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Interview Oktober 2010
Es gibt eine Handvoll
deutscher Bands im Progressivrock, über die man auch über die Szene hinaus
spricht, die man kennt oder kennen sollte. Neben u.a. Sylvan aus Hamburg und
RPWL aus München gehören die Kaiserslauterer Vanden Plas definitiv dazu. In
ihrem 25. Jahr haben sie gerade ihr 6. Studioalbum veröffentlicht – ein reifes
Meisterwerk, das die Stärken der Band zusammen fasst und ausnahmslos ohne
Schwächen ein größeres Publikum verdient hat. Ich sprach mit Drummer Andreas
Lill.
Das Album kam fast
überraschend, weil man in letzter Zeit v.a. von anderen Baustellen von Euch
gehört hatte – in erster Linie aus der Theater- und Musical-Ecke. Andererseits
hatte Euer letztes Album auch vier Jahre gedauert – ist das jetzt der Rhythmus?
Tja, Deine Frage beinhaltete schon einen Teil der Antwort: Auch beim neuen Album waren manche der Songs schon zwei Jahre fertig, aber wir hatten auf Grund der anderen Verpflichtungen nie Zeit, sie aufzunehmen. Wir werden für Produktionen gebucht, und dann ist das quasi ein Vollzeitjob. Und dann muss die Band auch zurückstecken, was wir auch selber sehr bedauert haben. Umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt auch gerade mal wieder Zeit haben, mehr zu spielen – und das wollen wir auch nutzen! Aber natürlich gehen wir nicht mehr auf richtige Tournee – mit Nightliner etc. – das lohnt sich nur bei den Bands, die eben auch problemlos am Dienstag eine Halle voll kriegen, aber für kleine Bands gilt das nicht, das spielt man unter der Woche eher Nullnummern.
Du hattest auch
gesundheitliche Probleme
Ja, mir ist ein Muskel in der Schulter gerissen, das musste operiert werden, da durfte ich den Arm acht Wochen erstmal gar nicht bewegen, bis man dann wieder vernünftig trommeln kann, das dauert eine Weile. Aber andererseits haben wir jetzt, wo wir beim Aufnehmen waren, schon drei Songs für ein neues Album mit aufgenommen, weitere Lieder stehen auch schon, also wir sind guter Dinge, dass es beim nächsten Album nicht so lange dauern wird.
Was würdest du sagen,
charakterisiert das neue Album, was hat sich geändert?
Ich finde es etwas Metal-lastiger, etwas heavier. Es sind noch viele verspielte Parts drauf, aber es ist in meinen Augen eine konsequente Weiterentwicklung unseres letzten Albums, „Christ 0“. Allerdings habe ich auch schon das Gegenteil davon gehört, also weiß ich nicht, ob ich der Richtige bin, das zu beurteilen. Am progressivsten war „Beyond Daylight“ – aber ich als Schlagzeuger sehe das aus rein rhythmischer Sicht – andere sehen Progressivität vielleicht eher an der Abwechslung, an der Melodik, an den Texten oder am Konzept.
Ein Unterschied war jedenfalls, dass unser Keyboarder Günter durch seine Arbeit als musikalischer Leiter am Theater sehr eingespannt war, deswegen kam von den Kompositionen im Verhältnis mehr von Stephan, unserem Gitarristen, das wird sich also auch bemerkbar gemacht haben.
Eine Sache, die mir
aufgefallen war, ist der Bombast, inklusive der großen Chöre – auch ein
Resultat der Theaterarbeit?
Wir sind seit 1991 regelmäßig am Theater, von daher ist das nicht unbedingt ein neuer Einfluss für uns, aber in diesem Fall passten sie ins Konzept. Und durch unsere Kontakte zum Theater ist es für uns ein Leichtes, solche Chöre mal eben vernünftig aufzunehmen, das ist dann schon etwas anderes, als wenn Andy (Sänger Andreas Kuntz) das fünf Mal mit verschiedenen Stimmen aufnimmt.
