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Lionel Richie Interview (2000)

 

Lionel Richie zählt zu den ganz großen Musikbusiness – mit 70 Millionen verkauften Alben, fünf Grammys, einem Oscar, einem Golden Globe und diversen Amarican Music Awards.  Am Anfang standen die Commodores, die ihren Sound in den Siebzigern vom Funk/Dance zu gefühlvollerem Pop entwickelten und in den späten 70ern das erfolgreichste Pferd im Motwon-Stall waren. Trotzdem war das erst der Anfang, Richie gelangen danach noch weitaus größere Erfolge als Solokünstler. Seinem ersten #1-Hit “Three Times A Lady” (1978) folgten bis 1986 acht weitere #1-Kompositionen, inklusive der “Live-Aid” Hymne “We are the World”. Erst in den Neunzigern nahm er eine bewusste Auszeit, schrieb zwei, wie er sagt “persönlichere” Alben, um jetzt das neue Jahrtausend mit einem neuen Sound zu begrüßen. “Renaissance” heißt das Werk, und warum es einen so bedeutungsschwangeren Titel trägt, verriet er mir in einem bemerkenswert freundlichen Gespräch.

 

Ich habe mich nicht mehr so gut bei Albumaufnahmen gefühlt, seit “All Night Long”, “Hello” und der Zeit. Wir haben die Songs fast genauso flüssig geschrieben. Es ist tödlich, wenn man so elendig lange an Songs herumbasteln muss. Ich will nicht sagen, dass wir nicht an den Songs gearbeitet haben, aber die Grundgerüste standen wirklich schnell. Was ich am meisten daran liebe, ist dass ich nicht alles alleine geschrieben und produziert habe. Ich habe mich dieses Mal dafür entschieden, mit einer ganzen Menge Leute zusammen zu schreiben, Rodney Jerkins (Mariah Carey, Whitney Houston, Michael Jackson) Walter Afanasieff (Barbara Streisand, Quincy Jones), oder Brian Rawling (Cher, Enrique Iglesias). Ich hatte so viele Leute getroffen in den letzten Jahren, und dieses Mal dachte ich mir, warum rufe ich sie nicht alle an, und frage sie, ob sie Songs mit mir zusammen schreiben wollten. Und das war wirklich fantastisch. Und ich wollte auch kein Dance-Album in Amerika machen, sondern ich bin zu Brian nach London geflogen, um im Herzen der Club-Welt zu sein und die “Vibes” spüren zu können. Und darum habe ich das Album “Renaissance” genannt, denn obwohl jedes Album für mich ein Neuanfang ist, trifft das auf dieses Album wirklich seit langem am meisten zu.

Obwohl das letzte Album ja nun nicht soo lange her ist...

Das stimmt, aber ich musste über etwas hinwegkommen, was ich meine kreative Reinigungsphase nenne. Meine letzten zwei Alben, “Louder than Words und “Time” enthalten Sachen, die ich normalerweise aus kommerzieller Sicht gar nicht hätte machen können. Ich wollte nicht auf den Gewinn schielen, sondern einfach einige künstlerische Dinge loswerden. Und diese zwei Alben haben mir die Chance gegeben, Songs loszuwerden, von denen ich meine, dass sie wirklich sehr starke Songs waren. Diese Songs waren also für meine persönliche Diskographie. Mit dem neuen Album bin ich wieder in Tour-Laune, und wenn ich über Konzerte nachdenke, möchte ich Songs schreiben, zu denen die Leute tanzen können, mit denen sie tagtäglich etwas anfangen können.

Nur im Hinblick auf die Konzerte – oder auch eher, um die Songs vorab ins Radio zu bekommen, damit die Leute zu den Gigs kommen?

