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Es geht doch noch weiter! Nach acht Jahren Pause gibt es
endlich eine Fortsetzung – und ein drittes Album! „Falling Satellites“ macht da
weiter, wo Jem Godfrey auf dem
ersten Albumdoppel „Milliontown“ (2006) und „Experiments In Mass Appeal“ (2008)
angefangen, bzw. auch wieder aufgehört hatte. Gemeinsam mit John Mitchell (u.a.
It Bites), Nathan King (Level 42) und Craig Blundell (Steven Wilson) ist dieses
Album ein Feuerwerk an Ideen, Inspirationen und Innovationen. Eine spannende
Mischung aus modernem Rock, elektronischen Ausflügen und diversen
70s-Prog-Elementen. Höchste Zeit, bei dem englischen Produzenten und
Songwriter wieder mal durchzuklingeln.
Wir hatten schon
mal das Vergnügen!
Ja, ich weiß. Aber das ist acht Jahre her!
In der Tat! Eine
lange Zeit. Trotzdem scheint die Nachfrage groß zu sein, wenn ich sehe, wie
schwierig es ist, einen Termin bei Dir zu bekommen.
Ja, und das obwohl es so lange relativ ruhig um uns war.
Naja, ihr wart
zwischendurch ja immerhin live aktiv.
Ich habe v.a. vier Kinder groß gezogen, das war noch mehr
Arbeit.
Wow, Gratulation.
Das ist gut über dem Durchschnitt!
Vielen Dank. Und es ist sehr laut am Frühstückstisch.
Deswegen bin ich so gerne im Studio – es ist der leiseste Platz im Haus.
Oh, sorry dear, I
have to do an interview…
Ja (lacht) und nun schon wieder… (lacht)
OK, dann lass uns
loslegen – denn es gibt ein sehr spannendes Thema! Ihr habt es geschafft,
nebenbei oder trotzdem oder wie auch immer ein neues Album einzuspielen!
Ja, und es ist ein Abschied vom letzten Album, und noch
dichter am „Milliontown“ Album, als an „Experiments“. Ich finde, „Towerblock“
(vom neuen Album, Anm. d.Red.) und „Black Light Machine“ („Milliontown“, Anm.)
sind wie Cousins.
Warum also ein
Abschied?
„Experiments“ war ein sehr dunkles, gitarrenbasiertes,
sehr wütendes Album, das neue ist viel optimistischer.
Hast Du eine
Erklärung dafür?
Ich denke, ich bin heute glücklicher, als früher. Ich
hatte so viel mit Pop zu tun und es war sehr stressig. Ich denke auch, dass das
Album überstürzt war. Ich habe dem Album auch zu wenig Zeit gegeben. Wir hatten
die Veröffentlichung schon angesetzt. Wenn ich es heute höre, denke ich, oh,
das hätte ich besser hinkriegen können. Ich habe schon darüber nachgedacht, ob
ich es noch einmal remixe und neu herausbringe, weil es doch ein paar sehr gute
Songs hat, die nur noch ein bisschen mehr Zeit gebraucht hätten. Für das erste
Album hatte ich so unendlich viel Zeit – und die Leute liebten es – aber ich
mochte es nie so.
Im Ernst? Damit fing
doch alles an. Und ich erinnere mich daran, dass, als wir uns 2006 darüber
unterhielten, du sehr enthusiastisch warst – und so viele Pläne hattest. Nur
kurze Zeit später kündigtest du an, dass du Frost* beenden würdest. Was war
passiert?
Es hatte verschiedene Gründe. Ganz ehrlich, ich hatte
große Pläne und Wünsche für diese Band, aber ich habe gelernt, dass ich den
Mund nicht mehr so voll nehmen darf. Ich fürchte, ein paar Dinge, die ich
damals gesagt habe, sind mir heute eher peinlich.
Also warst Du enttäuscht
von dem, wie es gelaufen ist?
Ach, ich hatte solche Pläne, wie fünf Alben in fünf
Jahren – was eigentlich gar keine soo schlechte Idee war… - aber Frost* waren
nie da angekommen, wo ich sie haben wollte. Aber das hatte auch mit dem
Download-Problem von Musik zu tun, dann kamen die Kinder dazwischen – die
Musikerkarriere war plötzlich nicht mehr so einfach.
Ich dachte, Frost*
war ohnehin immer nur als Nebenprojekt geplant?
Das stimmt, aber ich konnte ihm aufgrund der äußeren
Umstände einfach nicht genug Zeit widmen. Und dann wartete ich lange darauf,
dass mir neue Songs zufliegen würden, aber sie kamen nicht – und letztes Jahr
kamen sie plötzlich alle auf einmal. Aber ich habe das Thema noch bedeckt
gehalten, bis es soweit war – und habe auch die Band erst kontaktiert, als ich
genügend Songs zusammen hatte.
Das war eine
meiner Fragen – zu welchem Grad ist dies Dein Baby?
