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Max Mutzke: Soulmusik mit all seinen Farben genauso aufnehmen, wie die alten Kerle das auch gemacht haben. Ein Album wie in den 60ern, 70ern - mit dem Sound, den es heute gar nicht mehr so gibt.

 Interview 2019

 Ältere Interviews findest du hier!

Unser ehemaliger Eurovision-Vertreter ist immer wieder für eine Überraschung gut. Sein neuester Streich: HipHop Tracks als Soul Musik zu covern. In bemerkenswerter Akribie und mithilfe zahlloser Gespräche und Beratungen entstand dabei zunächst mal ein Überblick über die Vielfalt des HipHop. In seiner aufwändigen Umsetzung gibt Mutzke zudem so etwas wie die Enzyklopädie des Soul! Alle verschiedenen Farben sollten vertreten sein. Entsprechend heißt das Album „Colours“. Und wenn man ihn darüber sprechen lässt, spürt man die eigene Begeisterung über das erreichte. Am Montag, 4. Februar ist er damit in der Kulturetage.

Was war die Idee?

Es ging um zweierlei. Wir wollten Hip Hop Songs zu ihrem Ursprung zurückführen, aus dem sie ja eigentlich mal erwachsen sind, dem Soul nämlich, und den wollten wir möglichst umfassend darstellen. Und wir wollten Soulmusik mit all seinen Farben genauso aufnehmen, wie die alten Kerle das auch gemacht haben – analog und in einem warmen, fetten Sound, ohne digitale Hilfe und copy&paste.

Dein Name steht auf dem Cover – also ist die Songauswahl auch von dir?
Leider nein, weil ich eigentlich nie HipHop Spezialist war. Aber wir haben in dem Jahr, in dem wir daran gearbeitet haben, mit so vielen Leuten zusammen gearbeitet und uns so intensiv damit beschäftigt, dass ich mich mittlerweile zum Fachmann geworden bin. Die Auswahl hatte bestimmte Vorgaben. Es musste z.B. eine Hookline haben, die man wiedererkennt – und das nicht nur unbedingt musikalisch, sondern auch vom Text. Teilweise haben wir ja fast nur den Refrain benutzt. Außerdem wollten wir viele verschiedene – alte und neue, bekannte und unbekannte.

D.h. es war auch nicht originär deine Idee?

Ich hatte ein Meeting mit meinem Team – Management, Label und so – und wir sprachen darüber was wir als nächstes machen wollten. Wir waren eigentlich schon am Ende, zogen uns die Jacken an, als einer sagte, wenn wir das durch haben, könnten wir auch mal ein Album mit alten HipHop Tracks machen – und innerhalb von 3 Minuten hatten wir so viele gute Ideen dazu und was es für geile alte Sachen gab, dass ich schon auf dem Weg nach Hause die ursprüngliche Idee wieder verworfen habe, weil ich merkte, wie viel Kreativität das plötzlich in uns freigesetzt hat und was man da Spannendes draus machen könnte. Also hab ich bei meinen Jungs angerufen und sie davon überzeugt, dass das sofort umgesetzt werden sollte.

Aber sind es neue Farben - oder sind es Songs, die du in deinen Soundkosmos einverleibt hast? Der Opener „Augenbling“ ist doch eigentlich nichts anderes als deine Version von „I can´t wait until tonight“ auf deinem „Live“-Album, oder?

Absolut, gut beobachtet! Aber du musst natürlich sehen, dass das auch schon eine Adaption von Al Greens „Let stay together“ und dieser smoothen Art. Wir hatten „Augenbling“ anfangs in einer James Brown-Version, dachten aber, dass uns das zu nah am Original ist. Und als wir da nicht weiter kamen, habe ich genau den Satz gesagt: Wir hatten auf dem Live-Album mal diese Al Green-Version, aber wir haben das nur mit einer eigenen Version gemacht und auch noch nie auf einem Studioalbum festgehalten. Live-Alben sind ja keine richtigen Alben, aber ich wollte so einen Soul auch auf diesem Album. Denn damit schließt sich ja der Kreis für dieses Album. Die Idee war ja nicht der Idee, Hip Hop zu machen, sondern ein Album, das produziert war wie in den 60ern, 70ern. Ein Album mit dem Sound, den es heute eigentlich gar nicht mehr so gibt. Und als wir schließlich dieses Studio von Torsten Eichen entdeckten, war uns klar, dass das möglich war. Das Studio sieht aus wie ein Wohnzimmer und Torsten will explizit nur analog aufnehmen – perfekt!