Das kann ich natürlich nicht ganz abstreiten – ich hab es gerne, wenn meine Songs im Radio gespielt werden. Aber meine Herangehensweise ist trotzdem folgende: die meisten Leute schreiben ein Album und überlegen dann, wie sie die Tournee dazu zusammenstellen. Ich mache das rückwärts. Ich stelle mir eine Show zusammen und frage mich, was für Songs brauche ich wo. Z.B., als ich “All Night Long” schrieb, wollte ich ein Showfinale haben. Ich sagte mir also, ich will einen Abschlusssong, ich will die Leute “auf der Straße tanzen” sehen, ich sehe Tänzer dazukommen – und was ich beschreibe, das ist “All Night Long”. Oder in der Mitte will ich einen Song mit Country-Flair, einem Stuhl auf der Bühne – da schrieb ich “Stuck on You”. Und wenn ich jetzt über anstehende Konzerte nachgedacht habe, brauchte ich Songs, die sich von meinem riesigen Repertoire an Slow-Songs unterscheiden, also brauchte ich Uptempo-Nummern, die das ausgleichen können.

Also war dieses Album einfach nötig...

Genau. Das war das erste. Und das zweite ist, dass die Welt einfach wieder in der Stimmung ist, zu tanzen. Warum auch immer, aber offensichtlich war ich lange genug im Business, um die zweite große Disco-Welle mitzubekommen. Auch wenn diese ein leicht anderes Flair hat, aber im Prinzip ist´s das gleiche. Also wollte ich mich in die Tanzwelt stürzen. Was ja auch etwas neues für mich ist, weil ich das seit meiner Zeit mit den Commodores nie gemacht habe.

Und die letzten zwei Alben waren nie dafür geschrieben worden, um damit auf Tour zu gehen?

Nicht im großen Stil, nein. Wir haben ein paar kleine Shows gespielt, aber das war´s. Ich habe gerade die Tina Turner US- Tournee mitgemacht, nur um zu zeigen, dass ich noch nicht weg vom Fenster bin, aber Stücke von diesen Alben haben wir nicht gespielt.

Sie werden also auch nicht Teil der kommenden Tournee sein?

Ich weiß es noch nicht, vielleicht werde ich versuchen, zwei bis drei Songs unter zu bringen. Wie gesagt, mir sind die Alben aus künstlerischer Sicht sehr wichtig. Aber ich habe solch ein riesiges Repertoire, und ich glaube, ein paar Commodore-Stücke werde ich auch noch mit hinein packen müssen... Ich glaube, was ich machen werde, ist, bei jedem Konzert ein – zumindest leicht – anderes Set zu spielen. So kann ich vielleicht auch den einen oder anderen Song davon loswerden.

Na hoffentlich ist “Climbing”, der Abschluss des “Louder than Words”-Albums mit dabei, das ist einer meiner Lieblingssongs.

Ich bin froh, dass Du das sagst. Dieser Song ist mein künstlerischer Höhepunkt! Ich würde ihn so gerne einmal mit einem Symphonieorchester spielen. Und wenn Du das schon so sagst... ja, ich werde definitiv versuchen, diesen Song ins Set einzubauen.

Ich hatte ja ein bisschen nach einem solchen Song auf dem neuen Album gesucht...

Den kann man nicht noch einmal schreiben. Tatsache ist, dass man solche Songs allgemein nur alle fünf Alben hinbekommt. Genauso wie “Three times a Lady”. Die Leute sagen mir auch immer, ich sollte ein weiteres “Easy” schreiben, aber das will ich gar nicht. Man schafft große Songs, und die müssen also solche bestehen bleiben. Außerdem werde ich Dir noch etwas anderes sagen – solche Songs wollen zu wenige! Ich wurde einer neuen Qualitätsmesslatte vorgestellt: Format. Wir leben in einer Formathölle heutzutage.

Aber hast Du es nötig, dich in dieses Format pressen zu lassen?

