Rock-, Pop- und Szene-News und mehr....
Interview 2006
Ein neuer Name am
Prog-Firnament! Scheinbar aus dem Nichts kommend dürfte Jem Godfrey mit seinem
Projekt FROST schnell einige Freunde finden. Ein fantastisches Debüt Album
zwischen IQ-Bombast, Spock´s Beard-Abwechlsungsreichtum und Porcupine Tree-Modernität.
Dabei ist Godfrey beileibe kein unbeschriebenes Blatt: Als Songwriter und
Produzent für Blue, Ronan Keating, Atomic Kitten u.a. ist er so etwas wie der
Dieter Bohlen Englands und hat er längst seine Schäfchen ins Trockene gebracht.
Mit Frost offenbart er sein anderes ich: An der Seite von John Mitchell (Arena,
Kino), John Jowitt (IQ), Andy Edwards (IQ) kann er dem Pop den Rücken kehren
und sich ausleben.
Der Name Jem Godfrey
ist nicht ganz so bekannt hier in Deutschland…
Nein, dafür sind wir ja nur die Produzenten. Bekannt sind
die Künstler. Wir sitzen im Hintergrund, machen die Arbeit und kriegen das
Geld.
…außerdem sind die
Künstler, für die du arbeitest, wahrscheinlich auch nicht das Hauptaugenmerk
der Prog/Rockfans…
Auch das. Aber das ist mein Leben, ich lasse das gerne
getrennt. Und ich liebe die Abwechslung. Aber ich liebe beide Seiten. Ich liebe
Musik in all seinen Formen – von Britney bis Arena. Und ich hatte das Glück,
Erfolg im Pop-Business zu haben, aber ich bin im Grunde genauso Prog- und
Metal-Musiker.
Warst Du schon vorher
in Rockbands?
Nicht wirklich. Jedenfalls nicht seit meinen Teenager
Jahren. Wir haben ein paar Mal im Marquee gespielt, hatten lange Haare, haben
viel geflucht, was junge Leute eben so tun.
Nun, ich denke, so
viele haben nicht im Marquee gespielt…
Meinst Du? Ich weiß nicht. Wir haben IQ ein paar Mal
supportet und noch ein paar andere Bands. Die Band hieß Freakful – und wir
waren schrecklich! Progmetal. Aber das war noch zu Zeiten, als Paul Menel bei
IQ war. Nach drei Jahren verließ ich die Band und war in einer Level
42-ähnlichen Band. Und die meiste Zeit meiner "Twens" habe ich für
´Radio One´ und andere Radio-Stationen als Tontechniker gearbeitet.
Was der Beginn der
Produzententätigkeit war?
Ja, ich denke schon.
Und jetzt kehrst Du
zurück "auf die Bühne" mit Frost. Die Songs stammen alle von Dir?
Ja, absolut. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das Album
endlich fertig gestellt habe, ca. 18 Monate. Aber ich habe mich nicht unter
Druck gesetzt. Ganz abgesehen davon, dass immer wieder irgendwelche Jobs
dazwischen kamen, habe ich es sehr genossen, keinen Termindruck zu haben und
mir alle Zeit zu nehmen, die ich meinte, die das Album brauchte. Ursprünglich
wusste ich ja nicht einmal, ob ich das Album überhaupt veröffentlichen würde,
ich habe das in erster Linie für mich geschrieben.
IQ scheinen definitiv
ein Einfluss gewesen zu sein – oder rührt das von den Jungs in der Band – John
Mitchell, John Jowitt und Andy Edwards?
Mein Haupteinfluss im Prog waren Genesis. IQ sind sehr gut
im ´Gothic Drama´ – viel Moll und so – und vielleicht ist davon was drin, weil
ich auch dieses melodramatische mag, was auch wieder von Genesis herrührt, das
Geschichten erzählen mit Höhe- und Tiefpunkten. Und ich denke, IQ und ich sind
da einfach sehr ähnlich beeinflusst.
Ein weiterer Name,
der mir in den Sinn kam, war Kevin Gilbert…
Das höre ich jetzt schon wieder. Ich hatte noch nie von
Kevin Gilbert – bis ich anfing, Interview für dieses Album zu geben…
Das witzige ist, dass
er auch Songwriter und Produzent (Sheryl Crow, Michael Jackson) war, und ebenso
diese Prog-Seite hatte… es gibt also sogar mehrere Parallelen.
Aber er ist tot- ich hoffe, da hören diese Parallelen auf…
Ich fürchte, er hat´s
selber verschuldet. Es gibt wenig konkretes darüber, aber wenn man zwischen den
Zeilen liest, scheint es ein ähnlich auto-erotischer Unfall gewesen zu sein,
wie bei Michael Hutchence…
Ok, dann bin ich da nicht in Gefahr! Aber ich glaube, ich
sollte mir mal etwas von ihm besorgen.
