Ralf-Koch.de§ Doors Down Setlist Bremen

Rock-, Pop- und Szene-News und mehr....

  • Startseite
  • Friebo
  • Radio Jade
  • Oldenburg 1
  • Neue CDs
  • Interviews
  • Zur Person
  • Links





Zurück zur Übersicht

Tori Amos

Interview 2015

1992 erschien sie auf der Bildfläche und verzauberte die Welt mit zwei Alben und einem Stapel Hits, der sich bis heute als Perlen der Singer/Songwriterkunst gehalten haben. Insofern – und auch in musikalischer Hinsicht, waren „Little Earthquakes“ und „Under The Pink“ so ähnlich, dass sie nun gemeinsam remastered wiederveröffentlicht wurden. Und nachdem die (Jagd auf die) B-Seiten zum Kult um diese Alben dazu gehörten – zumal viele der Songs nur schweren Herzens nicht auf dem Album waren – werden nun alle Songs gleichwertig auf jeweils einem Doppelalbum zusammengefasst. Wir sprachen mit der US Amerikanerin. 

 

Von Ralf Koch

 

Wo bist du, zuhause?

Zuhause ist eigentlich ein ungewöhnliches Wort für mich… ich bin im Studio in Cornwall.

 

Was wahrscheinlich auch eine Art zuhause für dich ist, oder?

Ja, ein bisschen. Mein Haupt-zuhause ist aber in Florida. Aber momentan produzieren wir „The Light Princess“ für Universal, deshalb bin ich schon wieder eine ganze Weile im Studio zuhause. Aber wir sprechen hier über die Reissues, oder?

 

Ja, wenn das ok für Dich ist… war das Deine Idee? Oder die deiner Plattenfirma?

Das war die Idee von Warner Bros., was die beste Art ist, weil sie schon dahinter stehen müssen – und sie besitzen die Master, deshalb geht es auch gar nicht ohne. Aber sie wollten es und wir holten Jon Astley, mit dem wir seit vielen Jahren jetzt zusammengearbeitet haben, und sind mit ihm nicht nur das Album sondern auch die ganzen B-Seiten durchgegangen, damit wir das Ganze komplett machen konnten.

 

Wie präsent waren diese Songs für Dich nach dieser ganzen Zeit. Ursprünglich waren die Alben schon einmal als Doppelalbum geplant, oder?

Das Ding ist, dass das B-Seiten-Ding damals ein sehr gesunder Markt war, mit dem man noch eine ganze Menge anstellen konnte. Also fanden die Fans die B-Seiten damals auch und wünschten sie sich, z.B. bei Konzerten. Manche Leute nannten manche B-Seiten sogar als ihre Lieblingssongs. Deswegen war es schon lange mein Wunsch, diese Songs auf einem Album zusammenzubringen.

 

Gab es für Dich auch Favoriten – oder ist es Dir damals gelungen, Deine Lieblingssongs auf das Album zu bringen?

Ich musste keine rauslassen, keine Sorge. Und spätestens jetzt, wenn sie alle auf dem Album versammelt sind, ist es sehr schwer für mich, da einzelne herauszupicken. Wir haben versucht, sie alle gleich zu behandeln. Manchmal sieht man Dinge heute auch aus einer anderen Perspektive – eine Melodie, die Dich an eine bestimmte Situation erinnert, an die du gar nicht mehr erinnert werden möchtest. Aber das lässt sich gar nicht mehr ändern. Also ja, es gab Momente, in denen ich dachte, das sollten wir nicht mehr machen, aber aus der Produzentensicht war mir völlig klar, dass das nicht ging.

 

Es sind bis zu 30 Songs auf den Doppelalben – sind das jetzt alle Songs?

Gute Frage. Es sind die Songs, die veröffentlicht werden sollten, sagen wir es so. Es wird immer Songs geben, die es nicht aufs Album schaffen, die am besten niemand hören sollte. Sie sind Teil des Prozesses im Leben. Das ist in jeder Kunstform so. Und so ist auf diesen Alben, alles was damals – 1990 bis 1992 – veröffentlicht wurde.

 

Es sind also auch alle schon veröffentlicht worden?
In irgendeiner Form in irgendeinem Land, ja.

 

Damals war es ja Teil des Kultes um deine Alben, dass man all diese B-Seiten sammeln musste… war dir das bewusst, bzw. bekannt?
Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal, und wie gesagt, es war die Zeit damals, in der man das machen konnte und daraus auch eine Art Politik machen konnte. Andererseits wusste man auch nie, wie viele Hörer man mit diesen EP-ähnlichen Dingern erreichen würde.