Ja, und ich sage dir auch, warum. Als ich anfing, sagten mir die Leute, das können wir nicht spielen, das ist zu schwarz. Da schrieb ich “Easy”, und die Dame vom letzten Mal sagte, das könne sie spielen. Aber die R´n´B-Stationen sagten, das ist zu poppig. Das war der Beginn der Formathölle. Und seitdem haben wir versucht, diese Gratwanderung zwischen Pop und R´n´B hinzubekommen. Heute gibt es das Problem, dass die Radiostationen nicht mehr musikalisch miteinander konkurrieren – sie haben alle das gleiche Format. Also wen ich da heute ein “Three times a Lady” abliefern würde, würden sie sagen, ´sorry guy, das hat keine 112 Beats per Minute, und das ist das Ende deines Songs. Aber ich hoffe, Du hast die Enttäuschung in meiner Stimme gehört. Wir werden  von den Produzenten dirigiert. Eric Clapton geht ins Babyface-Camp, um seine nächste Hitsingle zu bekommen.

Das schöne an der ganzen Sache ist, dass ich mittlerweile bekannt genug bin, dass die Leute mit mir arbeiten wollen. Sie bekommen meinen Namen in ihre Sammlung, und ich habe eine aufregende Zeit, mit ihnen zu arbeiten, und ihre Frische mitzubekommen.

Aber wieviel an den Songs kommt von dir, was kommt von den Produzenten?

Um Dich zu beruhigen, ich kann gar nicht einfach ins Studio gehen, und einen Songs singen, der nicht von mir ist. Als ich mit den Produzenten zusammengearbeitet habe, haben wir uns gegenseitig inspiriert. Sie kamen mit irgendeinem Hook, ich habe den Song drum herum gebaut. Und sie haben ihn dann ins Format gepackt. Oder so ähnlich. Es gibt keinen Song, an dem ich nicht mitgearbeitet hätte. “Renaissance” ist mein “Collaboration-album”. Ich wollte ja auch keine Jeniffer Lopez-Songs!

Nun... Songs wie “Here´s my Heart” und “Don´t stop the Music” sind nicht soo weit davon entfernt, oder?

Vielleicht. Aber ich versuche auch zu interpretieren, in welche Richtung sich das Musik-Business bewegt. Und ich hatte keine Lust mit einem veralteten Album zu kommen. Dieses Album ist meine Interpretation der Musik, die man heute braucht, um richtig feiern zu können. Und dafür bin ich ja auch mit diesen Produzenten zusammen gekommen, um meine Songs in die Moderne zu katapultieren. Es ist wichtig für mich, dass mein Album nicht fade klingt. Ich meine, wir leben im Sound-Himmel heutztage, und ich wollte das ausnutzen!

Du hattest die Hookline erwähnt – ist die dann das zentrale Element des Songs?

Ich brauche immer erst den Refrain, wenn ich den habe, steht fast automatisch das Grundgerüst für den Song. Ich weiß, wovon der Song handeln muss, also kommen die Texte auch fast alleine.

Wie viel Gewicht legst du in die Texte?

Tonnen. Ich bin ein Geschichtenerzähler. Du hast “Climbing” erwähnt, dieser Song z.B. fasst mein Leben dieser Zeit zusammen, er ist sehr substantiell.

Ja, der klingt auch danach, während es auf dem neuen Album ja eine Menge “einfache” Liebeslieder gibt...

...ja, Liebe ist im Leben eines jeden ein zentrales Thema. Das findest Du in allen Musikbereichen – sogar Punk oder Grunge. Es geht doch immer um “boy meets girl”. Was ich versuche, ist, die Songs clever zu machen. “Tender Heart”, z.B. handelt von einem Mann, der ein weiches Herz hat – meist wird diese Eigenschaft doch nur Frauen nachgesagt, aber bei mir gibt´s das auch bei Männern!

Nun, nach all den Stücken in Deiner Karriere wird sich wohl keiner mehr wundern darüber, dass Du über das weiche Herz eines Mannes singen kannst...  was sagt eigentlich Deine Frau zu solchen Songs?

(lacht) das ist ok. Es gibt das eigene Leben und mein Leben als Geschichtenerzähler. Und in dieser Person bin ich auch in der Lage, meine Umwelt zu studieren. Ich sehe mir die Beziehnungen der Menschen, die mich umgeben, sehr genau an. Wenn ich all die Gefühle, über die ich gesungen habe, selber er- und gelebt haben sollte, wäre ich wohl ein reichlich durchgeknallter Typ. Nein, das ist reiner Voyeurismus, ich bin glücklich verheiratet!

