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Interviewtermin um 17:00 Uhr, Stau!
Ankunft im Maritim Grand Hotel um 17:15 – just als Chris
aufgegeben hatte, zu warten. Perfekter Start für ein Interview.
Aus der Alternative 10 Minuten vor der Show oder 30 Minuten um
Mitternacht wähle ich die letztere – eine gute Wahl, wie Ihr
im Verlauf des Interviews lesen könnt.
Denn erst läuft mir backstage
zuvor noch Rick Wakeman vor´s Mikro, und dann scheint Chris
sowohl seine Stimme als auch seine Stimmung mit ein paar Glas Rotwein
genügend gelockert zu haben. Doch der Reihe nach: in eine
Unterhaltung mit einer jungen Dame vertieft, will man den
Tastenvirtuosen ja nur ungern stören. Doch bevor er auf mich
aufmerksam wird, höre ich „nebenbei“ Bemerkungen wie
´ich habe ein neues Hobby: ich fahre durch´s Land und sehe
mir Häuser an, die mir mal gehörten´...: es geht
zweifelsfrei um die drei Scheidungen, die Wakeman bereits hinter sich
hat. Humor ist, wenn man trotzdem lacht!
1. Rick Wakeman - Partt 2 mit Chris Squire folgt unten!
Ich habe Deine Sprüche über Deine 3 Scheidungen gerade
mitbekommen – gab es eigentlich auch finanzielle Gründe
für den Wiedereinstieg bei Yes?
Warum aus finanziellen Gründen? Ich könnte mehr verdienen als
Solokünstler. Bei Yes müssen wir alles durch 5 teilen!
Aber gehen die Solosachen nicht eh nebenbei weiter?
Nicht wirklich, dafür bleibt wenig Zeit. Wenn wir hier unterwegs
sind, konzentriere ich mich auf Yes. Das ist schwer zu mischen. Wir
werden nächstes Jahr ein Album veröffentlichen, das muss ja
auch noch geschrieben werden! Also höchstens wenn es in ein paar
Yes-Pausen dafür Gelegenheit geben wird, werde ich etwas solo
machen.
Auf der Tour bleibt also keine Zeit zu arbeiten? Wie sieht ein Tour-Tag aus für Dich?
Erst habe ich heute morgen ein Interview gegeben, dann sind wir 5
Stunden von Rotterdam hierher gefahren, ich habe meine Sachen auf mein
Zimmer gebracht und dann anderthalb Stunden an meinem Equipment auf der
Bühne gearbeitet. Dann blieb noch Zeit für eine Tasse Tee
– für die sich der Engländer ja gerne etwas Zeit nimmt
– und dann ging´s los mit der Show. So sehen meine Tage
aus. Stressig, oder?
Was hat Dich dazu veranlasst, zu Yes zurückzukehren.
Ich habe es vermisst! Ganz schrecklich. Und das Timing war endlich
richtig. Nachdem wir es selbst in die Hand genommen haben, und uns
nicht mehr auf die Managements verlassen haben, dass zu arrangieren.
Und es ist toll, zurück zu sein. Und ich freue mich auch auf die
kommenden Arbeiten am neuen Album. Es ist heute eigentlich ziemlich
genau ein Jahr her, seit ich zurück bin.
Und Du bist hier um zu bleiben?
Oh, ich gehe nirgendwo mehr hin! Es war ein wundervolles Jahr. Wir haben 86 Shows in Amerika gegeben.
War es schwer für Dich, die alten Tunes wieder drauf zu kriegen?
Nein, überhaupt nicht!
Nun, zumindest die Magnification-Stücke waren ja neu für Dich.
Ja, aber sie hatten keine Keyboards, also konnte ich machen, was ich
wollte. Ich nahm nur ein paar der Orchester-Parts, und auf der
Grundlage konnte ich improvisieren. Das hat wirklich Spaß
gemacht! Und die beiden Stücke, die wir gespielt haben, waren die
beiden, die ich mochte, es wäre schwerer geworden, wenn es welche
der anderen gewesen wären.
Ja, das stimmt, die beiden – Magnification / In the Presence of – sind die beiden besten Stücke auf dem Album.
Ja, und ehrlich gesagt, fand ich die Orchestration nicht besonders gut. Das hat es noch leichter gemacht für mich.
Und schwups, war der große Blonde mit dem schwarzen Umhang auch
schon wieder verschwunden. Kurz vor Mitternacht, also zurück ins
Hotel. „Ich komme in 5 Minuten“, ruft mir Chris noch zu und
verschwindet im Fahrstuhl. Aus 5 Minuten werden ruckzuck 30 und ich
denke mit Grausen an die 2 Stunden Rückfahrt mitten in der
Nacht... aber finally, sein Auftritt! Jogginghose, Schlabber T-Shirt
– und ein (Saft-)Glas mit Rotwein. Auf geht´s!
Part 2:
Chris Squire
Eine Tour findet in der Regel nach einem neuen Album statt – das gibt´s in Eurem Fall nicht wirklich...