 

Jetzt werden beide Alben gleichzeitig wiederveröffentlicht – was passend ist, weil sie schon irgendwie zusammengehören, oder? Ich meine auch musikalisch waren sie nicht unähnlich.

In gewisser Weise, ja. Sie sind sich am ähnlichsten, das stimmt. Der Break kam erst nach „Under The Pink“ für „Boys For Pele“. Ja, in gewisser Weise war „Under the Pink“ die Verlängerung von „Little Earthquakes“ und der Anfang meiner Solokarriere.

 

Du hast – biografisch wie musikalisch – in den USA begonnen, der Durchbruch startete aber in England – ist das der Grund, warum Du u.a. in England lebst?

Haha, ich weiß es nicht. Mein Mann ist Brite, das ist eher der Grund. Aber ich bin auf zwei Kontinenten zuhause. Hier in England bin ich auch im Studio, meine Tochter Tash geht in London zur Schule, aber der Rest meiner Familie lebt in Florida – und ich fliege hin und her.

 

Dein letztes Album war wieder eine Rückkehr zu deinen Wurzeln, oder? Zu den ruhigeren Songs.

Ich glaube, als Kreativer erforscht man immer wieder neue Wege und probiert aber auch immer wieder alte Wege aus. Außerdem hat man bestimmte Stile, die zu unterschiedlicher Zeit einfach immer mal wieder passend erscheinen. Und je länger die Karriere ist, desto größer die Chance, dass man sich wiederholt. Als Pianistin hat man da auch etwas engere Grenzen.

 

Wenn ich an Tori Amos denke, habe ich das Bild von Dir am Klavier vor Augen – ist das Die Art, wie Du komponierst?

Manchmal, ja. Es ist mein erstes Instrument, aber ich brauche keine Klavier, um zu komponieren. Was ich brauche, ist die Muse, und ich weiß nie, wann sie mir auf die Schulter klopft. Andere Songwriter werden das bestätigen können, manchmal dauert es Monate, bis sie mal wieder reinschaut, und man weiß nie, wann es passiert.

 

Du hast 15 Alben veröffentlicht, hast ein Buch geschrieben, du bist eine Mutter – ist das das perfekte Bild eines erfolgreichen Lebens?

Puh, gute Frage. Man muss Erfolg für sich selbst immer wieder neu definieren. Als Künstler muss man immer nach vorne schauen. Für diese beiden Alben musste ich mal wieder zurückblicken, aber trotzdem schaue ich dabei nach vorne. Schließlich wollte ich sicherstellen, dass wir zwar die alten Werte erhalten, aber mit der modernen Technologie sollten sie auch heutigen Standards genügen. Sonst bräuchte man sie ja nicht zu remastern. Und das ist ein gutes Beispiel für Erfolg. Man schaut immer auch zurück, aber auch immer nach vorne.

 

Du erwähntest „The Light Princess“, kannst du darüber noch mehr sagen?
Es ist ein Musical, das ich mit Samuel Adamson zusammen geschrieben habe. Das Buch und die Texte sind von ihm, ich habe die Musik inklusive Texte geschrieben, und es lief im National Theater in London. Und im Herbst kommt das als Album dazu heraus. Wieder einmal ein ganz neues Projekt für mich.

 

Wow, das wäre meine nächste Frage gewesen. Gibt es nach den erwähnten „Erfolgen“ noch andere Dinge, die du gern ausprobieren würdest?

Das ist lustig – man kann es eigentlich gar nicht sagen, oder? Ich auch nicht. Ich weiß es nicht. Es ist ein Mysterium. Kreativ sein ist ein Mysterium. Man weiß nie, was man vermisst hat, bevor man es vor sich sieht, und man es summt und man sich sagt, das muss ich ausprobieren. Und manchmal klopft dir eine Geschichte auf die Schulter und sagt, erzähle sie! Deswegen muss man als Künstler auch immer offen sein, das ist das Schöne daran!

 

Ok, manche Künstler wissen, dass sie noch gerne ein Buch schrieben oder einen Film drehen wollen… nun ist deine Arbeit schon so vielfältig, du hast das ja schon alles gemacht.

Danke, Ralf. Ich bin ja auch schon eine ganze Weile unterwegs. Aber ich bin immer offen für neue Inspirationen. Und hoffentlich gibt es bald wieder etwas Neues, über das wir uns unterhalten können!

