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Interview 1999. Weitere Interviews mit Fish hier.
Marillion – ich erwähne diese Band jetzt einmal der Vollständigkeit halber und danach nie wieder. Denn zwar war es diese Band, in der Fish seine erfolgreiche Anfangszeit bestreiten konnte, auf die er auch sehr stolz ist, von der er sich aber längst und immer weiter wegbewegt hat. Bereits mit seinen ersten vier Alben hat er bewiesen, dass er ein ernstzunehmender Solokünstler ist, und spätestens für sein neuestes Werk “Raingods with Zippos” wäre falsch, ihn auf seine Progressivrock-Vergangenheit festzunageln, denn es würde einen falschen Eindruck hinterlassen für alle, die es noch nicht gehört haben. Allerdings... will nicht jeder Musiker progressiv sein?
Kommt darauf an, was Du progressiv nennst. Das ist wie im weißen Hai, wo Roy Scheider sich mit dem Bürgermeister unterhält: “nenne es wir du willst, aber schrei hier nicht HAI! Dann ist nämlich jeder aus dem Wasser”. Und das gleiche gilt für Progressivrock; sobald jemand diesen Namen bringt, ist jeder aus dem Wasser. Er ist in Verruf gekommen. In den 80ern gab es eine Menge guter Progressivrock-Bands, jetzt in den 90ern gibt es zu viele Bands, die nicht wirklich progressiv sind. Für mich sind die Smashing Pumkins, Radiohead oder die Nine Inch Nails progressiv, die versuchen etwas zu entwickeln, voranzuschreiten. Und es gibt zu viele Bands, die einfach nur die Vergangenheit wiederholen und “Malen nach Zahlen” spielen.
Das wichtigste, das Yes, Genesis, VdGG, Pink Floyd, Gentle Giant hatten, und das wird oft vergessen, war “Groove”. Und das vermisse ich bei den aktuellen Bands. Und deshalb ist “Raingods with Zippos” ein so gutes Album. Es ist musikalisch wirklich gut, und es hat einfach Groove! Es hat einfach viel Soul und Gefühl. Und das war´s, wonach ich gesucht habe. Ich meine, wir haben viele Dinge gemacht, die noch nicht gemacht wurde – ich meine, kuck Dir “Plague of Ghosts” an, wo wir von einem Funk-Part zu “Beat-Poetry” wechseln, mit keltischen Elementen vor einem “Ambient”-Hintergrund, danach folgt ein Drum´n´Bass-Part, der übergeht in ein Piano-Stück, bevor es ein gitarrenorientiertes Finale gibt. Und das war der Versuch, wirklich progressiv zu sein!
Worum geht textlich es in dem Stück?
Ich spreche ungern über die Texte, denn ich meine, sie müssen ihre Chemie behalten. Und wenn ich erzähle, worum es geht, zwinge ich den Leuten eine Interpretation auf, aber ich meine, die Leute müssen ihren eigenen Weg finden.
OK, warum dann der Titel “Raingods with Zippos”?
Der fiel mir so ein. Ich habe dieses Zippo vom Cover von meiner Frau bekommen, und trage es seit Jahren mit mir herum. Und der Raingod bin auch ich – so nennen mich jedenfalls die Jungs in der Band.
Es fing an in Turin 1990 während der WM in Italien. Wir hatten ein Open Air an dem Tag, an dem Schottland gegen Brasilien spielte, und wir sollten genau zeitgleich spielen. Ich sagte zum Veranstalter, wir sollten vorher spielen, weil dann auch die schottischen Fans kommen würden, bevor sie zum Spiel gehen. Aber der Promoter war dagegen. Und es war eine dieser typischen italienischen Bühnen ohne Dach, denn “in Italien regnet es nicht”. Wir sagten was soll das, ein Tropfen und der Gig ist gecancelt. Und ich wollte das Spiel sehen,
also fing ich beim Soundcheck auf der Bühne einen Regentanz an. Dreimal darfst Du raten, was passiert ist. Wir konnten zum Spiel gehen – Schottland hat aber 1:0 verloren. Naja, und seitdem bin ich der “Raingod”. Das ging nämlich so weiter. Eigentlich regnet es bei fast jedem Open Air. Einmal in Malta, mitten im Mittelmeer. Dann auf unserer letzten Tour durch Amerika. In Columbus, Ohio, kamen wir bei 95°F an, und ich wollte gerade meine Sonnenmilch holen, als sich der Himmel verdunkelte und die Stadt das schlimmste Unwetter seit 16 Jahren erlebte. Und auch der Rest der Tour war völlig verregnet. Seitdem sagen mir alle, ich sollte mal eine Tournee durch die Sahara starten, dann hätten wir da einen neuen Grüngürtel.