Also ein Beispiel für einen Sound, der offensichtlich nicht neu für dich ist. Inwieweit sind die anderen Farben also neu?

Fast alle. Und nicht einmal die gab es auf einer Studioplatte. Grandmaster Flash spielen wir als Otis Redding-Version. Hatten wir noch nie. Oder „Off the Ground“ mit dem Harpspieler Gregoire Maret aus New York: Ich hatte noch nie so einen Song, der so nach Stevie Wonder. Das sind total neue Seiten. Und das liegt natürlich auch an der Detailverliebtheit der Aufnahmen – wir waren ein ganzes Jahr im Studio, nicht durchgehend, aber immer wieder. Das war ja schon absurd, wieviel Zeit wir damit verbracht haben.

Was für mich neu ist, sind die Prince Parallelen.

Ja total! Prince und auch D´Angelo, der ja auch einen sehr ähnlichen Sound hat – zwischen Prince, James Brown und Al Green. Soul ist ja ein ganz weiter Begriff. Ray Charles, Otis Redding, Stevie Wonders, Bill Withers, Marvin Gaye – das ist alles Soul, aber alles extrem unterschiedlich. Wir wollten mit diesem Album aber auch diese verschiedenen Farben abdecken, da ist es  schon eine Art Konzeptalbum.

Hast du eine Lieblingsfarbe?

Es ist im Prinzip die Prince-Seite: „Zu dir komm ich heim“ ist ja eins der beiden eigenen Songs auf dem Album und mein Lieblingssong, der ist total Prince, auch mit dem Gitarrensolo. Was zurück geht auf meine Jugend – ich war nie so für den Kommerz, als es also um die Frage Jacko oder Prince ging, schlug mein Herz für Prince.

Bei manchen Song erkennt man nicht sofort, ob es ein Cover ist oder ein eigener Song, entweder weil sie so komplett verändert wurden – musikalisch oder textlich – oder aber weil es auch relativ unbekannte Sachen gibt – OK Kid zum Beispiel.

Genau richtig. Ich habe anfangs auch an Songs gedacht, die zu offensichtlich waren, „Haus am See“ z.B., aber das wäre zu simpel gewesen. Außerdem wollten wir einfach auch verschiedene Epochen abdecken. Ich wäre z.B. nie auf Grandmaster Flash gekommen, aber das war damals wirklich etwas ganz Neues – auch wenn es noch so rudimentär war. Und wenn man sich das anhört, weiß man, wo DJ Bobo herkommt. Und ich fand z.B. Men in Black so gut, weil es im Original eigentlich schon eine Neufassung von Patrice Rushens „Forget me not“ war. Will Smith hat ja eigentlich nichts anderes gemacht, als auf ihren Backtrack zu rappen. Und damit wollte ich zeigen, wie stark HipHopper inspiriert sind von geilen Motown-Soul-Stax-Atlantics-Produktionen, weil die so warm aufgenommen sind. HipHopper hatten gar keine Kohle, um groß ins Studio zu gehen, oder das Knowhow, also haben sie die Musik und die Beats von James Brown und so genommen, um sich darauf auszuleben – mehr brauchten die gar nicht.

Man hört deine Begeisterung – aber es klingt auch nach einem langen Prozess!

Dieses Jahr war wirklich ein Lebensabschnitt. Das war mit ganz vielen Entbehrungen verbunden, mit ganz viel Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben, ganz viele Fachleute – Musiker, die vom Fach kamen, Toningenieure, die sich mit diesem Sound und diesem Equipment auskennen usw. Ich würde es jederzeit wieder so machen, weil es einfach unglaublich viele neue Erfahrungen waren, die ich sammeln konnte und die mich auch auf so vielfältige Weise weitergebracht haben.

Und wir hätten das auch gar nicht machen können, wenn ich das nicht in erster Linie mit meinem eigenen Team hätte machen können und wenn Torsten Eichen nicht so hinter uns gestanden hätte  – und so entgegen gekommen wäre. Aber letztendlich darf man da keine Nutzen-Kosten-rechnung aufmachen. Die Belohnung kommt, wenn jemand wie Radio-Guru Werner Reinke von HR1 live on air gesagt hat: „Das ist für mich das wahnsinnigste Soul-Album, das in den letzten 30 Jahren, vielleicht auch jemals so in Deutschland gemacht wurde.“ Und da wusste ich, dass wir alles richtig gemacht haben. Das werden vielleicht gar nicht so viele so wertschätzen können, aber einige wenige sind es wert genug und für mich das geilste Album aller Zeiten.