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Marillion

Hier ein Interview, dass ich am 10.3.97 mit Steve Hogarth führte, anlässlich ihrer neuen CD „This Strange Engine“ und der anstehenden Tournee im Mai/Juni.

 

 

 

R.K.: Beginnen muß ich mit einer Frage, die eigentlich das Ende der CD betrifft: Das Lachen am Ende des Titelstücks - machst Du Dich lustig über alle Marillion-Fans, die auf ein neues 30 Minuten Opus gewartet haben?

Hogarth: Das Lachen? Das war einfach ein Stück, das wir hatten. Es war etwas, das uns amüsierte, und wir dachten, es sollte auf der CD sein.

 

R.K.  Wovon handelt das Titelstück „This strange Engine“?

Hogarth: Es begann mit einem Gedicht, das ich für meinen Vater schrieb, irgendwann vor ein paar Jahren mitten in der Nacht, und das war eine Sammlung von Erinnerungen die ich an meine Kindheit hatte, also irgendwie eine kleine Autobiographie, in der nur vereinzelt ein paar Teile festgehalten sind. Es fängt an mit der Geburt und endet mit der Qual, alt zu werden und mißverstanden zu werden.

 

R.K.: Gibt es einen tieferen Sinn im Titel und warum er auch für das Album genommen wurde?

Hogarth: Wir dachten, es ist ein interessanter Titel. Ich denke, das Stück zeigt unseren momentanen Stand als Band am besten.

 

R.K.:Es gibt neue Töne auf dem Album, aber dieses Stück ist doch noch am meisten, was Marillion schon immer waren, oder?

Hogarth: Ja und nein. Klar, es ist der traditionelle Stil in Beziehung auf seine Länge, auf seinen Aufbau und seine Dramaturgie. Aber es gibt auch viele Elemente, die ziemlich neu für uns sind, z.B. der funkige Mittelteil.

 

R.K.: Der Opener „Man of thousand faces“, ist das ein Lied über dich selbst?

Hogarth: Nein, es ist ein Lied über Helden, und darüber was sie zu Helden macht. Warum immer wieder Helden gebraucht werden. Es basiert auf einem Buch von Joseph Campbell über Sagen u.ä. „The Hero with a thousand Faces“. Es ist also ein mystischer Song, ein Song über Mystik, Legenden und Religion.

 

R.K.: Was für ein Chor ist das am Ende?

Hogarth: Am Anfang ist es nur meine Stimme mehrmals übereinander aufgenommen, und am Ende kommen dann noch 30 Kinder aus der Schule meiner Tochter dazu.

 

 

R.K: „Hope for the Future“ geht von einem bluesigen Anfang über in ein brasilianisches Flair. Ist das die musikalische Freiheit, von der Du schon beim letzten Album sagtest, die ihr Euch nicht nehmen lassen wollt. Ist das der „Surprise track“ der CD? Oder ist es typisch Marillion?

Hogarth: Klar steht auch dieses Stück für das was wir als Band momentan sind und machen. Wir wollen uns ungerne festlegen - deswegen auch „Cannibal Surf Baebe“ auf dem letzten Album. Den Grundrhythmus benutzt Ian (Mosley, dr.) schon seit Jahren beim Soundcheck, und ich dachte schon öfter, dass wir daraus mal einen Song machen sollten; ist ein ziemlich powervoller Rhythmus.

 

 

R.K. Du hast dich immer am Begriff „Progressivrock“ in Verbindung mit Marillion gestört. Wie auch der Infozettel sagt, auf dieser Platte, die ja mehr als alle bisherigen Alben neue Wege einschlägt, sei dein Einluß deutlich hörbar. Ist das wo Du die Band haben willst?

Hogarth:  Ich glaube, für jeden Musiker ist es eine Beleidigung, klassifiziert zu werden, es sei denn dieser Musiker ist so limitiert in seinen Fähigkeiten, dass einem nichts anderes übrigbleibt, als in in eine Schublade zu stecken. Wenn Du aber ein kreativer Musiker bist, wirst Du beeinflußt von allem was Dich umgibt und willst experimentieren, und dann will man auch nicht mehr, dass man einfach nur abgestempelt wird.

Es stimmt aber, ich habe vornehmlich etwas gegen „Progressivrock“, weil das für mich ein Schritt zurück in die 70er bedeutet, und ich halte nichts von Retro, es sei denn auf humorvolle Art und Weise. (Wie beispielsweise in „Cannibal Surf Babe“ auf dem letzten Album.)