In den Achtzigern hast Du Millionen von Platten verkauft – ich glaube, das hat sich in den Neunzigern ein bisschen geändert, oder?

Die Neunziger waren seltsam. Ich war praktisch weg. Und dann habe ich auf den Tina Turner Shows gespielt, ich war so nervös. Und beim dritten Songs sehe ich in die Gesichter in den ersten Reihen, und sie singen jeden Ton mit! Wir bekommen nun ein Publikum, das die Commodores gar nicht miterlebet hat, aber sie kennen jeden Song! Weil sie die Songs zuhause bei ihren Eltern gehört haben – genauso wie es mir zuhause mit Frank Sinatra ging. Als ich Wyclef zum ersten Mal getroffen habe, hat er mir meine Karriere erzählt. Er hat mir sogar Sachen erzählt, die ich vergessen hatte.

Und trotzdem hieltest Du es für nötig, Deinen Sound so komplett neu zu definieren?

Ja, weil es von mir kommt. Wenn Wyclef eine CD mit 70s-Dance-Music machen würde, würden alle sagen, ´Wow!, das ist cool!´. Wenn wir den Sound von 1978 wiederholen würden, würden alle sagen, das ist alt! Also muss ich versuchen, aus dem Alten etwas neues zu machen. Es ist ein riesiges Kompliment für mich, wenn Musiker mir sagen, ´Lionel, ich möchte einen Song wie “Three Times a Lady” machen´, aber ich muss das nicht mehr. Die jungen Leute dürfen das.

Du hast ja sogar eine Aufnahme mit den Backstreet Boys gemacht...

Ja, wir haben uns hier in Deutschland getroffen. Ich war in Bremen bei dem Unicef-Benefizkonzert, und als ich nach dem Soundcheck von der Bühne kam, begrüßten mich die Jungs, weil sie am nächsten Tag in Bremen spielten. Sie sagten, sie wären große Fans von mir, sie hätten sogar “Easy” in ihrem eigenen Set, und ob sie zu mir auf die Bühne kommen dürften, um mich dabei zu begleiten. Und das haben wir gemacht. Und danach fragten sie mich, ob wir noch einmal zusammen arbeiten könnten – und daraus wurden der Song “Cinderella”. Nun haben wir leider nur das Problem, dass ihr Album zur selben Zeit erscheinen wird, und dass noch nicht klar ist, ob der Song auf dem Album bleiben kann. Das verhandeln die entsprechenden Leute gerade. Aber Hauptsache, die Leute wissen, dass wir den Song zusammen geschrieben haben. Nun haben wir etwas gemeinsames.

Was folgt?

Ihr wolltet im Sommer in Vechta spielen, aber das Konzert wurde kurzfristig abgesagt...

Wir werden auf große Welttournee kommen! Wir werden eineinhalb Jahre um die Welt reisen, und dann wissen wir auch, dass wir überall gewesen sind. Es wird eine lange Zeit werden, aber ich liebe es zu touren. Ich habe 17 Jahre mit den Commodores und am Anfang meiner Solokarriere nichts anderes gemacht.

 

Abschließend noch eine ganz andere Frage: Du hast mit Denzil Washington (und Whitney Houston) in “My Preacher´s Wife” gespielt – möchtest Du so etwas noch öfter machen?

(holt tief Luft...) Ich sage dir eins: ich habe einen neuen Respekt für jeden Schauspieler erlernt. Was Denzil da gemacht hat, hat mich umgeworfen. Wir sind Profis, in dem was wir machen. Ich bin Songwriter, und versuche das einfach aussehen zu lassen, Denzil schafft das mit dem Filmbusiness. Um auf Deine Frage zu antworten: ich würde wahnsinnig gerne so etwas noch einmal machen, aber du hast keine Idee, was für eine Arbeit das ist. Ich habe Blut und Asche geschwitzt. Es hat mich erst einmal alleine vier Tage gedauert, um mich daran zu gewöhnen, anderer Leute Texte zu sprechen.... (lacht)