Das Booklet des neuen
Albums deutet ein Konzeptalbum an. Sag etwas zur Story!
Es geht um einen Uhrmacher, der im Mittelalter in Rom lebt zu Zeiten der Pest. Und er merkt, dass an der Religionsauslegung irgendetwas nicht stimmt. Und er findet alte Bücher, in denen sich eine andere Wahrheit darstellt. Nebenbei baut er seit geraumer Zeit, einer Eingebung folgend, an einem Räderwerk, das sich letzten Endes als Zeitmaschine entpuppt. Und mit dieser Zeitmaschine hat er die Möglichkeit, zurück an den Punkt zu fahren, an dem sich diese zwei religiösen Vorstellungen trennten – die vorherrschende und die, die in den Büchern steht – wieder in eine Linie zu rücken… ich will aber auch noch nicht zuviel verraten!
Was davon ist Fakt,
was Fiktion?
Ich will auch da nicht zu sehr in die Tiefe gehen, weil man dann schnell vermutet, dass wir so eine White Metal Band sind, die christliche Rockmusik macht…
…nachdem Euer letztes
Album schon „Christ 0“ hieß…
ganz genau – obwohl sich dieser Titel ja auch Monte Christo bezog, also gar nichts Religiöses. Und natürlich hat jeder so seine eigene Religion, und Andy ist auch durchaus gläubig, aber deswegen wollen wir das nicht unbedingt in unseren Texten transportieren, damit haben wir nichts am Hut. Aber die Religion zu der zeit, in der der Uhrmacher lebt, ist natürlich nicht so dargestellt, wie wir sie heute kennen.
Also ist die Zeit, in
der die Geschichte anfängt dann Fiktion.
Ja genau. Und er hat die Möglichkeit, das wieder umzudrehen
„Christ 0“ und Andys
Soloalbum „Abydos“ sind mittlerweile als Musicals aufgeführt worden – das neue
Album wäre also die nächste Story?
Natürlich, da wären wir ja selber doof, wenn wir uns diese Vorlage nicht geben würden. Ob es dazu kommt, ist eine andere Geschichte, aber Andy hat eben eine Hand für Stories, die etwas ins Mystische gehen – was im Theater sehr gut funktioniert – und im Prinzip müsste Andy sich zwanghaft andere Texte einfallen lassen, wenn er etwas anderes schreiben wollte, also passt das so schon sehr gut zusammen.
Wie ist das denn,
wenn man sein eigenes Stück am Theater aufführen darf – ein Ritterschlag?
Natürlich, ja, das ist großartig, wenn man sieht, dass es die Leute auch interessiert, das Theater ist voll, und man selber hat das kreiert. Aber da gebührt Andy der Löwenanteil, denn am Theater muss natürlich v.a. die Story funktionieren. Bei Jesus Christ Superstar – oder Rocky Horror – stand ja die Story schon, da mussten wir ja nur für die Musik sorgen. Das hat er dann zwar mit Regisseuren noch überarbeitet, um das bühnentauglich zu ändern, aber die Musik bleibt dann zum Großteil – da wird nur hier und da etwas gekürzt, oder dazu getan.
Mit Jesus Christ
Superstar fing alles an am Theater für Euch?
Ja, da war Andy Schauspieler, wir die Musiker. Und das führte sich dann fort über Der kleine Horrorladen, Evita, Sadamus, Rocky Horror Show und dann kam Abidos. Und das letzte war Ludus Danielis, eine altes Musical aus dem Mittelalter, das bruchstückhaft überliefert war.
Und dass Ihr dann
musikalisch aufgearbeitet habt – auch noch in den letzten vier Jahren?
Ja. Da gab es nur musikalische Vorlagen für Laute etc., das musste schon noch „etwas“ verändert werden… Du siehst also, wir waren nicht untätig in den vier Jahren.