Nein, das muss aber auch nicht unbedingt. Rick ist zurückgekommen,
wir sind eine Menge in den Staaten getourt, es gab eine Menge Interesse
von Promotern in Europa, also haben wir die Tour einfach fortgesetzt.
In Deutschland ist die Reaktion nicht gerade überwältigend,
in Holland haben wir gestern vor 16,000 Zuschauern gespielt, in
Deutschland kommen gerade mal 2-3,000. Keine Ahnung woran das liegt.
Also hat die Tour auch nichts mit den Re-Releases zu tun?
Nein, mehr mit Rick. Und neben den Re-Releases haben wir ja auch die
sehr edle 5-CD-Box „In a Word“ veröffentlicht. Eine
tolle Box, eine gelungene Compilation. Ich muss das sagen (lacht).
Hattet Ihr irgendwelchen Einfluss auf die Re-Releases oder die Box?
Nein, nicht wirklich, Steve Howe ein bisschen, aber im Prinzip
können wir darauf vertrauen, dass sie wissen was sie tun. Und sie
sind gut darin, diesem Download-Problem zu begegnen, indem sie einfach
wirklich wertvoll aufgemachte CDs veröffentlichen. Musik ist
längst mehr geworden als nur Songs, die gibt´s nämlich
auch im Netz.
Ian Anderson hat auf meine Frage, ob er auf einer Best-of Tour
wäre gesagt, jede Jethro Tull Tour wäre schon immer eine
Best-of Tour gewesen – ist das das gleiche mit Yes?
Nein. Wir haben heute 2 neuere Stücke von Magnification gespielt
und ich habe immer gesagt, dass ich nur touren möchte, wenn es
nicht auch neue Sachen zu präsentieren gibt. Das ist meine Regel.
Greg Lake hat mir mal gesagt, ich habe 15 Songs, die ich spiele, das
ist mein Leben. Das will ich nicht. Wir spielen ein paar davon und
immer wieder Überraschungen.
Ihr habt Solo-Parts, die Ihr in den Shows einbaut, die Yes-Songs geben
wenig Gelegenheit zur Improvisation – was ist die
Herausforderung, live zu spielen?
Musik ist eine fließende Angelegenheit. Sie nimmt erst Form an im Zusammenspiel zwischen Musikern und Zuschauern.
Aber reagiert Ihr wirklich auf die Zuschauer?
Wir haben ein tolles Line-Up, und wir können kaum mehr tun, als
die Set-List ein bisschen hin und her zu tauschen. Dann lassen wir mal
Starship Trooper einfach weg, und bauen dafür „All good
people“ ein, warum nicht? Und es wird einfach immer besser!
Verdient Ihr Geld mit dieser Tour – oder Respekt?
Nein, es fällt schon etwas dabei ab. Obwohl es in Deutschland nicht so einfach ist, wie in Amerika.
Wie kam es zur Rückkehr von Rick Wakeman?
Wir haben das seit 1996 geplant! Und irgendwie haben wir es nicht
geschafft, die Zeitpläne aufeinander abzustimmen. Dann hatte er
wieder etwas neues angefangen, dann waren wir gerade ein einem anderen
Projekt, es war unglaublich. „Logistik-Probleme“, lustig,
nicht wahr? Einfach Zeit, nichts persönliches.
War die Trennung damals eine persönliche Sache?
Ach weißt Du, das Musikbusiness ist eine mysteriöse Sache. Rick ist zurück, und es ist super.
Ihr hattet viele verschiedene Keyboarder, was ist anders mit Rick?
Er gehört zur Einheit. Wir zur selben Zeit aufgewachsen, im selben
Stadtteil von London wie ich, wir haben die selbe Kindheit verbracht.
Die Sachen, die man hört, die einen beschäftigt haben –
all diese Sachen lassen eine sympathische musikalische Geschlossenheit
entstehen – man bin ich gut heute nacht! Heute nachmittag
hättest Du nicht mehr als Ja, nein und Okay gekriegt! Aber ich
sollte das nicht zur Gewohnheit werden lassen.
Ist Magnification in Ermangelung eines Keyboarders entstanden, oder umgekehrt?
Nein, wir wollten so etwas machen, und die Zeit war günstig. Billy
war ausgestiegen, Igor war ausgestiegen, wir hatten keinen Keyboarder
also passte es perfekt. Und es war eine wahnsinnige Erfahrung.
Gibt es weitere Pläne für so etwas?
Nein, das haben wir ja jetzt gemacht. Es ist wirklich ein hartes
Stück Arbeit gewesen. Und: Gitarristen hassen Orchester, das musst
Du Dir merken. Steve (Howe) hat mitgemacht, aber er hat es gehasst. Das
ist eine Krankheit unter Gitarristen. Sie glauben, das Orchester
stiehlt ihnen die Show.
Yes haben viele verschiedene Stationen durchgemacht in ihrer Karriere,
was würdest Du sagen, hat sich geändert, und was hat sich nie
geändert?
Die Fans! Sie sind uns treu geblieben! Musikalisch hat sich immer etwas
verändert. Wir sind jetzt fast unglaubliche 35 Jahre unterwegs.