Auf der anderen Seite ist dieser Kontrast Regen – Feuer, diese zwei Elemente, auch charakteristisch für das Album. Es geht viel um Beziehungen, darum dass man einen Menschen wahnsinnig liebt, ihn aber eigentlich gar nicht richtig kennt und man irgendwie auch nicht richtig mit ihm kommunizieren kann. Und deshalb kann man niemals eins werden.
Wie z.B. in der ersten Single “Incomplete”?
Ja. Diese zwei Leute leben zusammen und lieben sich, aber sie kommen nicht durch zu sich, und das ist das Problem. Sie können sich einfach nicht aussprechen. Sie wollen es, aber sie finden keinen Weg. Und das einzige, was sie dennoch zusammenhält, ist eben diese Liebe.
Wer ist die Duett-Partnerin Elizabeth Antwi auf diesem
Song?
Ich habe sie in Frankreich kennengelernt. Wir waren, zusammen mit 22 weiteren Songschreibern von Miles Copeland in sein riesiges Marouatte Schloss in der Provence, Frankreich, eingeladen worden. Es war eine einwöchige “Writing-Session”, in der es nichts anderes gab, als das. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Wir wurden in wechselnden Dreiergruppen eingeteilt, und kriegten zwei Stunden, um einen Song zu komponieren und aufzunehmen. Ich war nie zuvor einem solchen Kreativstreß ausgesetzt, aber es war wunderbar. Es war wie eine Wiedergeburt. Ich kam wieder mit 6 neuen Songs für mein Album, mit einem gehörigen Schuß gesteigerten Selbstvertrauens und der Gewissheit, dass ich mich einfach auf das konzentrieren müsste, was ich bin: ein kreativer Künstler. Ich entschied mich deshalb, meine Plattenfirma Dick Bros. Aufzulösen und mich von meinem Studio zu trennen. Ich bin kein Geschäftsmann, ich bin ein Künstler.
Wer waren die anderen Musiker?
Völlig unterschiedliche Leute. Da war z.B. Rick Astley oder Brad Roberts (von den Crash Test Dummies), genauso wie Country-Sänger oder Folk-Barden. Aber das war das interessante, und das, was Deine Kreativität so sehr gefordert hat, weil man nicht nur einen Song kreieren musste, sondern erstmal eine gemeinsame Linie finden musste.
Mit Rites of Passage ist ja auch wieder eine dieser Wahnsinnsballaden enthalten – im Gegensatz zu z.B. “Clichés” (vom Debütalbum 1990) aber nicht gerade eine Liebeserklärung!
Nicht so ganz. Ich schrieb diesen Song mit Mickey Simmonds, und er sagte, das kannst Du nicht machen. Sie wird Dich umbringen. Der Text ist eine Momentaufnahme. Er entstand in einer Situation, in der es sehr schwer war für mich und meine Frau. Auf Tournee zu sein, ist hart für alle Beteiligten und der härteste Test für eine Beziehung. Als ich von der letzten Tournee zurückkam, lag vieles bei uns im Argen, und man kommt an den Punkt, an dem man sich fragt, wofür mache ich das alles. Aber es gibt immer etwas an einer Beziehung, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und das wollten wir. Trotzdem gibt es Momente, z.B. im Streit, in dem Du Dein Gegenüber hasst. Natürlich nicht lange, und auch nicht wirklich, und dieses Gefühl geht unter in der Liebe, die eigentlich da ist. Aber dieser Song ist eben eine Momentaufnahme, die dieses kurze Gefühl festhält.
Es ist aber nicht alles in dem Song autobiografisch – und ich sag Deinen Lesern nicht, was autobiografisch ist, und was nicht!.............