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Interview Februar 2000
Vor rund 30 Jahren machten sich vier mehr oder weniger
erfolgreiche junge Herren daran, die (Rock-) Musikwelt um eine Variante zu
erweitern: mit seinem CONCERTO FOR GROUP AND ORCHESTRA hatte Keyboarder Jon
Lord eine Symphonie geschrieben, die die beiden gegensätzlichen Elemente in
drei Sätzen zueinander führte. Eine geschichtsträchtige Nacht im September 1969
in London, die beinahe auch Geschichte geblieben wäre, denn nachdem die Noten
verloren gegangen waren, sah es nicht so aus, als ob eine Wiederaufführung
jemals möglich werden sollte. Bis, ja bis sich der holländische Musikstudent Marco
de Goeij daran machte, die alten Aufnahmen auseinanderzunehmen und die Noten
herauszuarbeiten. Wie aus diesen Aufzeichnungen die neue CD von Deep Purple
wurde, ob Geschichte wiederholt werden kann und ob es sogar noch einen
Nachschlag geben wird erfuhr ich im Gepräch mit dem Urvater der Symphonie, Jon
Lord.
Jon, ganz ehrlich, hättest Du jemals gedacht, dass Du dieses Concerto noch einmal spielen würdest?
Ich glaube, für viele Jahre war es nur ein Traum. Das erste Mal, dass ich wirklich darüber nachgedacht habe, war zum 25jährigen Jubiläum, aber es schien zu viel Arbeit zu werden.
Es gab die Noten also wirklich nicht mehr?
Nein, die Noten waren seit den frühen Siebzigern verschollen. Wir hatten das Concerto erst im September 1969 in London aufgeführt und Anfang 1970 in Los Angeles, und ich glaube als wir von dort zurückkamen, müssen die Noten irgendwie untergegangen sein. Aber das haben wir natürlich erst Jahre später entdeckt. Naja, als ich dann jedenfalls 1994 darüber nachdachte, die Noten noch einmal zu schreiben – auf der Basis der Aufnahmen von damals – merkte ich, dass es verdammt viel Arbeit werden würde. Also ging dieses Jubiläum vorbei, ohne dass ich wirklich begonnen hätte. Rechtzeitig zum 30. Jubiläum hatte ich dann eine Menge des Jahre 1998 damit zugebracht, daran zu schreiben, bis ich Anfang 1999 Marco de Goeij traf, der die letzten 2 Jahre damit zugebracht hatte, an der selben Sache zu schreiben. Eigentlich nur für sich. Er war Musikstudent, und wollte eine Arbeit darüber schreiben, und wurde besessen davon. Er kam also zu mir, als wir in Holland waren auf der letzten Tournee, und ich sah die Noten, und sie waren zu ca. 70% absolut korrekt. Und das gab mir die Möglichkeit, mit ihm zusammen die Sache zu Ende zu bringen. Also, um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, bis vor 1 ½ Jahren habe ich nicht ernsthaft damit gerechnet, es jemals wieder aufführen zu können. Aber ich bin so froh, dass wir es geschafft haben, es war ein atemberaubendes Erlebnis.
Wie weit warst Du gekommen, als Du Marco trafst?
Ich hatte gerade die Grundlagen – und wohl noch Monate vor mir. Ich war nicht einmal so weit, dass ich den anderen davon erzählt hatte. Nur das Management wußte, dass ich daran arbeitete. Aber als ich Marcos Noten hatte, ging ich direkt zu den anderen und sagte ´hey, das ist es, ich glaube wir können es machen!´
Was hielten sie davon, fanden sie die Idee gleich gut?
Ja, absolut. Vor allem Ian Gillan war sehr enthusiastisch und voller Ideen für das Konzept und das Konzert.
Bei der Uraufführung war noch Richie Blackmore dabei –
habt Ihr je darüber nachgedacht, ihn zu fragen, ob er mitmachen möchte?
Nein. In erster Linie aus zwei Gründen: Er hat sein eigenes Leben mittlerweile – genau wie wir, und ausserdem haben wir einen Gitarristen. Steve ist seit fünf Jahren bei uns, und ich glaube es wäre ziemlich grob gewesen, dann Richie hinzuzuholen. Und ganz ehrlich: wir wollten auch einfach nicht! Richie ist Vergangenheit.
Ich muss noch einmal ganz weit zurück gehen: Das Concerto
stammt von Dir, was war Deine musikalische Vergangenheit, als Du bei Deep
Purple eingestiegen bist?