Ich schreibe das meiste – auch mit John (Mitchell). Ich
liebe es, mit ihm zu arbeiten, wir sind uns in vielen Dingen sehr ähnlich. Wir
teilen dieselben Einflüsse und sind uns sehr nahe. Leider nicht geografisch,
aber das ist heute ja nicht mehr ganz so schlimm. Schon eher die Tatsache, dass
er so beschäftigt ist und alle drei Stunden ein neues Album veröffentlicht. Ich
komme also mit den Ideen zu den anderen und sie fügen ihre Ideen und ihre
Charakter hinzu. That`s it.
Inwieweit ist –
ich wollte diese Frage später stellen, aber wenn wir den ersten Teil schon
abgehakt haben, mache ich das jetzt: Inwieweit ist Frost* die Essenz dessen,
was Du in Musik gut findest?
Hmm, ich glaube, Frost* ist dem am nächsten, was mir im
Kopf umhergeht. Ich habe ja durchaus andere – Pop-basierte – Projekte und da
sind so viele andere Faktoren im Spiel, aber ja: Frost* ist durchaus die Essenz
dessen, was ich bin. Manchmal träume ich Musik – und mit Frost* kann ich
umsetzen, was ich erträume.
Du schaffst es,
aufzuschreiben, was du geträumt hast?
Wenn ich schnell genug bin, ja. Melodiefetzen, Textideen. Manchmal wache
ich um 3 Uhr auf und denke, ja, das war so gut, das kann ich mir merken, und
dann wache ich um 7 auf und merke, oh shit, wie war das noch. Deswegen gehe
ich, wenn ich mit einem guten Chorus aufwache, jetzt immer sofort runter und
schreibe ihn auf.
Jetzt weiß ich
auch, was du meintest mit `ich wartete auf Songs´…
Ja, es muss einen Teil in meinem Unterbewusstsein geben,
der mich anschreit: „Wake up, Godfrey!“ Aber ich hab mein Studio im Gartenhaus,
da muss ich 30m hinsprinten, um das zu speichern, aber ich schaff das
mittlerweile im Dunkeln.
Das neue Album hat
ja einen sehr modernen, leicht elektronischen Touch – was den Trend des zweiten
Albums fortsetzt, oder?
Joaahhh… was denkst Du noch über das Album?
Ich fragte mich anfangs, ob das noch
Prog ist?
Ja, ich denke schon!
Das erste Album
war sehr typischer IQ-Prog, das zweite war moderner – und das neue Album setzt
das fort und dürfte auch noch mehr für nicht Prog-Puristen interessant sein; es
ist offener im Rock-Ansatz.
Heute ist ja sehr viel Prog v.a. Prog-Metal. Es geht
immer um Gitarren und harte Riffs. Abgesehen von Big Big Train, die sind von
solch einer Entwicklung verschont geblieben. Und die Keyboarder müssen immer
gegen die Gitarren ankämpfen. Ich vermisse die Tage, in denen die Keyboards ein
wichtiges Soloinstrument waren. Das ist auch ein Ansatz, in dem John und ich
uns schön ergänzen. John macht Musik, wie Steve Hackett sie machen würde und
ich eher so, wie Tony Banks sie machen würde. Aber beides ist Prog. Und das
Album hat lange Stücke, es gibt eine Menge Soli, es gibt viele Prog-Trademarks,
aber das Endergebnis ist kein typischer, traditioneller Prog.
Nun wie gesagt,
ich fragte mich anfangs… spätestens in der Mitte der “Sunlight”-Suite ist diese
Frage eh obsolet.
Aber auch „Lights Out“: du meinst, das ist ein Popsong?
Es ist ein Song über eine Schwangere, die bei einem Autounfall stirbt. Und ein
Song über ein sterbendes Kind ist bestimmt kein Pop. Gut, ist es deswegen jetzt
Prog? Kate Bush oder Peter Gabriel würden einen solchen Song schreiben – und
das hat mich beeinflusst. Süße Sounds und heftige Themen. Thomas Dolby konnte
das auch.
Interessanter
Gedanke. Wir sprachen beim letzten Mal übrigens über Kevin Gilbert – hattest du
mittlerweile Zeit, seine Musik kennenzulernen?
Ja, hab ich! Und es ist mir peinlich, dass ich beim
letzten Mal so ignorant über seine Arbeit war. Und ich sehe die Parallelen
unserer Arbeit.
Kevin hat auch
Musik gemacht, die weder Pop noch Prog war.
Genau. Es geht gar nicht immer um die typischen Rhythmen
und Breaks und Solos. Nicht immer.
Nicht immer. Apropos
Big Big Train! Wie bist Du auf ihrem Album gelandet?
Ich kenne Greg (Gregory Spawton) seit vielen Jahren. Wir
haben in den 90ern schon mal was zusammen gemacht. Sie sind eine der
klassischen britischen Progband, sie sind schon so lange dabei uns haben so
tolle Alben gemacht. Und dann kam es dazu, dass ich dieses Keyboardsolo auf
ihrem Album “The Underfall Yard” gespielt habe – und daraus entstand die
Zusammenarbeit mit Joe Satriani. Was für eine lustige Geschichte. Das war echt
eine spannende Odyssee!