Auf der Special
Edition des neuen Albums gibt es ein Stück davon zu hören – so klang es
bestimmt NICHT im Mittelalter! Fasziniert war ich da v.a. von Andys Stimme –
für eine Live-Aufnahme in unglaublicher Perfektion!
Ja, Andy ist live noch stärker als auf Platte! Die ganze Produktion gibt es ja auch auf DVD – und Andy ist wirklich für die Bühne geboren.
Ungewöhnlich dagegen
dann der verhalten Applaus…
(lacht)…ja das ist eben Theater, das ist kein Moshpit! Das
ist schon vom Publikum eine andere Sache, vom ganzen Setting sowieso – aber das
ist schon ok so.
Schade nur, dass Ihr
mit den Produktionen meist nur in Kaiserslautern spielt – gibt es dafür nicht
auch Chancen, Euch mal woanders zu sehen?
Ja, es gab ja schon vereinzelt Engagements, z.B. in Augsburg. Aber natürlich sind wir immer interessiert an weiteren – Leipzig würden wir sofort aufsuchen!
Aber interessant ist auch, zu sehen, dass wir jetzt, wo wir signalisieren, dass wir Zeit haben, auch viele Club-Anfragen für Konzerte bekommen, und da haben wir in den letzten Jahren auch drunter gelitten, dass wir da zurückstecken mussten.
Vanden Plas hat also
durchaus noch den Stellenwert für Euch, dass Ihr den Status gerne erhöhen
würdet?
Oh ja, ganz klar. Auch, wenn sie kein großes Geld abwirft, empfinde ich diese Band als großes Glück. Auch, wenn es nicht alleine zum Leben reichen würde – aber da gibt es mittlerweile auch nur wenige Bands in Deutschland. Wir sind froh, dass wir über Vanden Plas ein so gutes Standing haben, dass uns andere Jobs „zufliegen“, sei es am Theater, in anderen Bands und Projekten, oder auch beim unterrichten. Das Alles wäre so nicht gekommen ohne die Band.
Ihr hattet ja
durchaus mal vor, Rockstars zu werden – mit selbst finanzierter Dream Theater
Supporttournee, erste Erfolge in Frankreich ließen ja schon Scorpions
Vergleiche aufkommen…
Na klar, das wollen wir natürlich immer noch (lacht)! Nein, das ist natürlich etwas, was man ausprobieren MUSS. Wir sind so geerdet, zu wissen, dass wir mit dieser Musik keine Scorpions-Dimensionen erreichen können, aber damals hatten wir die Zeit, die Energie – und sechs Wochen WAREN wir Rockstars! Wir hatten Köche, mussten uns um nichts kümmern – ich kam nach Hause und musste erst einmal überlegen, wie das normale Leben eigentlich noch geht. Aber auch heute noch werden wir auf diese Tournee angesprochen, man kann also durchaus sagen, dass es sich gelohnt hat.
Letzte Frage – noch
mal zurück zu Dream Theater: Mike Portnoy ist ausgestiegen – was ist, wenn die
jetzt bei Dir anrufen?
Ja, ich habe das erst für eine Zeitungsente gehalten. Hammer, oder? Aber wenn die jetzt…puh… also mein erster Tipp ist ja Rod Morgenstein. Oder eine Audition und die bringen ein ganz unbekanntes Genie – weil bei denen will jetzt ja Jeder spielen. Aber wenn die jetzt anrufen würden… würde ich wohl sagen, `hey Leude, ich glaub das ist mir zu anstrengend´. Ich bin ja immer dankbar, wenn wir mal einen geraden Beat haben und mal zwei Minuten keinen Break… Und ich hab jetzt schon Mitleid mit dem Neuen – weil der ja machen kann, was er will, er wird immer mit Portnoy verglichen!
Aber wenn sie jetzt doch anklopfen, überleg ich mir die Antwort noch mal!