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Interview 2004. Ältere Interviews mit Marillion hier: 1998 - 2002
Marbles - Murmeln!
Das 13. Studioalbum von Marillion ist ihre erste (Studio-) Doppel-CD und
präsentiert die Briten auf einem kreativen Hoch wie auch zeitgemäß voll auf der
Höhe. Das entschädigt sogar für die lange Wartezeit von fast 3 Jahren – auch
das eine ungewöhnlich lange Zeit für das Quintett. Schlagzeuger Ian Mosley
verriet uns die Hintergründe.
Euer letztes Album erschien 2001 – eine verdammt lange Zeit für Euch!
Ian Mosley: Das stimmt, es ist eine lange Zeit. Allerdings, da dies ein Doppel-Album ist, hat das Schreiben die meiste Zeit gekostet. Unser Songwriting ist ja sehr organisch. Wir schreiben zu fünft in einem Raum, jammen und sehen, was passiert. Und da kann es schon mal ein paar Tage dauern, bis wir eine Idee entwickelt haben, die wir auch wirklich verwenden. Manchmal geht es auch viel schneller.
Ich muss aber auch zugeben, dass vieles sehr viel länger gedauert hat, als nötig. Dave, unser Producer hatte uns nach den Aufnahmen zu jeder Menge Re-Recordings gebeten, um Overdubs zu machen. Und ständig musste irgend jemand wieder hin, um etwas neu einzuspielen – und im Endeffekt
Wann stellte sich
heraus, dass es ein Doppel-Album werden soll?
Mosley: Anfangs passierte nicht viel, das Schreiben ging sehr langsam voran. Und plötzlich hatten wir immer mehr, ja: „Tonnen von Material“. Nicht unbedingt alles bis zu Ende entwickelt, aber sogar jetzt, nach dem wir das Album fertig haben, ist noch Material übrig, das wir für ein nächstes Album verwenden könnten (lacht).
Na dann dauert das nächste Album ja nicht wieder so lange... oder sollen die Sachen als Single-B-Seiten erscheinen?
Mosley: Hmm, ich glaube, sie sind zu gut für B-Seiten. Den Fehler haben wir früher schon mal gemacht...
Und die Story zum
Albumtitel kommt von Steve (Hogarth, dem Sänger der Band)?
Mosley: Jein. Konzept ist vielleicht übertrieben. Es fing alles an mit einem Gedicht, das Steve geschrieben hatte, und unser Produzent sagte, ob wir das nicht in vier Teile aufsplitten wollten, und so entstanden die vier Marbles-Parts, die das Album sozusagen zusammenhalten. Aber abgesehen davon kann man jeden Song auch für sich betrachten – nicht wie bei „Brave“, wo die Songs doch sehr stark zusammen hingen. Es gab also dieses Gedicht, in dem Steve sich erinnert, wie es war, als Kind mit Murmeln zu spielen, und wie wertvoll sie für Kinder sind. Man möchte sie nicht verlieren. Gleichzeitig ist es eine englische Redensart, dass wenn man ´seine Murmeln verliert´, dass man nicht mehr bei Sinnen ist. Das war also ein nettes Wortspiel. Zumal ich glaube, dass wir alle unsere Murmeln nicht mehr beisammen haben. Die haben wir schon in den Achtzigern bei unseren langen Aufnahmen in Berlin verloren... (lacht)
Das heißt, Ihr habt
sie ertränkt?
Mosley: Ja, ertränkt in unseren Sorgen (lacht). Wenn man lange genug in diesem Business ist, kann man nicht normal bleiben, glaube ich.
Die Texte haben also
sind nicht wirklich etwas miteinander zu tun?
Mosley: Nicht direkt. Ich meine, es sind alle Steves Texte,
und sie haben alle mehr oder weniger mit seiner Sicht des Themas zu tun. Es
geht um das Leben, und ich denke schon, dass man eine Art Konzept heraus
filtern kann, aber ich meinte, dass die Songs an sich unabhängiger sind.
Was kannst Du zur Musik sagen?
Mosley: Ich hörte jemanden sagen, es sei eine Mischung aus den Harmonien von „Afraid of Sunlight“ und den Sounds von „Anoraknophobia“, unserem letzten Studioalbum. Und das ist sehr gut, finde ich. Dann haben wir ja alles richtig gemacht. Ich hasse es, zu denken, dass wir uns mit einem neuen Album nicht in einer Richtung weiter entwickelt hätten. Ich möchte nicht zu den Musikern gehören, die das selbe Album immer wieder machen, und ich glaube, dass wir dazu auch nie gehörten.
Das Album ist sehr ruhig, oder?
Mosley: Mit einigen rockigen Ausbrüchen, ja vielleicht. Ich denke, es ist ein sehr modernes Rock-Album. Ich glaube nicht, dass Marillion jemals sehr gut im „abrocken“ waren, wir sind eher leidenschaftlich, heavy, dramatisch, aber Rock im Sinne von ´geradeaus´ - das war nie unser Ding.
Während diese „Ausbrüche“ früher bombastisch oder episch waren, scheinen sie auf dem neuen Album eher aggressiv zu sein.
Mosley: Ich denke, auf dem neuen Album haben wir beides. Aber es stimmt, diese eher aggressive Seite repräsentiert eher die „neueren“ Marillion.
Wann immer ich mit Steve H gesprochen habe, hatte ich den Eindruck, dass er wenig Wert darauf legt, alte ´Marillion-Traditionen´ zu pflegen.
Er liebt einige der alten Songs, andere nicht so sehr, das ist sein persönlicher Geschmack. Und die er mag, die haben wir immer mal gespielt, und er hat sich wunderbar eingebracht – also was will man mehr von einem neuen Sänger einer Band erwarten?
Schon richtig, aber worauf ich eher anspielte war das Komponieren neuer Songs.
Wir können nur das machen, mit dem wir uns selber wirklich wohl fühlen, alles andere hätte keinen Wert. Und auch der Sänger und Textschreiber muss sich in dem Song wohl fühlen – er muss ihn performen. Gleichzeitig kann ich sagen, dass wir viele gemeinsame Nenner haben. Und im Endeffekt: wir sind über 20 Jahre zusammen. Und was kann für eine Band wichtiger sein, als sich weiter zu entwickeln? Ich denke, es gäbe nicht schlimmeres, als schon vorher zu wissen, wie ein Album klingt.
Man befremdet die alten Fans manchmal, wenn man neue Sounds
ausprobiert, aber die andere Seite ist, dass man es spannend hält für alle.
Das Album ist als
Doppel-Album konzipiert – in die Läden kommt aber nur die Einzel-CD, kannst Du
das näher erklären?
Mosley: Unser Vertrieb ist EMI, und sie wollten keine Doppel-CD. Also veröffentlichen sie eine CD, und wenn sich der Käufer entscheidet, die zweite haben zu wollen, kann man sie über unseren Fan-Shop dazu bestellen.