Das musst Du Dir mal vorstellen! Als wir anfingen, habe ich an 6 Jahre
gedacht! Ich meine, die Beatles gab es von 1963 bis ´69 –
also dachte ich 6 Jahre wären eine Karriere (lacht)! Und Musik
muss sich immer verändern. Wer weiß, das nächste Album
könnte die Welt verändern, und alle Welt wird es kaufen. Wer
weiß?
Nun, die letzten Alben waren ja eher wieder ein Schritt zurück zu Euren Wurzeln, oder?
Ja. Nein. Ach, ich glaube, „Open Your Eyes“ war gut,
„The Ladder“ war nicht so gut, außerdem wird uns
nachgesagt, dass wir unseren Produzenten umgebracht haben dabei. Er ist
während der Arbeiten an dem Album gestorben. Ich glaube, er hatte
einfach zu viele Dinge auf einmal getan. Ich halte es nicht
für unmöglich, dass Yes im nächsten Jahr ein Album
veröffentlichen, das sehr, sehr viele Leute lieben werden! Alles
worauf es ankommt, ist das richtige Feeling.
Genesis haben sich aufgelöst, von Pink Floyd hört man auch
nichts mehr, es sieht so aus, als ob Ihr die Progressive Rock Fahne
aufrecht erhalten müsstet!
Ja (grinst). Und außerdem waren wir eh immer die besten Spieler!
Gibt es noch Herausforderungen für Dich mit Yes?
Natürlich, ich will immer etwas neues und besseres machen. Es
wäre lustig, wenn Yes wieder einen großen Hit hätten.
Dann würden plötzlich wieder alle ankommen und sagen
„habe ich es nicht gesagt?“. Und es ist möglich. Frank
Sinatra hatte auch über mehrere Jahrzehnte immer wieder Hits.
Nebenbei gibt es ein neues Album von Dir und Billy Sherwood unter dem
Namen Conspiracy – wo liegt der Unterschied für Dich zu Yes?
Es ist ein anderer Ansatz. Ich will, dass es anders ist. Und wenn man
als Duo arbeitet, dann schafft man es auch, dass es so geschlossen ist.
Mit 5 Leuten ist das etwas anders. Es kommen viel mehr Ideen und
Vorstellungen mit rein.
Warum hat Billy Yes verlassen?
Ach es waren mehrere Gründe. Es gab verschiedene Dinge für
ihn zu tun, alle möglichen Leute wollten, dass er sie produziert.
Und außerdem hatte Steve Howe ein Problem mit einem zweiten
Gitarristen neben sich. Also hatten wir eine Diskussion, Steve blieb
und Billy stieg aus.
Wäre die Alternative gewesen, dass Steve geht?
Nein, so wurde das eigentlich nie gesagt. So wie es ist machte es schon
Sinn. Jon kam zu mir und sagte, wir hätten dieses Problem, und ich
glaube wir haben es ganz gut gelöst.
Ich liebe es, mit Billy zu arbeiten, weil es einfach so einfach
ist. Wir passen wunderbar zusammen. In 98% der Fälle sind wir
einer Meinung. Meist denken wir sogar das Selbe.
Und das obwohl ihr nicht im selben Alter seid...
Nein, aber wir sind beide Sternzeichen Fische. Wir sind beide sehr produktiv, bewegen uns immer weiter.
Das Album ist also eine gleichwertige Zusammenarbeit?
Ja, genau wie beim ersten.
Was ist der Unterschied zum ersten Album?
Das erste Album war eine Sammlung von Musik und Songs, die wir zwischen
1989-97 zusammen geschrieben hatten, beim zweiten haben wir uns gesagt,
lass uns ein 2. Album machen. Allerdings hat es aufgrund unserer vollen
Zeitpläne immer noch knapp 3 Jahre gedauert, bis wir es endlich
veröffentlichungsreif hatten. Ich glaube, die das neue Album ist
in sich geschlossener. Und es sind ein paar wirklich ein paar klasse
Songs darunter!
Was macht Billy sonst derzeit?
Er arbeitet mit Trevor (Rabin). Weil der so unglaublich viel Arbeit
hat. Der macht Miliarden mit seinen ganzen Filmmusik-Arbeiten. Und
jetzt soll Billy ihm helfen. ´I lost my bitch´ – eine
amerikanische Redensart, sprich ich habe meinen Partner verloren.
Schnief. Und ich schätze er macht 10mal so viel Geld damit!
Das Debüt erschien noch unter dem Namen Squire/Sherwood, der neu
gewählte Bandname suggeriert, dass eine Fortsetzung nicht wirklich
geplant war.
Nein, man weiß ja nie, was noch passiert. Auch jetzt könnte
ich nur sagen, dass es vielleicht ein weiteres Album gibt, vielleicht
auch nicht. Momentan ist es wahrscheinlich, aber was bringt die Zukunft?
Gute Frage. Wo siehst Du Dich in 10 Jahren?
Ich bin jetzt 55, in 10 Jahren werde ich ein bisschen älter sein,
aber nicht so viel. Also was soll sich schon groß ändern? So
schnell sind Yes nicht unterzukriegen!