 

Oh, sehr gerne! Es gibt ein paar angekündigte Live-Daten im Juni – aber nicht sehr viele. Und keine in Deutschland…

Nein, es gibt keine Tour. Es ist Sommer, ich liebe den Sommer, ich liebe es, im Sommer zu spielen. Das war so eine last-minute Geschichte, die mich getroffen hat. Ich fürchte, es werden nur diese Handvoll Daten bleiben. Ich liebe Deutschland, aber ich bin nur für ein paar Daten eingeladen worden. Es ist nichts groß Geplantes.

 

Aber zurück zu dem Musical… wird das auch noch woanders zu sehen sein?

Zunächst wird es die CD geben, das wird das erste Kommerzielle dazu sein. Wenn das im Nationaltheater läuft, dann heißt das, dass es fernab jeglichen Kommerzes betrieben wird. Und bevor es z.B. an den Broadway gehen könnte, müssten erst ein paar kommerzielle Produzenten dazu kommen. Das wäre dann der nächste Schritt, der erste Schritt wird die CD sein.

 

Der CD Markt ist extrem eingebrochen – sind dadurch Plattenproduktionen weniger wichtig geworden für dich?
Nein! Alben sind für immer! Sie sind dazu da, von Menschen für immer gefunden zu werden. Das Format ist wichtig für den Künstler. Ob jemand das kauft oder nicht, für mich ist ein Album ein historisches Dokument, das man hinterlässt. Für immer.

 

Ich wünschte, mehr Menschen sähen das so.

Ich sage immer, wenn Du das Album nicht bezahlen kannst, nimm es, aber gebe etwas zurück. Irgendwann. Sonst ist man ein Dieb. So sehe ich das. Wenn ich in ein Weingut fahre und mich beköstigen lasse und danach einfach abhaue und sage „fuck off“, dann darf ich mich auch später nicht beschweren, wenn es das Weingut nicht mehr gibt. Mindestens eine Flasche muss ich doch kaufen, wenn ich gehe. Das ist die Philosophie, die wir haben müssen.

 

Wenn Du jetzt auf die beiden Alben zurückblickst, wie siehst Du sie heute?

Ich glaube, sie haben eine Rock-Komponente – nicht so stark wie auf „Boys For Pele“… ein Album, das ich sehr schwierig finde, es zu hören, was eine Menge sagt – aber diese beiden, sie haben Traurigkeit und Dunkelheit, genauso wie Schönheit, und das liebe ich an diesen Alben. Sie haben eine tolle Balance aus Schönheit und Gefahr. Bei „Boys for Pele“ bin ich etwas zu weit gegangen, was die Wut angeht (lacht). Aber wenn du 25 Jahre dabei bist, dann hat man Alben zu verschiedenen Zeiten, die verschiedene Dinge mit dir machen. Wenn sie alle das gleiche sagen würden, wäre es ja auch langweilig.

 

Sollen sie weiteren also auch wiederveröffentlicht werden?

Wir werden sehen, was die Plattenfirma plant. Diese hatten ihr 20jähriges, „Pele“ wird nächstes Jahr 20. Mal sehen, wie diese beiden laufen und ob sie weitermachen wollen.

 

OK, eine Frage hab ich noch: Was ist das Schönste, was das Schlimmste daran, berühmt zu sein?

Wow, das… ich glaube, man darf sich nicht beklagen. Das Schwierige ist, dass es dazu kein Handbuch gibt. Man muss immer dazu lernen. Man muss realisieren, was wichtig für dich ist. Es gibt verschiedene Arten von Erfolg, kommerziell, kreativ – und man muss sich immer wieder fragen, was für einen selbst Erfolg bedeutet.

 

Das ist ein Problem von Erfolg – aber es beantwortet die Frage nicht, oder?

Ganz ehrlich? Ich kann die Frage gar nicht so ad hoc beantworten. Ich würde gerne über die Frage nachdenken. Wenn man diese Frage heutzutage falsch beantwortet, kriegt man gleich 20.000 Twitter-Beschwerden. Ich glaube, viel zu viele Menschen denken zu selten darüber nach, was sie sagen. Also: Warum verabreden wir uns nicht für das „Light Princess“-Album, du wirst mich finden, und bis dahin habe ich mir eine Antwort überlegt, ok? Deal?

Deal? Klar, gerne.