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Als Tanzmusikabende Konzerte wurden

Silberbart, die 70/71er Hausband des Dangaster Kurhaus hat ihr Tafelsilber poliert

Story nach einem Interview mit Hajo Teschner  

 

Gitarrenschüler mögen sich an Hajo Teschner aus seinen Lehrzeiten an der Universität Oldenburg erinnern oder aber zumindest an seinen Namen: Seine „Fridolin“-Reihe ist eins der erfolgreichsten Gitarrenlehrwerke im deutschsprachigen Raum. Nur wenige allerdings werden mit seiner Vergangenheit vertraut sein, in der er in Varel ein frühes Stück (Progressivrock-) Geschichte schrieb: Silberbart waren für eineinhalb Jahre eine Kultinstitution im Oldenburger Raum, die es mit etwas mehr finanziellen Mitteln und/oder Durchhaltevermögen auch auf eine Stufe mit heutigen Legenden wie Can oder Neu! hätten bringen können. Aber erstens kommen Dinge anders und zweitens als man denkt.

Heute ist Teschner froh, dass er immerhin endlich die erste offizielle CD des einzigen, festgehaltenen Tondokuments aus damaligen Tagen in den Händen hält. Erschienen ist es beim französischen Label Long Hair Music, einem Spezialist für Wiederveröffentlichungen alter Perlen.

 

Nur ein Album

 

Das Album entstand 1971 gegen Ende der kurzen Existenz von Silberbart, just bevor Sänger und Gitarrist Teschner und seine zwei Mitstreiter, Werner Klug (Bass) und Peter Behrens (Schlagzeug) beschlossen, die Band ad acta zu legen und sich lebenserhaltenen Beschäftigungen zu widmen. Es waren die Zeiten des musikalischen Umbruchs und Aufbruchs. Die Beat-Musik der 60er wurde durch eine Unmenge neuer musikalischer Ströme flankiert und schließlich ersetzt. In England entstand u.a. mit Bands wie Pink Floyd, Yes oder Genesis der Progressivrock, bei uns nannte sich das „Krautrock“ –mit Namen wie Can, Neu! oder Amon Düül. Die Vareler Band Silberbart waren der  lokale Vertreter dieser Zunft, der es damals zumindest regional zu Kultstatus brachte. Es war die Zeit des musikalischen Umbruchs. „Disco hat den Bands damals die Wurst vom Brot geklaut“, reflektiert Teschner die Zeit, in der jeder Club seine Hausband hatte, die Hits coverten und das Publikum zum Tanzen animierten – bis die DJs kamen und ihren Job für weniger Geld und mehr Flexibilität erledigten. „Anfangs spielten wir auch nur Songs nach: Purple, Cream, Hendrix.“ Nachdem der erste Schlagzeuger Gerd Bäker durch Peter Behrens ersetzt wurde, „ging‘s auch musikalisch richtig los. Das waren beides absolute Könner an ihren Instrumenten“. Teschner, der vor seiner Zeit in Hamburg v.a. vom Jazz, Bebop und Free-Jazz beeinflusst und begeistert war, brachte sich kompositorisch immer mehr ein und verschob die Musik in neue Dimensionen. „Ich habe den Begriff `Progressive Rock´ immer wörtlich genommen: ich wollte etwas Neues entwickeln. Im Grunde haben wir musikalisch experimentiert. Takte gab es nicht, das waren Klangabsprachen“, fasst er die Essenz seiner Band zusammen. Die Saiten wurden gerne auch mal mit Messern oder Flaschenhälsen malträtiert, die Grundstrukturen der Songs um endlose Jams erweitert, Klangflächen verschoben sich auf akustische Zeichen hin zu anderen Klangflächen. „Wir waren völlig frei, die Ergebnisse oft Zufallsprodukte, die schwer kontrollierbar waren. Feedbacks wurde ja nicht durch technische Hilfsmittel, sondern durch aufgedrehte Verstärker erzielt, dass einem die Hosenbeine flatterten.

 

Konzerte in Dangast und Varel

 

Jeden Freitag rockten Silberbart im Dangaster Kurhaus – mehr als ein Jahr lang. Die Fans kamen aus Oldenburg, Wilhelmshaven, Aurich – jede Woche. Nebenbei, bzw. zusätzlich organisierten sie noch unregelmäßig Samstags Konzerte im Vareler Allee-Hotel, bei denen sie auch im Vorprogramm auftraten: Frumpy, Eloy oder Kraftwerk kamen auf Einladung der drei Musikverrückten. Zu großem Reichtum brachte es sie allerdings nicht. „Wir waren immer am Rande des Abgrunds. Boxen mussten abbezahlt werden – und allein der Bandbus… man hätte die Hilfe eines Managements gebraucht, um das professionell betreiben zu können“, blickt er zurück. Daran änderte auch die Aufnahme ihres Albums nicht. Trotz großer Plattenfirma war die Musik einfach zu sperrig, um ein größeres Publikum zu erreichen.

Den Traum, von der Musik leben zu können, begruben die drei schließlich 1971 gemeinsam mit ihrer Band. Werner Klug machte sich als Spediteur selbstständig, Peter Behrens landete nach unzähligen Bands schließlich mit der Band Trio große Erfolge und Teschner verfasste Gitarrenbücher und –Lehrwerke. Er schrieb weiter Songs und Geschichten, wurde Musiklehrer an den Musikschulen Friesland und Oldenburg und schließlich auch an der Uni Oldenburg. „Ich wollte mich mit meinen Ideen austoben, musikalisch Spaß haben mit super Musikern. Mein Ziel war immer, es `anders´ zu machen“, sagt er über seine Zeit mit Silberbart. Heute spielt er mit dem Oldenburger „Jazz-Urgestein“ Rüdiger Schulz (Saxofon) und dem Drummer Frank Jentson in dem Trio Jazz P.O.T..

Und wie steht’s mit einer Fortsetzung der Geschichte? „Oh Gott, nein! Nix, gar nix. Und dann wie The Joseph Brothers die Wilkenjohanns-Geschichte versuchen, weiterzuspinnen… das ist doch grauenhaft!“ Er hat die Zeichen der Zeit erkannt. Die Musikkultur hat sich verändert. Der Qualität und dem Innovationswert ihrer Musik tut das indes keinen Abbruch. Und für Nostalgiker gibt’s die Neuauflage des Albums auch im LP-Format…