(XTCs Dave Gregory
hörte das Stück – und hörte danach von Mike Keneally (ex-Zappa), dass er einen
Ersatzkeyboarder für ein paar Joe Satriani Shows suchte, weil er 2010 nicht in
die UK kommen könnte; Godfrey übernahm diesen Job – und spielte danach Keyboards
auf der kompletten europäischen Joe Satriani / Steve Vai-G3-Tour 2012! Im
Gegenzug spielte Satriani ein Solo auf dem neuen Frost* Album!; Anm. der Red.)
Ich habe Dave Gregory bis heute nicht getroffen! Und er
sagte, oh, klar: Jem Godfrey! Und der Anruf bei mir kam aus heiterem Himmel. Er
sagte, ´Hi hier ist Mike Keneally´ und ich dachte, ´oh my god!´. Er fragte, ob
ich ihn für drei Shows ersetzen könnte und ich dachte erst, och nö… aber
letzten Endes fand ich es doch spannend – und dann veränderte es mein Leben!
Das Big Big Train Keyboardsolo hat mein Leben verändert!
Hat Joe Satriani
dein Album gehört?
Ja, er sagte, er liebte die Melodien und die Songs und es
wäre eine große Ehre für ihn. Naja, wieviel davon auch immer der Wahrheit
entspricht, es ist eine Ehre für mich!
Ich muss auch noch
nach dem Chapman Board fragen. Wie kamst du dazu?
Ich fand den Klang interessant. Man kennt ja den Chapman
Stick – und das Board ist eine günstigere Variante davon, es wird aus einem
einzigen Stück Aluminium gemacht.
Was macht den
Sound aus?
Ich bin Keyboarder, ich bin ein schrecklicher Gitarrist. Aber das Board ist
eine neue Art Mittelding für mich, die mir die Chance gibt, mal von den Tasten
wegzukommen – und mir auch neue musikalische Möglichkeiten gibt.
Wie viele Saiten
hat das Board?
Zehn. Und man schlägt es mit den Fingern an, so wie den
Chapman Stick. Das wird oft für New Age Music verwendet. Und es reizte mich,
weil man es ein bisschen wie ein Keyboard spielen kann.
Apropos wegkommen
vom Keyboard: Gibt es eigentlich live-Pläne?
Ja, wir hoffen auf Möglichkeiten noch in diesem Jahr. Aber ich kann noch nicht
versprechen, dass ich dann schaffe, live das Chapman Board zu spielen.
Eine Frage noch zu
deinem „anderen“ Job – nicht dass ich den Namen vorher kannte, aber ich bin bei
meinen Recherchen darüber gestolpert: Was macht Shayne Ward heute?
Shayne Ward?! Ich hab keine Ahnung. Musik wahrscheinlich. Und wahrscheinlich
lebt er irgendwo im West End. Da landen sie doch alle früher später, oder?
Nun, immerhin hat
er deinen Namen recht bekannt gemacht, oder?
Ja, das stimmt, aber ich habe ihn nie getroffen. Ich habe
diesen Song geschrieben – oder co-geschrieben, um genau zu sein – und habe ihn
weggegeben und neun Monate nichts mehr davon gehört. Und aus irgendeinem
unerfindlichen Grund wurde er auserwählt, der Gewinnersong für The UK X Factor zu sein. Das war alles.
Das war nicht
einer der Songs, die Du träumst?
Nein! Absolut nicht. Das ist eine andere Art, Songs zu
schreiben. Beim Pop geht es eigentlich nur um eine einzige gute Hookline.
Geht es darum
nicht immer?
Ja, absolut. John ist super darin. Wenn man keine gute
Hookline hat, wird es anstrengend, zuzuhören. Emotionen kommen von der Melodie,
nicht von irgendwelchen Soli.
Der ganze Rest ist
doch nur dazu da, den Song interessant zu machen.
Es geht um die richtige Balance. Du brauchst melodische
Abschnitte und technische Abschnitte. Deswegen sollte eine Band auch nie nur
eine Sache machen. ´Hallo. Wir sind eine Instrumentalband. Hier sind 4000 neue
Noten!“ Animals As Leaders wären z.B. eine grandiose Band, wenn sie einen
Sänger hätten, finde ich. Instrumentalstücke sind fein, aber nach 4, 5 Stücken
langweilt es mich.
Es kann aber auch
nicht jeder einen so guten Sänger haben wie Du! Mittlerweile ist es – neben
Deiner Rolle als Sänger – John. Ich liebe seine Stimme!
Er hat eine wundervolle, freundliche, friedliche Stimme.
Er hat diese universelle Gabe, jedem Song das gewisse Etwas mitzugeben. Er ist
ein sehr komplizierter Charakter, ich liebe ihn innig! Aber er hat diese Stimme.
Auch live hat er diese Präsenz. Wenn er ans Mikro geht, hört ihm der ganze Saal
zu. Ich wünschte, ich hätte ein Zehntel davon!