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(2002)
Wenn man über Gitarristen redet, dann
gehört dieser Mann mit Sicherheit dazu! Er startete in den 70ern mit Skid Row
und Thin Lizzy, bevor er sich in den 80ern auf seine Solo-Karriere
konzentrierte. Anfangs mit Hardrock und mit Riesen-Erfolgen, bis er die 90er
mit seinem Blues-Debüt überraschte - und noch größere Erfolge erreichte! Die
gesamten 90er nutzte er seine künstlerische Freiheit für ein paar interessante Projekte,
nun erscheint er mit seinem neuesten Band-Projekt: Scars. Zusammen mit Bassist
Cass Lewis (ex-Skunk Anansie) und Drummer Darrin Mooney (Primal Scream)
präsentiert er eine rockige Mischung aus Jimi Hendrix-Elementen, Zitaten seiner
bisherigen Stationen sowie modernen Zutaten. Hier
erzählt der Ire, wie es dazu kam.
Ein neues Kapitel - würdest Du sagen, Scars ist die
Essenz deiner Karriere?
Nun, ich denke, es kombiniert eine Menge Einflüsse, also kann man durchaus sagen, dass es meine Karriere ein bisschen zusammenfasst, aber es gibt auch ganz neue Elemente. Es geht also einerseits zurück zu dem, womit ich angefangen, zu meiner Kindheit, in der ich Jimi Hendrix gehört habe und begonnen habe, Gitarre zu spielen. Andererseits geht es dahin zurück, um ganz neue Horizonte zu erschließen.
Das Album ist sehr abwechslungsreich, mal gibt´s Blues,
mal Hendrix-orientierte Rock-Kracher, und dank Deiner Mitstreiter gibt´s auch
ein paar funkige Seiten daran, im Prinzip alles Sachen, die es schon mal gab
von Dir, allerdings nicht auf einem Album.
Ja, Du hast vollkommen Recht. Und sogar innerhalb eines Songs, "Just can´t let you go" z.B., startet als normale Ballade, in der Mitte wird´s dann heavy und dann gibt´s dieses psychedelische Ende inklusive Blues-Gitarrensolo, ich meine, das sagt es doch alles, oder. I liebe es, einen Song wie eine Reise zu konzipieren, bei der man nie weiß, was als nächstes kommt.
Dazu gibt es auch ein paar epische Stücke, was wir ja
auch lange nicht von Dir erlebt haben.
Stimmt, das ist die Art, wie sie sich entwickelt haben. Viele der Stücke wurden live eingespielt, so wie bei "Ball & Chain", z.B.. Den haben wir in einem Take gespielt, und wir mochten wie er klang, also blieb er so. Wir sagten uns, das ist der ehrlichste Weg, also lassen wir´s so. Viele der kürzeren Stücke waren auch lang, aber wir haben sie gekürzt.
Warum?
Es wäre doch verrückt gewesen, ein Album mit nur so langen Stücken zu haben. "Stand up", z.B., hatte einen riesigen Jam-Part am Ende.
Live im Studio aufgenommen, das klingt ja nach einer
perfekten Band-Chemie...
Ja, absolut. Viele Stücke sind genauso geblieben, wie wir sie live aufgenommen haben, wir wollten, dass die Songs frisch klingen. Keinen der Songs haben wir besonders oft geprobt.
Wann entscheidest Du, was für ein Album Du macht? Hängt
das ab von der Musik, die Du gerade hörst, oder von den Leuten, mit denen Du
arbeitest?
Gute Frage, beides eigentlich! Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Jimi Hendrix gehört, und als die letzte Tour zu Ende ging, fing ich an, meine Fender Strat wieder herauszuholen, Songs in dieser Richtung in schreiben. Gleichzeitig wird man natürlich inspiriert von dem, was allgemein an Musik um Dich herum ist, Sachen wie System Of A Down, also recht harte Sachen, die vor allem die rauhe Produktion der Platte beeinflusst hat. Und zu guter Letzt natürlich Cass and Darrin, die ja aus relativ extremen Bands kommen, und mich ein bisschen auf ihre Seite gezogen haben.
Wüsstest Du schon, was als nächstes kommt?
