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Labelportrait Goldene Zeiten (2007) 


Mit Tipps vom Profi

Mit seinem Label Goldene Zeiten hat sich ex-Toten Hosen Drummer Wölli weiter in der Musikszene etabliert

Das beste Wissen ist doch nicht das erlernte sondern das erfahrene. Wolfgang Rohde, alias Wölli, hat das Musikbusiness 40 Jahre lang studieren können, darunter 17 Jahre in der ersten Liga mit den Toten Hosen. Doch nach einem schweren Autobahnunfall, bei dem er tagelang im Koma gelegen und auf der rechten Seite jeden Knochen gebrochen hatte, war seine Karriere als Schlagzeuger blitzartig vorbei.

Das war 1999, Wölli war 49 und damit viel zu jung für den Ruhestand. „Ich hab mir gesagt, ich mach seit 40 Jahren Musik, ich kann und will gar nichts anderes machen. Also hab ich angefangen, jungen Bands meine Hilfe anzubieten.“ Anfangs noch aus reiner Freundschaft, dann mit der Idee, sie auch tatkräftig zu unterstützen: Am 23.10.2001 fand das erste Rock am Turm-Newcomerfestival in Meerbusch statt, für viele der auftretenden Bands die erste Gelegenheit, auf großer Bühne mit großer PA und vor rund 1000 Zuschauern einen professionellen Auftritt zu erleben. „Und so kam dann eins zu anderen“, erinnert sich Wölli. „Der nächste Schritt war der Tralala Musikverlag, mit dem ich dann mit zunächst vier Bands richtig fest zusammengearbeitet habe.“ Erste Vermittlungen Bands an Indie-Plattenfirmen in Köln und Nürnberg schienen erfolgreich – „aber was da passiert ist, war wirklich ganz schwach! Und da hab ich mir gesagt, das kann ich besser! Es scheint, dass manche Label einfach nur viele Bands um sich versammeln und dann passiert nichts weiter, weder persönliches noch finanzielles Engagement, da war ich ziemlich enttäuscht. Also hab ich eben auch noch das Label gegründet.“ Goldene Zeiten brachen also an – und in See. „Mein erster Plan war, anstatt einfach mal ein Album zu raus zu bringen, und dann nach ein paar Monaten wieder mal eins, und keiner kriegt’s richtig mit, anfangs gleich vier Alben gleichzeitig zu veröffentlichen, damit Goldene Zeiten auch gleich in aller Munde war. Meerbusch sollte sich gleich als Ort für gute Bands auf der musikalischen Landkarte etablieren. Und das hat auch ganz gut hingehauen. Aber um dann in diesem Stil weiter zu machen, fehlten einfach die finanziellen Mittel – wie bei allen Labels“, ärgert sich Wölli über den längst eingetretenen Verkaufsnotstand was die Albumverkäufe nicht nur in Deutschland angeht.

Die rekrutierten Bands waren schnell gefunden – gab es doch genügend Anschauungsmaterial bei den organisierten Festivals. „Im Endeffekt sind alle Bands zu mir gekommen, ich hab da nicht groß geworben“, winkt der geborene Kieler mit breitem, norddeutschen Akzent ab. „Und ich brauchte auch keine Märchen zu erzählen. Wir haben gemeinsam diskutiert und überlegt, was möglich ist, was ich machen kann und was die Jungs vorhaben.“

Und trotz der eigenen musikalischen Wurzeln im Punk ist das Spektrum seiner neun Schützlinge durchaus breiter gestreut. Während Planlos, Massendefekt und TV Smith zwar das Old-School-Punk Genre bedienen, haben sich Age Of Orange der moderneren, mehr Pop-orientierten Variante verschrieben, spielen sfh Ska-Punk und Capricorn und P:lot eher Deutschrock/New Pop. Richtig spannend wird es musikalisch auch bei den Alternative-Rock-Bands Cho-Jin und Stigma – die, wie die meisten der Bands auf dem Goldene Zeiten Label v.a. durch ihren deutschen Gesang so einzigartig werden. „Musikalisch ist Eigenständigkeit das wichtigste für mich“, stellt Wölli seine Bedingungen an seine Bands klar. „Ich brauche mündige Bands mit einem eigenen Sound, keine Bands, die so ähnlich sein wollen wie ihre Vorbilder. Ich bin auch der Meinung, dass wir in Deutschland mittlerweile eine Soundvielfalt haben, die sich vor Amerika nicht verstecken muss.“

Dass er sich damit zwar auf den deutschen Markt beschränkt, ist ihm durchaus bewusst, stört ihn aber nicht. Zumal die jüngsten Versuche mit einem sehr viel versprechenden Kontakt in den USA außer Arbeit und viel Zeitverschwendung nichts gebracht haben. „Da haben wir ein halbes Jahr sehr intensiv dran gearbeitet, Stigma und Cho-Jin hatten ihre Alben bereits auf Englisch neu eingespielt – und dann ist die Seifenblase doch zerplatzt“, erzählt Wölli enttäuscht. „Jetzt bin ich natürlich das gebrannte Kind, das erstmal vorsichtig ist, die Fühler in diese Richtung auszustrecken.“

Die Misere ist auch ein Grund, weshalb es mit dem 2. Album von Capricorn in diesem Jahr auch lediglich eine einzige Veröffentlichung auf Goldene Zeiten gab. Weitere kündigen sich für Anfang 2008 an. „Da haben wir alle sehr viel Zeit verloren, sonst mache ich mindestens 3 bis 4 Veröffentlichungen im Jahr. Aber ich kann trotzdem stolz sein, in zwei Jahren über 10 Alben mit Newcomerbands gemacht zu haben – das ist mehr als einige Major Companys im gleichen Zeitraum“, ist sich Wölli seinen Verdiensten um den deutschen Nachwuchs sicher. Natürlich ist das auch ein finanzielles Problem, denn Aufbauarbeit kostet Zeit. „Mir ist durchaus bewusst, dass das alles noch etwas dauern kann. Aber ich bin nicht unzufrieden und ich habe auch die Geduld, darauf zu warten, dass es mit den Bands losgeht. Ich binde meine Bands nicht an irgendwelche Quoten, wegen zu geringer Verkaufszahlen setze ich keinen vor die Tür. Da muss man einfach penetrieren – das war früher mit den Hosen auch nicht anders. Da hat es auch Jahre gedauert, bis wir gehört wurde. Wir haben einfach immer weiter gemacht, überall gespielt – und irgendwann kamen die nicht mehr an uns vorbei. Der Weg für eine Rockband geht auch heute noch in erster Linie über die Bühne, und deshalb weiß ich, dass das auch noch klappen wird.“

Und wenn das alles nicht reichen sollte, hat er für Mitte 2008 Ausnahmsweise ein 10. Bandprojekt geplant (ansonsten sind mit seinem 1-Mann-Betrieb mehr als 9 Bands nämlich nicht zu schaffen, da müssen leider alle regelmäßig eintreffenden Bewerbungen abgeschmettert werden). Denn neben dem regelmäßigen Kontakt zu seinen alten Bandkollegen will auch Wölli wieder selbst aktiv werden: „Gemeinsam mit Vom plane ich gerade ein neues musikalisches Projekt – also der alte und der neue Hosen Drummer zusammen, Vom spielt Schlagzeug, ich singe.“ Arbeitstitel: Too Drunken Drummers und das Goldene Zeiten Orchestra, für das Wölli mit allen Bands auf seinem Label zusammen arbeitet. Eine Veröffentlichung ist allerdings erst für den 8.8.08 geplant…