 

 

R.K.: "Afraid of Sunlight“ und auch "Brave" hatten einen eher pessimistischen Gesamteindruck; "This strange Engine" klingt viel optimistischer. Woher kam dieser Einstellungswechsel?

Hogarth:  Ich denke, es war eine Reaktion auf das letzte Album. Wir haben immer versucht, das neue Album ganz anders zu machen, als das vorige, und ich denke wir haben das, zumindest seit ich in der Band bin, immer geschafft. Wenn wir zusammenkommen sagen wir eher, `so, das war das, was machen wir jetzt´ anstatt einfach da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben. Ich schätze, das ist der Grund dafür, das auch das neue Album eine so andere Ausstrahlung hat - zumindest musikalisch, textlich trifft das nicht gerade zu. Meine Sicht der Welt ist ziemlich pessimistisch, und ich persönlich denke, dass es immer schlimmer wird, worüber wir jetzt ziemlich lange philosophieren könnten; von daher fällt es mir schwer, optimistische Texte zu singen, aber musikalisch, da kann ich Dir zustimmen, hat das Album ein "much lighter feeling".

 

 

R.K.: Ihr geht ins 8. Jahr zusammen. Waren Eure Soloalben (Iris, H, The Wishing Tree) eine Hilfe über das "verflixte 7. Jahr" hinwegzukommen?

Hogarth: Vielleicht. Es war nicht so geplant, aber bevor wir zusammen ins Studio gingen haben wir mit mehr Problemen gerechnet, die Zusammenarbeit betreffend, als wir im Endeffekt hatten. Wir haben das Album schneller fertiggekriegt als alle anderen, und ich denke, es ist sehr gut geworden. Die Chemie in der Band stimmte, und vielleicht waren die Soloausflüge ein gutes Ablenkungsmanöver.

 

 

R.K.: Warum die Trennung von EMI? Hattet ihr nicht alle musikalischen Freiheiten, die ihr brauchtet?

Hogarth: Wir wurden immer mehr zum "Ferner-liefen-Projekt". Ich glaube, wir hatten ein Problem, das viele künstler haben. Alle Leute, mit denen wir zuvor erfolgreich zusammengearbeitet haben, die enthusiastisch für die Band waren, die die Band verstanden haben, die auch der Grund waren, warum wir bei EMI waren, gingen, und neue Leute, die nicht an uns interessiert waren, kamen, Leute, die um ehrlich zu sein ein gutes Stück Musik nicht von einem Loch in der Erde unterscheiden können.

Ich denke, „Brave“ hat in der Hinsicht einiges verändert. Ich glaube, jeder bei EMI war geschockt über „Brave“. Es war mehr ein Stück Kunst, als eine Scheibe, die man so ohne weiteres vermarkten konnte. Andere Plattenfirmen hätten es vielleicht besser als ein Stück Kunst vermarkten können, aber EMI haben versucht, es kommerziell auszuschlachten, was eigentlich gar nicht ging. Nach „Brave“ war im Prinzip die Sache mit EMI beendet. Der Vertrag war auch abgelaufen. Trotzdem fühlten wir, dass wir ein weiteres Album bei EMI machen sollten, was im Nachhinein ein Fehler war, glaube ich. Für „Afraid of Sunlight“ wurde schließlich überhaupt keine Werbung mehr gemacht, und es war ziemlich klar für uns, dass wir uns von EMI trennen würden. Wir werden jetzt sehen müssen, ob Castle viel mehr machen kann, immerhin ist es eine sehr viel kleinere Gesellschaft. Aber jedenfalls sind wir jetzt nicht mehr irgendeine Band hinter Blur oder Supergrass.

 

 

Nebenbei erzählte mir Steve übrigens, dass er vier Konzerte mit seiner Solo-Band gemacht hat (London, Amsterdam, Köln, Paris), die ihm extrem viel Spaß gemacht haben - eine Erfahrung, die er gerne wiederholen würde (zumal es jeden Abend mehr Spaß gemacht hat, und es schon wieder vorbei war, als die Jungs gerade richtig gut drauf waren), aber ob das machbar sein wird, steht in den Sternen. Vorsorglich wurde der Amsterdam-Gig aufgezeichnet, zur der Zeit des Interviews hatte er das Material noch nicht gesichtet, aber falls es verwertbar sein sollte, wird es evtl. auf Video veröffentlicht.