Nein, nicht wirklich. Momentan spiele ich nur ein bisschen mit Riffs, weil das die Art ist, wie die Arbeit am letzten Album aufgehört hat. Die Reihenfolge der Songs auf dem Album ist entgegengesetzt der Entstehung, d.h. die ersten drei Songs sind unsere neuesten, das ist der Sound, zu dem wir uns während der Aufnahmen hin entwickelt haben. Die anderen Songs sind früher entstanden, d.h. ungefähr eine Woche älter, denn das ganze Album hat uns weniger als einen Monat gekostet. Wir hatten nicht viel Zeit, herumzutrödeln, vier Songs wurden noch im Studio geschrieben.
Um also auf die Frage zurückzukommen, ich könnte mir momentan ein nächstes Album also am ehesten in dem Stil der ersten 4 Songs vorstellen.
Es wird also eine Fortsetzung von Scars geben.
Ja, wir sehen uns als Band, und die Arbeit am ersten Album war auch sehr ausgewogen, es ist also nicht so, dass alles von mir kommt.
Hat Darrin nicht Verpflichtungen bei Primal Scream?
Die machen nicht sehr viel, und es scheint auch, als wenn er Scars Priorität geben würde.
Du hattest ja diverse Trio-Besetzungen, die frühen Skid
Row, das erste Thin Lizzy Line-Up, Deine erste Gary Moore-Band, BBM, es scheint
also, als wenn Du immer wieder zum Trio zurück kehrst.
Ja ich genieße das, weil es eine sehr spontane Art zu arbeiten ist, sehr enthusiastisch, sehr intim auch. Man hat viele Augenkontakte, und man kann sehr gut auf den anderen reagieren und eingehen. Das mag ich daran.
Gleichzeitig scheint Dir allgemein an Konstanten nicht so
viel zu liegen, wenn man Deine Stil-Experimente in den letzten Jahre so
beobachtet.
Hmm, es gibt schon eine logische Reihenfolge für mich. BBM führten mich zum "Dark Days in Paradise"-Album. Ich hatte angefangen, Loops und Samples zu benutzen, und das wollte ich weiter ausprobieren. Später reagierte ich mit all diesen Computer-Experimenten eben mit meiner Rückkehr zum Blues. Das ist also kein wahlloses Umherspringen, wie viele meinen, ich folge nur, wohin die Musik mich führt. Und meistens lande ich gut, also habe ich Vertrauen.
Die beiden "Elektronik"-Alben, "Dark
Days..." und "Different Beat" wurden ja nicht gerade euphorisch
aufgenommen...
Schock wäre ein gutes Wort! (lacht). Trauma!
Hat Dir das was ausgemacht?
Natürlich! Aber wenn ich ein Album schreibe, ich denke nicht darüber nach, was irgend darüber jemand sagen könnte. Die einzige Frage ist, mag ich es. Ich muss mich eh erst selbst überzeugen, wie soll ich sonst von irgend jemandem sonst erwarten, es zu mögen? Das war schon immer so, und manchmal mögen die Leute was ich mache, manchmal nicht.
Warum hast Du Dich entschieden, die - im wahrsten Sinne
des Wortes - "Different Beat"-Geschichte nicht weiter auszubauen?
Ich musste das machen. Für mich selbst. Aber nachdem ich es gemacht hatte, war es abgehakt. Es war ein Experiment für mich, ich wollte wissen, warum es keine Gitarren in der Dance-Musik gibt. Ich hatte Lust, diese Art von Musik zu spielen, aber natürlich auf meine Art. Und ich wollte wissen, ob das auch mit Gitarren geht. Nach der Platte wusste ich, dass es nicht geht (lacht)!
Du meinst also, es passte nicht...
... nicht immer. Manchmal schon. Aber ich habe es probiert.
Ich mag das Album!
Ja, es gibt schon ein paar gute Songs darauf, aber das Problem war, dass ich nicht wusste was ich tat. Vielleicht hätte ich mehr mit Insidern zusammen arbeiten zu sollen.
Eine Alternative zur Abkehr von dem Projekt mit Blues
wäre ja auch die Wiederaufnahme Deiner Hardrock-Karriere gewesen, oder? Zumal
Du auf der Dark Days-Tour ja sogar wieder alte Stücke gespielt hast...