Wie bist Du auf die
Musiker gekommen?
Ich habe mich einwenig umgesehen. Ich hatte mir ein paar
Alben besorgt – u.a. Arena, Kino. Und ich bleib bei John Mitchell hängen, wegen
der tollen Gitarren, der Stimme und dem klasse Songwriting. Also suchte ich im
Internet und kontaktierte ihn du fragte ihn, ob er Lust hätte. So kamen wir
zusammen, hatten eine klasse Zeit und schließlich schlug er John Jowitt vor
usw. – es war alles ganz schön einfach J.
Wussten die wer Du
bist?
Hatte ich gar nicht erwähnt – ich hoffte und hoffe, die
Musik spricht für sich selbst.
Kennt man Dich in
England?
Nicht so sehr. Wie gesagt, wir bleiben eher im Hintergrund.
So kann ich auch in den Supermarkt gehen ohne Probleme. Mein Leben ist immer
och ziemlich normal – und das ist gut so.
Hast Du diese Bands
nur produziert oder auch Songs für sie geschrieben?
Beides.
Sollte zum Leben
ausreichen…
Ja, ich kann mich nicht beschweren J.
Frost ist also ein
reines "Fun-Projekt" für Dich?
Absolut. Hier geht´s mir um die Musik! Und Fun schließt
natürlich nicht aus, dass ich das sehr ernst sehe!
Und Deine Stellung
als Produzent ist gesichert?
Ich hoffe. Ich meine, ich muss weiter dran arbeiten, aber es
gibt nichts worüber ich mir Sorgen machen müsste.
Nun, ein Prog-Album
wird Dein Ansehen als Pop-Produzent nicht zwangsläufig erweitern, oder?
Nein, das wohl nicht, aber das Pop-Business ist wesentlich
offener, als manch anderes Genre. Im Prog sagen sie schon eher "oh, bloody
pop-rubbish" – da sind die Pop-Leute etwas weniger engstirnig.
Es wird ein paar
Live-Daten geben – sind die anderen Jungs dabei?
Ja, wir haben uns gerade zum ersten Mal getroffen und haben
endlich mal alle zusammen ordentlich Krach gemacht. Das Album ist ja über viele
Monate entstanden, und jetzt haben wir endlich alle zusammen in einem Raum
gestanden. Den Zeit-Luxus des ersten Albums wird es beim zweiten übrigens so
wohl nicht geben. Da stehen jetzt ja schon die Eckdaten… die Hälfte der Songs
ist schon geschrieben, Anfang nächsten Jahres wollen wir die aufnehmen und eine
Veröffentlichung ist im September ´07 geplant.
Nach diesem klasse
Debüt gerne! Das faszinierende an dem Album ist, dass jeder Song einen anderen
Fokus zu haben scheint – der eine mehr episch, mehr auf´s instrumentale, der
andere mehr Heavy Prog, "The other me" fast Industrial/Porcupine
Tree-mäßig… ist das ein Ergebnis deiner Produzententätigkeit?
Absolut. Ich versuche immer, mich nicht zu wiederholen, wirklich
unterschiedliche Songs zu haben. Viele Prog-Alben langweilen mich, weil sie
einfach zu wenig Abwechslung haben. Prog ist mehr als Mellotrons und
Minimoog-Solos! Und die Reaktionen sind super bis jetzt. Ich hatte erst
befürchtet, dass die Leute etwas skeptisch wären gegenüber neuen Sachen, aber
ich glaube, Prog ist allgemein in einem exzellenten Zustand. Bands wie Man On
Fire (USA) oder Darwin´s Radio (GB) zeigen, dass man weiter gehen kann.
Du klingst wie
jemand, der gerade das Prog-Genre für sich entdeckt hat…
Ein bisschen so hab ich mich auch gefühlt! Es gab ein paar
gute Bands in den Achtzigern, aber dann kam eine Menge Stillstand. Das war die
Zeit, als ich das Interesse verlor und auch den Kontakt zur Szene. Umso
positiver überrascht war ich, als ich mir dann ein paar neuere Sachen gekauft
habe – wie Spock´s Beard oder Kino. Und ich glaube auch, dass mit diesen neuen
Sachen genauso wie der Hilfe des Internet, Prog eine echte Chance hat
heutzutage. Früher war man da ja als Prog-Fan noch etwas isolierter, aber das
Internet ist da eine gute Hilfe, sich auszutauschen.