Ich hatte Klavier gespielt, seit ich 5 war, habe Klavier- und u.a. auch theoretischen Musikunterricht bis ich 17 war, aber was das Komponieren solcher Werke angeht, bin ich Autodidakt. Vor Purple habe ich in verschiedenen Bands gespielt – Rock, Jazz, Blues. Und dann traf ich Richie und wir gründeten diese Band. Wir hatten einen Sponsor, der “in uns investierte” (eigentlich wollte er eine Pop-Band, aber ich denke, auch mit dieser Rockband ist er ganz gut gefahren). Wir veröffentlichten 3 Alben ohne großen Erfolg bis Ian Gillan und Roger Glover hinzustiessen. Und unser erstes Projekt in dieser Besetzung war dann dieses Concerto.
Das Concerto war – trotz oder gerade auch wegen der
Kontroverse, die schon damals in allen Medien daraus gemacht wurde – ein
Riesenerfolg. Trotzdem kehrtet ihr zurück zum Rock. Habt Ihr je daran gedacht,
etwas ähnliches noch einmal zu machen?
Ich hatte schon daran Interesse, es war ja von Anfang an meine Idee gewesen – tatsächlich schrieb ich sogar ein zweites Opus (The Gemini Suite, 1970), welches wir für die BBC aufführten, aber danach sagte die Band, wir wollen so etwas nicht weiter machen. Also habe ich diese Seite eher auf meine Solo-LPs beschränkt (z.B. “Sarabande”, 1975). Andererseits haben wir als Band ja immer auch diese klassische Seite in den Songs gehabt, was auch durch Richies Liebe zur Klassik kam.
Welches Konzert war besser – das originale 1969 oder die
´99er Version?
Das ist schwer zu sagen. Sie hatten beide etwas sehr spezielles. Ich meine, damals kamen wir jungen Leute mit diesem Orchester zusammen, keiner kannte uns und alle dachten “wer sind diese langhaarigen Idioten”? 30 Jahre später kamen wir herein und das Orchester applaudierte! Sie kannten das Stück, wußten dass es funktioniert, viele hatten die Platte. Was beiden gemein war, war dass es ein unbeschreibliches Gefühl war, es aufzuführen
Mittlerweile hat die Kombination Rock und Klassik ja
wenig abenteuerliches mehr...
...das stimmt, aber ich möchte doch meinen, dass das viel unser Verdienst war. Wir waren die ersten, die so etwas gewagt haben, und seitdem sind viele diesen Weg gegangen. Deswegen ist das nichts abenteuerliches mehr, aber doch immer noch etwas sehr spannendes und effektvolles.
Und was sagst Du zu den heutigen Versuchen, diese
Kombination auszuprobieren, sei es Metallica oder z.B. auch die ´Night of the
Proms´-Serie?
Es gibt zwei verschiedene Herangehensweisen. Man kann die Musik der Band spielen, begleitet und verstärkt durch das Orchester, also das was in Deinen Beispiele gemacht wurde, und was wir auf unserer neuen CD auch teilweise gemacht haben, sprich Purple-Stücke mit Orchester. Oder man kann etwas machen, was ich ursprünglich gemacht habe: ein Konzert schreiben, speziell für diese Kombination, mit dem Versuch, diese gegensätzlichen Elemente musikalisch zusammenzubringen. Und deshalb bin ich auch immer noch sehr stolz auf das Concerto und der Meinung, dass es noch immer einzigartig ist.
Wird es noch einmal die Chance geben, diesem Ereignis
beizuwohnen?
Ja! Ich bin in der glücklichen Lage, Dir erzählen zu können, dass wir gerade Konzertdaten ausgehandelt haben: wir kommen im Oktober/November mit einem Orchester auf Tournee – was mich natürlich sehr freut, und worauf ich mich schon sehr freue.
Gibt es darüber hinaus schon weitere Planungen für Deep
Purple?
Ja, wir werden in diesem Jahr ein neues Album schreiben, welches 2001 veröffentlicht werden soll. Ich meine, wenn wir schon ein Purple-Album für´s neue Jahrhundert – oder sogar Jahrtausend schreiben, dann soll es auch ein gutes werden. Es wäre einfach, ins Studio zu rennen, und 12 kompetente Rocksongs zu schreiben, aber das würde uns auch nicht viel weiterbringen. Und damit haben wir für dieses Jahr ja auch schon genügend vor!