Ja, da habe ich aber auch Blues Stücke gespielt. Ein bisschen aus allem, was ich so gemacht hatte. Aber ich will bestimmt nicht zurück in die 80er. Das auf einer Tour mal live zu spielen, war Spaß, aber ansonsten sage ich mir lieber, dass ich neue Sachen machen möchte. Und ich denke, dass das neue Album ja durchaus auch Hardrock Elemente hat.
Ja, aber Stücke wie "Shapes of Tings" oder
"Victims of the Future" sind ja nun mal Klassiker...
...aber ich würde mir dumm vorkommen, sie heute immer noch zu spielen. Das war damals. Vielleicht so etwas noch einmal schreiben, ja, aber "Victims" nochmal live spielen? Nein!
War das der Grund für Dich, Dich vom Hardrock abzuwenden?
Es war vorbei. Ich fühlte mich nicht mehr wohl in der Szene. Die Zeiten hatten sich geändert. früher war es für einen Gitarristen klar: wenn Du jemand sein willst, spiele Hardrock. Und daran habe ich geglaubt. Aber irgendwann hat mich mein Herz zu meinen Wurzeln zurückgezogen. Auf unserer letzten Tour für "After the war" spielten wir Riesenhallen, ein Wahnsinns-Erfolg, und ich fühlte mich wie ein Fisch ohne Wasser. Diese ganze Heavy-Szene, da hatte ich nie reingehört, das war nie ich. Und rückblickend glaube ich auch nicht, dass ich besonders gut war Naja, jedenfalls fand ich mich selber auf der Tour Backstage eigentlich immer Blues spielen. Und Bob Daisley, unserer Bassist kam herein, und sagte ´hey man, Du solltest ein Blues-Album machen, würde bestimmt groß werden. Hahaha`. Wir lachten beide.
Zuletzt Riesenhallen, vorher mit Skid Row, Thin Lizzy,
etc, und dann hattest Du den größten Erfolg mit dem Blues-Debüt, oder?
Ja, das war ja der Witz! Niemals hätte ich gedacht, dass es überhaupt ein Chance hätte. Ein Gary Moore-Blues-Album kann doch wohl kaum sein, was die Welt braucht, oder (lacht)? Es war so verrückt. Naja, im Endeffekt war es eh kein wirkliches Blues Album, es war ein Rockalbum mit Blues Songs, die Blues-Puristen erinnern mich immer gerne daran. Aber ich bin durch so viele Gefühlswelten gegangen mit diesem Album. Einerseits hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich den Blues von denen gestohlen habe, die ihn wirklich leben, andererseits hat das auch wieder zu einem echten Blues-Revival geführt. Gleichzeitig habe ich auch mit so vielen Blues-Größen gespielt - Albert King, BBKing, etc - und die fanden es auch nicht falsch was ich machte, sondern haben mich eher noch ermutigt.
Aber ok, ich bin nicht schwarz, sitze nicht auf einer Veranda in Mississippi- but so fucking what? Ich bin Ire, und wir sind weiß Gott genug unterdrückt worden (lacht). Wir sind die Schwarzen Europas, oder (lacht noch mehr)?
Du hast mit vielen Sänger-Größen gearbeitet - Phil
Lynott, Glenn Hughes,... wann hast Du Dir überlegt, dass Du nicht weiter nach
anderen Sängern suchen, sondern selber singen solltest?
Eigentlich nachdem ich mit Glenn Hughes gearbeitet hatte (lacht). Dann habe ich aufgegeben. Nein, ich hatte immer diesen großen Sänger in meinem Kopf, aber den gab es aber nicht. Ich schrieb Songs für einen Sänger, den es nicht gab, und nachdem ich mal wieder ein paar probiert hatte, sagte ich mir, mal sehen wie es läuft. Und um ehrlich zu sein, anfangs habe ich es gehasst! Es war ein Albtraum, ich kam nicht rechtzeitig zu meinen guitar-pedals, dann habe ich es nicht schnell genug zum Mikro geschafft, und im ersten Jahr habe ich wirklich gekämpft. Ich hätte fast aufgegeben, aber mit der Zeit ging es, und ich stimmte die Songs besser auf meine Stimme ab, aber das Blues-Album war eigentlich das erste, auf dem die Stimme richtig gut passte, finde ich. Aber ich denke auch nicht so groß darüber nach, ich denke nicht, dass ich ein guter Sänger bin, ich mache es einfach. Eigentlich bin ich Gitarrist.