vorbei ist? Ich weiß es nicht. Ich mache keine Pläne.

 

Zum Abschluss muss ich noch mit einem alten Gerücht aufräumen:

Absolut verrückt. Wer sollte so etwas machen?

 

Bist Du mit diesem Gerücht schon einmal konfrontiert worden?

Ja. Ich denke, es bezieht sich auf die Aufnahmen des „Big World“-Albums. Wir haben das live vor Publikum aufgenommen, und darum gebeten, nicht während der Songs dazwischen zu rufen. Wir haben das komplette neue Album gespielt, und alles was wir wollten, war, dass die Leute nicht die Aufnahme kaputt machen. Ein aus meiner Sicht sehr verständliches Anliegen. Und auch das Publikum hat´s verstanden. Aber jetzt muss ich mich mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen. Ich glaube, dass Ihr mich viel zu ernst nehmt.

 

Könnte an Deinem Auftreten liegen – Du erscheinst als eher seriöse Person...

Ha! Ist das deutsch? Die Amerikaner kirgen auch viel meines Humors nicht mit. Es hat schon immer eine große Menge Humor in meiner Arbeit gegeben. Aber den scheinen nicht alle immer mitzukriegen. Ich nehme mich nicht besonders ernst als Mensch. Aber ich nehme meine Arbeit als Musiker ernst. Was die Qualität betrifft. Aber das scheint nicht besonders cool zu sein. Das mag vielleicht etwas ungewöhnlich sein.

 

Du nimmst Dich nicht ernst?

Ich glaube nicht, dass ich ein Rockstar bin, oder dass ich ein besonderes Recht habe, Hitsingles zu haben. Ich mache keine selbstsüchtigen Videos.  Und wenn ich MTV kucke, sehe ich all diese Musiker, die sich selbst für unheimlich wichtig halten, aber sich nicht so sehr um die Qualität ihrer Musik zu kümmern. Ja, ich glaube, es gibt immer weniger Respekt vor Musik. Aber das kann ich nicht ändern. Ich kann nur weiterhin versuchen, so gute Musik zu machen, wie es mir möglich ist. Die Welt werde ich damit nicht ändern.